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648 Prag, 3. März. „Narodni Listy" veröffentlichen eine Petition um Errichtung einer cssechischen Universität, welche die Jungczechen im Landtage einzubringen gedenken, und fordern gleich zeitig zu zahlreichen Unterschriften auf. — Die Jungczechen dcs Pilsener Bezirkes bringen eine Petition an den Landtag um Abänder ung der Landtags-Wahlordnung ein. Dieselbe verlangt, daß aller orten, wo die gewählten Altczechen ihr Mandat nicht ausüben, die Candidaten der Minorität als gewählt angesehen werden sollen. Prag, 4. März. (N. Fr. Pr.) In Kommotau wurde ein Colporteur wegen Colportage der „Gartenlaube" verhaftet. Pesth, 4. März. Der „Pesther Lloyd" erfährt, daß die Aus zahlung der Subventionen an die in Dalmatien und Croatien weil«den Flüchtlinge aus Bosnien und der Herzegowina ein- gestellst wird, sobald die Proclamirung der Amnestie und des Re form-Fermans erfolgt. Die Delegationen werden einen Nachtrags credit von 700,000 fl. für die Unterstützung der Flüchtlinge zu be willigen haben. — Die „Gartenlaube" ist auch in Ungarn verboten. Ragusa, 3. März. Dem „Pesther Lloyd" wird telegraphirt, daß Rod ich ein Circulair an sämmtliche Bezirkshauptmannschasleu richtete. Dieselben werden darauf angewiesen, Sorge dafür zu tragen, daß die Zuzüge streitbarer Herzegowiner, die Zufuhr von Waffen und Munition verhindert werde. Im Betretungsfalle seien Waffen und Munition zu confisciren, die Fremden seien des Landes zu ver weisen, die Flüchtlinge zu interniren. Ueber alle Vorkommnisse ist der Statthalter in Evidenz zu halten. Zara, 1. März. Am 35. v. Mts. hat der Triester Dampfer „Messina" 16 Garibaldiner über Cormons heimescortirt. In Castelnuovo wurden 22 Garibaldiner verhaftet. Italien. Rom, 2. März. Der Papst hat am Faschingsdienstage Herrn Mermillod, aus Genf, in einer langen Audienz empfangen, um sich mit ihm über die Lage der schweizerischen Kirche zu unterhalten. Auch Cardinal Antonelli hatte mit Hrn. Mermillod eine Unterredung und im Vatican besteht die Absicht, die mit der Schweiz bestehenden Gegensätze auszugleichen. Rom, 3. März. (Corr.-Bur.) Cardinal Ledochowski ist heute hier eingetroffen und am Bahnhof vom Cardinal Borromeo Monsignore Vannutelli, den Rectoren und Zöglingen des deutschen und polnischen Collegiums und etwa 100 Priestern, Damen, Bürgern und Polen empfangen worden. Die Damen überreichten dem Car dinal Ledochowski unter Hochrufen mehrere Bouquets. — In einem von der „Roma" veröffentlichten Communiqui Anto nelli's heißt es: „Wir warten unverrückt in Canossa, und der deutsche Gegner wird dennoch zu uns kommen — in dieser oder jener Form. Der preußische Staat, um seine Katholiken zu versöhnen, bedarf weder der Bischöfe, noch des Papstes; er braucht nur seine Mai-Gesetze zu verbessern" — Die „N. F. P." bemerkt dazu: „Also nicht mehr die Aushebung, sondern blos die „„Verbesserung"" wird begehrt. Das ist ein bedeutsamer Rückzug, wie sehr man. ihn auch durch Redensarten zu decken trachtet." — Die italienischen Friedensfreunde halten an der Ueberzeugung fest, daß der von vr. Fischhof ausgegangene Vorschlag zu einem all gemeinen europäischen Congresse Behufs Förderung der Ab rüstungsfrage niemals die Zeit, die Umstände und die allgemeinen Wünsche derart für sich hatte, wie gerade gegenwärtig, und daß der selbe seine Früchte tragen werde. Dieser Congreß soll unter Zustim mung und zur Freude, wie es heißt, der begeistertsten und thätigsten Friedens-Apostel unter allen Nationen, in Rom stattfinden, und Gari baldi hat bereits vor mehreren Wochen in einem Briefs an Professor Sbarbaro, welch' Letzterer die Sache mit einem unermüdlichen Eiser nach allen Seiten hin fördert, seine Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben, bei einer Zusammenkunft der Vertreter aller Völker zur Schaffung eines internationalen Schiedsgerichtes den Vorsitz zu übernehmen. In einem neuerlichen Artikel der „Gazzetta d'Jtalia" heißt eS über die Wahl der italienischen Hauptstadt zur Abhaltung dieser Versammlung, welche das erste „Parlament der Menschheit" genannt wird, dieselbe könne kaum einen würdigeren Sitz finden, als in Rom. „Neben einem vermorschten Aberglauben würden sich, von allen Weltgegenden herbei eilend, die Vertreter der Religion, des Friedens und der Arbeit, die sich allerorten aus den Trümmern dieses Aberglaubens erhebe, brüder ¬ lich die Hand reichen. Als ein neuer Triumph ihrer Sache wird von den italienischen Friedensfreunden die dem österreichischen ReichSrathe vorgeschlagene Motion angesehen, welche den Fortschritt der in Oester reich und Deutschland unternommenen Propaganda gegen den Krieg und zu Gunsten des allgemeinen Schiedsgerichtes beweise, wodurch das Werk der allgemeinen Pacification gekrönt, und sozusagen