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A MMerD Nachrichten. Verordnungsblatt der Kreishauptmannschast Bautzen als Konfistorialbehörde der Oberlaufitz. AmLsölatt der Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, de- Landgerichts Bautzen und der Aultsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, ingleichen der StadEe zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Orga« der Handels- «ud Gewerbekammer zu Zittau. Nr. 264. Montag, de« 14. November 1S1H abeads. 129. Jahrgang. Erscheinungsweiser Täglich abend» mit Ausnahme der Soun« und Feierlag«. Gchriftleltung und Geschäftsstelle» Bautzen, Innere Laueustraße 4. Fernsprecher: Nr. St. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bautzen. Bezugspreis pro Mouat» Bei Abholung In der Geschäftsstelle —.90 -4! bei freier Zustellung InS HanS 1.— .41 Anzeigenpreis: Die (-gespaltene Petitzeile oder deren Raum 15 Pfennige, in geeigneten Füllen Ermäßigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklamen» Die Zgespaltcne Petitzeile 50 Pfennige. Das Wichtigste vom Tage. * Ein allgemeiner sächsischer Mittelstandstag fand gestern in Dresden statt. Staatsminister Graf Vitz thum hielt aus demselben eine bemerkenswerte Rede. * Die Landesversammlung der badischen National liberalen am 13. wies die Parole der allgemeinen bürger- lichen Sammlung zurück und proklamierte für die R e i ch s t a g s- wahlen die Eroßblockpolitik gegen Zentrum und Kon servative. * Das englische Marineamt schreibt den Bau eines neuen Schiffstyps aus, der den Panzerkreuzer „Lyon" noch an Größe, Schnelligkeit und Mächtigkeit übertrifft. Der Anklagebeschlust im Prozeß Helm, der heute Mon tag vor dem Schwurgericht in Hampshire zur Verhandlung kommt, stützt sich auf 10 Punkte, die sich auf 9 Skizzen und ein Notizbuch beziehen. ZnPorto veranstalteten die Republikaner einen gra sten Umzug, bei dem sie den Konsulaten der Länder, die die Re publik anerkannt haben, namentlich Deutschlands und Nor wegens, freundliche Kundgebungen darbrachten. Das Jrade, betreffend die Sanktionierung des tür- tisch-deutschen Anleihevertrages, ist erlassen worden. Durch ein kaiserliches Edikt ist ungeordnet worden, daß Vor bereitungen für die E i n b e r u f u n g des ch i n c s i s ch e n P a r- laments getroffen werden. * Der russische Schriftsteller Leo Tolstoi soll sich im Schamardinski-Frauenkloster im Gouvernement Ka luga befinden. * W e t t e r a u s s i ch t für Dienstag: Bedeckt, Tempe ratur wenig geändert, Regen und Schnee. * Ausführliches siehe an anderer Stelle. Die Gruudfordemngen der sächsische« Lehrer schaft i« ihrer Wirkung auf die finanzielle« ««d steuerliche« Verhältnisse der Gemeinden. Den nächsten sächsischen Landtag wird voraus sichtlich die Neugestaltung des sächsischen Volksschulgesetzes beschäftigen. Die sächsische Lehrerschaft hat bereits im Frühjahr 1909 ihre Erundforderungen für dieses Gesetz aufgestellt, die u. a. auch Forderungen von großer finan zieller Tragweite enthalten. Der Streit um die Zwickauer Thesen hat die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit von diesen materiellen Punkten der „Erundforderungen der sächsischen Lehrerschaft" für einige Zeit ganz abgelenkt. Da für aber haben interessierte Kreise in der Zwischenzeit der finanziellen Seite der „Erundforderungen" erhöhte Auf merksamkeit gewidmet. Die 7 1 E e m e i n d e v o r st ä n d e der Amtshaupt- mannschast Chemnitz haben sich unter Führung des Ge- meindevorstandes Fischer in Röhrsdorf zu einem Berein der Gemeindevorstände zusammengeschlossen und für jede ihrer