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Voigtländischer Anzeiger- SiebenundsechSzigster Jahrgang. Verantwortliche Redactton, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher Abonnement-prei- für diese- Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die Insertion-gebühren werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß de- Raumes. — Sonnabend. Die «ittelMuerikaMische« Wirre« Da drüben in Central- oder Mittelamerika giebts, wie in Süd- amerika, eine Anzahl Republiken. Sie sind aber auch darnach, daß sich der Himmel ihrer erbarmen möchte! Ungeheure, äußerst frucht bare Länderstrecken, jeder Staat einige Tausend Geviertmeilen groß, von Indianern und europäischen, namentlich spanischen Mischlings rassen dünn bevölkert, ohne alle intellektuelle, moralische und poli tische Bildung, ohne den mindesten staatlichen Halt, eine Beute jede- kräftigen Abenteurer-, der über einige hundert entschlossene Land streicher verfügen kann, aber von besonderer Wichtigkeit für den Weltverkehr, namentlich zwischen Europa, Amerika und Kalifornien, da ein Hauptweg nach dem letzteren Goldlande über die mittelame- rikanische Landenge führt, daher auch über den Einfluß und die Geltung in diesen Ländern fortwährend Händel und Mißhelltgkeiten zwischen England und Nordamerika obwalten. In einer dieser säubern Republiken, Nikaragua, hat sich ein gewisser Capitain Walker, Enkel eine- in Nordamerika eingewan- derten Deutschen, selber deutsch gebildet, (er hat vor 10 Jahren in Göttingm studirt) mit einer in Kalifornien und sonst in den Ver einigten Staaten zusammengebrachten Bande von 12—1500 con- fiscirten Gauner- und Banditengestalcen, aber guten Büchsenschützen, festgesetzt, zum Herren de- Landes gemacht und beherrscht nun mit dieser Macht, denn 12—1500 Mann gute Schützen sind dort eine gewaltige Macht, Land und Leute. Er ist ein scharffüchtiger, aus dauernder, thatkräftiger, tollkühner Mann, das beweist das Vertrauen, mit welchem sich seine Hordm freiwillig unter ihn gestellt haben, und daS Geschick, womit er sie zu befehligen und zusammenzuhal ten weiß. Treffliche Offiziere stehen ihm zur Seite, die besten sind Deutsche, wie Natzmer und Schlesinger, auch sind unter seiner Bande zwei vollständige deutsche Compagnien, und die spanisch- amerikanische Rasse fügt sich williger der deutschen als der englisch- amerikanischen an. In Costa Rika, dem Nachbarstaate von Nikaragua, ist wieder ein deutscher Heber und Leger, Herr Streber, vormals Assessor in Berlin, 1819 nach Nikaragua geflohen, Gastwirth daselbst, end lich nach Costa Rika geflüchtet unv dort seit 2 Jahren Minister und die Seele und der Kopf einer BundeSgenossenschast, welche mehrere m ttelamerikanische Republiken gegen Walker geschlossen haben. Der Präsident der Republik Guatemala, der Indianer Carrera, ist Arm und Werkzeug Strebers. Die Verbündeten ha ben schon 5000 Mann gegen Walker zusammengebracht, aber, wenn England oder Nordamerika sich nicht einmischen, hat er von diesem creolisch-indianischm Gesindel nichts zu fürchten. Freilich gilt er in London und Washington als Ränberhauptmann. Den Engländern hat er die Schutzherrschaft über die Moscmitvlüste, durch ein Dekret 2«. April L8S«. genommen, den Amerikanern das Privilegium, durch Nikaragua Reisende zu tranSportiren. Um nicht beide Völker auf dem Halse zu behalten, will er sich neuerlich an die Engländer anlehnen und hat diesen äußerst günstige Anerbietungen gemacht, die wohl werden angenommen werden. So reiben sich Nordamerika und England auch dort, Niemand aber kann sagen, wie sich diese Wirren entwickeln werden. Solcher Gestalt sind die Zustände in den mittel- und südamerikanischen Republiken. Sachsen. Dresden, 23. April. Die Königin von Preu ßen ist gestern Nachmittags zu Besuch beim k. Hofe etngetrossen und am Bahnhof von Er. Maj. dem König, dem Kronprinzen und Prinzen Georg kk. HH. empfangen worden. Die hohe Frau wird 4—5 Tage hier verweilen. Dresden, 18. April. Unsere Oekonomen nisten sich zur landwirthschastlichen Ausstellung in Pari-. Sieben bis acht der tüchtigsten gehen dahin mit wahren Matadorstücken. Wir kennen davon Schafböcke, welche die Aussteller nicht für 1000 Thlr. ver kaufen. Im Voigtland hat sich ein Comitee gebildet, welche- da- Preiswürdtgste aus der jetzt so gesuchten voigtländischen Race zu diesem Zwecke auSsucht und wählt. Leipzig, 22. April. Vor einigen Tagen fanden ztvei Knaben am Ufer der Pleiße bei der Mühle zu Gohlis eine Frauentasche mit einem Zettel, worauf geschrieben stanv, der Finder möge die Tasche gegen ein Trinkgeld in einer dabet bezeichneten Wohnung abgebrn. Die Tasche gehörte einer hier wohnenden ledige« Frauens person in vorgerücktem Alter, deren Leichnam vorgestern Abend auf gehoben wurde. Körperleiden und Melancholie mögen die Unglückliche, Vie sich in guten VermögenSverhältniffen befand, zum Selbstmord vermocht haben. — Gestern früh wurde im Connnvitzer Holze in der Nähe deS nach Schleußig führenden WegS der Leichnam eines hiesigen Kaufmanns aufgefunden. Der Verstorbene hatte sich, ver- muthlich aus Verzweiflung über den ungünstigen Fortgang seines Geschäft- und weil seinem Grundstück die Subhastation bevorstand, Tags vorher erschossen. Er war 30 Jahr alt und noch unver- heirathet. Chemnitz, 18. April. Gestern traf mit der Eisenbahn der Geh. Finanzrath Major Wilke hier ein, welcher, empfangen von dem Advocat vr. Volkmann, Maschinenfabrikant Götze und Kfm. Bähst, als Directoren der Chemnitz-Würschnitzer Eisenbahn, sich heure mit diesen und den betreffenden Ober« und AbtheilungSinge- nieur zunächst nach Wüstenbrand begab, um daselbst die nölhigen Anordnungen wegen des Anschlusses der Kohlenbahn an die Haupt staatsbahn zu treffen. 4«.