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249 deutsche Presse und unter Darlegung der bekannten Vorgänge bei der Redaction der „Franks. Zeitung" motivirt hat, vertagt das Haus die weitere Verhandlung bis Mittwoch. (Schluß 4^ Uhr.) — Gestern nahm der Reichstag bekanntlich den sogenannten Duchesne-Paragraphen für das Strafgesetzbuch nach einem von den Abgg. Klöppel und Marquardsen gestellten Anträge mit nur 141 gegen 133 Stimmen an, welcher der belgischen Fassung dieses Gesetzes fast wörtlich gleichbedeutend sein soll. Wie man aber hört, will die Regierung dieser Fassung nicht ihre Zustimmung geben, sondern auf der Annahme der Regierungs- bez. Commissionsvorlage bestehen. — Demnächst wird im Reichstage die Debatte über den Arnim-Para graphen beginnen. — Die polnische Fraktion des Reichstags wird der Justiz commission ein Memorandum unterbreiten, in welchem sie Protest gegen den von der Commission gefaßten Beschluß einlegt, wonach nur die deutsche Sprache als Gerichtssprache zugelassen werden soll. Vermischtes. — Das Carl Stangensche Reise-Burcau in Berlingiebt bereits die Prospecte für seine Frühjahrsreiscn heraus. Darnach soll am 4. April er. eine Reise über München nach Italien angetreten werden, welche bis Rom und Neapel und zurück über Venedig, Triest und Wien führt. Für diese Reise, welche 33 Tage dauert, fordert das Bureau für Fahrt, Führung, Verpflegung und Ausflüge 1000 ^ Nächstdem wird eine Reise nach Paris mit 1 (tägiger Dauer beabsichtigt und am 27. Mai er. geht die zweite StangenscheExpedition nach Nordamerika zum Besuch der Weltausstellung in Philadelphia mit einem der besten Lloyddampfer in See. Für die 28. Orientrcise, welche am 2l. Fe bruar angetreten wird, haben sich bis jetzt 15 Personen angemeldet und wird daher das Maximum der Theilnehmerzahl, das auf 20normirt ist, voraussicht lich erreicht werden. — Das kaiserlich deutsche Postamt zeigte kürzlich zur Warnung des Publicum- an: die Versuche zur Rettung der Briefschaften, welche sich an Bord des am 5. November zu Grunde gegangenen nach Java be stimmten Dampfschiff- „Willem" befanden, seien fruchtlos geblieben. Vor einigen Tagen ist aber, wie man au- dem Haag schreibt, bei dem nieder ländischen Coloniendepartement die Nachricht eingelaufen, daß das betreffende Felleisen gerettet wurde. Dasselbe «nhielt nicht blo- die am 1. October v. I. über Brindisi, sondern auch die am 28. September von Amsterdam über Triest nach Indien abgegangenen Briefe. — Die höchste Einkommensteuer im preußischen Staate zahlte im Jahre 1875 Krupp in Essen, welcher in der 87. Steuerstufe mit 106,200 Mark besteuert war. — Münster, 20. Januar. Die „B. Z." schreibt: Gestern wurde vom hiesigen Schwurgerichte die Witwe eines Korbmachers, welche ihren Mann am 26. November v. I. mit einem Beile erschlagen hat, zu 5, sage fünf Jahren Zuchthaus verurtheilt. Als der Mann von der Megäre die tödtlichen Hiebe erhielt, wurde er von zwei anderen Personen festgehalten und dadurch völlig wehrlos gemacht. — Aus Heidelberg schreibt man: „Hr. Hermann Ritter aus Schwerin, seit dem Herbste 1874 in der hiesigen philosophischen Facultät immatriculirt, hat der Viola eine neue Construction gegeben, durch welche diese« Instrument nach dem Urtheile der Musikverständigen, welche die Erfindung zu prüfen Gelegenheit hatten, die Anwartschaft auf eine große Zukunft erhalten hat. Der Klang der ersten, nach den Angaben des Herm. Ritter in Würzburg gebauten Viola soll von wunderbarer Schönheit sein. — In Zürich gelang es vor Kurzem dem Raubmörder Merk von Norba« zum zweiten Mal und zwar auf folgende Weise zu entweichen: Er öffnete mit einem nachgemachten hölzernen Schlüssel seine Zelle und die übrigen Thüren des Gefängnisses, versah sich in der Stube eines Wärters unter Zurück lassung seiner Sträflingskleider mit Rock und Hosen, einer Pelzmütze, zwei sechs läufigen geladenen Revolvern und im Administrationszimmer sogar mit Geld, also mit Allem, was zu einer derartigen Luftveränderung nothwendig ist. Auf seine Wiederinhaftnahme sind 500 Frcs. Belohnung ausgesetzt. — Rom, 22. Januar. Der päpstliche S tuhl hat beschlossen, auch seinerseits die Ausstellung in Philadelphia zu beschicken. Architekt Vcspignani erhielt den Auftrag, die paffenden Objecte auszuwählen, unter denen besonders Arbeiten der vaticanischen Mosaik- und Arrastapeten-Officinen berücksichtigt werden sollten. An erster Stelle werden zwei Mosaikrcproduc- tionen von berühmten Originalbildern (die Madonna della Seggiola und die Madonna del Sassoferrato) sowie ein Arras mit der Darstellung der h. Agne- auf dem Scheiterhaufen genannt, die.demnächst den Weg über den Ocean neh- men werden. — In einer Adresse an die niederländische Regierung macht «in Herr Jerome Wenmaeker« (in