Gemeinden berechnet, welche Wirkung allein die Erfüllung der Punkte 6 und 13 der „Erundforderungen" auf die Finanzen der Gemeinden haben müßten. N > Punkt 6 der Erundforderungen lautet folgender ¬ maßen: Aus pädagogischen und hygienischen Gründen darf die 2 ch ü l e r z a h l einer Klasse 35 nicht überschreiten. Die Lehrer der Volksschule sind zu 24 Stunden zu ver pflichten. Punkt 13: Die Lehrer sind gehaltlich zwischen die Lehrer an höheren Schulen und die Be amten ohne höhere Schulbildung oder mit Real schulbildung einzureihen und in ihren Pensions verhältnissen den übrigen Staatsbeamten gleichzu stellen. Die Wirkung der Erfüllung dieser Forderungen hat der obengenannte Verein der Eemeindevorstände in einer, reiches statistisches Beweismaterial enthaltenden umfang reichen Denkschrift veranschaulicht, die bereits dem Kultusministerium und den beiden Kammern des Land tages zugegangen ist. In dieser werden die gesetzgebenden Körperschaften dringend gebeten, die Forderungen der sächsischen Lehrerschaft völlig abzu lehnen, da deren Erfüllung die Gemeinden an den sicheren Ruin führen müsse. Das wird im einzelnen durch folgende Rechnungen bewiesen: Am 1. Mai 1909 befanden sich in dem aus 71 Gemein den mit 174 826 Einwohnern bestehendem Bezirke angestellt 15 Direktoren, 298 ständige Lehrer und 96 Hilfslehrer, insgesamt 409 Lehrkräfte. Durch Erfüllung der Forderung 6 würden mehr anzustellen sein: 19 Direk toren, 298 ständige Lehrer und 51 Hilfslehrer, insgesamt 368 Lehrkräfte, so daß angestellt sein müßten: 34 Direk toren, 596 ständige Lehrer und 147 Hilfslehrer, demnach insgesamt 777 Lehrkräfte. In allen 67 Schulgemeinden würden Baulichkeiten bedingt und zwar Neu-, An- oder Umbauten, durch welche 441 Lehrzimmer mehr zu be schaffen sind, die mit Subsellien und sonstigem Zubehör einen einmaligen Aufwand von 7 892 800 -st erfordern und Zahlung von 355 176 -st Schuldzinsen pro Jahr bedingen. Den ungünstigen Einfluß der Erfüllung der Forde rungen zeigen weitere folgende Rechnungen: Die HaushaltplänedieserSchulgemein-' den erfordern gegenwärtig 1 448 979 Bedarf, 583 820 Ul sind Deckungsmittel vorhanden, der Fehlbedarf beträgt demnach 865 158 -st. Nach Erfüllung der Forderung 6 wür-! den die entsprechenden Zahlen 2 958 557 -st, 628 978 -st und 2 329 579 -st und nach Erfüllung der Forderung 13 sogar 4 261 678 .11, 1 028 151 -st und 3 233 535 -st betragen. Der durch Anlagen aufzubringende Fehlbetrag der Schulkasse würde demnach nach Erfüllung der Forderung 6 im Durchschnitt um das 2,96fache und nach Erfüllung der Forderung 13 um das 4,07fache der bisherigen Höhe steigen. Gegenwärtig ist der Betrag der Einkommensteuer an Eemeindeanlagen im Durchschnitt 2,22fach zu erheben. Er würde nach Erfüllung der Forderung 6 3,78fach und Er füllung der Forderung 13 4,67fach zu erheben sein. Die Wirkung aufdie einzelnen Steuer klassen zeigen folgende Exempel: Die Unansässi gen zahlen gegenwärtig bei einem Einkommen von 500 ,st im Durchschnitt 7,26 -st. Nach Erfüllung der Forderung 6 würden in dieser Steuerklasse 12,10 -1t und nach Erfüllung der Forderung 13 14,93 -st zu zahlen sein. In der Ein kommentlasse von 1000 -st würden die Steuern von 20,30 -st auf 33,85 -st bezw. 41,77 -st und in der Einkommenklasse von 2500 -st würde die Steigerung von 77,22 -st aus 128,74 Mark bezw. 158,79 -st erfolgen. Ein ansässiger Gartenbesitzer, Gewerbetreibender oder B e- amter, der jetzt bei einem Einkommen von 1200 -st im Durchschnitt 50,19 Steuern zahlt, würde dann 88,65 -st bezw. 108,91 -st Steuern zu zahlen haben. Bei einem