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Ist Bedürfnislosigkeit ein Hemmschuh sür den Kulturfortschrttt? Diese Frage, die von Lasalle einmal in einer Arbeiter versammlung bejaht worden ist, fällt nicht ganz zusammen mit dem socialdemokratischen Lieblingslhema, datz die Zu friedenheit nicht eine Tugend, sondern ein Laster se>. Wohl aber berühren sich beide Gedankenreihen. Lasalle selbst hat fie damals so behandelt, daß er in den deutschen Arbeiter kreisen erst die Unzufriedenheit wecken wollte, um fie für seine kommunistischen Ideen zu gewinnen. Er ver- spottet den ehrlichen deutschen Arbeiter, der mit einer schlechten Wurst und einem Glase Bier zufrieden sei, und nach nichts Besserem begehre. Will man vom schlichtbürger lichen Standpunkt auf diesen Gedanken eingehen, somöchte man zuerst fragen: Ja, warum muß es denn gerade eine schlechte Wurst sein? Auch eine gute Wurst ist sür nicht allzu Hohen Preis zu erstehen. Dieselbe aber ist in Verbindung mit einem guten Glase Bier doch oft eine recht erwünschte Ladung selbst sür einen an feinere Genüsse gewöhnten Mann, wenn er auf einer Wanderung durch Berg uno Thal in einem einfachen ländlichen Wirtshause einkehrt. Lasalle Hai freilich wohl die regelmäßige Kost eines Fabrikarbeiters im Luge und da kann man ihm ja auch insofern beistimmen als man dem Arbeiter namentlich für die Mittagskost etwas mehr Abwechselung und insonderheit auch den Genuß warmer Speisen wünschen muß. Wenn die Fabrikeinrichtungen einigermaßen den berechtigten Anforderungen entsprechen, und wenn — was die Hauptsache ist — die Arbeiterfrau zu kochen versteht, so wird diesem berechtigten Bedürfnis der Arbeiter auch entsprochen werden. Man hat statistisch nachgewiesen, daß die Lebenshaltung der Arbeiter in Bezug auf Speise und Trank in den letzten Jahrzehnten sich sehr gehoben hat; und darüber kann man sich nur freuen. Wn find da unvermutet in das Fahrwasser Lasallscher Ideen ge- raten, natürlich solcher, die mit dem socialdemokratischen Zukunststdeal nichts zu thun haben. Ja, wir find geneigt, teselben noch weiter über die einfache Magensrage hinaus zu verfolgen. Es giebt noch andere Bedürfnisse als Speis und Trank, und zwar solche, deren Befriedigung wir den weitesten Volkskreisen wünschen müssen Dahin gehört vor allem ein, sei es auch bescheidenes, so doch gemütliches Heim. Das Schlafstellenwesen, wie es in großen Städten herrscht, ist etwas Menschenunwürdiges, ja in mo ralischer Beziehung geradezu eine verderbliche Seuche, Soll übrigens dos Heim wirklich gemütlich sein, so muß es nicht nur den nötigen Raum und die unentbehrlichen Möbel haben, sondern auch mit Gegenständen ausgestaltet sein, oie den einfachen Kunstsinn und das Gemüt befriedigen. Auch in Bezug auf Bildung, Geselligkeit und sociale Stell- ung wollen wir auch die schlichtesten Volkskreise nicht zur Bedürfnislosigkeit ermuntern. Im Gegenteil muß es der Wunsch aller Gutgesinnten sein, gerade die Niedrigstehenden zu heben — aber auch wirklich zu heben. Dazu ist jedenfalls etwas ganz anderes erforderlich als das, was die Socialdemokratie ihren Anhängern zur Befriedigung ihrer geistigen Bedürfnisse darbietet. Die in der Ueberschrift gestellte Frage muß aber, um richtig und erschöpfend beantwortet zu werden, die wechsel festigen Beziehungen der verschiedenen Volksgruppen zu einander ins Auge fassen, und zwar unter dem Gesichts punkte der Produktion und Konsumtion. Je mehr die Be dürfnisse sich steigern und vervielfältigen, um so mehr wird die Produktion angeregt, sür die Befriedigung derselben zu arbeiten. Es wird so nicht nur die Industrie als solche, son dern in und mit ihr auch die Erfindungsgabe und