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344L Rußland. Petersburg, 24. December. Die feierliche Bermählung des Herzogs von Edinburg mit der Großfürstin Maria Alexan- dro wna ist nunmehr definitiv auf den 10./22. Januar kommenden Jahres angesetzt. Wie verlaütet, ist es die Absicht des Kaisers und der Kaiserin, alsbald nach dieser Feierlichkeit mit dem neuvermählten Paare, sowie mit den aus Berlin und London kommenden fürstlichen Gästen sich aus mehrere Tage nach Moskau zu begeben. Anscheinend ganz zuverlässigen Mittheilungen zufolge ist hier zum 1./13. Februar kommenden Jahres der schon längere Zeit in Aussicht gestellte Besuch des Kaisers von Oesterreich zu erwarten. (Vergl. Oesterreich.) Asten. Aus Hongkong Jegen folgende Nachrichten vor: Der „China Mail" zufolge wird eine neue Mission nach Peru und Westindien organisirt. Capitain Garcia, der peruanische Gesandte, ist eingeladen worden, nach Peking zu kommen, und man erwartet die Ratification des Vertrages. In Japan hat, veranlaßt durch Meinungsverschieden heiten über das Verfahren gegen Corea, eine Ministerkrisis stattHe- sunden. Die Lage der Dinge sah beim Abgang der Post friedlich aus, obwohl eine starke kriegerische Stimmung vorherrscht. Die Frage Betreffs der Eröffnung des Innern soll geregelt sein; Fremde erhalten die Erlaubniß zur Bereisung des Innern von ihren Gesandten nach Hinterlegung einer Summe von 200 Dollars. Der Herzog von Genua weilt noch in Nokohama. Afrika. Von der'Goldküste liegen Nachrichten vor, welche bis zum 5. December reichen. Das Gerücht vom Tode des Königs der Aschantis bestätigt sich danach nicht. Die Aschantis setzten ihren Rückzug fort und ihr Hauptcorps war, wie man nicht länger bezweifelt, bereits über den Prah gegangen. Der Wegebau wurde mit großem Eifer von den Engländern fortgesetzt und der vorgeschobenste Lager-Posten befand sich in Nausu, wohin Sir Gomet Wolseley am 1. December ebenfalls aufgebrochen war, um den Weg in die Gegend für den Marsch der europäischen Truppen zu inspiciren und gleichzeitig mit den eingeborenen Häuptlingen an den Grenzen der Aschantis zu ver handeln. An der Küste war der Gesundheitszustand recht ungünstig. Eine Anzahl Marinesoldaten wurden sofort nach ihrer Ankunft vom Fieber ergriffen und starben. Die Glover'sche Expedition scheint gute Fortschritte zu machen. Capitain Glover's Dampfer, die Lady of the Lake, welcher bei der Fahrt die Volta hinauf sich festgerannt hatte, war wieder flott geworden. Man rechnet an der Goldküste darauf, daß, abgesehen von den ziemlich ausgebildeten farbigen Truppen Glover's, noch etwa 20,000 eingeborene Alliirte dem Zuge nach Kumassi sich anschließen würden. Aus Cape Coast Castle wird unterm 27. v. M. geschrieben: „Die rebellischen Häuptlinge der Districts Elevina-Ampeni, Esseman u. s w. kamen gestern ins Lager, um ihre Unterwerfung anzu bieten und die britische Flagge zu acceptiren. Ihr Fall wird der Er wägung Vorbehalten. Es wurde ihnen gesagt, daß sie bestraft werden würden, und daß sie inzwischen ihre Loyalität dadurch beweisen, könnten, daß sie ein Kontingent von 300 Mann als Arbeiter für den Straßen bau stellen." Amerika. Postnachrichten aus Valparaiso melden: Der argentinische Gesandte hat gegen den Plan der chilenischen Regierung, einen Leucht thurm am östNchen Eingangs der Magellanstraße errichten zu wollen, Protest eingelegt. Dem Kongreß liegen Gesetzentwürfe für städtische Verbesserungen in Santiago und Valparaiso vor. Man befürchtet Einfälle der araucanischen Indianer. Die Caracole-Minen liefern monatlich eine halbe Million Silber. Comödie. CultUkbild aus dem vorigen Jahrhundert. Von Otto Stgl. (Fortsetzung aus Nr. 299 d. Bl.) „Mich das noch fragen, riäiouls Herr Sohn!" erwiederte der Reichs- graf Mit Würde. „Bin übrigen- nicht verbunden, Rechenschaft über mein Verhalten abzulegen. Genügt, wett» ich ausspreche: Willige nie in diese Mesalliance." Der Graf hatte, um au» seiner unbcquemrn Rolle nicht zu fallen, seine Stimme derart zu künstlichem Zorn gesteigert, daß der Patri« trizier und Philomene sie hören mußten. ,Mon äieu, was geht da vor", rief Philomene wie höchlich über« rascht aus. „Was kann Papa so in Affect gebracht haben. Kommen Sie, Herr von Steiner, sehen wir nach." Die Beiden