Guts besitzer, der bisher bei einem Einkommen von 1750 -st 170,88 -st Steuern zahlte, würden sich diese auf 309,58 -st bezw. 379,55 -st erhöhen. Ein Industrieller mit 7500 Mark Einkommen und jetzt 456,90 -st Steuern würde dann 772,96 -st bezw. 951,85 -st zu zahlen haben. Bei einem Ein kommen von 15 000 -1t würden die Steuern von 960,90 -st aus 1628,41 -st bezw. 2924,96 -st steigen. In den 71 Gemeinden, die jetzt an Steuern insgesamt 3 881 813 -st erheben, würden dann 5 346 235 -st bezw. 6 250 191 -st Steuern aufzubringen sein. Dann würden auf den Kopf des Einkommensteuerzahlers, auf den jetzt im Durchschnitt 52,78 -st entfallen, 73,24 -st bezw. 85,06 -st und auf den Kopf eines Anlagenzahlers, auf den jetzt 49,06 -st kommen, 68 -st bezw. 78,93 -st entfallen. Während jetzt der Steuerzahlende 4,73 Prozent seines Einkommens als Steuern bezahlt, würde er dann 6,59 bezw. 7,79 Prozent zu zahlen haben. Dazu sagt die Denkschrift weiter: „All' diese Zahlen lassen mit Schrecken erkennen, daß die Erfüllung der gestell ten Forderungen eine unertragbare Last für die Gemeinde bedeutet und letztere bei Erfüllung in jedweder Ent wickelung alsdann gehemmt wären, die Gemein den deshalb aus Selbsterhaltungstrieb und in einem durch die Gefahr gesteigerten Pflichtgefühl handeln, wenn sie sich energisch gegen diese Forderun gen wenden. Die Gefahr der unertragbaren Belastung besteht nicht nur für die Gemeinden, sondern auch für den Staat und zwar durch die den Gemeinden für die Schule zu gewährenden S t a a t s b e i h i l f e n, die in den behan delnden 67 Schulgemeinden des Bezirks gegenwärtig be tragen 371 379 -st 19 L und sich steigern nach Erfüllung der Forderung 6 auf 557 539 -st 53 L und der Forderung 13 auf 958 846 -st 3 L. Letzterer Summe von 958 846 -st 3 für Staatsbeihilfe würde nach der Jsteinnahme von 1908 eine Einkommensteuer von nur 1 193 380 -st 1 L gegenüber stehen, so daß für die Staatsbeihilfe der Schule fast die gesamteStaatsein kommen st euerver- wendet werden müßte, im Bezirke von letzterer nur die geringe Summe von 234 533 -st 98 L verbliebe und für die übrigen Aufgaben des Staates Mittel dann nicht weiter vorhanden sein würden." Unter Zugrundelegung der Zahlen aus dem Bezirk rechnet die Denkschrift weiter aus, welche Summen allein die Erfüllung der Forderungen 6 und 13 für ganz Sachsen erfordern würden. Es heißt da: „In Sachsen entfallen auf die mittleren und kleinen Städte (nichtrevidierter Städteordnung) und auf die Landgemeinden zirka 2 480 000, auf die revidierten Städte zirka 2 520 000 Einwohner. Angenommen, die Schuldlasten und die Einwirkungen der Forderungserfül lung seien in mittleren und kleinen Städten, sowie in den Landgemeinden die gleichen — wie es auch der Fall sein wird — so würden im Verhältnis zu den 71 Gemeinden des chemnitzer Bezirks mit 174 826 Einwohnern bei 2 955 844 stark 41 L Mehrausgaben des Staates und der Gemein en die letzteren in den mittleren und kleinen Städten, )wie in den Landgemeinden Sachsens insge - amt 41 930 228 -st betragen. Die revidierten Städte werden durch Erfüllung der Lehrerforderungen von Mehrausgaben für die Schule ebenfalls nicht verschont. Kann zwar die eintretende Höhe z. B. durch Verkürzung der Dienststunden, Verminderung der Maximalschülerzahl einer Klasse für die revidierten Städte nicht in dem Umfange wie bei den Landgemeinden angenommen werden, weil in ersteren in der Regel bereits Minderzahlen bestehen dürf ten, so wird bei der ziemlich gleichen Einwirkung der Ee- haltssorderung 13 nicht zu hoch geschätzt sein, wenn solche i für die