die künstlerische Schaffenskraft gestärkt. Dieser Entwickelungs- Prozeß ist gegenwärtig in besonders kräftiger Entfaltung, und man könnte daraus den Schluß ziehen, daß wir mit Riesenschritten einem idealen Vollendungsziel der mensch- lichen Kultur entgegengingen. Man braucht aber doch nicht gerade ein ausgesprochener Schwarzseher zu sein, um auf sehr entgegengesetzte sorgliche Gedanken geführt zu werden. Die zum Zleut»»u eines Garutson-LazarcthS in Kamenz erforderlichen Tischler- uud Glaserarbetten, etuschl. Lieferung der Materialien, sollen öffenllich verdungen werden. VerdingungSanschläge können von der unterzeichneten Geschäftsstelle (Holzmarkt 4, I) gegen Erstattung der Selbstkosten entnommen werden. Probestücke zu einzelnen Arbeiten, sowie Zeichnungen liegen im Kasernenbaubureau zu Kamenz zur Einsicht aus, woselbst auch alle weiteren Auskünfte ertheilt werden. Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: Laos Vtl. Tischler- und Glaferarbcttcn — Lazarcth Kamenz — versehen bis Mittwoch, de« 14. Dezember 1898, Bormtttag 19 Uhr postfrei an den Unterzeichneten etnzureichen, woselbst die Eröffnung in Gegenwart erschienener Bieter er folgen wird. Zuschlagssrist 4 Wochen. Auswahl unter den Bewerbern bleibt Vorbehalten. Königlicher Garnison-Baubeamter Bautze«. LclmvnlnuMlalt der Kreishauptmannschaft Bautzen ;nfilcich als KonMonalbehorVe ver Oberlausitz. Amts ö lat! -er Amt^bauptmanuschaftcu Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut, Bernstadt nnd Ostritz, des Hauplsteueramts Bautzen, ingleichen der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadlgewcinderüte zu Schirgiswalde und Weißenberg. § Organ der Handels» und Gewerbekammer zu Zittau. L Verantwortlicher Redakteur Georg G. Monse (Sprechstunden wochentags von 10 bis 11 und von 3 bis 4 Uhr). — Fernsprcchanschluß Nr. 5U DI« Bautzener Nachricht«» erschein.II, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage, täglich abends. Preis des oierieUährlichen Abonnements Z Jnierttonsgebübr ,ü- den Naum eine- Pettt- EpallzeUe gewöhnlichen Satzes 12>/z H., in geeigneten Fällen unter Gewährung von Rabatt: Ziffern-, Tabellen- und anderer ichwieriger Satz entsprechend teurer NachwciSgcbüln süi ,ede Anzeige und Insertion 20 Pfg-, kür briefliche AuSkunftSrrtcilung 10 Psg. tund Porto). Nur bis früh IO Uhr eingehende Inserate finden noch in dem abends eischeinenden Bwae Aujnalnne Jnieraic nehmen die Geschäftsstelle des Blattes und die Annoncenburcaus an, desgleichen die Herren Walde m Löbau. Clauß tn Wellenberg, Lipptlich tn Schlrgiswatüe, Gustas Kroting in Bernstadt. Buhr in Königshain bet Ostritz Reußner in Ober-Cunneisdors und von Lindenau in Pulsnitz «r. 278. Donnerstag, de» 1. Dezember, abends. 18S8. ssssomM Bekanntmachung, die Anmeldung zu dem an der Königlichen Turnlehrer-Bildungsanstalt zu Dresden abzu haltenden LehrkurfuS z«r ««SbUduu« voa Turnlehrerinnen betr. An der Königlichen Turnlehrer-BildungSanstalt zu Dresden beginnt am 9. Januar 1899 ein Kursus zur Ausbildung von Turnlehrerinnen. Gesuche um Zulassung zu demselben sind unter Belsügung I) des Geburt«- oder Taufscheines, 2> eines Srzilichen Zeugnisses über den Gesundheitszustand, 3) eines amtlichen Zeugnisies über die sittliche Führung, 4> der Zeugnisse über die frühere Schulbildung, sowie über genossene turnerische Vorbildung und S) eines selbstgeserttgten Lebenslaufes bei dem unterzeichneten Ministerium spä testens bis zum 31. Dezember l898 einzureichen. Dresden, am 25. November 1898. