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Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bautzen als Konfistorialbehörde der Oberlausitz. Amtsblatt der Amtshauptmannschaftcn Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, inglcichen der StadtMr zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgcmeindcräte zu Schirgiswalde uud Weißenberg. Organ der Handels- und Gewerbekammer zu Zittau. Erscheinungsweise: Täglich abend» mit Ausnahme der Sonu- uud Feier läge. Schriftlcitung und Geschäftsstelle: Bautzen. Innere Lauenstrahe 4. Fernsprecher: Nr. bl. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bautzen. Bezugspreis pro Monat: Bei Abholung in der Geschäftsstelle —.80 H bei freier Zustellung tnS Hau? 1.— Anzeigenpreis: Die 6gcspaIIciie Petitzeile oder deren Raum 15 Psennig«, in geeigneten Fällen Ermäßigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklamen: Die ^gespaltene Petitzeile 50 Psennige. Nr. 27» 12». Jahrgang Freitag, den 2. Dezember l9lv, abends TaS Wichtigste vom Tage. Der preußische Gesandte in Hamburg, Graf v. Goetze n, der frühere Gouverneur von Deutschostasrika, ist Donnerstag abend gegen 7 Uhr in Berlin in der Klinik der Frau l)r. Stock mann gestorben. Die Nachricht, daß die Reichsregierung auf das Zuwachs- steuergesetz zu verzichten bereit sei, ist erfunden. Im Gegen teil lasten die bisherigen Verhandlungen eine Verständigung tiber den Gesetzentwurf und den baldigen Abschluß der Kom missionsberatungen bestimmt erhoffen. Die Hauptversammlung der Deutschen Kolonial- Gese lisch ast in Elberfeld hat sich für Hamburg als Sitz des obersten Kolonialgerichtshofes ausgesprochen. * Das österreichische Abgeordnetenhaus nahm nach einer stürmischen Sitzung den Antrag Stölzl auf Einführung ausländischen Fleisches für die Dauer des Bedarfs mit knapper Mehrheit an. Der Gesetzentwurf über die Verlängerung des Privi legiums der österreichisch-ungarischen Bank sowie des Münz- und Währungsvertrages ist den Abgeordnetenhäusern in Wien und Budapest vorgelegt worden. Danach soll das Bank privilegium bis Ende 1917 verlängert werden. * In der italienischen Kammer betonte Brunati, daß das Bündnis mit Oesterreich nur dann volkstümlich werden würde, wenn Kaiser Franz Joseph seinen lange erhofften Besuch in Rom machen werde, und der frühere Unterstaatssekretär Marini deutete den Einfluß an, den der französische Botschafter auf die italienische Politik ausübt. * Die Türkei steht vor einer partiellen Minister krisis. Großwesir Hakki Pascha will von der Kammer ein Vertrauensvotum einholen und nach Verabschiedung dreier Mi nisterkollegen ein neues Kabinett bilden. * Von den inHamburg an M a r g a r i n e erkrankten Personen sind bereits vier gestorben. Die Zahl der gemel- "veten wrkrankungsfäne beläuft sich auf 175. * Wetteraussicht für Sonnabend: Zeitweise auf heiternd, etwas kälter, kein erheblicher Niederschlag. * Ausführlich^ siehe an anderer Stelle. Wilhelm II. und die Religion. In einem süddeutschen, gut redigierten jungliberalen Blatte wurde nach der Kaiserrede von Beuron ge sagt, der deutsche Kaiser wurzelte mit seinem ganzen Denken tn der Entwicklung, die er mit Hilfe der Religion be kämpfen wolle. Wenn man diese Äeuherung nimmt, wie ste gemeint ist, ist sie zutreffend. Und eben wenn man sie so nimmt, mutz man des Kaisers Streben nach religiöser Lebensvertiefung weit höher bewerten, als es gewöhnlich geschieht. Vor allen Dingen wird man dann nicht so scheel süchtig und kurzsichtig an den Worten des Monarchen zausen, wie es sonst von israelitischen Literaten und von Dissidenten in Presse und Parlament beliebt wird. Wiederholt, und man kann sagen mit einer Betonung, die unzweifelhaft auch nach