Volltext Seite (XML)
3107 Dabei ist hauptsächlich darauf Rücksicht zu nehmen, daß letztere eine Reihe von Jahren von ein und demselben Besitzer bewirthschaftet wurden, daß die über die Bewirthschaftung derselben vorhandenen speciellen Unterlagen die Berechnung des durchschnittlichen Reinertrags leicht und mit Sicherheit ausführbar machen, daß dieselben in Betreff sowohl der Lage ihrer Grundstücke zum Wirlhschaftshofe als auch der Beschaffenheit des Bodens, der Gebäude und der erzielten Erträge ungefähr den Durchschnitt der be treffenden Ortsflur repräsentiren. Das eigentliche Einschätzungswerk be ginnt mit der Einschätzung dieser Probewirthschaften; es wird zweimal vor- genommen, durch die Bezirks- und durch die Special-Commission. Die Resultate beider Commissionen find miteinander zu vergleichen; weichen sie gegenseitig um 10 Procent ab, ist ein Termin zu anderweitcr Abschätzung anzusitzen, welche die Mitglieder beider Commissionen gemeinsam vornehmen. Hierauf gelangen die größten Wwthschaften des Ortes und dann alle vor handenen Wirthschastscomplcxe nach der Reihenfolge ihrer Größe, zuletzt diejenigen, die nur aus einer Culmrart bestehen, zur Abschätzung. Die Resultate der Einschätzung eines jeden Grundstücks und Wirthschafls-Com- plcxeS werden in eine Schätzungskarte eingetragen, die den Namen des Be sitzers, die Nummer der Parzellen im Flurbuch, Flächeninhalt u. s. w., die Roherträge der Körner- und Hackfrüchte, des Futter- und Handelsge- wächsebaucs, der Gärten, Holzungen, Wasscrstücken, der Einnahme aus Verleihung von Wirthschaftsmitteln und der Ergebnisse des gelegentlichen Verkaufs der in Torfstichen, Steinbrüchen, Lehm-, Sand-, Kies-, Thon- und Mergelgruben gewonnenen Rohmaterialien, ferner die nach Procenten Les Rohertrags bemessenen Bcwirthschaftungs-Unkosten, sodann die Zahl und Beschaffenheit der gehaltenen Vichstücke, die Zahl und Beschaffenheit der vorhandenen Gebäude, die etwa vorhandenen und mit dem landwirthschaft- lichcn Betriebe verbundenen technischen Gewerbe, endlich den von der Com mission eingeschätzten Rein-Ertrag enthalten soll. — Die Central-Commission hat vor dem Beginn des Nbschätzungswerkes durch geeignete Organe eine Zusammenstellung der auf jedes der letztverflossenen sechs Jahre zurückbcrech- neten Durchschnittspreise thierischer und pflanzlicher Products, z. B. für Oclfrüchte, Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Erbsen, Kartoffeln, Wolle, Flachs, Heu, Stroh, Butter, Fleisch, Milch, für die wichtigsten Marktorte des Landes bewirken zu lassen und stellt nach Vernehmung der Specialcommissionen über die für jeden Bezirk etwa sich nothweudig machenden Modifikationen, für jeden Specialbezirk die Preise fest. Diese Preise sind von der Ein schätzungs-Commission bei Berechnung des Rohertrages zu Grunde zu legen. Bei Ackerbau z. B. ist der Rohertrag in Körnern, Hackfrüchten, Handels und Futtcrgewächsen, sowie des Strohs, sofern sie nicht in der cigeAen Land- wirthschaft zur Viehhaltung oder Düngcrbereitung Verwendung finden, zu den, wie eben bemerkt, fcstgestellten Preisen anzuschlagen. Den Rein- Ertrag bildet nämlich nach diesem vorgeschlagenen Reform-Gesetze der jenige Uebcrschuß, welcher nach Abzug Ler im Durchschnitt der letzten sechs Jahre