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. v. Seydewitz. Auerbach. Bekanntmachung. Zufolge Mittheilung der Königlichen Kreishauptmanvschaft zu Zwickau ist dem Ge- meindcvorstand Berthold in Erfenschlag auf Grund 8 H des Gesetzes vom 7. März 1879 die Befugniß zur Verfügung von Zwangsvollstreckungen in bewegliche körperliche Sachen innerhalb seines Geschäftsbereiches, unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufes über tragen worden. Bautzen, am 26. November 1898. Königliche Kreishauptmannschaft. von Schliebe«. M. Betauurmaühnng. Die Weihnachtssendungen betreffend. Das Reichs-Postamt richtet auch in diesem Jahre an da« Publikum das Ersuchen, mit den Welh- «aLtSVersendungM bald zu beginnen, damit die Packetmasien sich nicht in den letzten Tagen vor dem Feste ru sehr zusammevdiängen, wodurch die Pünktlichkeit tn der Besörderung leidet. Bei dem aukerordentlichcn Anschwellen des Verkehrs ist es nicht Ihunlich, die gewöhnlichen Befürdermigsfristen einzuhalten und namentlich aus weiiere Entfernungen eine Gewähr für rechtzeitige Zustellung vor dem Weihnachtssest zu übernehmen, wenn die Packete erst am 22 Dezember oder noch später eingellesert werden. — Die Packete sind dauerhaft zu verpacken. Dünne Pappkasten, schwache Schachteln, Cigarrenkisten re. sind nicht zu benutzen. Die Auf schrift der Packete muß deutlich. Vollständig und haftbar hergestellt sein. Kann die Aufschrift nicht in deutlicher Weise auf das Packet gesetzt werden, so empfiehlt sich die Bei Wendung eines Blattes weißen Papiers, welches der ganzen Fläche nach fest ausgeklebt werden muß. Bei Fleischsendungen und solchen Gegenständen in Leinwandverpackung, welche Feuchtigkeit, Fett, Blut w. absetzen, darf die Aufschrift nicht aus die Um hüllung geklebt werden. Am zweckmäßigsten sind gedruckte Ausschrtfien aus weißem Papier Dagegen dürfen Formulare zu Post-Packeladressen sür Packetausschrlften nicht verwendet werden. Der Name des Bestimmungsortes mutz stets recht groß und kräftig gedruckt oder geschrieben sein. Die Packetaufschrift muß sämmtliche Angaben der Beglettadresse enthalten, zutreffendenfalls also den Frankovermerk, den Nachnahmebetrag nebst Namen und Wohnung des Absenders, oen Vermerk der Eilbestellung u. s. w., damit im Falle des Verlustes der Begleitadresse das Packet auch ohne dieselbe dem Empfänger ausgehändtgt werden kann. Auf Packeten nach größeren Orten ist die Wohnung deS Empfängers, aus Packeten nach Berlin auch der Buchstabe des Postbeztrks (>!., IV., 80 u. s. w) anzugeben. Zur Beschleunigung des Betriebes trägt es wesentlich bei, wenn die Packele srankirt ausgeiiesert werden; die Vereinigung mehrerer Packele zu einer Begleitadresse ist thunlichst zu vermeiden. Berlin 5V„ 23. November 1898. Reichs-Postamt l. Abtheilung Kractte. "Aufzeichnung der Pferde nnd Rinder. Die nach 8 4 unter o der Verordnung vom 4. März 1881 — Gesetz und Verordnungsblatt Seite 13 — vorgeschriebene Auszeichnung der Pserde und Rinder ist sür das laufende Jahr am 19. Dezember zu bewirken. Die ausgesüllten Formulare sind bis fpätestens den 7. Januar 1899 anher einzureichen. Bautzen, am 28. November 1898 Königliche Amtshauptmannschaft. vr. Hempel. Hfe. Bekanntmachung, ausgelooste Bautzener Stadtschuldscheine betreffend. Bei der am 23. Mai 1898 erfolgten planmäßigen stebcnzeknten Ausloosung von Schuldverschreibungen der 3>, °/g früher 4 '7g Bautzener Stadtanleihe de« Jahres 1877 sind solgende Nummern gezogen worden; I-it. ir ä 1000 No. 61, 65, 212, 229, 304, 310, 334, 357, 436, 489, 503, 510. ftlt. 8 ä 500 X No. 56, 75, 225, 230, 331, 429, 432, 442, 467, 550, 606, 633, 746, 886, 898, 934, 991, 1000, 1099, 1105, 1146, 1155, l-it. 0 a 200 No. 18, 77, 92, 122, 219, 231, 257, 279, 385, 395, 444, 649, 677, 716, 849. 