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für ein paar Tage aus Eis gelegt. Erst die am 11. Ja nuar beginnende Jnterpellationsdebatte soll die Ent scheidung bringen, ob Poincarä seinen Rücktrittsent- schluß aufrecht erhält. Der „Gaulots" will übrigens den Rücktritt des bisherigen Generalresidenten von Ma- jeokko, Steeg, mit der Krise in Zusammenhang brin gen. Tatsächlich ist Steeg schon mehrfach als mut maßlicher Nachfolger Poincaräs genannt. Sein Rück tritt ist indessen offenbar lediglich aus den Parlaments beschluß zurückzusühren, wonach künftig Parlamentarier Nicht länger als ein halbes Jahr Posten in den Ko lonien, durch die sie ihrer parlamentarischen Tätig keit entzogen werden, bekleiden dürfen. In dem da durch hervorgerusenen Gewissenskonflikt hat der Se nator Steeg über den Generalresidenten Steeg gesiegt. * Auch Jugoslawien ist mit einer Regierungskrise in Las neue Jahr hineingegangen. Der Gesundheitszu stand des Königs Alexander hat sich zwar soweit ge bessert, daß die Verhandlungen über die Neubildung der Regierung beginnen konnten, trotzdem ist aber mit einer längeren Dauer der Krise zu rechnen. Die Führer der kroatischen Opposition Dr. Matsche! und Pribitsche- witsch sollen für die nächsten Tage in Belgrad er wartet werden. Matschek hat im Verein mit seinen Parteianhängern, jedoch ohne Zustimmung des zwei ten Parteichefs, Pribitschewitsch, ein Programm über die Neueinrichtung des Staates dem Parteivollzugsaus schuß vorgelegt, das er auch dem König unterbreiten wird. Das Programm enthält drei Grundlinien über die Neuordnung der Staatsverfassung. Pribitschewitsch hat sich jedoch mit diesem grundlegenden Programm nicht einverstanden erklärt. In politischen Kreisen will man daher wissen, daß sowohl Matschek als auch Pri- öitschewitsch jeder im Namen seiner Partei dem König Lhre Ansicht über die Lösung der Regierungskrise unter breiten werden. Sie Neugestaltung des Reichs. Bon der Reichsschulungswoche der deutschen Referendare. Im Plenarsaal des ehemaligen Herrenhauses hat am Mittwoch die Reichsschulungswoche des Reichsbundes Deutscher Referendare begonnen. Ms erster Redner sprach Minister a. D. Dr. Schiffer über das Thema „Gründe, Wege und Ziele der deutschen Justizresorm". Er erörterte die Notwendigkeit deutscher Reform aus dem Gebiete der Stellung des Richters und in den Beziehungen zwischen Recht und Volk. Am zweiten Tage sprach Wirklicher Ministerial rat Universitätsprofessor Dr. Wittmayer- Wien über das Thema „Reformen im Staatsrecht". Er behandelte in erster Linie verfassungsrechtliche Fragen, sodann jene Teile des Staatsrechts, die politisch an das Verfassungs recht angrenzen. Tie Weimarer Verfassung sei im gewissen Sinn nur ein Notbau, eine Notvcrfassung. Ihre wesent lichen Neuheiten seien fast zwangsläufig. In Weimar sei sine Verteilung der Macht ohne Sicherung erfolgt. Die Ausgestaltung sei dem freien Spiel der Kräfte, der politischen Partei überlassen wor den. Es sei kein Wunder, daß der Rus nach Reform laut werde. Unheilbar aber sei geblieben der Zwie spalt der deutschen Landkarte, das riesige Uebergewicht Preußens. Eine Flut von Plänen, die aus den Aus bau der Weimarer Verfassung dränge, setzte ein. Ter Vortragende ging dann im einzelnen auf die mannigfachen Lösungsvorschläge, in Sonderheit für die Re gelung des Verhältnisses zwischen Reich und Preußen, ein. Ler Plan des Lutherbundes, Preußen zum Neichsland zu machen, bringe Preußen um sein politisches Eigenleben, um feine eigene Regierung und zur Aufgabe der Gesetzgebung, ebenso der Plan Dr. Höpker-Aschoffs, Preußen zu einem Reichsland Norddeutschland umzuwandeln. Die praktische Auswirkung wäre dann eine Hegemonie Preußens. Der Von der preußischen Regierung ausgehende Plan einer Auf lockerung Preußens sei ebenso aussichtslos wie der Vor schlag einer Aufteilung Preußens. Als eher lösbar, aber Der Zieg des Gewissens. Originalroman von H. Fricke. (51. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Sie dürfen alles, was Sie für richtig halten!" hatte der Arzt gesagt, der ein kluger und feiner Mensch war. Wie kam es doch, daß er aussehen konnte wie ein Knabe, und dann doch wieder wie ein Gelehrter? — Marthe hatte ihn sehr gern. Das Mädchen brachte ihr einen Imbiß und sagte, die Pfle gerin habe sie geschickt, nachfusehen, ob Frau Baronin sich hin gelegt habe. Sie Habs io bleich ausgesehcn. Marthe lächelte matt. „Es isi gut Luise, sagen Sie. daß ich mich jetzt eben hinlege." Sie nahm ein wenig Speise zu sich und versuchte, dann wirklich zu ruhen. Sie lag still und gehörst m bis znm Abend, aber ihre Sorge kUnd Zweifel ließen sic' nicht Ruhe finden. Der Zustand des Vaters änderte sich nicht. s' Als es dunkel wurde, stand sie auf und trat wieder zum Aenster. Ihr Herz kam ihr so leer vor wie dies stille Haus, in dem alles auf leisen Sohlen ging und frohe Gedanken keinen Raum hatten. Sterne blitzten hinter den hohen Bäumen des Tiergartens rruf. Eine Uhr schlug. Unten auf der Straße hasteten Wagen mnd Leute vorüber. Sie dachte an Günther und an das, was sie ihm schuldig war. Sie dachte an seinen lieben, alten Vater, der dort in Angst und Sorge sitzen würde und nicht wußte, wo er einst sein weißes Haupt zur letzten Ruhe betten dürfte. Sie dachte an Hertha, die sich — so glaubte Marthe wenig- Pens — in der Fremde draußen aus Sehnsucht nach dem Ge lebten verzehrte! — Und an den Todkranken hier! Da ging sie entschlossen an ihren Schreibtisch, drehte das Licht an und erbrach das Siegel des Testaments. „Berlin, den 4. Juli", das war der Tag nach ihrer standes amtlichen Trauung gewesen. Es war von ihres Vaters Hand geschrieben von Anfang bis zu Ende. Er setzte seine Tochter Marthe als llniversalerbin ein mit einer Ausnahme. Dann kam eine Aufstellung der Grundstücke. Es waren Häu ßer in und um Berlin, Bauernhöfe in der Mark Brandenburg, in Mecklenburg und Pommern. Ein Lager von Maschinen, un bezahlte Aktien, ein kleines Vermögen lag auf der Nordischen Bank in Stockholm, eins in Kopenhagen. auch als schwierig bezeichnete der Vortragende die Frage der nicht lebensfähigen kleinen Länder und der Exklaven und Jnklaven. Allgemein herrsche die Ueberzeugung, daß der gegenwärtige Zustand nicht tragbar, aber in abseh barer Zett auch nicht ohne weiteres heilbar sei. Deutsch land brauche nach seiner Meinung Zeit und Ruhe zur Ent wickelung dieser Fragen. In der Endlösung werde ein wichtiges Wort den großen Parteien, vielleicht auch den Be rufsständen zukommen. Vorläufig sei damit zu rechnen, daß die meisten Reformen durch die Länderversassung illu sorisch gemacht würden. Das Kind bekommt einen anderen Ramen Keine Kriegsgerichte mehr im Rheinland — sondern „Militärgerichte". Nach dem französischen Gesetz in der Fassung vom 9. März 1928 heißen die französischen Kriegs gerichte seit dem 1. Januar 1929 Militärgerichte. Im besetzten Gebiet wird auch unter dieser Bezeichnung alles beim alten bleiben. So besteht das Militärgericht künftig ebenfalls aus vier Offizieren und einem Unter offizier, die aber alle keine Rechtskenntnisse zu haben brauchen. Gegen die Urteile der Militärgerichte, die u. a. keine Begründung enthalten, gibt es