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<M Pqscha'S beseitigt. — Gestern stürzte dahier in der Vorstadt St. Antoine ein schon biö zum dritten Stockwerke aufgesührtes neues HauS mit gewal tigem Krachen zusammen. AuS den Trümmern zog man sechs Arbeiter hervor, wovon zwei gleich nachher starben; die vier anderen waren nur loscht verletzt. England. London, 3. Nov. Die „Times" bringt so eben eine telegraphische Depesche ihres Wiener Correspondenteu, worin derselbe mel det, England, Oesterreich und die Türkei hatten am 23. Oct. sestgesetzt, daß die Besetzung deS schwarzen Meeres, so wie der Douaufürstenthümer sortdauern solle. (Also eine Separat-Allianz?) Der Niagara bringt die Nachricht aus New-Z)ork, daß Walker Costarica nnd dessen Verbündete angegriffen und zurückgetrieben habe. Walker behaupte den Sieg, obgleich er mit 1000 gegen 4000 Mann kämpfte; der Verlust deS Feindes belief sich anf HOO Mann. — Car pentier, der berüchtigte Nordbahn-Dieb, wurde bei Newburg gefangen. Italien. Florenz. Der „Monitore ToScano" meldet: „Die Ver mahlung Sr. k. Hoheit deS Erzherzogs Ferdinand, Erbprinzen von Tos cana, mit Ihrer k. Hoheit der Prinzessin Anna Maria, Tochter Seiner Majestät deö Königs Johann von Sachsen, ist definitiv auf den 24. No vember anbcraumt." Mannichfaltiges. Liebesgeschichte eines PLni- (Pawnee-) Indianers. (Schluß.) Wolfs Bruder strich Tag nnd Nacht um die Veste herum. Hätte er bei Tage den Hügel weit genug erstiegen, um seinen Gegner angreifen zu können, so würde er sich dadurch hilf- und nutzlos der Büchse des jungen KriegerS ausgesetzt haben; bei Nacht konnte er sich nicht einmal an den Fuß des Hügels wagen, ohne daß der Hund seinen Herrn durch Bellen von der nahenden Gefahr in Kcnntniß setzte. Endlich verfiel er auf eine Kriegslist: durch aufmerksame Beobachtung der Elgcnthümlichkeiten von Jung-Adlers Weibe, die, um ihren Gatten Nahrung zu bringen, häufig ab- und zuging, gelang cö ihm ihre Kleidung, ihren Gang und ihre Ma nieren so vollständig nachznahmen, daß er Hund und Mann zu täuschen hoffte. Dieser Plan wurde geschickt ausgeführt. Der Hund wedelte mit seinem Schwanz, nnd sein Herr sprach den Rächer an, als wäre er sein Weib, da sie beide nur noch wenige Fuß vou einander entfernt waren. Plötzlich aber warf sich der mnthige Hund, der seinen Zrrthum erkannt hatte, dem Feinde mit wüthendem Geschrei an die Kehle und riß ihn zu Boden. Jung-Adler beraubte ihn der Waffen, und fesselte ihm die Arme; im nächsten Augenblick aber ließ er ihn hochherzig wieder frei und sandte ihn, bewaffnet wie gewöhnlich, nach Hause. Dicß war der Wendepunkt in dem Drama. Der Blutvcrgießer un terwarf sich der Gerechtigkeit des Stammes, um cin Lösegeld anzub eten, oder, wenn dieses verworfen würde, sein Leben widerstandslos auszuhau- chcn. Am bestimmten Tage trafen die Parteien auf einem offenen Platze mit Hunderten ihrer Genossen zusammen, um Zeuge deS Austritts zu seiu. Jung-Adler, völlig unbewaffnet, wurde zuerst auf den Boden nicdergcsetzt und an seine Seite cin breites Messer gelegt, mit dem er erstochen werden sollte, wenn das Lösegeld nicht angenommen wurde. Neben ihn setzte sich sein Weib, seine Hand in der ihrigen haltend, während die Augcn*selbst alter Männer mit Thränen sich bcseuchteten. Ihnen gegenüber, und so nahe, daß daö verhängnißvolle