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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 14.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189901144
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990114
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990114
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-14
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 14.01.1899
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11. ferner meinen, die Stärke der Grenzbataillone erhöhen zu muffen, weshalb verringern Sie nicht die Stärke der Bataillone im Innern, namentlich der Gardebataillone. Aber daS wollen Sie nicht, weil die Gardeparaden sich so schöner machen. WaS sollen überhaupt die Garderegimenter? Sie sagen -war, dieselben rücken im Kriegsfall schneller an die Grenze. Aber im Segentheil, sie thuu dies erst zuletzt, weil sie ihren Ersatz anS dem ganzen Land« beziehen. Die Garde ist nur der adeligen Offiziere wegen da, bürgerliche Offiziere giebtS in ihr kaum, nur bürgerliche Zahlmeister natürlich und Aerzte. (Heiter keit.) Redner kritisirt sodann die Abkommandirungen zu nicht eigentlich militärischen Zwecken, selbst zur Küche. 1000 Unter offiziere und 4000 Mann find allein im preußischen Heere nur in der Küche beschäftigt. Im Ganzen, die 30000 Burschen nicht einmal eingerechnet, find 10000 Mann zu Thätigkeiten ob- kommandirt, die in die weibliche Erwerbssphäre fallen. Und die Burschen! Den in die Kriegsschulen kommandirten Offizieren müffen sie die Schulmappe nachtragen. (Heiterkeit.) Die Burschen führen dabei ei» Leben, daß man ihnen saft nachsagcn kann: frei ist der Bursch! (Stürmische Heiterkeit.) Unserer 1893er HeereSvermehrung ist eine entsprechende weder in Frankreich, noch in Rußland nachgefolgt. Bei uns gilt als Ideal: Jeder ohne Ausnahme muß Soldat werden ohne Rücksicht darauf, ob die Heeresstärke der Nachbarländer dies nöthig macht. Und dem Ideal zu Liebe ist man auch offenbar in den Ansprüchen an die körperliche Beschaffenheit der Ausgehobenen zurückgegangen. Durch die angekündigte gesetzgeberische Absicht, eine bestimmte Quote noch ein drittes Jahr zurückzubehalten, bringt man Un sicherheit iu die bürgerlichen Verhältnisse aller Dienstpflichtigen, gleichviel wie hoch oder niedrig man die Quote greift. Herr Miquel warnt überall davor, dauernde Ausgaben auf vorüber gehende gute Einnahmeverhültniffe zu gründen. Und Sie wollen hier wieder 28 Millionen dauernde und 133 Millionen einmalige Ausgaben beschließen. Freilich, Herr Miquel kennt nur eine Finanznoth für» Civil! (Heiterkeit^! Ich kann Ihnen zum Schluß nur zurusen, womit Herr Miquel seine letzte Etatsrede schwß: nur em starker Staat kann seine Kulturaufgaben erfüllen, und stark ist nur ein Staat, der gesunde und gute Finanzen hat. (Beifall linkSJ Abg.v. Stumm (freikons.) bedauert, daß nach seinen Wahr- aehmuugen ei» großer Theil deS Hauses sich anscheinend mit der Borlage nicht befreunden zu können scheine. Die Vorlage be wege sich ja doch nur auf dem Boden der 1893er Beschlüsse. Geändert habe sich nur die allgemeine politische Lage, die Be- völkerungSziffer und drittens die steuerliche Leistungsfähigkeit. Der Abrüstung-Vorschlag de- Zaren sei dankenSwerth, aber jeden falls sei selbst im Falle der Annahme eines solchen Vorschlages derjenige Staat am besten dran, der im Augenblicke der Ab rüstung in seinen Rüstungen am weitesten vorgeschritten sei. (Große allgemeine Heiterkeit.) Was die Dienstdauer anlange, so sollten die Herren von der Linken froh sein, daß sich durch die HeereSvermehrung di« Chancen der zweijährigen Dienstzeit bessern. AnS den Reichsfinanzen, der Reichsschuld ergeben sich keinerlei Bedenke» gegen die Vorlage. Aba. v. Levetzow (kons.) tritt namens seiner Fraktion für die Vorlage ei», im Interesse der Vertheidignng deS Vaterlandes gegen äußere Feinde. Der Reichstag vermöge nicht zu be- urtheilen, WaS zu dem Zwecke noth thue. Die Verantwortung