ebenfalls keine Berufung. Wichtige Neuerungen enthalten nur die Bestim mungen über die Rechtsverteidiger. Es sollen künftig besondere Verteidigerosfiziere, die rechtskundig sein müssen, gestellt werden. Der Beschuldigte kann aber auch einen der französischen Sprache mächtigen deut schen Rechtsanwalt znr Verteidigung wählen. Wichtig ist, daß der gewählte Verteidiger sofort auf der Ge richtsschreiberei die Akten einsehen kann, was ihm bisher nicht gestattet war. Nach bisherigem Recht durfte der Verteidiger die Akten erst nach Abschluß der Unter suchung oder nach Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung einsehen. Dadurch war die Mitwir kung des Verteidigers vor der Hauptverhandlung so gut wie bedeutungslos. Der Verteidiger soll auch künf tig von jeder Vernehmung oder Gegenüberstellung des Beschuldigten, nicht aber von sonstigen Zeugenverneh mungen benachrichtigt werden, damit er den Verneh mungen des Beschuldigten selbst beiwohnen kann. Deutsches Reich. — Berlin, den 4. Januar 1929. <> Keine Neuregelung der Titel- und Ordcnfrage. Ein auswärtiges Blatt hatte am 31. Dezember ge meldet, daß im Innenministerium in den letzten Mo naten ein Entwurf zur Abänderung des Artikels 109 der Reichsverfassung, der u. a. von der Verleihung von Titeln, Orden und Ehrenzeichen handelt, beraten worden sei. Demgegenüber wird von zuständiger Steile mitgeteilt, daß das Ministerium in den letzten Monaten feinen neuen Entwurf beraten habe, auch sei auf den alten Entwurf des früheren Ministers Külz kein neuer aufgebaut worden. 0 Württemberg verklagt das Reich wegen der Post. Abfindung. Nach dem Staatsvertrag von 1920 hat das Land Württemberg vom Reich für die Ucbertraguug der Verwaltung und des Eigentums der württem- bergischen Posten und Telegraphen eine zu v. H. verzinsliche Vergütung von 250 Millionen Mark zu beanspruchen. Seit 1. Oktober 1923 ist die Zins zahlung eingestellt. Die schon seit mehreren Jahren fortgesetzten Versuche, das Reich zu einer angemessenen Neuregelung dieser Angelegenheit zu bewegen, sind er gebnislos geblieben. Das Staatsministerium hat sich daher gezwungen gesehen, das Finanzministerium zu ermächtigen, gegen das Reich Klage beim Staatsgerichts hof zu erheben. Dies ist in den letzten Tagen geschehen. " Berlin. Die demokratische Reichstagsabgeordnete Frau Lüders erlitt beim Rodeln im Grunewald einen Unfall, wobei sie sich Verletzungen im Rücken und eine Nieren- quetschung zuzog. Auslands-Rundschau. Ter Skandal der „Gazette du Franc". Die vom Untersuchungsrichter im Skandal der „Gazette du Franc" geführten Nachforschungen haben zur Erhebung einer neuen Anklage gegen den Herzog von Ahen geführt, dem Vertrauensbruch, Betrug und Mittäterschaft vorgeworfen wird. Der Beschuldigte hat zum Schein sehr erhebliche Aktienbeträge der neuen Gründungen der Frau Hanau gezeichnet und war außer dem an einer maßgebenden Stelle der Jnterpresse tätig. Ein Haftbefehl gegen den Herzog wurde noch nicht er lassen. Ferner wurde noch gegen fünf weitere Personen Anklage wegen Betruges erhoben. Sie werden be schuldigt, durch fiktive Zeichnungen von Aktien einer oder mehrerer Gesellschaften der Frau Hanau die Sparer betrogen und beraubt zu haben. * * * Parrs. Der französische Ministerpräsident hat eineu Erlaß herausgegeben, der das Höchstdienstalter der französi schen Beamten auf 63 Jahre festsetzt. Gewisse Ausnahmen srnd vorgesehen sür Botschafter, Hochschulprofessoren usw., die brs 70 Jahre im Dienst verbleiben können. Naturkatastrophe. In Japan hat eine Springflut 92 Menschenopfer gefordert. Ser afghanische