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Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bautzen als Konsistorialbehörde der Oberlausitz. Amtsblatt der Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, de- HauptzoÜamts Bautzen, ingleichen der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgcmeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- und Gewerbekammer zu Zittau. WescheinungSweiser Täglich abends mit Ausnahme der Sonu- und Feiertage. Gchriftleitung und Geschäftsstelle: Bauten, Innere Lauenftraß« 4. Fernsprecher: Nr. 51. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bautzen. Bezugspreis: Monatlich I Marl. Einzelpreis: 10 Psennige. Anzeigenpreis: Die kgrspaltene PtMzeUr oder deren Raum 15 Psennige, in geeigneten Fällen Ermäßigung. Schwiertgei Satz entsprechend teurer. Reklamen: Die ^gespaltene PkUtzciie 50 Psennige. Nr. 59. Montan, den 14. März lstltt, adeuds. 129. JahNMksi. Tas Wichtigste vom Tage. In B e r l i n, B r e s l a u und Frankfurt a. M. Fanden gestern abermals Wahlrechtsdemonstra- rionszüge statt. In Berlin und Breslau kam es zu einigen Zusammenstößen mit der Polizei, in Breslau mußten die Schutzleute blank ziehen. Die Tarifverhandlungen im Bauge werbe sind gescheitert. Der Arbeitgcberbund für das Baugewerbe wird am 22. März eine außerordentliche Hauptversammlung in Dresden abhalten. * In T h e s s a l i e n ist eine gegen die griechische Re gierung gerichtete Agrarbewegung ausgebrochen. Die notleidende arme Bauernschaft verlangt Abschaffung des Großgrundbesitzes. Ein Eisenbahnzug wurde von den Aufständischen beschossen, seine Lokomotive zerstört und die Ladung geplündert. Eine allgemeine Streikorder wird vom Präsidenten der Bergarbeiter-Vereinigung Nordamerikas für den Fall der Verweigerung der Erhöhung der Löhne angedroht. * Wetteraussicht für Dienstag: Wolkig, kühl, zeitweise Regen und Schnee. ' Ausführliche siehe an anderer Stelle. Die Lage in Böhmen Die Verhältnisse werden immer brenzlicher im Lande der Wenzelskrone, und man kann gespannt sein, wie lange die herrschende Hochspannung ohne Entladung anzudauern vermag. Die Deutschen sind bekanntlich in Böhmen und im böhmischen Landtage in der Minderheit, obwohl sie reichlich die Hälfte aller Steuern entrichten. So beschließt die tschechische Mehrheit selbstherrlich über die Verwendung der Gelder, die in erster Linie von der deutschen Minder heit aufgebracht werden, und daß die Gelder demgemäß nur zur Förderung tschechischer Interessen verwendet wer den, liegt bei dem fanatisch-volklichen Charakter des Tschechentums auf der Hand. Hauptsächlich dieser Umstand hat aber bei den Deut schen die Forderung ausgelöst, daß Böhmen in zwei Teile geteilt werde für die Verwaltung, in einen deutschen und einen tschechischen. Und jeder Teil solle seine eigene Rechnung führen, seine eigenen Steuern bestimmen und verwerten, seine eigenen Beamten ernennen rc. Seit Jahren steht dieser Gedanke im Vorder gründe der Erörterung. Aber die Tschechen wollen nichts da von wißen. Sie wollen sich nicht die Möglichkeit nehmen laßen, das Deutschtum immer weiter zuriickzudrängen, wo möglich ganz aus Böhmen hinaus. Schließlich blieb den Deutschen im böhmischen Land tage nichts weiter übrig als die Verhandlungsbehinderung, die „Obstruktio n". So war die Mehrheit wenigstens außerstande, Gesetze durchzubringen, die den Deutschen be lasten und dem Tschechentume Vorteile zuwenden. Es war das einzige Mittel, das noch im Dienste der Selbst erhaltung genützt werden konnte — von der direkten Em pörung abgesehen. Mehrmals machten die Tschechen den Versuch, den Widerstand der