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Voigtlän-ischer Anzeiger. Fünfundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher Abonnement-preiS für diese- Blatt, auch bet Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die Insertton-gebührrn werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zelle berechnet, größere Schrift nach Derhältntß de- Raumes. — Donnerstag. s. October 18Z4. Der Fall von Sebastopol Sebastopol gefallen! Die mächtige Pontusfrste, das Bollwerk für den Süden des Reichs, die stolze Kriegs, flotte, ein unermeßliches Material an allem, was zum Schiffbau, zur Schiffsausrüstung gehört, ein stattliches Heer von 40 — 50,000 Mann — Alles gesprengt, geschlagen, verbrennt, vernichtet oder in den Händen der verbündeten Engländer, Franzosen, Türken! Das ist ein schwerer, ein furchtbarer Schlag für den russischen Staat. Mag der Verlust an Geldwert!) gewiß lOO Millionen Thaler betragen, er ließe sich im Laufe der Zeiten ersetzen; selbst die Kriegsflotte, an der ganze Men, schenalter hindurch gebaut und gerüstet wurde, wäre wieder, herzustellen, das verlorene Material wieder anzuschaffen, ein neues H,er auszuheden, zerstörte Forts und Schanzen noch besser und fester, als zuvor, aufzurichten; — aber nimmer ist für Rußland wiederherzustellen die Seeherrschaft im Pon. tus, nimmer auszugleichen die gänzliche moralische Nieder, läge, so Rußlands Ansehn in Vorder - und Mittelasien er, litten hat, auf lange Zeit, vielleicht für immer gehemmt die Bewegung, das Leben, die zu seinem Gedeihen unumgäng liche Entwickelung Rußlands nach Süden. Das ist ein schwerer, ein furchtbarer Schlag für den Czaar, dessen ruhmgekrönte Regierung seinen Staat auf einen so hohen Gipfel der Macht und des Ansehns gebracht hatte, dem Alles bisher gelungen war, dessen Heere nahezu für unüberwindlich gehalten zu werden schienen. Möge man noch so eing.fleischter Russenhasser sein, das deutsche Gerech. tigkeitsgefühl erfordert es, anzuerkennen, daß Czaar Nikolaus bis auf den unglücklichen Einmarsch in die Donaufürsten thümer sein ungeheueres Reich äußerst glücklich und erfolg, reich regiert hat. Der Fall Sebastopvls wird ihn so schwer treffen, als einst den römischen Kaiser August die Kunde von der Teutoburger Schlacht, da er ausrief: „Varus, gieb mir meine Legionen wieder!" Das wird ein Zubel sein in Paris und London! Sc, bastopol, der beste Kriegshafen des Pontus, in den Händen des W'stenS! Der Marschall St. Arnaud nach Napoleoni scher Sitte wahrscheinlich: „Herzog von Sebastopol oder Taurien!" Auch in Deutschland werden sich Viele freuen über diesen ungeheuer» Verlust, diese schwere Demüthigung Rußlands. Wir wollen Niemandem seine Freude vergällen; aber fragen müssen wir: Jsts besser für Deutschland, wenn England im Pontus herrscht? Denn fester, als die FortS von Sebastopol standen, steht für uns die Ueberzeugung, daß England auS der Kaiserstadt auf der Krim ein Gibral. tar ober Malta machen werde für den Pontus; in welcher Wei^e aber England seine Meerherrschafl handhabt, darüber frage man die Bücher der Geschichte. Es muß rin furchtbarer, ein entsetzlicher Kampf gewesen sein. Die Russen, die noch vor Kurzem sangen: „Sie sol len sie nicht haben, die schöne, russische Krim, die Briten und die Franken, vom allen Stamme: „Nimm!" müssen den Garten ihres Reiches, die Wartburg ihres Südens, mit Verzweiflung vertheidigl, die Verbündeten wie eingefleischte Teufel gestürmt und angegriffen haben, wenn auch die Ver- lustangaben sich schließlich auf die Hälfte reduziren sollten: Menschikoff, derselbe stolze Mann, der vor anderthalb Jah ren durch sein Pallelolauflreten in Cvnstantinopel die nächste Ursache des gegenwärtigen heillosen Krieges wurde, der Re. Präsentant derselben allrussischen Partei, welche den Czaar zu diesem Kriege drängle und die gemäßigtsten Vorschläge Oesterreichs und Preußens unbeachtet ließ, derselbe Menschl, koff, der noch vor Kurzem seinem Kaiser Kopf und Ehre verpfändete, baß das Südbollwerk des Reiches nicht fallen werbe, derselbe Menschikoff hat jetzt nur die Wahl zwischen der Gefangenschaft bei den von ihm und seiner Partei so verachteten und gehaßten Verbündeten oder dem ehrenvollen Führerlobe, der Tausende mit sich in die Luft sprengt. Es ist ein tragisches Verhängniß! Zeitungen Sachsen. Plauen, 3. Oct. Hier eingegangenen Nach, richten zu Folge sind in vergangener Nacht im Filralkirchdorfe Steinsdorf, an der Straße zwischen Plauen und Elster, berg gelegen, zwei Bauergüter sammt der ganzen Ernte, in Kemnitz, an der bairischen Grenze aber die Wirthschafts- grbäude des dortigen Rittergutes abgebrannt. Zwickau, den 30. September. Heute wurde auf der Verbindungsbahn zwischen der sächs.-bairisch. Staatsbahn und den Kohlenwerken bei Zwickau die erste Probefahrt bis zur Königin Marienhütte gemacht. Noch im Laufe des nächsten Monats erwartet man die Eröffnung dieser Bahn für die auf dem linken Muldenufer gelegenen, durch Zweig bahnen sich anschließenden Kehlenwcrke des Erzgebirgischen Steinkohlenactienvereins, des Zwickauer StrinkohlenbauvereinS und für die Königin Marienhütte. Aus Kirchberg. Den 28. September, Nachmittags in der 5. Stunde brach zu Burkersdorf, 4 Stunde von hier, in dem Bauergute Christian Gottlieb Friedrich Graup.