Ausstand geht weiter. Tie Zugeständnisse des Königs abgelehnt. Wie aus Kabul gemeldet wird, ist die Mutter des Königs Aman Ullah aus Kandagar nach Kabul zurückgekehrt. Sie erstattete ihrem Sohne Bericht über ihre Verhandlungen mit den Führern der Aufständi schen, die einen Frieden mit ihrem Sohn abgelehnt ha ben. Somit ist zu erwarten, daß die Kämpfe Anfang dieses Jahres wieder ausgenommen werden. Nach Blättermeldungen soll der König den Auf ständischen folgende Zugeständnisse gemacht haben: Schließung der Mädchenschule in Kabul, die von den Gegnern der Frauenausbildung als schwerer Anstoß .empfunden wurde, Wiederherstellung des Freitag als Ruhetag in Uebereinstimmung mit dem mohameda- nischen Glauben, ausreichende Vertretung der Mullahs und der Stammes-Chess sowie der "Militärgouverneure in einer neu zu schaffenden gesetzgebenden Versammlung^ König Aman UNahs Rivale verschwunden. In Allahabad hat das plötzliche Verschwinden des Prinzen Mohamed Omar Khan, eines Mitgliedes der afghanischen Königsfamilie und Rivalen Königs Aman Ullahs, großes Aufsehen hervorgerufen. Der Vrinz befand sich unter Bewachung auf britischem Gebiet und hatte nicht die Erlaubnis, die Stadt zu verlassen. Man glaubt, daß sein Verschwinden mit dem Auf stand in Afghanistan zusammenhängt. Die Polizei hat sine umfangreiche Untersuchung eingeleitet. Strenger Winter in Nord nnd Süd. Ter schucereichste Winter seit 30 Jahren. In vielen Gegenden Europas ist starker, zum Tei! sehr starker Schneefall niedergegangen, auch die Kälte hat zugenommen, so daß die „Wintersreuden" allgemein in ihre Rechte getreten sind. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß diese „Freuden" auch eine un angenehme Seite haben. Tie strenge Kälte in Mittel- und Obcritalien hält an. I« der Lombardei nnd in Venetien hat der starke Schneefall vielfach Verkehrsstörungen zur Folge gehabt. Auf der Eisenbahnlinie Triest—Adelsbcrg sind alle Züge im Schnee stecken geblieben. Ans dem Karst liegt der Schnee drei Meter hoch. Fiume ist durch deu starken Schneefall vom Eisenbahn-, Telephon- und Telegraphenverkchr gänzlich abgeschnitten. Man er- innert sich dort seit 30 Jahren nicht mehr an einen Marthe schwindelte. Aber die Ausnahme war Schloß Ried mit allem dazugehörigen Land, Wald und Inventar. Dies eine gerade gehörte ihr nicht! „Schloß Ried gehört bis auf weiteres meiner Tochter Marthe und ihrem Gatten, dem Freiherrn Hans Günther von Ried. Jedoch nur für die Dauer ihrer Ehe, von der ich gehört habe, daß sic nur eine Scheinehe sei, um mir das Gut zu entreißen, das zu kriegen meines Lebens größte Arbeit gewesen ist um meiner Tochter willen, die sich nun feindselig auf die Seite der anderen Leute stellt. Sollte mein Schwiegersohn eine Scheidung beantragen oder in eine solche willigen, so soll Gut Nied par zelliert und die einzelnen Parzellen meistbietend versteigert wer den. Das Rcstgut, die Gebäude, werden dann zu einem Er- hol"ngsheim für Angestellte umgebaut und eingerichtet von dem Lilos der Accker und'Wiesen. Diese Angelegenheit in diesem Falle zu ordnen, ha! Herr Rechtsanwalt Vcrnowski, der orien tiert ist, zu übernehmen. Sollte dieses Gerede jedoch nicht wahr sein und meine Kinder in glücklicher Ehe leben, so gehört nach zwanzig Jahren Schloß und Gut Ried meinem Schwiegersohn, dem Freiherrn Hans Günther von Ried erb- und eigentümlich und geht später an die leiblichen Kinder meiner Tochter und meines Schwiegersohnes über. Mit dem übrigen Vermögen kann meine Tochter machen was sie will." Dann kamen die üblichen Bestimmungen über Beerdigung und den Ort, wo