dafür, daß wir gegen äußere Angriffe gerüstet seien, trage die Regierung, der Reichstag könne sie ihr nicht abnehmen. Die Vorlage werd« in der Kommission allerdings im Einzelnen sorg sam zu prüfen sein, denn sie enthalte offenbare Widersprüche in Bezug auf Organisationen, welche hier beseitigt, dort beibehalten oder gar neu geschaffen würden. Auch scheinen ihm in der Vor lage ZukunftSpläne enthalten zu sein. (Rufe links: Hört! hört!) Es sehe auS, als ob dem A noch ein B folgen solle, und da wolle uw» doch wissen, wie ungefähr das B aussehen werde. Er hoffe aber, daß in der Kommission daS, was er an Aufklärungen vermisse, werde beschafft werden. Ueber die zweijährige Dienst zeit wolle er sich nicht äußern, da die Vorlage die Frage noch m der Schwebe lasse. Jedenfalls aber höre man überall im Lande, wie schwer bei der kurzen Dienstzeit die Ausbildung sei, und zweifellos wäre eS im Augenblick ein Leichtsinn, die zwei jährige gesetzlich festzulegen. Wenn wir, so schließt Redner, diese Vorlage annehmen, so wird die ganze Welt sagen: wir rüsten nur, um den Frieden zu wahren. (Beifall.) P-lUsch« U»sch<m. Freiberg, deu 18. Januar. AuS den Verhandlungen deS deutschen Reichstags über die Fleischvertheuerung geht für den unbefangenen Beurtheiler unzweifelhaft hervor, daß die Klagen über die „Fleischnoth", mit denen die freisinnige Presse in den letzten Monaten ihre Leser bis zum Ueberdruß fütterte, auf starken Uebertreibungen beruhten. Die Preise für Rinder und Rindfleisch halten sich im Allgemeinen auf dem Stand früherer Jahre, in einigen Gegenden sind sie allerdings etwas höher, dagegen in anderen sogar niedriger als in den Vorjahren. Die Durch schnittspreise für Schweine und Schweinefleisch sind pro Kilo um 12 Pfg. höher, als sie 1891 waren; gegen 1896 find sie freilich erheblicher gestiegen, aber damals hatten die Preise wegen der ungenügenden Kartoffelernte einen ungewöhnlichen Tiefstand er reicht. Die damalige ungünstige Kartoffelernte aber, die dem Markte viel Schweine zuführte und die Preise drückte, hat natür lich die Schweinezucht vermindert und dadurch zu den jetzigen höheren Preisen beigetragen, wie denn solche Preisrückgänge gewöhnlich eine Gegenbewegung zur ganz natürlichen Folge haben. Jetzt aber ist auch diese Rückwirkung auf die Schweine zucht überwunden, die Fleischproduktion nimmt in Deutschland erheblich zu. Die Preise für Speck und Fett waren übrigens nie in demselben Maße gestiegen, wie die Fleischpreise, in einzelnen Gegenden sogar gesunken. Der Fleischkonsum hat nicht abgenommen, sondern zugenommen, von einer „Fleischnoth" kann also nicht die Rede sein. Jedenfalls ist die deutsche Viehzucht auf dem besten Wege, den wachsenden Fleischbedarf deS deutschen Volkes decken zu können, und es liegt keine Veranlassung vor, sie darin durch Begünstigung der Fleischeinfuhr zu behindern oder gar die Vorsichtsmaßregeln gegen die Seuchengefahr außer Acht zu lasten, um so weniger, als gerade bei der Schweinezucht der kleine Mann sehr erheblich betheiligt ist. — DaS sind that- sächliche Feststellungen, an denen alles spitzfindige Deuteln und Drehen nichts ändern kann. Daß die Preiserhöhung, so unan genehm sie für den Einzelnen sein mag, als eine vorübergehende Erscheinung nicht ausreicht, um die fortdauernde Bedrohung unserer einheimischen Viehzucht mit Seurbengesahr und damit die empfindlichste Schädigung eines wichtigen Zweigs unserer deutschen Landwirthschaft zu rechtfertigen, das hat sich ganz zweifellos herausgestellt. Die ganze Angelegenheit war nur aufgebauscht, um die Industrie aufs Neue gegen die Landwirthschaft zu Hetzen und hinter den vorgeschobenen Coulisten politische Zwecke zu verfolgen. Darum die Klagen über die Noth der Konsumenten, deren Schicksal, so bald es sich um andere Dinge als um land- wirthschastliche Produkte handelt, dieselben Leute meist sehr gleichgiltig läßt. Sämmtliche dänisch gesinnten Eltern des Amtsgerichtsbezirks Tostlund sind bis