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313 Mörder; dicht hinter ihm wurde die Leiche seiner Frau getragen, und dann folgte der ganze Haufe in geordnetem Zuge. Als man auf der Richtstätte ankam, wurde eine Büchse, auf der die Worte „Für die Waisen" zu lesen waren, an den Baum genagelt und manches Gold stück von denselben Leuten hineingeworfen, welche den Vater zum Tode führten. Dann wurde der Leichnam der Ermordeten in die Gruft ge senkt, und in dem Augenblick, als der Mörder mit starren Augen hin abschaute, schnürte sich plötzlich der Strick um seinen Hals, und der Unglückliche hing in der Luft. Das Volk saß schweigend umher und beobachtete ihn mit ernsten Blicken. Nach einer halben Stunde wurde er abgeschnitten und neben seiner Frau in daS Grab gelegt. Einige Minuten nachher war die Stadt so still, als wenn nichts Ungewöhnliches geschehen wäre, kein Mensch war in den Straßen zu sehen, und von jenem gesetzlosen Haufen war keine Spur aufzufinden. Eine Stunde später langte der Richter mit den Todtenbeschaucrn an. Nachdem man ihm das Vorgefallene erzählt hatte, lud er die Geschworenen auf den folgenden Morgen vor. Mit Sonnenaufgang kamen sie auf dem Hügel zusammen, unterredeten sich einige Minuten mit einander, während das Ende des abgeschnittenen Seils noch über ihren Köpfen schwebte, und hefteten zwei Zettel an den Baum. Auf dem einen stand der Name der Frau, und darunter die Worte: „Ermordet von ihrem Gatten;" auf dem anderen der Name des Mannes, und unter diesem die Worte: „Gestorben nach dem Willen Gottes und dem Urtheil menschlicher Ge rechtigkeit." Alan sieht, daß die Leute in Kalifornien sowohl von dem Willen Gottes als von der menschlichen Gerechtigkeit ganz eigenthüm- liche Vorstellungen haben. Noch empörender war die dritte Anwendung des LynchgesetzeS, der ich in Kalifornien beigewohnt habe. Ich hatte bei einem Ansiedler am Ufer des Sacramento gastliche Aufnahme gefunden, und war im Be griff, meine Reise fortzusetzen, als fünf Reiter vor dem Thore hielten