Volltext Seite (XML)
110 an die Confistorial-Sportelcasse eingehändigt worden, sind von ihm trotz mehrmaliger Aufforderung nicht abgeltefert worden; erst al» die Untersuchung begann, erlegte er diesen Posten. Ganz ähnlich verhielt fich'S mit zwei Zinsenposten von zusammen 67z Thlr., welche vom HandelSgärtner Ruschpler alS Zinsen für ein entliehenes Capital von 1000 Thlr. (Moritz'sche Stiftung) für den Fonds der hiesigen katho- lischen Schule am Queckbrunnen gezahlt worden. Merkwürdiger Weise hat der Schuldtrector Dreßner, an den dieselben hätten abge- liefert werden sollen, die Einträge in den Büchern so gemacht, als sei die Sache in der Ordnung, er hoffte von einer Zeit zur andern, daß er daS Geld erhalte. — Nach beinahe siebenstündiger Berathung der Geschworenen, denen 46 Fragen zur Beantwortung vorgelegt worden, wurde in der MitternachtSstunde deS 11. Januar dem Angeklagten durch den Geschworenen - Wahrspruch kund, daß er auf die xrste, schwerste, wider ihn erhobene Anklage (Unterschlagung der 3000 Thlr. betreffend) straflos auSgeht, ebenso bezüglich der 640 Thlr. (Lor- bacher'sche Erbschaftsgelder) und wegen der auf Versuch der Urkunden fälschung (zwei bei ihm vorgefundene Wechsel betreffend) gerichteten Anklage. In allem Uebrigen hat er Strafe der Hauptsache nach zu gewärtigen. Die Verkündigung deS Urtheils erfolgt den 13. Januar. Berlin, 11. Januar. Der Kaiser ertheilte gestern Nachmittags den auS Bremen hier eingetroffenen Nordpolfahrern Capitain Koldewey, Capitain Hegemann und Unterlteutenant zur See Hildebrand Behufs Ueberreichung deS von ihnen ausgearbeiteten Werkes ihrer Nordpol fahrten Audienz. — Wie die „Spen. Zig." meldet, hat der Kaiser die Nachricht von dem Tode Napoleons IH. in der militairischen Ge sellschaft erhalten, während er einem Vortrage über dir Schlacht von Gravelotte beiwohnte. — Die am Sonntag, 19. d., in Potsdam stattfindende mili- tairische Festlichkeit, wegen deren die Feier deS Krönung»- und OrdenSfesteS auf Sonnabend verlegt worden ist, besteht in der solennen Ueberbringung französischer Fahnen und Standarten nach der Pols- damer Garnisonkirche. Dort sollen die im jüngsten Kriege eroberten Trophäen, welche auf Preußens Antheil gefallen sind, dauernd auf- bewahrt werden. Bekanntlich ist der 19. Januar der Jahrestag des großen Ausfalls, den General Trochu auf daS Andrängen der Pariser vom Mont Valerien aus mit etwa 100,000 Mann unternahm, um einen Durchbruch durch die Linien der deutschen BelagerungS-Armee zu versuchen. Dieser Versuch führte zu dem letzten bedeutenden Zu sammenstoß vor der feindlichen Hauptstadt. Ihm folgte, wie erinner- lich, ein Aufstand in Pari» und dann die Anknüpfung der Waffen stillstands- und Capitulations-Berhandlungen. — Der ReichSeanzler Fürst BiSmarck wird sich von seiner Be- sitzung im Lauenburgischen, wie eS heißt, noch nach Barby zu dem AmtSrath Dietze begeben, um daselbst einige Jagden abzuhalten. Etwa in fünf oder scchS Tagen gedenkt der Reichskanzler wieder hier einzutreffen. — Die „Kreuzztg." schreibt: „ES ist eine vollendete Thatsache, daß der Vorsitz im Preuß. StaatSministerium und daS deutsche Reichs- kanzleramt nicht mehr in einer Hand ruhen, und die Konsequenzen derselben müssen sich mit innerer Nothwendigkeit entwickeln. ' Die nächste Frage ist: Wer erlheilt den 17 preußischen Stimmen im Bundes rat he ihre Instruction? Das preußische StaatSministerium, oder der ReichScanzler? Die „Provinzial-Correspondenz" betrachtet dieses alS eine bloße Formfrage; eS sei gleichgiltig, ob eS durch den preußischen Minister-Präsidenten, oder durch den preußischen Minister der aus wärtigen Angelegenheiten geschehe. Wohl; aber der Letztere ist zugleich deutscher ReichScanzler und hat alS solcher zu der preußischen Landes- Vertretung keine Beziehung, während diese doch da» Recht und die Pflicht hat, zu fragen, wer die Interessen Preußens, al» eines selbst ständigen StaateS im Reiche, vertritt und durch welche Organe es ge- schieht? DaS Interesse Preußens kann weder von dem ReichScanzler alS solchem — welcher lediglich der erste Reichsbeamte ist — noch von dem preußischen auswärtigen Minister allein, sondern lediglich von der Gesammtheit deS Staat-ministeriumS unter seinem eigenen Minister- Präsidenten und der auf diesem ruhenden Verantwortlichkeit richtig bemessen werden. Darauf weist schon der Wortlaut deS königlichen Erlasses vom 21. Dccbr. hin, welcher den Fürsten BiSmarck auf den Vortrag bei Sr. Majestät in den Angelegenheiten de». Reiche- und der auswärtigen Politik beschränkt, demnach im StaatSministerium ihm nur die Stellung eine» einfachen Ressortminister» mit einer Stimme unter neun zuweist; und