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S687 brannten ,hen. „Warum mußte ich dich auch verlieren", rief er dann aus, Stumpf seines rechten Armes deutend, „wenn ich dich noch hätte, ia, e ein glücklicher Mann und brauchte Niemand zur Last zu fallen." Ich gab auf diese Worte anfänglich wenig, dann aber fiel mir auf, daß er diese Worte immer an derselben Stelle — bei der Scheune — sprach. Eines Tages ging er aus fich heraus. ES war um die Zeit, als Sie an dem neuen Stalle für die Escadron bauten. Ich erzählte, daß die Schwadron zu Ihnen übersiedeln werde und war erstaunt, al« er mir plötzlich um den Hals fiel und mich bat, mir ein Gcheimniß anvertraucn zu dürfen. Ich versprach ihm Stillschweigen und er erzählte mir nun, daß vom Feldzüge 1806 her in der kleinen Scheune eine große Summe Geldes verborgen liegen müsse. Er wäre einer jener beiden Offiziere ge- wesen, von denen Sie bereits wissen. Er hätte von seinem Kommandeur erfahren, daß jene preußische Colonne Geld im MunitionSkarren mit fich führe, und den Befehl erhalten, Alles daran zu setzen, des Geldes habhaft zu werden. Er beschrieb mir das Gefecht näher und ich erkannte daraus, daß es sich um denselben Vorfall handle, der mir damals den Abschied eintrug. Nun erst begriff ich den Zorn des Marschalls gegen mich, den ich bis dahin nicht fassen konnte. Nicolas erzählte mir weiter, daß er in dem Munitions karren nur eine leere eiserne Kiste gefunden, daß er aber in Gemeinschaft des andern Offiziers von einem gefangenen Preußen durch Drohungen das Geständniß erpreßt habe, daß das Geld fich in der Scheune vergraben be finde. Im Begriffe nachzusuchen, sei der Ueberfall durch preußische Infanterie üngetreten. Sein Begleiter habe den gefangenen Preußen, damit dieser das Gehcimniß nicht verrathen könne, todt geschossen, Beide hätten sich dann aus die Pferde geworfen und seien mit genauer Noth, und zwar Nicolas am rechten Arm durch eine preußische Kugel getroffen, entkommen. Auf dieser Retirade habe er sich mit seinem Begleiter das Versprechen auf Ehrenwort gegeben, das Geheimniß zu bewahren und nach Beendigung des Feldzuges zu versuchen, gemeinschaftlich sich in den Besitz des Geldes zu setzen. Am andern Morgen sei er in das Lazareth gekommen, am Arme amputirt und sodann nach seiner Heilung auf Halbsold entlassen worden. Von seinem Begleiter habe er später nur gehört, daß der selbe nach dem Feldzüge 1806 den Abschied genommen, nie aber erfahren, wo derselbe geblieben. Er setzte hinzu, daß er annehmen müsse, derselbe sei todt, und er bat mich nun, ihm zu helfen und mit ihm nach dem Gelde zu suchen. Ich schlug ihm dies rund ab und schwankte lange, ob ich nicht verpflichtet sei, mein Versprechen, seine Mittheilung als Geheimniß zu be handeln, zu brechen. Darüber kam aber der russische Feldzug und ich über ließ ihn seinem Schicksale. Die Mittheilung des Mädchens läßt mich nicht daran zweifeln, daß er seinen Begleiter oder dieser ihn doch wieder gefunden und Laß Beide die Casse geholt haben. Allein die- zu thun, war dem ein armigen Nicolas unmöglich, ebenso, wie ohne Hilfe ein Pferd zu besteigen." „Und giebt cs kein Mittel", entgegnete der Obermüller, „des Lieute nants Nicola- habhaft zu werden? Das Geld gehört dem Könige von Preußen und die Wegnahme ist nichts Anderes als gemeiner Diebstahl." „Sie nennen die That bei dem richtigen Namen", erwiedcrte der Ritt meister, „aber er ist unzweifelhaft nach Frankreich entflohen, und cS besteht keine Convention zwischen beiden Ländern zur Auslieferung von Verbrechern." Die letztere Thatsache wurde durch das Gericht bestätigt, dem der Obermüller die Anzeige erstattete. Die Kriegscasse war und blieb verloren und bald hatte man die Lache halb vergessen. Da erhielt eines Tages im Jahre 1815 der Obermüller einen Brief ohne Datum und Unterschrift mit unleserlichem Poststempel versehen. Der Brief war in schlechtem Deutsch geschrieben und lautete etwa: Mein Herr! Vor drei Jahren brannte Ihre Scheune ab. Es geschah nicht, um Ihnen zu schaden. Wir bedursten des Feuerscheines, um bei der Dunkelheit der Nacht den Uebergang über den Fluß zu finden, der nicht ganz zugefroren war. Wr legen den ungefähren Werth der Scheune in Ihre Hände. Geben Sie einen Theil davon dem Mädchen, das uns beim Neuhofe getroffen, uns gefolgt war und, wie sie uns gestand, belauschen wollte, das wir hierbei ertappten, an einen Baum festbanden, und nachdem wir unsere Geschäfte verrichtet und den Schweselfaden angesteckt hatten, zwangen, uns die Pferde zu halten — zur Be lohnung. Sie werden das Mädchen wohl ermitteln, alles Andere bleibe Ihnen «in Näthsel l Aber das Räthsel war gelöst, Therese Banko hatte offenbar ihr frieren des Kind, um besser beobachten zu können, in die Scheune gelegt, war dann an das Fenster des Obermüllers gelaufen und bei der Rückkehr von den beiden Franzosen