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2247 fettig so sehr anerkannten, ja von den Franzosen selbst bewundenen Leistungen der deutschen Aerzte im letzten Feldzüge aufmerksam machen zu müssen. Jedenfalls verdient eS constatirt zu werden, ob daS „Genstr Journal" von seinem Pariser Eorrespondenten mystificirt worden ist, oder ob die medicinische Presse von Paris sich in der That zum Organ einer Hetze hergiebt, wie eine solche frivoler und schamloser wohl kaum in'- Werk gesetzt werden könnte." — m Nachdem der Redakteur der „Germania", Caplan Majunke, erst am Montag wegen Beleidigung de- Fürsten Bismarck und Schmäh ung von Anordnungen der Obrigkeit zu 100 Thlr. Geldbuße verurtheilt worden, stand derselbe heute abermals vor dem hiesigen Criminal- geeicht unter der Anklage der verleumderischen Beleidigung deS ReichS- tag-abgeordneten Geh. Ober-RegierungSrathS Wagener. Bei Ge- legenheit der Jesuitengesetzdebatte im Reichstage am 17. Juni o. äußerte Wagener u. A., er könne den Abgeordneten privatim den Namen des ManneS nennen, welcher die von den Ultramontanen angezettelte ge heime Verbindung zwischen Preußisch-Polen und Galizien unterhalte; alS jedoch der Abg. v. NiegolewSki Herrn Wagener um den Namen befragte, verweigerte Letzterer die Antwort mit dem Bemerken, er habe sich nur den CentrumSmitgliedern gegenüber verpflichtet, und noch in derselben Sitzung sagte Wagener schließlich: nur demjenigen Abgeord neten, welcher seine Rede mit dem Rufe „Namen" unterbrach, habe sein Anerbieten gegolten. Diese Affaire besprach die „Germania" in ihrer Nr. vom 18. Juni u. A. in folgender Weise: „Also der „Ehren mann" wird in offener ReichStagSsitzung überführt, eine Verdächtigung der schlimmsten Alt ausgesprochen zu haben, ohne Rede und Antwort zu flehen, und hintendrein offen gelogen zu haben. Scham ergreift jeden ehrlichen Menschen, der bedenkt, daß solch ein Subject, daS seine Ehrlosigkeit stillschweigend bekräftigen muß, im deutschen Reichstage, in der deutschen ReichSregierung fitzt. Die Gesellschaft ist unS zu ge mischt, sagte vr. Windtholst; er hätte auch geradezu sagen können: die Gesellschaft ist unS zu gemein!" — Wagener erblickte in diesen Sätzen eine Beleidigung seiner Person und stellte den Strafantrag, dem gegenüber der Angeklagte Majunke den Beweis der Wahrheit antrat. Der Staatsanwalt erachtete den Beweis der Verleumdung erbracht und beantragte in Anbetracht der maßlosen Beschimpfung eines ReichStagSmitgliedeS 100 Thlr. Geldbuße event. einen Monat Gefängniß. Der Ang eklagte seinerseits beantragte daS Nichtschuldig, indem erwiesen sei, daß Wagener gelogen habe. Der Gerichtshof erkannte, den Anträgen deS StaatSanwaltS gemäß, auf Schuldig und 100 Thlr. Geldbuße event. 1 Monat Gefängniß. Allerdings — wird in der Begründung deS UrtelS auSgeführt — habe Wagener nicht bloß einem einzelnen Abgeordneten, nicht bloß dem Centrum, sondern ganz allgemein den Mitgliedern des Reichstage- die Nennung deS Namens angeboten und dies später in Abrede gestellt; allein dies könne man noch nicht eine absichtliche Unwahrheit nennen, da die Möglichkeit eine» JrrthumS nicht ausgeschlossen sei. Die Bezeichnung „ehrloses Subject" verstoße aber jedenfalls gegen § 185 deS Straf- gesetzbucheS. Danzig, 2. Sept. jZum Strike.j Der Strike der Schiffs- zimmerer dauert zwar auch heute noch fort; es soll aber Aussicht vor handen sein, eine beide Theile zufriedenstellende Ausgleichung der be stehenden Differenzen herbcizuführen. Bestätigt sich dies, so dürften die Arbeiten baldigst wieder ausgenommen werden. — Am Sonnabend wurde vom Ausschüsse deS hiesigen Ortsverbandes der Gewerkoereine eine Versammlung berufen und zahlreich besucht. Folgende Resolu tion wurde einstimmig von der Versammlung angenommen: „Zn Erwägung, daß die strikenden Arbeiter nicht gehörig organisirt sind, auch die Mittel zur erfolgreichen Fortsetzung des Strikes fehlen, em pfiehlt die Volksversammlung den Arbeitern (außer den Werftarbeitern, den Balkenhauern und Bretschneidern), die Arbeit wieder aufzunehmen." Detmold, 3. September. Der Fürst hat sich heute, in Be- gleitung deS HofmarschallS von Jssendorff und Flügel-Adjutanten Hauptmann von Donop, nach Berlin begeben. München, 2. September. In Sachen der Ministerkrisi» wird dem „Nürnb. Lorr." unterm heutigen Tage geschrieben, daß noch keiner der bisherigen Minister die erbetene Entlassung erhalten hat, auch Herr v. Lutz nicht. Lin hiesiger Berichterstatter der „Allg. Ztg." constatirt al- Thatsache, daß fämmtliche Minister, und zwar schon vor