er beigesetzt zu werden wünschte, und seine Unterschrift. Marthe las, las mit brennenden Augen. Dann vergrub sie das Gesicht in den Händen und weinte bitterlich. „Es soll ja alles geschehen, wie du willst, du armer, irre ge gangener Mann, du armer Vater, aber warum machst du mich wortbrüchig? Ist es nicht furchtbar, daß der Mann, den ich liebe, an mich gefesselt sein soll durch solche Bestimmung und zeitlebens Sehnsucht hckben nach dem Mädchen, das zu ihm ge hört und zu ihm patzt und mit dem er verlobt war seit Jahren? Warum mutz das sein? Ist es etwa ein Glück für mich, an der Seite eines Mannes zu leben, von dem ich weitz, datz all sein Denken und Fühlen einer anderen gehört? — Ist das zu er tragen? — Und mutz Günther mich nicht hassen, daß ich ihm nun so im Wege bin? — Und Hertha? — Was soll werden?" Marthe ging unruhig im Zimmer auf und ab. Wenn nun, — wenn sie nun stürbe? — Dann wäre Günther ihr Witwer, ihr Erbe, — nicht von ihr geschieden in dem Sinne, und dann könnte ihm keiner seine Heimat nehmen! — Sie wollte morgen ganz früh zu Justizrat Bornemann fahren, — ach nein, dort waren sie ;a belauscht worden! — Sie saß wieder ratlos. — Vielleicht — vielleicht wußte Doktor Fahrenberg einen Ausweg, — der war so klug und gut! — Günther durfte das Testament nie lesen! — Nie! Sie wollte nicht wie ein lästiges Gewicht an feinem Leben hängen! — Nein, das wollte sie nicht! — Sie wußte, daß er sie gern hatte, daß sie ihm ein ganz angenehmer, lieber Kamerad gewesen war, aber seine Liebe gehörte doch Hertha von Loja, so müßte dieser auch sein Leben gehören. Marthe ging wieder hinüber zu ihrem Vater. Er sah nicht mehr so starr aus und schien sie zu erkennen. „Papa!" sagte sie leise. „Wie geht es dir?" Er versuchte zu lächeln. Das rührte Marthe unsäglich. Sie streichelte seine Hände. Plötzlich sah er sie mit ganz bewußten Blicken an. „Marthe!" sagte er deutlich. „O Papa, du sprichst, — wie gut!" Marthe sah ganz froh aus. „Papa, das Testament ist hier, willst du es ändern? „Wo ist dein Mann?" fragte Sauerbier. „Zu Hause in Ried. Er konnte doch nichts helfen, und ich wollte bei dir bleiben." „Ihr seid nicht — nicht auseinander?" fragte er mühsam. „Noch nicht!" hätte Marthe beinahe gesagt, aber sie be- s "„Üein, Papa!" sagte sie laut. „Warum meinst du?" Der kranke Mann sah die Tochter forschend an und dann auf die Pflegerin, die sich diskret zurückzog. „Ist er mit dir nett?" fragte Sauerbier. „So gut, wie nur je ein Mensch zu mir gewesen ist, Papa!" „Aber du siehst nicht gut aus!" stellte er fest. „Ich war krank! Wir erzählten es dir schon! — Du hast es wohl vergessen! — Aber wie gut haben sie mich gepflegt! Auch der alte Papa Nied saß ost an meinem Bett!" „Na, dann kann ja alles lo bleiben!" sagte Sauerbier. Marthes Herz klopfte laut. Sie wußte nicht, was sie tun sollte. Ihr war, als müßte sie flehen: „Laß ihn frei!" Aber sie brachte kein Wort über die Lippen. Sauerbier aber sprach ruhig, wenn auch abgerissen: „Martha paß ich nicht mehr lange lebe, das weiß ich!" Da schob Marthe ihren Arm unter seinen Kopf. „Lieber Papa!" Die Kindesliebe war in dieser Stunde des Abschieds größer als alle Anklage. . „Ja, Kind, das is nu so! — Es ist hübsch von deinem Mann, daß er dich so lange noch bei mir läßt! — Weißte, ich hab' ja manches nich jut jemacht! — Aber wenn's Schlechtigkeit war, war der Vernowski der Schlimmste! — Der hat mir zu vielem gebracht, was ich sonst doch nich jemacht hätte! — Auch das mit Ried und dem Bergmann!" „O Papa, lieber Papa, wie bin ich froh, daß du gutmachen willst!" (Fortsetzung folgt.)