901, 961, 970, 1001, 1131, 1171, 1296, 1305, 1324, 1397. Am 31. Dezember 1898 weiden die aus diesen Schuldverschreibungen bemerkte» Kapitalbeträge zahlbar und gegen Rückgabe der Schuldscheine, sowie der dazu gehörigen Zinsleisten und der noch nicht fälligen Ztnsscheine bei der Stavthauptkassc hlerstlbst, bei der Landständischm Bank des Königl. Sächs. Mark- arasthumS Obcrlausttz zu Bautzen und deren Filiale zu Dresden, bei dem Bankhausc G. E. Heydemann in Bautzen und Löbau i. Sa. ausgezahlt werden. Dies wird unter Kündigung der betreffenden Schuldbeträge mit dem .Hinzufügen bekannt gemacht, daß die Verzinsung der ausgeivosten Schuldverschreibungen mit dem 31. Dezember 1898 aushört. Wetter wird bekannt gegeben, daß von den früher ausgelooste« «ad gekündigte« 3^ Schuldverschreibungen 1-ic. L ä 1000 No. 462, ausgelovst am 11. Mai 1896 nnd sällig am 31. Dezember 1896, No. 518, ausgelovst am 24. Mai 1897 und sällig am 31. Dezember 1897, I-it. I! ä 500 No. 447 und 999, ausgelovst am 11. Mat 1896 und fällig am 31. Dezember 1896, No. 963, ausgeioost am 24. Mai 1897 und fällig am 31. Dezember 1897, l-it. 6 ä 200 No. 674, auSgeloost am 9. Mai 1890 und sällig am 31. Dezember 1890, No. 345, ausgeioost am 25. Mai 1893 und sällig am 31. Dezember 1893, No. 857 nnd 1182 ausgelovst am 11. Mai 1896 und sällig am 31. Dezember 1896, zur Einlösung noch nicht präscntirt worden sind. Die Inhaber dieser Schuldscheine werden daher zur Vermeidung weiterer Zinsverluste hiermit auf- gcfortert, die betreffenden Kapitalbeträge nunmehr ungesäumt bei Veit vorgenannten EinlösungSstrllM gegen Rückgabe der Schuldscheine, Zinölcisten und ZinSschcinc zu erheben. Bautzen, am 24. Mai 1898 Der Stadtrat h. vr. Kaeubler, Bürgermeister. Hl. Schreitet nicht die Kullur über das ihr gesteckte Ziel hin aus?, wird sie nicht häufig zur Ueberkultur, die die mo ralische und physische Gesundheit der Menschheit untergräbt, um sie zuletzt zu vernichten? Wir möchten diese Frage so gern verneinen; aber ein Blick auf die gesteigerte Bedürfnisfähigkeit der kultivierten Menschheit und auf die Gegenstände, aus die sich dieselbe richtet, macht uns stutzig und sorglich. Abgesehen von den leider nur zu wirksamen direkten Verlockungen zur Sünde und Unmoralität, liegt in den heutigen Kulturoerhältniffen eine Anreizung zu oberflächlicher und gedankenloser Genuß sucht; und dies wirkt verderblich auf diejenigen, die die nötigen Mittel dazu haben, ja auch auf die, die sie nicht haben. Für letztere wird die ungestillte Genußsucht oft ge radezu zur Quelle des Verbrechens; bei jenen ersteren aber, die sich keinen Genuß zu versagen brauchen, wirkt die be friedigende Genußsucht wenigstens die schlimme Zeilkrank heit, die unser Geschlecht zu ruinieren droht — die Ner vosität. Es giebt manche Leute, die wegen der Fülle der sich ihnen aufdrängenden Genüsse und Vergnügungen zu keiner Ruhe, und damit auch zu keiner wirklichen Er holung kommen. Wenn eine vielleicht recht anstrengende geistige Arbeit das Nervensystem bereits im hohen Grade angegriffen hat, so setzt die Fülle der sich darbietenden Ge nüsse und Vergnügungen dies Zerstörungswerk fort, statt ihm entgegenzuwirken. Das »Sich a uf drängen" der Ge- nußmittel ist aber ganz besonders ein charakteristisches Zeichen unserer modernen Kultur. Das Angebot von allen möglichen neuen Dingen, die Erheiterung oder Zer streuung versprechen, muß oft erst die Nachfrage anregen. Wir find weit entfernt davon, dieses Verhältnis von An gebot und Nachfrage überhaupt verurteilen zu wollen. Für den WeihuachtSmarkt z. B. hat es seine besondere Berechtigung, aber auch sonst kann eS sich als fördernder Kulturfaktor bewähren. Es kommt nur darauf an, daß das Rene auch wirklich gut ist. Unter dieser Bedingung ist