einigen Wochen, erklärt haben, daß sie in einem Ministerium Gasser nicht weiter amtiren könnten, sowie daß es Hrn. v. Gasser nach fast vier Wochen noch nicht gelungen ist, eine vollständige Ministerliste auszustellen. — Die „N. P. Z." enthält folgende Münchener Lorrespon« denz: „Die Ministerkrisis steht heute, wie sie gestern gestanden: eS ist unzweifelhaft, daß sie auS dem seitherigen chronischen Zustand in einen acuten getreten; aber eine Entscheidung ist noch nicht erfolgt, und der Lärm, welchen der Telegraph vorgestern geschlagen, war ein blinder. Wenn nicht Alles täuscht, liegt der Schwerpunkt in der Ent schließung de» KriegsministerS, Frhrn. v. Prankh, welchen der König nicht will fallen lassen und welcher in der That sehr schwer zu ersetzen wäre, der jedoch der Solidarität seiner bisherigen College» sich scheint angeschlossen zu haben. Gelingt eS, ihn noch sür daS neue Cabinet zu gewinnen, so dürste diese- auch sofort ernannt werden; andernfalls könnte die seitherige Regierung, vielleicht mit einer einzigen Modi- fication, bestehen bleiben. Merkwürdig ist, daß die gesammte Presse, von der äußersten ultramontanen bis hinüber zur liberalen und zur demokratischen Seite, jetzt schon in der heftigsten Opposition gegen daS noch ungeborene Ministerium sich ergeht und damit kundgiebt, wclch einen harten Stand dasselbe einzunehmen berufen sein würde. Zum Frieden im Lande, dessen wir, wie schon die letzte Thronrede deS Königs nach drücklichst betonte, so sehr bedürfen, würde das neue Cabinet nicht bei tragen können, die Erbitterung der Parteien gegen einander und der Widerstand gegen die Regierung würde nur wachsen, und waS die Beziehungen der letzteren zum Reiche betrifft, so würde selbstverständlich eine Verletzung der verfassungsmäßigen Pflichten Bayern- zwar nicht zu fürchten sein; aber da über den Buchstaben der Gesetze und Ver träge hinaus ein bereitwilliges Entgegenkommen kaum mehr zu finden wäre, so würde wohl auch daS Reich auf denselben Boden deS for mellen Rechts sich zurückziehen, hierbei aber würde Bayern kaum seinen Bortheil finden." Straßburg, 2. September. Prinz Friedrich Carl hielt heute Jnsprction über daS preußische 47. und württembergische 126. Infanterie-Regiment auf dem Polygon ab. Morgen Jnspection de» 25. preußischen und 105. sächsischen Infanterie-Regiments. Dänemark. Kopenhagen, 3. Septbr. Der durch seine politische Thätigkeit und al» Stifter der Grundtvigianischen Schule bekannte Bischof Grundtvig ist gestern Abend, 89 Jahre alt, plötzlich gestorben. Italien. Rom, 1. September. Der König ist gestern von Mailand in Florenz eingetroffen. In Rom wird Seine Majestät erst am 25. d. MtS. erwartet, an welchem Tage derselbe einem Ministerrathe prä- sidiren wird. Belgien. Brüssel, 2. Septbr. Die Kronprinzessin von Italien hat Ostende verlassen und ist heute auf der Rückreise nach Italien hier eingetroffen. Frankreich. Paris, 2. September. Herr Thiers sinnt mehrfachen Ver sicherungen zufolge auf ernste Maßnahmen zur Befestigung der neuen Republik. Auch die Rückkehr nach Paris soll zu dem Ende ernst- lich ins Auge gefaßt und bei Wiedereröffnung der Session von Pariser Deputaten mit Unterstützung der Regierung beantragt werden. In zwischen läßt sich Herr Thiers auch die auswärtigen Dinge angelegen sein. Wie die „Patrie" berichtet, hat er persönlich die detaillirtesten Instructionen für den Botschafter in Berlin auSgearbeitet, welche das Verhalten desselben während der Monarchenbegegnung regeln sollen. Alle Eventualitäten, alle Fragen sollen darin vorgesehen und Hr. ThierS dabei von dem Gedanken geleitet sein, Frankreich bei dieser Gelegenheit wieder in das europäische Concert eintreten und eincn Theil seincS früheren Einflusses wieder aufleben zu lassen. — Der „TempS" verössentlicht, wie schon kurz angezeigt, eine Zuschrift LeS Pater- Hyacinthe, welcher darin seine bevorstehende Verheirathung anzeigt und die Lehre von dem Zwangscölihat der Geistlichkeit bekämpft. Er werde seine Ehe im AuSlande schließen, weil die Gerichte von 1872 seine Heirath in Frankreich nicht zugeben würden, er werde aber mit Ruhe, ohne Furcht und ohne Zorn nach Frankreich zurückkommen. Pater Hyacinthe ist überzeugt, daß in Frankreich die Kirche deS Beispiel- bedürfe, welches er heute gebe und daS, wenn auch nicht in der Gegenwart, doch in der Zukunft seine Früchte tragen werde. Er kenne die wahre Lage seine- Landes und predige ihm deshalb da- Heil durch die Familie. Er kenne auch die Lage der Geistlichkeit seine» Lande» und wisse, wie sehr e» dieselbe