eilten dem Hügel zu. Der Erbgraf hatte indcß den Vater mit Vorstellungen bestürmt, und dieser eben den Ausspruch gethan: „Bedenke mein Sohn, was würde man in den höchsten Kreisen zu dieser Mesalliance sagen: des heiligen römischen Reichs Graf Hohentann - Altenau (er accentuirte jedes dieser Worte, welche die arme Anna wie KeuleNschläge trafen) und «ine Demoiselle, die nicht viel mehr als eine Bürgerliche ist!" Det Graf hatte seinen höchsten Trumpf au-gespielt und war sehr erfreut, daß die Beiden herbeikamen, um die Geschichte einmal beendigen zu können. Die letzten Worte hatten den Patrizier schnell mit der Sachlage bekannt gemacht und der beleidigte Stolz veranlaßte ihn, sich heftig einzumischen. „Ich sehe wohl, um was es sich handelt", sagte er mit kaum verhal tenem Zorn. „Ich habe die Neigung des Herrn Erbgrafen zu meiner Tochter längst bemerkt und bin derselben nicht entgegen getreten, weil dies« Verbindung meinem Haus Ehre und dem Ihrigen, Erlaucht, gewiß keine Sckande bringen würde. Anna ist keine Bürgerliche, wie Sie auszusprechen beliebten. Wenns Ihnen gefällig ist, werde ich mein Adelsdiplom, anno 1499 von weiland Kaiser Maximilian des Ersten, Majestät, verliehen, pro- ruciren, woraus erhellt, daß ich mit demselben Recht mich von Steiner auf Steinersberg nennen darf, wie Euer Erlaucht Reichsgraf von Hohentann- Altenau titulirt werden." Diese unerwartete Heftigkeit verblüffte den hohen Herrn einigermaßen: „Wollte Ihnen die Noblesse gar nicht absprcchcn, mein weither Herr von Steiner", erwiederte er. „Wollte nur sagen, daß mit einem regierenden Grafenhaus verglichen . . ." „Die Steiner eben doch wieder bürgerlich werden, wollten Erlaucht vermuthlich sagen", brauste der Patrizier. „Nun, wie's Ihnen beliebt. Wenn Sie zu stolz find, die Tochter des Patriziers von Steiner als eben« bürtig anzuerkennen, habe ich Stolz genug, mein Kind nicht aufdrängen W wollen! Komm, Anna, bedanken wir uns für die genossene Gastfreund- chaft und kehren wir nach Grünheim zurück." Diese- Aufwallen des Patrizierstolzcs kam den gräflichen Acteur« sehr ungelegen. Hier mußte Philomene rasch etnschreiten, um der Situtation wie er Herr zu werden. „So war es gewiß nicht gemeint, Herr von Steiner," rief sie, indem sie Richard einen bedeutsamen Slick zuwarf, den dieser sogleich verstand und, Hand in Hand mit Anna vortretend, zum Patrizier sagte: „Glauben Sie nicht, mein bester Herr von Steiner, daß ich die An sicht meines Vaters theile. Mir ist Ihre Tochter Werth und wenn sie aus der ärmsten Hütte stammte. Ich liebe Anna um ihrer selbst willen und werde nicht von ihr lassen, auch wenn ich den ganzen Zorn meines Herrn Vaters auf mich laden sollte!" „Liebster Papa, lassen Sie sich erweichen und durch Ihre« Sohnes Edelsinn nicht beschämen", flehte Philomene. „biss enkaats, wenn'S nur auf mich ankäme, wenn ich nur mein Herz sprechen lassen dürfte, aber bedenkt nur die Standcsrücksichten . . ." „Bester Papa, vergessen Sie den Edelmann und lassen Sie nur das Laterherz entscheiden!" drängte Philomene. „Kommt, Kinder, helft mir Papa erbitten!" Der Reichsgraf glaubte genug Widerstand geleistet zu haben und sprach: „Nun müßte ich wahrlich ein Felsenherz haben, wenn ich länger dagegen sein würde. Mein lieber Herr von Steiner, werden Sie mir jetzt die Hand Ihrer trefflichen Demoiselle Tochter verweigern, wenn ich darum für Richard in aller Form anhalte?" Graf Friedrich reicht« dem Patrizier seine Rechte: dieser schlug herzlich ein mit den Worten: „Ich sehe wohl ein, Erlaucht, daß Sie für das Wohl Ihre« Herrn Sohnes ein Opfer bringen — ich will mich nicht beschämen lassen. Meine Kinder, seid glücklich, wie Ihr es durch Eur« treue uneigen nützige Liebe verdient!" Gerührt l«gtr er die Hände Richard'- und seiner Tochter in einander. Der Reich-graf wischte sich den Schweiß von der Stirn, den die lästige Rolle darauf hervorgerufen und gelobt« sich, in seinem Leben nie wieder Comödie zu spielen. Richard mühte sich, auf seinem Antlitz die Seligkeit zu zeigen, die seiner Braut Innerste- wirklich erfüllte. Philomene trium- Phirte im Stillen über den Erfolg ihrer unter so schwierigen Umständen durchgeführten Comödie. Die letzten Strahlen der Sonn« übergossen da« rührende Schlußtableau mit rosigem Schein. -