revidierten Städte mit 66^L Prozent von den zum vollen Satze sich ergebenden 42 606 522 -st berechnet wird, welche eine Mehrausgabe von 28 404 348 -st und dem nach eine solche für Sachsen von 70 334 576 -st insgesamt ergibt. Erkennen wir an, daß dank der umsichtigen, spar samen Leitung unseres jetzigen Finanzministers die sächsi schen Finanzen immermehr der Gesundung entgegengeführt werden, so muß aber auch hiermit zum Ausdruck kommen, daß die weiseste Staatskunst versagen muß, wenn dem Staate für einen einzigen Stand eine so schwer drückende Last auferlegt werden soll. Ebenso würde alle Finanzkunst in deji schon jetzt allzusehr belasteten Gemeinden versagen und ein nicht zu beschreibender Kampf, gepaart mit Haß und Erbitterung, heraufbeschworen, wollte man denselben tatsächlich diese weiteren und großen unerschwinglichen Lasten aufbürden." Auf das ganze Deutsche Reich übertragen würden diese Forderungen eine jährliche M eh raus- gabevon 946 000 047 -st, also fast den doppelten Be trag der ganzen Neichsfinanzreform zur Folge haben. Politische Nachrichten. Deutsches Reich. Zur Borkumer Spionageaffäre. Wie verlautet, hat das Brit ische Auswärtige Amt um die Erlaubnis nachgesucht, bei der Gerichtsverhandlung gegen die unter Spionageverdacht verhafteten Engländer Leutnant Bran don und Hauptmann Trench in Leipzig vertreten sein zu dürfen. Sozialdemokratischer Wahlschwindel in Zittau. Die letzten Wahlen haben eine auffallende Steigerung sozial demokratischer Wahlsiege bei Stadtverordneten wahlen gebracht. Daß es dabei nicht immer mit rechten Dingen zugeht, lehrt ein Fall, der aus Zittau berichtet wird. Bei den dortigen Stadtverordnetenwahlen ist den Sozial demokraten ein förmlicher Stimmzettelschwindel nachgewiesen worden. Es wurde ein Zirkular mit der Un terschrift „Vereinigung unabhängiger Bürger der Stadt Zittau" yerumgeschickt, dem ein Stimmzettel beigefügt war, der in der sozialdemokratischen Druckerei hergestellt war. Die Beweise, die dafür erbracht werden können, sind absolut zwingend und schließen jeden Zweifel aus. Es waren auf dem Stimmzettel 4 zur Wiederwahl stehende Stadtverord nete mit 5 sozialdemokratischen Kandidaten so gruppiert, daß die Absicht einer Irreführung klar zu tage trat. Die Täuschung ist auch gelungen, da dieser Stimmzettel von 54 Wahlberechtigten abgegeben worden ist, die sich durch die Namen der 4 alten bürgerlichen Stadtverordneten bestim men ließen, diesen Zettel abzugeben. Die sozialdemokratische Tugendhaftigkeit, die jeden Wahlschwindel und jede Absicht dazu mit lautester Entrüstung von sich weist, erscheint hier in sonderbarem Lichte. Reichstagskandidaturen in Freiberg und Glauchau, vr. Wagner, der bisherige Abgeordnete für Freiberg i. S., ist von den Konservativen wieder aufgestellt worden. Ihm stehen der nationalliberale Bürgermeister Blüher und der sozialdemokratische Redakteur Wendel gegenüber. — Im Wahlkreise Glauchau-Meerane ist der bisherige Abgeordnete Molke nbuhr von den Sozialdemokraten wieder aufgestellt worden. Sonntagsheiligung- Die meisten Städteverwal- tungen in Sachsen haben in letzter Zeit neue Orts gesetze erlassen, nach denen die S ch a u f e n st e r an Sonn-, Fest- und Bußtagen in Zukunft auch während der Zeit offen gehalten werden dürfen, zu welcher der öffentliche Handel nicht gestattet ist. Schon lediglich vom Standpunkt des künstlerisch empfindenden Beobachters wird man diese Maßnahmen freudig begrüßen können, da niemand behaup ten wird, daß die Straßenzüge mit in den verschiedensten Formen und Farben verhängten Schaufenstern einen