auf eine Wittwe der Aufforderung des Amts richters nachgekommen und haben erklärt, ihre Kinder von den dänischen Hochschulen zurückziehen zu wollen. Der Sohn der Wittwe wird unter die Vormundschaft eines deutschgesinnten ManneS gestellt. Bekanntlich hat kürzlich die Wahl des sozialdemokratischen Stadtverordneten Singer in die Berliner städtische Schuldeputation die Bestätigung der Regierung nicht erhalten. Wohl aus Anlaß dieses vielbesprochenen Falles hat nunmehr der preußische Kultusminister eine allgemeine Verfügung ertasten, wonach der Wahl von Personen, die der sozialdemokratischen Partei ongehören oder sich als Förderer dieser Partei bethätigen, zu Mitgliedern von Schulvorständen oder städtischen Schuldepu- tationen von Aufsichtswegen die Bestätigung grundsätzlich zu ver sagen ist. — Ein spezieller Erlaß dieses Inhalts war bekanntlich bereits dem Berliner Magistrat aus Anlaß der Wahl des Abg. Singer zugegangcn. Oesterreich. Unlängst hat eine Angelegenheit ihren Abschluß gefunden, in welcher sich die nationalen Verhältnisse Böhmens gewissermaßen versinnbildlichten, die nationale Anmaßung deS CzechenthumS, die Rohheit und Widerrechtlickkeit, womit heilige nationale Interessen d«S DeutschthumS verfolgt und unterdrückt werden, aber doch auch der endliche Sieg, der der gereckten Sache auf die Dauer nicht ausbleibeu kann. Durch daS Oberlandes, gericht in Prag ist nämlich daS Uriheil in dem BesitzstörungS- prozesse des deutschen SchulerhaltungSvereinS gegen die Gemeinde Werschowitz, einen Vorort von Prag ge- sprachen worden. Das Obergericht war gezwungen, nach allen Richtungen dem deutschen Schulverein Recht zu geben, und hat die Werschowitzer Gemeindevertretung dazu verurtheilt, daS von ihr widerrechtlich abgerissene Schulgebäude wieder herzustellen, jede weitere Besitzstörung zu unterlassen und dem deutschen Vereine die Prozeßkosten zu ersetzen. Die Sache zieht sich schon seit etwa zwei Jahren herum. Die czechische Gemeindevertretung des OrteS hatte die vom Prager deutschen Schulerhaltungsvereine für die deutschen Kinder in Werschowitz erbaute und verwaltete Schule in der scheußlichsten Weise chikanirt und verfolgt und ihr endlich sogar einen förmlichen Umbau des Hauses aufgetragen. Obwohl die kaiserliche Bezirkshauptmannschaft diesen Auftrag der Gemeinde vertretung als nicht im Rechte begründet aushob, sandte der czechische Bürgermeister seine Arbeiter mit Leitern und Hacken aus, die daS Dach deS Schulgebäudes erklommen und einen großen Theil des Hauses zerstörten. Die Gewaltthat machte damals ungeheures Aufsehen sowohl in Oesterreich, wie im deutschen Reiche; illustrirte Postkarten mit dem Bilde der czechischen Zerstörungsarbeit waren allgemein im Umlaufe, es zeigte sich mit gegenständlicher Deutlichkeit, mit welch roher Gewalt das Czechenthum die Deutschen daran verhindert, sogar auf eigene Kosten sür die Aufrechterhaltung ihrer Nationalität zu^ sorgen, weil es nicht zugeben will, daß an einem czechischen Orte auch das Deutschthum äußerlich zur Geltung gelangen dürfe. Nun, die Dinge haben denn doch in diesem Einzelfalle eine andere Wendung genommen. Der Bürgermeister von Werschowitz, der wegen seiner Heldentbat gegen das deutsche Schulgebäude großer nationaler Ehrenbezeugungen theilhaftig wurde, entpuppte sich bald darauf als ein — ra ffi n irter D i e b, der in völlig gewerbsmäßiger Weise in vollen Wagen die Frachtgüter aus einem Prager Bahnhöfe raubte und sich als schützenden Schleier sein nationales Heldenthüm zu erringen wußte. Der Mann ist voll kommen entlarvt und seither zu mehrjährigem Kerker verurtheilt worden. Nun ist auch das gegen die deutsche Schule ausgeführte Zerstörungswerk gerichtlich als ein Unrecht erkannt und dieGut- machung des Schadens angeordnet. Freilich, im Großen wird eine gleiche Sühne, auch wenn den Czechen jemals eine solche auf getragen würde, nie geleistet werden können. Dazu ist der Schaden, der den Deutschen in Oesterreich zugefügt