Deutschen durch halbe Versprechungen ein- zulullen. Aber das gelingt nun wohl doch nicht mehr, und der Schlachtruf heißt: entweder Verabschiedung der natio nalen Abgrenzungsforderungen oder Verhinderung jeder Arbeit im Landtag. In diesem Sinne hat sich in Böhmen selbst auch unlängst noch der deutsche Landsmannminister vr. Schreiner ausgesprochen gegenüber den Führern der deutschen Parteien, und eben deshalb hat ihn Minister präsident von Bienerth so gewalttätig ausgeschifft. Man sieht daraus deutlich, aufwelcher Seite in diesem Kampfe auf Leben und Tod der führende Minister zu Wien steht. Sachlich wird zum Glück durch den Hinauswurf vr. Schreiners aus dem Ministerium gar nichts an den Ver hältnissen in Böhmen geändert. Da ist kein Haushalt ge nehmigt, deutsche Männer fangen an, die Zahlung der Landessteuern zu verweigern mit Berufung darauf, daß solche nicht gesetzmäßig festgestellt sind, und die Kasse des Kronlandes geriet dadurch in bittere Not. Schon hat sie sich gezwungen gesehen, aus den Landesirrenanstalten alle die Leute heimzuschicken, die sie nicht als „gemeingefährlich" betrachtet — es sind das etwa 180 Personen. Sie wird wohl schließlich auch noch die Gemeingefährlichen entlaßen müßen, um zu sparen. Daß die Unterstützungen der Theater und der Schul gemeinden (es kamen ja für solche Zuwendungen immer nur tschechische Anstalten in Frage) aufhören werden, ist vorauszusehen; es ist auch schon einmal halbamtlich in Aussicht gestellt worden. Und kann auf solche Weise die Ebbe in der Kaße immer noch nicht hintangehalten werden, so wird der Tschechenherrschaft in Prag nichts anderes übrig bleiben, als die Gehälter der Beamten zu kürzen und vielleicht die Ruhegehälter gar nicht mehr auszu zahlen .... ein ganz unmöglicher Zustand. Es wird sich da nur fragen, wen die Verhältnisse zum Nachgeben zwingen werden, und unseres Erachtens können das nur die Tschechen sein. Atan sieht daraus, daß das Deutschtum Böhmens immer noch stark genug ist, sich seiner Bedrücker zu erwehren, wenn es einig ist und entschloßen auf's Ganze geht. Wenn es keine Ministerstreblinge und Hosenherzen in seinen Reihen duldet, die lieber mit den Verrätern ihres Volkstums um ihrer persönlichen Ziele willen gemeinsame Sache machen, als daß sie entschloßen und klar einen Kampf bis zum Ende durchfechten, der un möglich ohne ein wirkliches Ende bleiben kann. Politische Nachrichten. Deutsches Reich. Der Ton in der sächsischen Zweiten Kammer wird von den „S ä ch s. polit. Nach r." zum Gegenstand einer Be trachtung gemacht, in der es u. a. heißt: „Der in der Kam mer jetzt herrschende „feine" Ton wird aber (außer den von uns schon verzeichneten Fällen. — D. R.) noch durch ein an deres Beispiel charakterisiert. Sozialdemokratische Redner sangen ein Loblied auf die Gewerkschaften, die ein Kulturfaktor sein würden, wenn man längst über die Minister zur Tagesordnung übergegangen sei. Dazu er tönte der Zwischenruf: „Und wenn inzwischen alle Seyde witze verfault sein werden." Dieser Zwi schenruf richtete sich gegen den Ministerialdirektor von Seydewitz, deßen Abteilung das Eisenbahnwesen unter stellt ist. Auch dieser Zwischenruf ist in der Kammer all gemein gehört worden, selbst die Stenographen haben ihn gehört und in das amtliche Stenogramm ausgenommen. Nur im Präsidium will man wiederum nichts von ihm gewußt haben. Wohin kommen wir mit derartigen Anrempelungen pöbelhaftester Art?! Wir können nicht kontrollieren, ob die Mitteilung richtig ist, daß man diese Aeußerung zunächst im Steno gramm unterdrücken wollte, und daß erst dann auf sie rea giert wurde, als sie die sozialdemokratische