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Voigtländer Anzciger. 8iekemmdsech8zigfler Jahrgang. Verantwortliche Nedaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. I«I M. August IW«. Sonnabend DicscS Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnement-prei-, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Mittag- 12 Ubr eingehen, werden in die Lag» darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet. Ueber die kirchliche Feier des bevorstehenden Konstitutions- jubilaums. (E i n g e s e n d e t.) Bekanntlich ist seit der am 4. Sept. 1831 erfolgten feierlichen Ueber- gabe unserer VerfassungSurkunde ein Vierteljahrhundert verflossen. Je mehr nun das sächsische Volk die Wohlthat und den Segen seiner Versaffung im Laufe dieser Zeit bereits erkannt und empfunden hat, je weniger oas- sclbe cs verkennen kann, daß in seinem Staatsgrundgesetze gar noch viele Keime enthalten sind, die zur Gestaltung eines immer vollkommneren StaatS- lebenS nach und nach sich entwickeln lassen, desto weniger darf cs befrem den, wenn auch in unserer Stadt von vielen Seiten daö Verlangen sich kund gegeben hat, daß das diesjährige Eonstitutionsfcst, als erstes Jubel fest, in feierlicherer Weise begangen und für diesmal auch die kirchliche Feier nicht, wie gewöhnlich, am Sonntage vorher, sondern, wie dies hier ebenfalls schon geschehen, am 4. September Vormittags abgchalten werden möchte. Der Stadtrath hatte bereits die nöthigen Anordnungen getroffen und auf Ersuchen desselben hatte auch die hiesige Geistlichkeit ihre Mit wirkung zu der gewünschten kirchlichen Feier zugesagt. Man konnte dem nach unmöglich glauben, daß der in dieser Weise beabsichtigten kirchlichen Feier irgend ein Bedenken cntgegentretcn würde. Ist doch schon auf Aller höchste» Befehl durch Verordnung vom 13. Juli 1832 (G. S. 28. Stück vom Jahre 1832) festgesetzt worden, daß damals das Andenken an die Uebergabe der VerfassungSurkunde durch eine am 4. Sept. Vormittags in den gesammtcn Kirchen hiesiger Lande abzuhaltende gottesdienstliche Feier erneuert werde, und die betreffenden Ministerien haben in dieser Ver ordnung nicht nur auf den hohen Werth aufmerksam gemacht, den unsere Fürsten auf den Eintritt der neuen Verfassung legen, sondern zugleich auch die Erwartung ausgesprochen, daß die Bewohner des Königreichs gern an dem be meldeten Tage in dem Tempel des Herrn sich versammeln würden, um das AndcnktN an dieses denkwürdige Ereigniß mit den freu digsten und dankbarsten Empfindungen zll erneuern. Obgleich nun später das Königliche Ministerium des KnltuS und öffentlichen Unterrichts durch eine an die Konsistorien erlassene Verordnung vom 27. Juli 1833 unge ordnet hat, daß die gottesdienstliche Feier, wenn nicht der 4. Sept, selbst auf einen Sonntag fällt, mit dem am Sonntage vorher stattfindenden VormittagSgottksdienstc verbunden werden solle, so hat doch dasselbe spä terhin durch Verordnung vom 9. August 1834 unter Aufrechtbaltung der früheren Verordnung zugleich ausdrücklich zu erkennen gegeben, daß an den Orten, wo von den Einwohnern eine kirchliche Feier für den 4. September selbst gewünscht und dabei von der Obrigkeit ein Bedenken nicht gefunden werde, auch die Geistlichkeit zur Mitwirkung bereit sei, solche ohne Störung des bü rgerlichen Gcwerb cS nachgelassen werdensolle. Wenn daher laut einer vor Kurzem an die hiesige Ephorie ergangenen Verord nung der König!. Krcisdirection in Zwickau das Königl. Ministerium des Eultus und öffentlichen Unterrichts im Einverständnisse mit den in Lvan- xoUeis beauftragten Ministern dem Vernehmen nach ausdrücklich und ohne Bezugnahme auf die angeführten Bestimmungen verfügt hat, daß eS zum diesjährigen Constitutionöfcste „bei der nach Verordnung vom 27. Juli 1833 am Sonntage