Messer leicht ergriffen werden konnte, stand die Familie des erschlagenen Wolfs, der Vater an der Spitze, durch welchen die Frage über Leben und Tod entschieden werden sollte. Er schien tief bewegt und mehr traurig als racheerfüllt. Eine rothe Decke wurde nun hcrvorgebracht und auf deu Boden auSgebrcitet. Sie bedeutete, daß Blut vergossen worden, welches nicht gesühnt sei, indem der rothe Fleck noch vorhanden. Sodann ward eine ganz blaue Decke über die rothe gelegt. Sie drückte die Hoffnung aus, das Blut könne wcggcwaschen werden im Himmel, daß niemand mehr dessen gedenke. Endlich wurde eine ganz weiße Decke darüber gebreitet, als Sinnbild deS Wunsches, daß nirgends auf Erden oder im Himmel cin Flecken Blutes mehr übrig bleibe, und daß die Blutthat überall, und von allen, vergeben und vergessen werden solle. Diese Decken waren zur Aufnahme des Lösegelbö bestimmt. Die Freunde Jung-AdlerS brachten Waaren verschiedener Arten, und häuften sie vor dem Vater des Erschlagenen anf. Er betrachtete sie eine Weile schweigend, und wandte dann sein Auge auf daS verhängnißvolle Messer. DaS Weib Jung-Adlers schlang ihre Arme um den Hals deS Gatten, und richtete ihre scheuen ausdrucksvollen Augen flehentlich auf deö alten Mannes Angesicht, ohne ein Wort zu sprechen. Dieser streckte seine Hand eben nach dem Messer ans, als er jenen Blick, der sein tie stes Innere be rührte, wahrnahm. Er hielt inne: seine Finger bewegten sich krampshaft, faßten aber den Grits des Messers nicht. Seine Lippen zitterten, und eine Zähre trat in seine Augen. „Vater, sagte der Bruder, er hat mein Leben geschont." Der alte Mann wandte sich weg. „Ich nehme das Lösegeld an, jagte er; daS Blut meines SohneS ist abgewaschcn. Ich sehe unn keinen Flecken mehr an der Hand Jung-AdlerS, nnd er soll die Stelle meines SohneS cinnehmen." Jakob Fugger, der Leinweber. Jakob Fugger, der Leinweber von Augsburg, war einst der reichste Mann, nicht allein in Deutschland, sondern in ganz Europa. Aber sein Reichthum war daö Ergebniß rastloser, nutzcnbringender GewerbS- und HandelSthätigkeit, und hob nicht, nnr ihn nnd seine Familie, sondern auch die deutsche Betriebsamkeit überhaupt zu Macht und Ansehen, brachte dem Vaterlande Ruhm und Gewinn, den Rüstigen Arbeit nnd Verdienst, den Bedürftigen Unterstützung. Es war kein fauler Besitz, in dem Jakob Fugger sich wiegte. Nach allen Seiten hin strömte er freigebig besrnchtendeS und beglückendes Leben aus, und wie er auö dem Fleiß der Arbeit hervorging, so wirkte er anregend nnd lohnend wieder auf Arbeit und Fleiß. Fugger'ö Leben läßt sich nur im Zusammenhänge mit Gewerbe und Handel seiner Zeit beurtheilen, und wir müssen daher auf letztere einen Blick werfen, bevor wir zu eurer Schilderung deö ersteren schreiten. Das Gewerbe der Leinweber zn Augsburg hat eine lange, ahnenreichc Geschichte. Ungleich jüngeren Ursprung nahm daselbst der Handel, dem sich die Stadt erst spät anschloß, alö der Hansebund und Der rheinische Städtcbund längst bestanden, Köln, Aachen, Mainz alö große Gewerbö- und Handelsstädte blühten, Frankfurt a. M. seine berühmten Messen, Speyer seine Jahrmärkte seit Jahrzehnten kannten. Alle diese Städte lagen an schiffbaren Flüssen, die meisten am Rhein, der großen Wasser straße, oder doch in dessen Nähe. Bei Augsburg vereinigen sich Lech und