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behörde für seine Correspondenz zu zahlen, was übrigens, den großen Privatgeschäften gegenüber, keineswegs eine so große Summe ist, wie es auf den ersten Blick scheint. — Die Nachrichten über das Befinden des Abg. v. Hennig lauten nicht günstig, und auch um das Befinden des Abg. Twesten steht es nicht gut. Letzterer hat einen Rückfall erlitten. — Die „Bromberger Zeitung" enthält ein von den Herren R. v. Bennigsen, von Forckenbcck, von Hennig, Lasker, Miquel, Oetker, Twesten und von Unruh unterzeichnetes Schreiben, in welchem folgender Organisationsplan für die national liberale Partei vorgeschlagen wird: 1) Die politische Leitung der Partei wird einem Landes-Ausschusse anvertraut, zu welchem jede Provinz des preußischen Staates und jedes andere Land des Norddeutschen Bundes bis zu fünf Mitgliedern stellt. Außer dem sind die Mitglieder des Vorstandes auch Mitglieder des Landes-Ausschusses. 2) Sieben Mitglieder der national-liberalen Partei werden zum ständigen Vorstande der Partei auf ein Jahr gewählt. Der Vorstand besorgt die Correspondenz, verwaltet die Vereinscasse und versieht überhaupt alle laufenden Geschäfte. Er hat seinen Sitz in Berlin. 3) Der Landesausschuß versam melt sich jährlich wenigstens einmal, etwa zur Zeit des Zollpar- laments in Berlin, oder auch sonst, wenn der gcschäftsleitende Vorstand oder ein näher zu bestimmender Theil des Landesaus schusses seine Berufung für nothwendig hält. Die Wahl des geschäftsleitenden Vorstandes erfolgt bei jeder regelmäßigen Ver sammlung des Landesausschusses durch dessen Mitglieder. Die örtliche Vcreinsthätigkeit soll von diesem Organisationsplane un berührt bleiben. — Die national-liberale Partei des gegenwär tigen preußischen Landtages hat den Plan gebilligt und in den nationalen Parteien Badens, Hessens und Württembergs wird über den Anschluß an eine solche Organisation Berathung ge pflogen. In der am 5. Februar zu Berlin stattfindenden Ver sammlung von Parteifreunden sollen folgende Gegenstände zur Erörterung gelangen: 1) Berathung und Beschlußfassung über den vorstehenden Organisationsplan. 2) Die Anregung der Dereinsthätigkeit. 3) Die Erneuerung der beinahe aufgezehrten Parteisonds. 4) Unser Verhältniß zu den anderen liberalen Parteien in Nolddeutschland, so wie zu den national-liberalen Parteien in Süddeutschland. — Vor dem Stadtschwurgerickt begannen am 19. die Verhand lungen gegen den interimistischen Castell an des neuen Rath- Hauses, Wurche. Er ist angeklagt der Vermögensbeschädigung und der vorsätzlichen Brandstiftung. Wurche ist bereits seit 29 Jahren im Dienst der Commune Berlin und hat für seine treuen Dienstleistungen das Allgemeine Ehrenzeichen erhalten. Am 22. Aug. vor. J8. fand sich in einem Theile des vollendeten Baues ein Wasserhahn aufgedreht und die Äbflußröhre verstopft, so daß das überströmende Wasser erheblichen Schaden anrichtete. Am Morgen des 5. Septbr. brannte, erwiesenermaßen in Folge von Brandstif tung, ein zur Aufbewahrung von Acten dienendes Zimmer im Rathhaus aus. Beides soll Wurche veranlaßt haben aus Feind schaft gegen den Baumeister des Hauses, Baurath Wäsemann, und um die Vollendung des Baues hinauszuschieben, damit er noch länger die Trinkgelder der Besucher genieße. (Das gestern abgegebene und von dem Auditorium mit Beifall begrüßte Ver biet der Geschworenen lautete auf Nichtschuldig. In Gemäß heit dieses Ausspruches erfolgte die Freisprechung und sofortige Haftentlassung des Angeklagten.) — Gestern wurde ein Proceß gegen den von Liebknecht in Leipzig herausgegebenen „Volksstaat" wegen Majestätsbeleidig ung verhandelt und auf Vernichtung der mit Beschlag belegten Exemplare erkannt, was auch jedenfalls ein Verbot deS Blattes für den Umfang des preußischen Staats zur Folge haben wird. — Zur Abwehr des Nothstandes in den ostfriesischen Moor-Colo nieen sind