zuvor zu veranstaltenden kirchlichen Feier dieses Festes zu bewenden habe," so scheint allerdings dem Wortlaut dieser Ver ordnung nach die den Einwohnern jedes OrteS bisher zugestandene Be- sugnip, wenigstens für das bevorstehende 25jäbrigc. EonstitutionSjubclfcst, wieder zurückgezogen worden zu sein, weil außerdem, wie man behaupten will, eine besondere Verordnung nicht erlassen worden sein würde. Eben deßhalb hat auch die hiesige Geistlichkeit, um der Anordnung der höchsten Behörde nachzugehcn, ihre dem Stadlrathe gegebene Zusage, bei der ge wünschten kirchlichen Feier am 4. September mitwirken zu wollen, wieder zurückgezogen. Wenn dieses Ereigniß eine gewisse Sensation erregt hat, so darf man sich nicht wundern. — Denn je anerkannter der Grundsatz ist, daß die festeste Säule des StaateS die Religion sei, und daß ohne sie selbst die besten Gesetze ihre Kraft und ihren sittlichen Einfluß verlieren, desto zweckmäßiger und nothwendigcr muß cs bei der oft schwankenden Eigenschaft der politischen Gesetze erscheinen, daß auch alle bedeutenden politischen Feste durch Veranstaltung wo möglich gleichzeitiger gottesdienst licher Feierlichkeiten den rechten sittlichen Halt und die rechte religiöse Weihe erhalten. Jndcß kann Einsender unmöglich glauben, daß das Königliche Ministerium deS Eultus, welches für die religiösen und kirchlichen Inte ressen so eifrig bemüht ist, durch Erlassung der jüngsten Verordnung die frühere Bestimmung habe zurückziehen und aus irgend einem Grunde einer am 4. Sept, selbst abzuhaltenden kirchlichen Feier des Constitutionsfestes die Pforten des Gotteshauses habe verschließen wollen. Wäre dies die Absicht gewesen, so würde gewiß die in der Verordnung vom 9. August 1834 den Einwohnern der Städte und Ortschaften eingeräumte Befugniß, die dem Vermuthen nach in der neuesten Verordnung blos auS Versehen wcggelassen worden ist, ausdrücklich aufgehoben worden sein. Zeitungen. Sachsen. Dresden, 26. August. Se. Majestät unser allverehrter König haben in diesen Tagen die beabsichtigte Reise in die Lausitz ausge- sührt und den 25. Pulsnitz, Kamenz und Bautzen besucht. In Pulsnitz wurde Allerhöchstdcmselbcn ein Fabrikat des dortigen Gewerbfleißes, ein 32 Pfnnd schwerer Pulsnitzer Pfefferkuchen, dargebracht und huldvollst angenommen. Plauen, 26. August. In Bezug auf das vorgestrige Eisenbahnun glück noch nachträglich Einiges. Die drei Verunglückten hatten noch im letzten Augenblicke thre Schuldigkeit gcthan; der Locomotivcnführcr — ein junger Mann, Namens Frey auS Leipzig — hatte noch sämmtliche neiM Ventile geöffnet, der Feuermann gebremst u. s. w. Die Andern konnten sie retten, sich selbst nicht mehr. In ellenwciter Entfernung von der Ma schine fanden sich abgerissene Körpertheile des Führers; der Oeler Freiberg hat Nachmittags noch bei vollem Bewußtsein das heilige Abendmahl ge nossen und ist AbendS 10 Uhr verstorben. Die Leichname der Beiden sind bereits von ihren Angehörigen algeholl worden: der des Erftern von Schwester und Braut nach Leipzig, der deS Ander», welcher eine Frau und ein Kind hinterläßt, nach Werdau. Dem Feuermann Tittel ist noch am Abend deS Sonntags nach vorgängiger Ehloroformirnng das zertrüm merte Bein amputirt und später auch der leicht verletzte rechte Arm ein gerichtet worden, er liegt noch im HoSpital St. Johannis hier, infolge des fortwährenden Schluckens, den er hat, fürchten die Acrzte auch für sein Leben, weil demnach innere Organe verletzt zu sein scheinen. Er hat eine Frau und 4 Kinder und sein Domicil ist ebenfalls in Werdau. Wie groß nun aber auch schon durch alle diese Folgen daö Unglück geworden ist, so darf man gar nicht daran denken, wie groß cS dann geworden wäre^ wenn der zu derselben Zeit auf dein andern Gleise von hier nach Leipzig abgc-