auhen wirken soll, hat der Kaiser seiner gläubigen Lebensauffassung Ausdruck ge geben. Er bezeichnet sich als evangelischer Christ und kommt zum Papste, kommt in ein Kloster und sucht das Wirken der katholischen Glaubensmächte zu würdigen. Er stellt sich entschieden unter das Kreuz und gilt doch im ganzen Morgenlande als der Schirmherr des Moham- medanismus, der hauptsächlich auch als solcher seine Welt stellung mit errungen hat. Diese Vielseitigkeit, dieses reiche Verständnis nach allen Seiten hat ja auch schon den Wider spruch des evangelisch-konservativen „Reichsboten" erweckt. Die freisinnig-sozialistische Seite schlägt also auf den Orthodoxismus des Kaisers los, während zu gleicher Zeit dem orthodox-evangelischen Lager gewisse Zweifel auf steigen, ob der Kaiser doch nicht zu weit geht in der re ligiösen Freiheit seines Herzens, ob er — mit anderen Worten — noch strenggläubig im dogmatisch kirchlichen Sinne zu nennen ist. Und da ist der Instinkt der strenggläubigen Kreise der bessere. Kaiser Wilhelm ist ein gläubiger, frommer Mann, dessen Glaube in die Tat hineinwächst! aber er ist kein kon fessionellen Eiferer. Strenggläubig im dogmatischen Sinne gerichtete Leute werden immer Eiferer für ihr Bekenntnis sein; ihnen wird es immer unmöglich bleiben, die Nachbar schaft eines anderen Bekenntnisses zu ertragen und dieses als gleichstrebend oder gar als gleichwertig anzuerkennen. Strenggläubigkeit im alten Sinne trägt in sich selbst die Bekehrungspflicht gegenüber jedem anderen und mutz daher tm bürgerlichen Sinne zu einem gewissen Fanatismus führen. Wo man den andern anerkennt und im Besitze seines eigenen Elaubensschatzes läht, da ist selbständige Wertung eingezogen, die sich auf Selbstdenken und Selbst erfahrung gründet, die aber in den überkommenen Glaubenslehren der eigenen Richtung keine Stütze findet. Auf diesem Standpunkte steht Kaiser Wilhelm II. Er hat keinen Anlah, solche Kirchenlehren zu bekämpfen oder »ausdrücklich abzulehnen, die ihm für den Aufbau seiner eigenen Gottesüberzeugung keine Mitarbeit geleistet haben oder die in seinem Gemüte nicht wirksam geworden sind. Solchen Lehren wird er Ehrerbietung entgegenbringen im Hinblick aus ihr Verschmolzensein mit dem Ganzen und auf ihre religionsgeschichtliche Bedeutung; aber aus den übrigen wird er sich zusammen mit der inneren Selbst erfahrung die religiösen Antriebskräfte saugen, auf die kein Mann verzichten kann, der in Stetigkeit und Treue einem Ziele zustrebt, das über den Tag hinaus liegt. Solche Männer können auch die ideelle Fruchtbarkeit anderer Religionssysteme erkennen und verstehen und können diesen anderen Religionen und ihren Bekennern mit Gerechtigkeit gegeniibertreten, ohne durch Bekehrungs versuche den andern lästig zu fallen. Solche Männer wissen, datz edler Weizen auf gar verschiedenartigem Boden wächst, und werden es auch verstehen, datz jeder Bauer den Boden nützt, den er besitzt. Nicht der Glaube selbst ist das Ziel. Er ist der Acker. Das Ziel ist der in seinem Glauben be festigte Mensch und seine aus der Glaubensgesestigtheit hervorgehende sittliche Arbeit. Mehr oder weniger steht aus solcher Ausfassungshöhe unser ganzes Zeitalter, soweit es überhaupt religiös zu nennen ist; denn die alte dogmatische Auffassung störte unser Zusammenleben und würde uns die Pflicht auf erlegen, den Weizen des anderen nur um deswillen nicht als solchen anzuerkennen, weil er auf einem andersartigen Boden gewachsen ist. Aus dieser überlebten Ausfassung, welche zu Gunsten der sogenannten positiven, geschichtlichen Eottesoffenbarung die Offenbarung im eigenen Leben ganz unberücksichtigt und unverwertet ließ für den religiös-sitt lichen Aufbau der Persönlichkeit — aus