zunächst zur Verbesserung der Ab wässerung und Herstellung prakticabeler Straßen in den Malischen Moordistrkten 3000 Thlr. vom Könige bewilligt; daneben hat auch das landwirthschastlichc Colleg für Ostsriesland sich zu einem namhaften Beitrage bereit erklärt. Braunschweig. Braunschweig, 21.Jan. Die Landcsversammlung lehnte die Regierungsvorlage in Betreff des Verkaufs der Herzog- lichen Staatsbahnen ab, erklärte sich dagegen im Principe für den Verkauf, dafern ein Kaufpreis von 11 Millionen Thaler baar und eine 64jährige Annuität von 875,000 Thaler von einem Kaufconsortium gewährt werde, in welchem womöglich die bergisch-märkische und Berlin-Potsdam-Magdeburger Bahn sich befinde. (Nach einer zweiten Depesche ist wegen des Verkaufs an ein bestimmtes Consortium, an welchem die beiden erwähnten Eisenbahngesellschaften betheiligt sind, kein Beschluß gefaßt worden.) Oesterreich. Wien, 21. Jan. Das Abgeordnetenhaus fuhr heute in der Generaldebatte über den Adrcßentwurf fort: Klier be spricht böhmisches Staatsrecht und zergliedert die Ferdinandea, um deren Unanwendbarkeit auf heutige Verhältnisse zu beweisen. Die Deutschböhmen waren immer gute Oesterreicher, wolle man sie aber hindern, Oesterreicher zu sein, dann mühten sie nur Deutsche sein. (Lebhafte Zustimmung links.) Auf Beust anspielend, sagt 'Redner, das Ansehen der Regierung habe durch planlose und ge- heimnißvolle Ausgleichsmacherei unendlich gelitten. — Der Pole Weigl sagt, man behandle die Polen wie Stiefkinder, und das Ministerium sei der Rabenvater. Das Majoritätsmemorandum sei ein politisches Testament, noch mehr als das, der politische Tod des Ministeriums. (Bravo rechts.) — Schindler sagt: In diesem Augenblicke sei die Stabilität des Fortschritts; die Eigenthümlichkeiten seien: Nichtachtung der Gesetze, Unterordnung des Staates unter die Nationalitäten, bedenkliche Schwankungen des Patriotismus, Unduldsamkeit gegen andere Nationalitäten und Confcssionen! Er frage, ob man auf solche Eigenthümlich keiten eine Verfassung basiren könne. Die Neaction gehe immer fort an des Bürgers Thüre, bald trete sie im Soldatengewande, bald im Bischofskleide auf. Jetzt spaziere sie in der Nationaltracht bei Hofe umher. (Stürmischer Beifall.) Schluß der Sitzung. — Der Reichskanzler Graf Beust, der nach dem Tode des Freiherrn v. Becke vom Kaiser mit der Leitung des Reichsfinanz ministeriums beauftragt wurde, hat den Reichsfinanzminister schon seit dem September v. I. in allen dem Minister vorbehaltenen Angelegenheiten vertreten. — Dem Vernehmen nach wäre Dr. Ziemialkowski nach Wien berufen worden, um mit demselben in der galizischen An gelegenheit sich zu vernehmen. Man soll damit umgehen, im Ministerium des Innern eine besondere Abtheilung für specifisch galizische Sachen einzurichten und jedes mögliche Zugeständniß zu machen, wenn andererseits die galizischen Abgeordneten den Reichs- rath nicht verlassen. Das Ministerium verhandelt inzwischen über seine Neugestaltung und die betreffenden Vorgänge entziehen sich noch der öffentlichen Besprechung. Erst nach der Rückkehr des Kaisers von Ofen dürfte die Sache in das entscheidende Stadium gelangen. — Ueber die Art und Weise des „Ausgleichs" mit den Gurgelabschneidern indem Gebirge bei Cattaro gehen wunder liche Gerüchte. In dem Adreßausschusse des Abgeordnetenhauses war Gras Taaffe darüber interpellirt worden, wie es sich damit eigentlich verhalte: ob die General-Amnestie sich auch auf ge meine Verbrecher erstrecke (die Crivoscianer hatten dies aus drücklich verlangt). Graf Taaffe bemerkte darauf, er selbst habe noch keine nähern Berichte über die Einzelnbeitcn des Hergangs. Die Bezeichnung „Amnestie" klang immerhin auffallend, da sie für gewöhnlich nur im politischen Sinne gebraucht wird, bisher aber es noch niemals für einen politischen Act gegolten hat, wehrlose Verwundete durch Abschneiden der Nasen, Ohren und