die juristische Weihe desselben vollzogen werden solle. Der allgemeine europäische Congreß zur Förderung der Abrüstungsfrage werde die natürliche Ergänzung und die Garantie für den Erfolg jeder einzelnen Motion bilden, welche die verschiedenen Volksvertretungen in Europa zu Gunsten der Entwaffnung votiren. Die Delegirten aller gebildeten Nationen sollten den Regierungen die Abrüstung auferlegen. Wem leuchte es nicht ein, daß der kühne Gedanke des vr. Fischhos Form und Gestalt gewänne, wenn jedes Land seine Vertreter zu der in Italien beabsichtigten Versammlung schickte und diese in den Saal des friedlichen Areopags mit dem Bewußtsein und dem ausdrücklichen Mandate eintreten könnten, Millionen und aber Millionen ihrer Mit bürger zu repräsentiren; daß die Beschlüsse dieses kosmopolitischen Parlaments, in allen Winkeln der Erde bekannt gemacht, den vollen Nachdruck, das Ansehen und die Wirkung eines europäischen Plebts- cits für die Abrüstung haben könnten?" Besonderes Interesse ge währt die Auffassung, welche der Wortführer der italienischen Friedens freunde der Bedeutung des Ausfalles der Wahlen in Frankreich entgegenbringt, die von verschiedenen Seiten als eine Gefahr für Ita lien dargestellt werden, indem er sagt: „Im Herzen Europas hat sich zu Gunsten des Friedens eine Thatsache vollzogen, welche die Freunde des friedlichen Fortschrittes in ihrem Wirken, in ihrem Apostel- thum weit mehr ermuthigen muß, als alle diplomatischen Unterhandlungen: der Triumph der arbeitsamen Demokratie bei den französischen Wahlen. Man mag wollen oder nicht, Frankreich bleibt stets ein Hauptherd aller guten oder schlechten Grundsätze und Einflüsse für alle Welt. Der Triumph der Republik bedeutet gegenwärtig mehr als alles Andere die Nerzichtleistung auf kriegerische Abenteuer. Das sagte Gambetta klar und unzweideutig, das sagten die sämmtlichen Sieger an der Wahlurne; das Programm des Friedens war dasjenige, das vorzugsweise und am wärmsten von derjenigen Partei, die gesiegt hat, vor den Wählern ver- theidigt wurde. Gambetta hat in einer seiner letzten Reden das alte Programm der gewaltthätigen Revanche und des militairischen Ruhmes, zu dem auch er sich ehemals bekannt hatte, zerrissen und über den Ursprung des Krieges in einer Weise geurtheilt, daß ein amerikanischer Quäker seine Worte unterschreiben könnte. Welcher Abstand von jenem Gambetta, der sich vor dem letzten Kriege offen gegen die neuen Ideen der allgemeinen Brüderlichkeit erklärte und es ablehnte, an den Friedenscongressen theilzunehmen! Bei einem so klugen Manne, der nie unterläßt, die Pulsschläge der öffentlichen Meinung zu belauschen, ist ein derartiger Um schwung höchst bemerkenswert!). Ein Gambetta, welcher sich gegen die Rachekriege der brutalen Gewalt ausspricht, um an die unwiderstehliche Macht und die immer mehr um sich greifende Herrschaft des Rechtes zu appelliren — welche Ueber- raschung, welches Zeichen der Zeit! Und wenn Frankreich auf den Krieg verzichtet, welch' andere und eigentliche Ursachen zum Kriege sind dann in Europa noch vor handen? Wer wünscht den Krieg, außer den Clericalen? Kann die letzte Rede Bismarck's über den festen Entschluß Deutschlands, den Frieden aufrechtzuerhalten, noch irgend einen Zweifel zulassen? Die Parteigänger des Friedens können wagen, wagen, wagen!" Der Congreß selbst soll auf dem Capitol abgehalten werden, und zwar in demselben Saale, wo vor drei Jahren eine ansehnliche Ver sammlung unter dem Vorsitze Mancini's für die Schaffung eines inter nationalen Schiedsgerichtes tagte. Frankreich. Paris, 3. März. (K. Z.) Wie groß die Macht der Geist lichkeit ungeachtet der Wahlen vom 20. Febr. noch ist, beweist, daß General Gallifet, Commandant der Garnison Dijon, einen Ver weis erhielt, weil er dem Leichenbegängniß des in einem Duell er schossenen Korporals, dem die Kirche die letzten Ehren verweigert hatte (vgl. No. 53 d. Bl.), anwohnte. Diese Stimmung in den höchsten Kreisen erklärt es auch, daß die Gemahlin des Unterrichts ministers, als Mitglied der Gesellschaft vom heiligen Vincenz von Paula, es sich kürzlich erlauben durfte, alle Professoren und Beamten, die unter ihrem Manne stehen, zu einer Conferenz in der Kirche Saint JacqueS du. Haut-Pay einzuladen und auf ihre Ein ladungskarten den Stempel des ministeriellen Cabinets zu setzen. — Dufaure hat die Deputirten für den 8. März zur ersten Versammlung der Deputirten kammer einberusen. — (Vicomte de Mun.j Der Papst hat den Vicomte de Mun, den früheren Rittmeister und Führer der katholischen Gesellenvereine, zum Commandeur des Ordens des h. Gregorius ernannt. Man hofft, daß ihm dies bei den Wahlen am 5. helfen werde. Herr v. Mun trat im Morbihan als Candidat für die Deputirtenkammer auf, wurde jedoch bei der ersten Wahl nicht gewählt.