aufgewcndeten Bcwirthschaftungs- kosten von dem im Durchschnitt der letzten sechs Jahre er zielten Roh-Ertrage verbleibt. Eine Ausnahme hiervon findet nur bei Holzungen statt. Zum Roh-Ertrag ist zu rechnen: I) der Gcldwerth aller in der Wirthschaft gewonnenen pflanzlichen und thierischcn Products, mit Ausnahme jedoch derjenigen Futterstoffe, desjenigen Strohes und sonstigen Streumatcrials, welche in der eigenen Landwirthschaft zur Viehhaltung oder Düngerbereitung Verwendung finden; 2) der Erlös aus der Verleihung der Zugkraft und anderer Wirthschaftsmittel mit Ausnahme von gebäudesteucrpflichtigcn Baulichkeiten; 3) der Erlös der nur gelegentlich zum Verkauf gelangenden, in Torfstichen, Stcinbrüchen, Sand-, Kies-, Lehm- und Thongruben gewonnenen Materialien. Zu den Wirthschafts- kosten gehören alle in Naturalien oder in Geld bewirkten Aufwind- ungen für Samen, junge Pflanzen, erkaufte Futter- und Düngemittel, Löhne, Beköstigung und Wohnung der Arbeiter, Ergänzung des Viehes und Wirthschasts-Jnventars, Jnstandebaltung Ler Gebäudewege, Brücken, Zäune, Mauerä, Dämme, Bcwäfferungsvorrichtungen, Schlcußen, Wasserleitungen, Brunnen und des Inventars, die zur Führung der Wirihschaft nöthjge und nicht im Haushalte gebrauchte Beleuchtung und Heizung, sowie Versicherungs- Prämien für das landwirthschaftliche Inventar, die Ernte und landwirth- schaftliche Gebäude. Die Anweisung zur Ermittelung des Roh-Ertragcs und der WirthsckaftSkosten, welche der Gesetzentwurf enthält, ist durchaus lichtvoll, doch können wir hier nicht in diese Specialität eingehen. Ein intelligentes Volk, wie das sächsische, ist der Aufgabe, di« ihm das Gesetz stellt, durchaus gewachsen und es wird seine besten Kräfte zur Lösung der selben stellen, zumal nach näherer Kenntniß die Ueberzeugung nicht aus- bleiben kann, daß dies hier vorgeschlagene Verfahren nicht nur große Vor züge vor dem bisher geltenden hat, sondern auch eine gerechtere und gleich ¬ mäßigere Vertheilung der Grundsteuer in sich schließt. Diese Grundsteuer- Reform ist ein durchaus rationelle« und mit der Wirklichkeit harmonirendes Verfahren. (Schluß folgt.) Ueber Vas Unterrichts- nnv Erziehnngswesen ans der Wiener Weltausstellung. Von Lem bayerischen Schulwesen. (Fortsetzung.) Bei der Schulausstellung Bayerns war da- FortbilLungsschulwesen vielfach vertreten, obwohl Ler Staat bisher für dasselbe wenig oder gar nicht gesorgt hat. Die sämmtlichen Fortbildungsschulen in Bayern müssen al- Privatschulcn angesehen werden. Wir beginnen mit den landwirthschaftlichen und gewerblichen Fort bildungsschulen. Dieselben waren Lurch zahlreich ausgestellte Zeichnungen und Modeüirarbciten vertreten, außerdem durch schriftliche Arbeiten (auch im Rechnen), und durch gewerbliche Arbeiten Ler Schüler. Nicht nur durch diese Leistungen der Schulen, sondern besonder« durch Lie vorliegenden Be richte über die landwirthschaftliche Fortbildungsschule für Unter- franken und Aschaffenburg in Würzburg und über die Fortbildungsschulen des polytechnischen Centralvcreins zu Würzburg war cs möglich, sich ein klares Bild von diesen Unterrichts-Anstalten zu verschaffen, die jetzt um so mehr das allgemeine Interesse in Anspruch nehmen, als immer mehr die Ueberzeugung durchbricht, daß es Aufgabe des