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Voigtländischer Anzeiger. Fünfundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaktion, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. ZLHrlicher Abonnementspreis für werden mit 1 Ngr. für dieses Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die ZnsertionSgebühren die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß deS Raumes. — Donnerstag. 2. November 1854. S-it«n«en .«Lachsen. Dresden, Landtag. Der Bericht der Zwlschendeputation der 1. Kammer über den Entwurf eines Strafgesetzbuches, welches im Ganzen nur eine Umar beitung des Criminalgesetzbuches von 1838 sein soll, enthalt doch theilweise tief eingreifende Veränderungen, die wir im Wesentlichen in Folgendem geben. Es sollen künftig die zwei Grade der Zuchthausstrafe und der Dunkelarrest Weg fällen und die im Jahre 1849 abgcschaffte körperliche Züchtigung wieder hergestellt werden. Die höchste Frei heitsstrafe soll bis auf 30 Jahre verlängert werden. Die längste Dauer der Gefängnißstrafe in Gerichtsgefäng- nifsen und die kürzeste Dauer der Arbcitshausstrafe soll auf 4 Monate gestellt sein. Die Geltung der verschiedenen Frei heitsstrafen gegen einander soll verändert, jeder Tag Gefäng nißstrafe bei Verwandlung in Geldstrafe höher abgeschätzt, Lie Geldstrafe überhaupt erhöht werden. Dresden, 30. October. Se. Excellenz der Herr Staats minister Freiherr v. Beust ist vorgestern Abend aus Berlin zurückgekehrt. Schneeberg, 28. October. Gestern ist in der Nähe der Eisenbrücke, auf dem rechten Muldenufer ein Act der scheußlichsten Brutalität verübt worden. In der neunten Morgenstunde nämlich findet man den Gutsbesitzer Hirsch auS Alberoda auf seinem Acker bewußtlos und dergestalt mißhandelt, daß man Nachmittags dessen Verscheiden besprach, nach heu tigen Nachrichten jedoch soll er noch lebend, aber so schwach darnieder liegen, daß man an seinem Aufkommen zweifelt. Der Unglückliche hatte nämlich auf seinem Felde geackert und Erdäpfeldiebe von demselben vertreiben wollen, die jedoch da rüber so erbost waren, daß sie sich an ihm vergriffen, ihn mit einer Hacke niederschlugen und nach vollbrachter That nach hier entflohen. Der Thätigkeit unserer Polizei ist's be reits gelungen, die muthmaßlichen Thäler, sämmtlich aus Schneeberg, zur Haft zu bringen. In den mit ihnen ange- stelllen Verhören ist bereits so viel ermittelt, daß drei hiesige Handarbeiter bei der That zugegen gewesen sind, von denen Jeder jedoch die Schuld den Andern zuschiebt. Unter ihnen befindet sich auch ein junger Mensch von 15 Jahren. Alle Drei sind sie soeben geschloffen nach Lößnitz abgesührt worden. Oesterreich. Wien, 28. October. Freiherr von Heß hat Sr. Majestät eine Reihe von auf das Communications- und Verlheidigungswesen des Reiches bezüglichen Vorfchlägen überreicht, die wahrscheinlich ohne Verzug ausgesührt werden dürften. Es soll der Ort Gova-Gumora in der Bukowina zu einem stark befestigten Waffenplatze erhoben und die Schiff- fabrtskinderniffe am eisernen Thore, welche den österr. Ver kehr mit der Walachei jetzt in einem so hohen Grade lähmen, beseitiget werden. Ueber die Concession österreichischer Eisenbahnen an eine aus deutschen und französischen Elementen bestehende Gesell schaft berichtet ein Pariser Correspondent der Ind. belge Fol gendes: Diese Angelegenheit steht mit den großen finanziellen Maßregeln im Zusammenhang, welche etwa vor einem halben Jahre dle österreichischen Minister so geschickt entwarfen und so glücklich seitdem weitergeführt haben. Als sie den kühnen Entschluß faßten, durch freiwillige Zeichnung eine Anleihe von 500 Millionen Fl. aufzubringen, beabsichtigten sie, diese Maßregel durch eine Operation im Auslande, nicht freilich durch eine Anleihe, sondern durch den Verkauf der vom Staate erbauten oder angekauften Eisenbahnen und durch die Abtretung der Bergwerke, Eisenhammer und Forsten, die mit dem Eisenbahnbetriebe in Verbindung stehen, zu unter stützen. Sie wollten ein Activum realisiren, um ihren übri gen Operationen eine feste Grundlage zu geben. Seit Mai d. I. wurden zu dem Ende den Herren Pereire (französischen Bankiers) Eröffnungen gemacht; diese antworteten nach reif licher Prüfung des Planes, daß, wenn in der orientalischen Frage die Politik der österreichischen Regierung der der West- mächte völlig entspräche, man auf das Project eingehen und die Unterhandlungen eröffnen könnte. (?) Nachdem eine zu friedenstellende Antwort hierauf gegeben worden, begaben sich Vertreter von zweien der ersten Wiener Häuser nach Paris mit allen zu dieser Unterhandlung erforderlichen Documenten. Nach einer zu Paris von mehreren Banquierhäusern und verschiedenen Ingenieuren vorgenommenen Untersuchung begab sich der Oberingenieur der französischen Bergwerke, Lechate lier, mit anderen Ingenieuren nach Wien, wo ihm alle Re- gister und Ausweise vorgelegt wurden. Bei seiner Rückkehr nach Paris wurden alle Einzelheiten seiner Nachforschung einer Gesellschaft Capitalisten unterbreitet, welche seit mehre ren Jahren an der Spitze der industriellen und finanziellen Bewegung Frankreichs stehen. Herr Ernst Andro, Einer von ihnen, Administrator des Crodit mobilier und mehrerer großen Eisenbahngesellschaften, begab sich jetzt nach Wien, um eine so verschiedene und ausgedehnte Interessen umfassende Unterhandlung fortzusetzen. Herr Lechatelier kehrte mll ihm, um ihn bei s.iner Aufgabe zuunlerstützen, nach Wien zurück. Nach zweimonatlichen Conferenzen schloß Herr Andro endlich einen Vertrag ob, welcher vor Allem durch die Resultate, die er Oesterreich sichert, von Wichtigkeit ist. Der Vertrag ist vom Kaiser Franz Joseph unterzeichnet und besteht in der Concession 1) der Nord- oder böhmischen Eisenbahn von der sächsischen Grenze über Prag nach Brünn und Olmütz;