nicht minder folgt die« auS der inneren Natur der Sache. Die wesentliche Bedeutung der eingetretenen Veränderung bleibt hiernach, daß daS preußische StaatSministerium als ein Ganzes eine selbstständige Stellung wieder gewonnen hat, ncben dem deutschen ReichScanzler, und daß, wie die übrigen deutschen Staaten, so auch Preußen fortfahren soll, eine selbstständige staatliche Existenz im Reiche zu behaupten, nicht im Gegensätze gegen daS Reich und dessen Interessen, sondern vielmehr, um zum Wohle deS Ganzen seine volle, ungeschwächte Kraft zu behalten, mit welcher allein e», wie zuvor, so auch in Zukunft, der Wohlfahrt deS gesammten deutschen Vaterlandes nützlich dienen kann." — Ueber die drei nun vorliegenden Gesetzentwürfe betreffend die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, „den Austritt auS der Hirche", die kirchliche DiSriplinargewalt und die Errichtung deS königl. Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten, sagt die „National-Zeitung" unter Anderem: „Sie enthalten nach den Angaben des Ministers viel nehr, als man in letzter Zeit zu erwarten berechtigt war, und stellen >une völlig durchgreifende Wendung der ganzen Kirchenpolitik in Aus sicht. Wie der Inhalt der neuen Vorlagen sich zu dem Buchstaben der preußischen Verfassung verhält, mag zweifelhaft sein; in wissenschaftlichen Werken find öfters Vorlagen, wie die gegenwärtigen, als eine „Ausführung" von Artikel 15 bezeichnet worden. Der Geist freilich ist, wie die Regierung wohl richtig annimmt, ein anderer alS jener naive, der die VerfassungSartikel dictirte." Die „Kreuzztg." da gegen behauptet: „Wer die Gesetzentwürfe im Zusammenhänge liest und unbefangen erwägt, der dürfte ein Bild von der künftigen Stellung der christlichen Kirchen im Staate gewinnen, daS wenig oder keine Züge der „Freiheit" und „Selbstständigkeit" an sich trägt, die man bisher gewohnt war, in den betreffenden Verfassungsparagraphen aus geprägt oder verheißen zu sehen." — Die erste Nummer deS „CentralblatteS für daS Deutsche Reich", herauSgegeben im ReichScanzler-Amt, ist gestern rschienen. Dieselbe enthält 1) allgemeine Verwaltungssachen, ferner Bekanntmachungen und Mitteilungen auS 2) dem Gewerbewesen, 3) Maß- und Gewicht-Wesen, 4) Heimathwesen, 5) Consulatwesen, 6) Militairwesen, 7) Postwesen und 8) Personal-Veränderungen, Titel« und OrdenS-Verleihungen. — DaS MagistratScollegium hat beschlossen, bei dem Ober- kirchenrath die Aufhebung der über den Prediger vr. Sydow ver hängten AmtssuSpenfion zu beantragen und außerdem den vr. Sydow ?er unveränderten Fortdauer deS Vertrauens seines Patron» zu ver- Ichern. Die „Nat.-Ztg." nimmt bei dieser Gelegenheit Anlaß, die Nittheilung, wonach ein Mitglied der Sydow'schen Gemeinde seinem deS Amt» entsetzten Seelsorger ein Capital von 15,000 Thlr. über- ändt haben sollte, zu berichtigen. Augenscheinlich liege hier eine Ver- vechSlung mit der Sydowstiftung vor, welche im vorigen Jahre bei dem 50jährigen Dienstjubiläum Sydow'S dem Gefeierten überreicht wurde und deren Capital von 15,000 Thlr. auf Sydow'» Wunsch in diesen Tagen dem Magistrat zur Verwaltung übergeben worden ist. — Die Gesammt-AuSprägung der ReichSgoldmünzen stellt sich bi» 28. Dec 1872 auf 421.474,130 Mark, wovon 339,115,780 Mark in Zwanzig- und 82,358,350 Mark in Zehnmarkstücken bestehen. — DaS Abgeordnetenhaus setzte gestern nach einer vier stündigen Debatte über die Interpellation Mallinckrodt, betreffend daS Verbot der Veröffentlichung deS auf da» Deutsche Reich bezüglichen PassuS der WeihnachtS-Allocution deS PapstcS, vor sehr gelichteten Bänken die Specialdebaite deS Etats de- Ministeriums deS Innern fort. Zu Cap. 97 (Polizeiverwaltung in Berlin) brachten die Abgg. Eberly und Duncker die UnglückSsälle am Abend deS Zapfenstreiche- zur Spräche, doch waren sie bei der lauten Unterhaltung, die in allen Theilen deS SaaleS herrschte, schwer verständlich. Abg. Duncker be dauerte lebhaft, daß nach so auf-egenden Debatten, wie sie eben statt- gesunden, die Berathungen noch fortgesetzt würden. Der Etat sei die einzige Stelle, an der da- Hau» wirksam Uebelständen der Verwaltung abhelfen könne; um so mehr sei zu bedauern, daß die» wichtige Recht auf solche Weise verscherzt würde. Auf die Beschwerden der beiden Abgeordneten über die Berliner Polizeiverwaltung erfolgte vom Minister« tischt keine Antwort. — Heute setzt da» Haus die zweite Berathung de» Etats dr» Ministeriums deS Innern fort und genehmigte die Positionen für die Polizeiverwaltung in Berlin. Von mehreren Ab« geordneten wurde die Vermehrung der Schutzmannschaft angefochten und eine Abhilfe der Uebelstände nicht in der größeren Anzahl, sondern in