Staates sei, die Sache Ler Fortbildung ganz in seine Hand zu nehmen und dafür zu sorgen. Sachsen hat bereits in seinem neuen Schulgesetze Len Fortbildungs-Unter richt für obligatorisch erklärt, und die jetzt noch in der Verhandlung be griffenen Schulgesetze mehrerer anderer deutschen Staaten haben ähnliche Be stimmungen in ihren Gesetzentwürfen. ») Die landwirthschaftliche Fortbildungsschule in Würz burg ist eine rein theoretische Winterschule und die erste ihrer Art in Bayern. Die Aufgabe, welche sie sich stellt, ist: „Die Söhne der kleinen und mittleren Landwirthe Din den Elcmentar-Kenntnissen fortzubilden und 2) in Anknüpfung an ihre schon erlangten praktischen Kenntnisse in der LanLwirthschaftSlchrc und ihren Hilfswissenschaften zu unt r- richlen, um auf solche Weise die Verbreitung eines rationellen Be triebs der Landwirthschaft im Bauernstände zu fördern." Die Schüler dieser Anstalt stehen im Alter von 16 bi« 24 Jahren. Der theoretische Cursus dauert 4 Monate, von Mitte November bis Mitte März, und zerfällt in zwei Abteilungen. Die Unterricht-gegenstände sind, außer dem Unterrichte in der deutschen Sprache, verbunden mit Schön- und Rechtschreiben und Stylübung, Arithmetik und Geometrie, landwirth- schastliche Naturkunde, Ackerbaulehre, allgemeine und specielle Viehzucht, Be triebslehre mit Buchführung, Anatomie und Physiologie der Hausthierc; außerdem wird noch Unterricht eriheilt in Len landwirthschaftlichen Neben gewerben, insbesondere in der Branntweinbrennerei, fernerem Wiesenbau. Drainage und Wegebau, im praktischen Feldmcssen und Nivelliren, Obstzucht, Garten- und Weinbau, dazu landwirthschaftliches Recht, Geographie, Feuer löschwesen, Turnen — Religion. Den Zöglingen der II. Elaste werden nach der öffentlichen Schlußprüfung — „Absolutorial-Zeugnisse" crtheilt. Der theoretische Unterricht Ler beiden Classen erweitert sich für be sonders befähigte Schüler noch in einer III. Classe, in welcher sic am Schlüsse der Winterschule noch praktischen Unterricht empfangen können: 1) im Wiesenbau, 2) in Branntweinbrennerei, 3) in Obstbauzucht. Die Schüler der Anstalt leben zusammen in einem Anstaltsgebäude und empfangen in demselben volle leibliche Verpflegung und Beaufsichtigung. l>) Die Fortbildungsschulen des polytechnischen Central- Vereins in Würzburg sind aus Len 1806 gegründeten 4 Vereins- schulen für Zeichnen, Geometrie und Mechanik hervorgcgangen. Dieser Cen tral-Verein hat seit jener Zeit gegründet: 111 Schulen und zwar an 95 Orten männliche, an 16 Orten weibliche Schulen mit 3636 Schülern. Durchschnittlich kommen auf eine Schule wöchentlich 7 Unterrichtsstunden. Die Verwaltung dieser Schulen geschieht durch Ausschüsse von 72 Bezirks- vereinen und durch 23 Schulcommisfionen an solchen Orten, welche keine Vereine besitzen. Die Oberleitung aller dieser Schulen wird durch da- Direktorium des polytechnischen CentralvereinS zu Würzburg bewirkt. Zur Beaufsichtigung der Schulen werden besondere Commissare ernannt. Lehrgegenständc sind: Deutsche Sprache, Schön- und Rechtschreiben, Gc- schäftSaufsätze, Buchführung, Wcchsellehre, Arithmetik, Münz-, Maß- und Gewichtskundc, Geometrie, Zeichnen, Modellircn, Naturgeschichte, Physik, Chemie, Mechanik, Gcographie, Geschichte, französische Sprache.