Wertach, aber keiner von beiden Flüssen besaß Tragfähigkeit für Handels schiffe. In ihrem Binnendaseyn beschäftigte sich die Bevölkerung schon sehr früh mit dem Flachsbau, und bald entwickelte sich auf diesem als Haupt gewerbe der Stadt und Umgegend die Leinweberei, welcher die klaren Ge wässer, die weiten, ebenen Wiesen jener Gegend zu Statten kamen. Die Chronisten gedenken bereits im Jahre 1282 der feinen Augsburger Lein wand. Bald wuchs der Betrieb in solchem Grade, daß die Stadt auf öffentliche Kosten große Maschinen zu n Glätten der Gewebe, öffentliche Bleichen anlegte und sogenannte Bleichwasser-Knechte besoldete, welche die zu hohem Anscheu gestiegene Webcrzunst in ihrem Nützen verwendete. Für alle diese Begünstigungen mußte dann eine Leinwandstener an die Stadt abgegeben werden, deren Ertrag zu den bedeutendsten städtischen Einnahmen zählte. Die Weber bildeten den zweiten Stand, den ersten nach dem Stande der Patrizier; durch sie gelangte die Stadt zu Wohl stand und Ruhm. Die gesteigerte Selbsterzeugung ward bei Veränderung der Weltverhältnisse ungeahnt eine Quelle deS ausgedehntesten Handelö. Die Kreuzzüge setzten das Abendland mit dem Morgeulande in erneuerte Verbindung und theilten jenem daö Verlangen mit, den Reichthum mor genländischer Natnr- und Knnsterzcugnlsie, der arabischen Spezereien, indi schen Gewürze und was sonst Lockendes dort sich dem Auge wie dem Gaumen darbot, auch iu der Hcimath zu besitzen. So wurde der Orient für den Verkehr eröffnet. Der Handel suchte sich Wege nach dem Westen und Norden von Europa, und hier war cö der unmittelbare Verkehr Venedigs mit dem Osten, der auf Deutschlands Handel den wesentlichsten Einfluß übte. Zugleich entstand in Italien selbst, wo in der Lombardei die Sei- denwebercl ihre Prachtstoffe fertigte und in Venedig die Goldschmiedeknnst ihre schönsten Werke schuf, ein lebhafter Austausch mit Deutschland, Frank reich und England. Außer dem Rhein, der fortdauernd eine bequeme Han delsstraße blieb und durch die Schweiz mit Italien in Verbindnng trat, bildete sich eine zweite nach dem Herzen Deutschlands. Von Venedlg anö führte sie über Botzen und Meran, durch die Tyroler Alpen am Lech ent lang nach Augsburg. Mühsam war der Weg mit den beladenen Saum- thiercn zurückzulegcn, aber am Ziele, in der deutschen Reichsstadt, lud daS echt deutsche Gewebe, die Leinwand, zum Tausche ein und machte den Handel nutzenbringend; sie war nirgends In gleicher Güte zu erlangen und nahm zu an Ruhm im Weltverkehr. Schöne, schwarz oder bunt ge färbte Stoffe, Borden und Gültel, Kanten, Spitzen nnd Schleier wurden in Augsburg gearbeitet und gingen im Austausch nach dem Süden wie auf die deutschen Messen, nach Frankfurt und Nürnberg, Braunschweig und Erfurt. Die Speicher der Stadt füllten sich mit d^n Erzeugnissen Italiens und der Levante, welche von hier aus nach dem Norden, Nord westen und Nordosten Europa'ö vertrieben wurden. Augsburg trat an die Spitze eines dritten Städtcbundes, des schwäbischen, an dem sich 33 Städte belheiliglen und der im Jahre 1381 mit dem rheinischen verschmolz. Die deutschen Kaiser erhoben Augsburg zur freien Reichsstadt, machten eö zoll frei, verliehen ihm Handelsvcrgünstigungcn und freie Geleite; sie waren stolz auf dleü Stadl als anf daö glänzendste Juwel in ihrer Krone. —(Beschluß folgt.)