ertappt und festgebunden worden. Dem Briefe lag eine Summe von 300 Francs in französischen As signaten bei. Der Obermüller nahm da- Brandgeld nicht, er verwendete es, um für Therese Banko für Lebenszeit ein Asyl in einem Familienhause zu erwerben, das ihr wenigstens Obdach gewährte. Von Lieutenant Nicolas hat man niemals wieder auch nur das Geringste gehört. Vermischte». — Niederneukirch, 19. October. Gestern Mittag fiel hier «in 2 Jahre alter Knabe in die Wesenitz und ertrank darin. — Görlitz, 22. Oct. (G. A.) Das ehemalige Societäts-Ge- bäude nebst Garten ist gestern für den Preis von 23,000 Thlr. in den Besitz des Vereins für innere Mission übergegangcn. Derselbe beabsichtigt, die evangelische Herberge zur Hcimath dorthin zu verlegen. — Thorn, 20. October. Ueber den Stand der Cholera berichtet die hiesige Zeitung: Bis Freitag, den 18. October Abends, waren im Ganzen seit dem ersten Erscheinen der Seuche 19 Erkrankungsfälle gemeldet, von denen 10 den Tod herbeigeführt hatten. Von den übrigen 9 Er krankten sind bereits 5 wieder hergestellt, 4 noch in der Behandlung. — Aus Stuttgart vom 20. October schreibt man dem „Fr. I.": Ein in der letzten Nacht hier begangener Diebstahl erregt hier allgemeine Entrüstung, da er eine wissenschaftliche Staatsanstalt betrifft. Aus dem hiesigen k. Naturaliencabinet wurden viele Edelsteine, namentlich werth- volle Diamanten, sodann ein Theil der edlen Metalle, Gold, Silber, Platina, besonder- der vor einigen Jahren von der Königin hierher gestiftete zwei- pfündige Goldklumpen, gestohlen. Der oder die Diebe haben fich ohne Zweifel bei Tage eingeschlichen und bei Nacht nach vollbrachtem Diebstahl an einem Seile zum Fenster heraus hinabgclassen. — Aus Venedig wird unter dem 15. October geschrieben: Vcr- gangenen Sonnabend wurde hier eine ganz neue Art Verbrecher entdeckt, nämlich Lagunenpiraten. Zwischen 5 und 6 Uhr Abends fuhr eine Gondel aus der Nähe der Kirche Santa-Maria-della-Salute ab, und quer durch den breiten Canal delle-Giudecca der Insel gleichen Namens zu. In derselben befanden sich die Bankiers Masiero und Pcnso, ihre Commis und eine Casse, welche, nach österreichischer Währung gerechnet, 100,000 Gulden m Baarem und viele Wcrthpapiere enthielt. Als sie in der Mitte des breiten Canals angekommen waren, schoß plötzlich eine sogenannte „Vipera", von sechs Ruderern getrieben, auf sie zu. Die Vipera ist ein kleiner, schmaler, unverhältnißmäßig langer Kahn, der, am Vordertheile mit einer etwa einen Fuß langen eisernen Spitze versehen, leicht gebaut und pfeil schnell über das Wasser gleitet. Seiner Gefährlichkeit wegen — die eiserne Spitze bohrt im Anprall Gondeln und Kähne in den Grund — ist er ver boten und nur bei der Regatta gestattet. Ein solch verbotenes Fahrzeug uhr nun gegen die reichbeladene Gondel an,- durch den Stoß fielen die an den Enden im Stehen rudernden Gondoliere ins Wasser. Die Piraten, deren dreizehn waren , stürzten sich in die Gondel, in welcher die zu Tode erschrockenen Wechsler saßen, und aus die Geldcasse, brachten dieselbe im Augenblick in ihr leichtes Fahrzeug, und fort gings, windschnell durch das breite Wasserbecken vor Gan-Giorgio-Maggiore herum um die Spitze von Santa-Maria-Maggiore, unter die Brücke delle-Paglia, längs der Wasserscite d«S Dogenpalastcs, unter der berühmten Seu/zerbrücke durch, und in die engen, sich labyrinthartiz verschlingenden Canäle hinein. Der Gesammt- nhalt des geraubten Gutes beträgt ca. 140,000 Gulden, davon 40,000 Gulden in Staatspapieren, und 100,000 Gulden baares Geld. Sonntag- änden einige Finanzwächter in der Nähe von Mestre die entwendete Casse erbrochen und des baaren Geldes beraubt. Die Papiere waren jedoch un versehrt vollständig vorhanden, und so beschränkt fich der Verlust der Bankiers auf die 100,000 Gulden. Bis jetzt ist von den Dieben keine weitere Spur entdeckt worden. — Warschau, 17. Octobcr. Die Räuberbanden, welche schon eit mehreren Jahren in Littauen einheimisch geworden und mit großer Frechheit Städte und Dörfer brandschatzen, haben sich in letzter Zeit be deutend vermehrt. Vor 14 Tagen unternahm eine aus 30 bis an die Zähne bewaffneten Strolchen bestehende Bande am Hellen Tage einen An griff auf das dem Grafen von Tysenhauscn gehörige Dominium RabiSzki, m Gouvernement Kowno, und plünderte es vollständig aus. Es vergeht äst kein Tag, wo bei den Manischen Gubernialbehörden nicht mehrere größere Raubanfälle gemeldet werden und deren Mitwirkung zur Ermittelung der Räuber nicht in Anspruch genommen wird. — Nicht nur aus Italien, sondern auch aus dem Mittlern und süd- ichen Frankreich laufen Ueberschwemmungsbrrichte ein. In Marseille und der Umgegend sind am 16. und 17. so starke Regengüsse niedergegangen, daß da« strömende Wasser Mauern und selbst ganze Häuser mit fich fortriß und die Eisenbahnen vielfach beschädigte. In der Stadt