Brüssel) das Anerbieten, die Trockenlegung de- ganzen Zuidersee binnen 16 oder 20 Jahren au-führen zu wollen, wenn man ihm eine Subsidie von 20 Millionen Gulden und Ueberlassung der trocken zu legenden Bodenflächen bewillige. Er behauptet, eine Waffer- bauart zu kennen, welche alle bi- jetzt in Anwendung gekommenen Arten in hohem Maße überteffen werde. Er ist auch dazu bereit, mit der Regierung über eine Mitthetlung seiner Pläne gegen entsprechende Belohnung in Unter handlung zu treten. Bereit- im Jahre 1863 hatte Wenmaeker- sich um eine Concesfion für Trockenlegung de- Zuidersee beworben. — Vom Schwurgerichte in Nix wurde neulich ein SOjähriger Mann, Namen« Urban, zum Tode verurtheilt, weil er seinen eigenen Sohn vergiftet hatte. Nachdem der Todesspruch gefällt war, schritt der Verurtheilte zu Geständnissen. Er bekannte, daß er seinem Sohne in der That Gift gegeben habe, nachdem er demselben ein Testament, da- zu seinen Gunsten lautete, entlockt hatte. Doch nicht genug daran, al« da- Gift nicht rasch genug wirkte, habe er ein Kohlenbecken unter da- Bett de- Knaben gestellt, und als auch dies nicht schnell wirken wollte, habe er denselben mit seinen Händen erdrosselt. Diese- Verbrechen war aber nicht da- einzige, zu dem Urban sich bekannte. Er gestand, auch seine Frau vergiftet zu haben, nach dem er sie bestimmt hatte, ein Testament zu seinen Gunsten aufzusetzen. Dieses Verbrechen war unbemerkt geblieben und Urban dachte bereit- daran, sich wieder zu verehelichen, um auch seine zweite Frau zu vergiften und zu beerben. — Ein seltener Rubin ist im Laufe dieses Monats von einem Pariser Juwelier für Rechnung des Kaisers von Brasilien um die Summe von 85,000 Frcs. angekauft worden. Der Edelstein, der sich durch seine Größe und Farbenpracht auszeichnet, war früher im Besitze des Herzogs Carl von Braunschweig und fiel nach seinem Tode mit dem größten Theile der hinter- laffenen Kostbarkeiten und Kleinodien an die Stadt Genf. Von dort wanderte der Prachtrubin nach Paris, wo er die Aufmerksamkeit des Hof-Juweliers des Kaisers von Brasilien erregte, welcher auch schließlich den Ankauf des Edelsteines veranlaßte. — Die Samml u n g e n, welche in England für schiffbrüchige Passa giere des Dampfers „Deutschland" veranstaltet worden, haben einen reichen Ertrag gegeben, indem außer Kleidungsstücken, Decken, Tüchern und zahlreichen anderen Gegenständen an Geld 575,i 8 Pfd. Sterl, gespendet sind. Die Ver- theilung des Hauptbetrages der Gelder, so wie der übrigen Gaben ist in Sout hampton vor Abfahrt des „Salier", der die Schiffbrüchigen nach Amerika über geführt, durch Mitglieder des Comitös erfolgt, und eine Summe von einigen 50 Pfd. Sterl, nachträglich noch in New-Jork zur Vertheilung gelangt. — Ueber Marine-Telegraphenstationen auf hoher See wird aus London geschrieben: Hiesige Zeitungen haben gemeldet, daß „mehrere auswärtige Seemächte" den Plan hegen, Telegraphenstationen im hohen Ocean zu etabliren, durch welche Drathdepeschcn durch die submarinen Kabel nach den Küsten, und umgekehrt, befördert werden können, so daß vom Lande eine be ständige Verbindung mit Kreuzern, Panzerschiffen und Postdampfern unterhal ten werden kann. Die Erfindung beruht auf hohlen in Kammern getheilten eisernen Säulen, die auf einer Grundplatte stehen, welche mittelst eines Kugel gelenks an eine Boje befestigt und halb im Wasser liegend, stark verankert ist. Ein Zweigkabel, das auf den Meeresgrund hinabsteigt und mit dem submarinen Hauptstrange verbunden ist, mündet an der schwimmenden Säule mit mehreren Armen, die an Bord genommen und mit dem Apparat, den da- Schiff dazu mit sich führt, in Contact gesetzt werden können. Flottenmanöver können so dirigirt werden, wie auch beschädigte Schiffe, die Hilfe brauchen, solche vom Hasen aus reauiriren oder wenigstens Meldung ihrer Lage machen. — Wie man der „Pol. Corr." au- Athen schreibt, untersagte die griechische Regierung auf eine bestimmte Forderung de« deutschen Gesandten v. Radowitz ihren Beamten in Olympia jede Mitthetlung über die jeweiligen Funde, da die erste Verlautbarung hierüber nach dem Ver trage mit der deutschen Regierung den Vertretern dieser letzteren überlassen worden ist. — Ein werthvolle« Manuscript ist dem „Athenäum" zufolge auf den Azoren entdeckt worden. E- hat Bezug auf die Colonisirung de- nördlichen Theiles von Amerika durch Emigranten aus Oporto. Aveiro und der Insel Tcrceira im Jahre 1500 und wurde von Francisco de Souza in 1570 geschrieben. Barboza Machada erzählt, daß es während de- großen Erdbeben« in Lissabon im Jahre 1755 verloren ging. Diese« wichtige Dokument soll in Kurzem der Oeffentltchkeit übergeben werden und dürste einige- Licht über die streitige Frage In Betreff der ersten Entdeckung Amerika« verbreiten.