dieser Auftastung geht auch das Unverständnis hervor, mit dem ein Teil der deutschen Oeffentlichkeit heute dem Verhalten des Kaisers zu den Katholiken, den religiösen Orden und zum Papste gegenllbersteht. Kaiser Wilhelm e r st r e b t in Wirklichkeit — so viel und oft ihm auch schon Oberflächlichkeit und Vielgeschäftig keit vorgeworfen worden ist — Vertiefung auf allen Gebieten. Solches Denken geht nur von einer runden Persönlichkeit aus, in der eine einheitliche Wurzel für alle Beurteilung der Dinge ruht, und diese Wurzel ist stets re ligiöser Natur. Man streite sich also nicht über des Kaisers Christen tum und Weltanschauung. Man trachte eher danach, auch in sich selbst die religiös-sittlichen Bewertungen zu gleicher Geltung zu bringen und sie in gleicher Weise tätig fruchtbar werden zu lasten. Es ist heute notwendiger als je, die persönlichen religiösen Kernfragen des Formalstreites zu entkleiden und es ist ein Verdienst, für den Kaiser Ver ständnis im deutschen Volte zu werben. Nicht als ob dies Volk nicht den Monarchen in sicherem Ahnen verstünde; aber ein Teil der Presse und das Parteientum verzerrt nur zu oft sein Bild gemütz den agitatorischen Bedürfnisten, und so bemächtigt sich die Unehrlichkeit der religiösen Frage immer mehr. Politische Nachrichten. Deutsches Reich. Die sächsischen Mitglieder der Schifsahrtsabgaben-Kom- mission. Der „Vogtländische Anzeiger" in Plauen schreibt: „Befremdlich erscheint es, datz die konservative Reichstagsfraktion keines ihrer sächsischen, in dieser Frage bekanntlich distentierenden Mitglieder (vr. Wagner) in die Kommission zur Beratung der Schiffahrtsabgaben gewählt hat, während die Abg. Junck, Günther und Stolleihr angehören." — Herr vr. Junck ist bekanntlich Nationalliberaler, Herr Günther Fortschrittler und Herr Stolle gehört der sozialdemokratischen Fraktion an. Nationalliberale und Freisinnige in Sachsen. Der Wahlkampf für die nächstjährigen Reichstagswahlen wird die einzelnen Parteien im Königreich Sachsen nicht un vorbereitet treffen. Jetzt schon sind eine Reihe Kom promisse zustandegekommen, und man darf wohl sagen, datz diese Vereinbarungen von weittragender Wirkung sein können, eben weil ein Abkommen leicht ein weiteres nach sich zieht. Die Vereinbarungen in Plauen wurden schnell ergänzt durch das Abkommen, das, wie wir schon meldeten, zwischen den Nationalliberalen und Freisinnigen in Chemnitz zustandekam. Man wird vielleicht und nicht mit Unrecht glauben, datz gerade im „Sächsischen Manchester" die Wahlhilfe der Freisinnigen den National liberalen keine übermäßig grotzen Vorteile bieten werde, da nur ein paar tausend Stimmen in Frage kommen, und auch bei einem gemeinsamen Vorgehen es schwer halten dürfte, den Sozialdemokraten den Sieg zu entleihen, der diesen als sicher gelten darf. Jedoch darf man keineswegs dabei übersehen, datz mancher freisinnige Wähler bisher nicht den Weg zur Urne fand, weil er sich von vornherein sagte, datz es ein zweckloser Gang bleiben müsse, da bei der Zersplitterung so gut wie keine Möglichkeit vorlag, einen bürgerlichen Kandidaten in die Stichwahl zu bringen. In sofern ist das Kompromitz nun bedeutungsvoll und wird es noch mehr durch die Tatsachen, datz die Nationalliberalen daran gehen wollen, einen entschieden liberalen Kandidaten zu präsentieren; denn nur ein solcher hat die Möglichkeit, den Masten als geeigneter Vertreter zu gelten. Die Plenarversammlung des Königl. Landevmedizi« nallolleginms, welche auf den 21. November d. I. anbe raumt war, ist auf EndeMai 1911 verschoben worden und zwar mit Rücksicht auf die alsdann stattsindende Inter nationale Hygiene-Ausstellung. Es sind für diese Ver sammlung folgende Punkte in Aussicht