Preße in ihren eigenen Berichten wiedergegeben hatte. Im Intereße des Ansehens unseres Vaterlandes ist die d r i n g e n d e F o r- derung zu stellen, daß das Präsidium die Ord nung in der Zweiten Kammer wieder her st eilt, und daß mit der nötigen Energie Szenen hintangehalten werden, wie sie sich zum Schaden unsres Polkes am 9. dieses Monats abgespielt haben. Wir legen aber auch dagegen Protest ein, daß man für diese Szenen unsern hochver dienten F i n a n z m i n i st e r irgendwie verantwortlich machen könne. Was bleibt dem angegriffenen Manne, der so große und allseitig anerkannte Verdienste um unser Land hat, anders übrig, als sich selbst zu schützen, wenn die hierzu berufene Stelle versagt? Kann sich unser neuer Reichs kanzler eine beßere Illustration für seine Worte suchen, daß die Demokratisierung der Parlamente das Niveau des Parlamentarismus herabdrücke?" Landtagspräsident und Minister. Zu diesem heiklen Thema schreibt im Hinblick auf den letzten Landtagssturm der „F r e i b. Anzeiger": „Präsident vr. Vogel konnte sich erst mit größter Anstrengung Gehör verschaffen. Er bedauerte den scharfen Zusammenstoß, stellte aber fest, daß er ft in Muiel hab', die -- Regierungsverrreter in ihrem Tun und Laßen bei ihren Reden zu beeinflußen (!!!) (wohlgemerkt: nicht die randalierenden Sozialdemokraten, sondern die Regierungsoertreter (!!). Wir er lauben uns hierzu nur noch eine bescheidene Anfrage: Kann man den Ruf „Pfui Teufel", der einem ruhig und sachlich sprechenden Minister im Parlament entgegengeschleudert wird, milder charakterisieren, als mit „Ungezogenheit"? Der Zuruf ist ein Beweis von parlamentarischer Unerzogenheit deßen, der ihn ausgestoßen und derer, die ihn billigten, und im gewöhnlichen Leben würde man das Auftreten des Pfuirufers und der ihn unterstützenden Genossen noch weit kräftiger und drastischer gekennzeichnet haben. Der Minister, als Vertreter der Staatsauori- t ä t, muß sich von den Herrn sozialdemokratischen Abgeord neten Insulten, wie Unverschämtheit, Frechheit gefallen laßen, ohne daß ein Ordungsruf ihm Genugtuung verschafft, wenn er aber das unparlamentarische Auftreten eines sozialdemokratischen Poltron als Ungezogenheit be zeichnet, dann hat er sich eines Vergehens gegen die Ma jestät der Volksvertretung schuldig gemacht!" Eine sozialdemokratische sächsische Armee? In der letzten Sturmsitzung im sächsischen Landtage warf der sozial demokratische Abgeordnete Fräßdorf die Frage auf, wie man in Sachsen das Vaterland ohne die Sozialdemo ¬ kratie verteidigen wolle? Ein Drittel der sächsischen Armee sei sozialdemokratisch oder sei aus sozial demokratischen Familien hervorgegangen. Er, der Ab geordnete, wiße nicht, wie man da ohne Sozialdemokraten die Vaterlandsverteidigung sich noch denke, ob man dann sage: Ihr seid nicht würdig, die Flinte zu tragen oder die Geschütze zu bedienen. — Staatsminister vr. v. Rüger erwiderte hierauf, daß er derartige Drohungen mit dem Falle des etwaigen Zurückbleibens bei dem Aufruf zur Fahne als „pure Redereien" betrachte und auf dieselben kein Gewicht lege. Vor längeren Jahren habe ein sozial demokratischer Redner im Reichstag gesagt: Za, die Mili tärverwaltung werde sich das wohl überlegen müßen, ob die Sozialdemokraten alle mit zur Fahne treten würden, wenn sie gerufen würden; und da habe der damalige Kriegsminister von Goßler mit Recht gesagt, er bäte das Vaterland, ganz ruhig zu sein, „die Herren nehmen wir alle mit". „Und ich möchte es auch keinem der Herren So zialdemokraten raten", fuhr Minister von Rüger fort, „im Falle, daß es zur Mobilmachung käme, dem Ruse nicht Folge zu