genommen: Auf Antrag des Kgl. Ministeriums des Innern: Die Desinfek tion bei ansteckenden Krankheiten. Auf Antrag der Aerztekammer Dresden: a) Der Atangel an Vertretern für Aerzte und an Hilfsärzten in Krankenanstalten. K) Anpreisung und Vertrieb antikonzeptioneller Mittel, insbesondere im Hausierhandel, c) Anführung der an zeigepflichtigen Krankheiten auf den Anzeigeformularen für ansteckende Krankheiten. Auf Antrag des ärztlichen Bezirksvereins Meisten: Festsetzung, wer unter der Be zeichnung „beamteter Arzt" im Sinne des 8 14 der Ver ordnung Uber den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Februar 1910 zu verstehen ist. Mahnahmen gegen die Fleischteverung. Allerorten ergreifen jetzt die Stadtverwaltungen, nachdem von Reichs wegen in dieser Hinsicht nichts mehr zu erwarten ist, eigene Mahnahmen gegen die Fleischnot und zur Be seitigung der Fleischteuerung. In Coburg z. B. trafen am Mittwoch auf Veranlastung des Magistrats mehrere Wagenladungen von dänischem Ochsenfleisch ein, das zu 66—67 H verkauft wurde. Der Verkauf soll in einem vom Magistrat zur Verfügung gestellten Raume im Zen trum der Stadt erfolgen. Aehnliche Mahnahmen beab sichtigt Hildburghausen zu treffen, wo man nur noch die Erfahrungen aus anderen Städten abwarten will. Aus Sachsen wurde in letzter Zeit vielfach gemeldet, dah die Bildung von Genossenschaften zum Ankauf non Schlachtvieh und zur gemeinnützigen Verwertung desselben bevorstände. Man hofft, durch Beseitigung des Zwischen handels die Fleischpreise auf ein erträgliches Mah zurückzu führen. Ein abgelehntes Kaiserhoch. In einer von der Freien Studentenschaft berufenen öffentlichen Versammlung in Leipzig sprach der Sozialdemokrat Eduard Bernstein über das „Programm der Sozial demokratie". Der Redner, welcher durch seine sachlichen und ruhigen Ausführungen bei dem Auditorium Beifall gefunden hatte, wurde in der Diskussion heftig von vr. Ernst Henrici, dem Vorsitzenden der Leipziger Orts gruppe des Reichsverbandes zur Bekämpfung der Sozial demokratie, bekämpft, vr. Henrici wandte sich in seinen Ausführungen vor allem gegen die vom Redner vorge tragenen republikanischen Tendenzen der Sozialdemokratie, die Verkündung der roten Internationale, und wies auf die Heiligkeit der nationalen Güter des deutschen Volkes, auf die gerade auf Leipziger Boden teuer erkaufte nationale Befreiung vom Joche der Fremdherrschaft hin. Er fand bei einem Teile der Hörer lebhaftesten Beifall, bei einem an deren, der allerdings vorwiegend aus russischen Stu denten bestand, lautesten Widerspruch, der sich immer mehr zu stürmischen Kundgebungen steigerte. Hierdurch veran- lastt, brachte vr. Henrici ein Kaiserhoch aus, wodurch der Lärm aufs höchste wuchs. Der Vorsitzende wies darauf vr. Henrici aus dem Saale, indem er betonte, dah es aus Grün den der Geschäftsordnung nicht angängig sei, in dieser Weise seinen Gefühlen Ausdruck zu geben und dah die politische Neutralität der einberufenden Körperschaft eine derartige Kundgebung nicht zulasse. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Aufforderung des vr. Henrici zum Kaiserhoch in dieser Versammlung am Platze war; immerhin aber bleibt es bedauerlich, dah in einer von deutschen Studenten einer deutschen Universität einberufenen Versammlung ein Kaiserhoch unmöglich ist, während die bestehende Staats- form de« Reiches in schärfster Weise angegriffen und die Republik gepriesen werden kann. vr. Henrici erhebt gegen diese Tatsache öffentlich Protest und wird sicher den Beifall aller Nationalgesinnten finden. * « « Eine Kandidatur Bassermann in Guben-Lübben? Wie aus Guben verlautet, soll der Reichstagsabgeordnete Bassermann bei den nächsten Reichstagswahlen an Stelle