leisten. Sie würden alsbald merken, welche Ge walt die Regierung in Händen hat. Die Sozialdemokratie will das natürlich nicht glauben oder stellt sich nach außen so. Ihre Redereien sind aber nichts anderes als Flunkere i." Eine eifrige Werbearbeit entfaltet zur Zeit die kon-- s e r v a t i v e P a r t e i Sachsens. Ihr Generalsekretär Herr Kunze ist fast jeden Tag unterwegs, um in öffent lichen Versammlungen, meistens sogar zweimal täglich, die konservativen Anschauungen verständlich und populär zu machen. Vor einigen Tagen sprach er nachmittags in Saalhausen und abends in Dahlen vor gut besuch ten Versammlungen, ebenso in Leisnig und zwar über das Thema: Der Wert des konservativen Gedankens in der Gegenwart. Der Redner erntete überall reichen Beifall. Insbesondere fanden seine sachlichen und maßvollen Aus führungen zu den Forderungen der Lehrerschaft außer ordentliche Anerkennung. Verzicht auf ein nationallibcrales Ehrenamt. Von Herrn Rud. Fomm in Chemnitz wird dem „Chemnitzer Tagebl." mitgeteilt, daß er die auf ihn gefallene Wahl zum Mitgliede des L a n d e s a u s s ch u s s e s der natio nalliberalen Partei abgelehnt habe, weil andere verdiente Männer bei der Wahl unberücksichtigt geblieben seien. Die Maifeier in Dresden. Der 1. Mai fällt bekannt lich auf einen Sonntag. Dem Dresdner Maikomitee war es trotz eifriger Bemühungen nicht gelungen, ein zur Feier geeignetes Gartenlokal zu erhalten. Man wendete sich schließlich an den Stadtrat mit dem Ersuchen, den Aus stellungspalast zur Verfügung zu stellen. Dieses Verlangen ist zwar abgelehnt, aber dafür auf Vorstellung des Maikomitees die Hergabe eines großen städtischen Areals, wo sonst die vaterländischen Festspiele abgehal ten werden, zugesichert worden. Der Platz faßt mehrere Zehntausende. Evangelisch-sozialer Kongreß. Vom 17. bis 19. Mai dieses Jahres findet in Chemnitz der evangelische So ziale Kongreß statt. Die Eröffnungsrede am Haupt sitzungstage, den 18. Mai, wird Prof. vr. Harnack-Berlin halten. Ferner werden sprechen: Pastor Liebster-Leipzig über „Sozialistische Weltanschauung und Christentum", Profeßor vr. Hertner-Charlottenburg über „Konsumenten moral" und Frau vr. Jaffe von Nichthofen über „Die Fa milie und der Industrialismus". Ferner finden Sozial konferenzen und Besichtigungen industrieller Werke statt. „Die politische Lage" hatte der Reichstagsabgeordnetc Landgerichtsdirektor Or. H e i n z e - Dresden, der national liberale Vertreter des 5. sächsischen Reichstagswahlkreises, seinen Vortrag betitelt, den er am 11. d. abends vor einer zahlreichen aus dem ganzen Umkreis besuchten Versamm lung in B e r n st a d t im „Braunen Hirsch" hielt. In zirka Inständiger fesselnder fließender Rede, frei von Partei leidenschaftlichkeit und getragen von wirklich vaterländi scher Gesinnung, entwickelte der Herr Vortragende seine Gesichtspunkte in äußerst anschaulicher Weise. Der Vor sitzende der Bernstadter Gruppe des Verbandes reichstreuer Parteien, Herr Amtsrichter Glänzel, eröffnete unter begrüßenden Worten die Versammlung und erteilte als deren Leiter nach Erledigung der üblichen Formalitäten Herrn Landgerichtsdiretor Heinze das Wort. Einleitend präzisierte der Vortragende seinen Standpunkt, von dem aus er die politische Lage betrachte: in ruhiger Würdigung die Motive des Gegners zu ergründen zu suchen, sei im po litischen Kampfe angebracht. Er erörterte sodann die po litische Situation im Jahre 1907 bis zu der Auflösung des Reichstages. Nach einem Blick auf das Zentrum, das be kanntlich im Verein mit der Sozialdemokratie die Majori tät im Reichstag besaß, nach einer Charakterisierung der