wurde, viel zu groß und von viel zu dauernder Wirkung. Frankreich. Herr Quesnay de Beaurepaire setzt seinen Zeitungsseldzug gegen den Höchsten Gerichtshof fort. In feinem neuesten Artikel im „Echo de Paris" — von dem er übrigens 36,000 Fr., nicht 3600 Fr. Jahresgehalt als Redakteur bezieht — entwickelt er ein förmliches Programm zu einer Re- volutionirung des bisherigen Rechtszustandes. Um Beaurepaire zu zwingen, die Quellen feines gehässigen Klatschs gegen die Straf kammer des Höchsten Gerichtshofes anzugeben, hat der Ministerrath eine „ergänzende Untersuchung" über die von ihm vorgebrachten Beschuldigungen angeordnet, deren Leitung der erste Präsident des Kassationshofs, Mazeau, in die Hand genommen hat. — Gleichzeitig setzen die übrigen Blätter der Unrathpreste ihren Sturm gegen die Richter des Strafsenats mit voller Kraft fort. „Gaulois" entwickelt, nach einer Meldung der „Voss. Zeit.", aus führlich seine Anklagen gegen den Richter Dumas: Er hat — die Hände in die Tasche gesteckt, als Hauptmann Cuignet über die aufgedeckte neue Fälschung, Panizziardis Chifferdrahtung, auS- sagte und ihn fragte, ob er den Minister des Auswärtigen der Lüge bezichtige; er hat, als er die Pays verhörte, gar ein be legtes Brötchen gegessen mit dem erschwerenden Umstande, daß es in ein fettiges Papier gewickelt war. Der Strafsenat hat den Oberst Cordier als Zeugen verhört, obschon er von Ars Kind der Straße. Roman von H. Schobert. (49. Fortsetzung.! tNaibdruck verboten.! „Nein, das hatte ich nicht — und ich glaube eS auch nicht! Wer sprach zu Ihnen davon, Hoheit? Bei Gott, er wird mir Rechenschaft geben," sagte Detlev schwer athmend. „Fragen Sie mich nicht danach, ich gab mein Wort den Ramen niemals zu nennen." Detlev lachte heiser auf. „Und einer Verleumdung soll ich glauben, die im dunklen schleicht? Einer Infamie, die sich in den Falten Ihres Kleides birgt, Hoheit? Nimmermehr! — Sie gestatten wohl, daß ich jetzt meine Braut aussuche." Wieder legte sich Prinzeß' Hand mit festem Druck auf seinen Arm, sie kam ihm ganz nahe. „Armer Freund," sagte sie mit erstickter Stimme, „ich kenne diese Kämpfe wohl, in denen man sich sträubt, etwas zu glauben, was uns selbst oder eine andere theure Person herabwürdigt — ich kenne sie — aber ich sage Ihnen zugleich, es hilft nichts — die Erkenntniß kommt doch — unheilvoll — klar — unwider stehlich! Diese Kämpfe schon sind Zeuge, daß Verstand nud Ge fühl nicht mit einander im Einklang sind — sie sprechen beredter als Worte . . . Rommingen — sehen Sie nicht so verzweifelt auS — seien Sie ein Mann." „Ich sehe nicht verzweifelt aus, Hoheit," sagte er verstockt, „ich bekenne, noch nach keiner Richtung hin überzeugt zu sein." Dabe» war aber ein gewisses Etwas in seinem Innern, was dem widersprach, waS ihn tödtlich beängstigte, dem er um zeden Preis gern entronnen wäre. „Heute Nachmittag beim Bazar," begann Sibylle ganz un vermittelt, „blieb mir keine andere Wahl, als die Fürstin Arbanoff auS den Reihen derjenigen zu entfernen, die in meiner Nähe sein dürfen. Sie nahm es aus, wie sie mußte — zerschmettert — gebrochen, ohne ein Wort der Rechtfertigung. Wir dürfen nicht an der Wahrheit des Gesagten zweiscln. Und Sie, Rommingen — Sir gehören zu denen, die Gerechtigkeit und Ehre höher achten, als das größte Glück der Erde, das Ihnen ohne Reinheit doch nur zum Stachel werden würde! Wir selbst — das ist das Einzige, was unS ganz gehört, was wir in unsrer Gewalt haben, waS unS kein Zufall, leine Macht, ja selbst der Tod nicht rauben kann." Mit welchem vibrirenden Ton der festen Ueberzeugung Sibylle sprach! ES war unmöglich, daß die Worte keinen Widerhall in Detlevs Brust erweckten. Er biß sich auf die Lippen, daß sie bluteten, nur um daS Stöhnen zurückzuhalten, daS sich über sie drängen wollte. Nacht war es in ihm und um ihn geworden, und wie ein erbarmungsloses Steinbild stand Prinzeß dicht vor ihm und sprach immer weiter. „Alle Schmerzen der Erde lassen sich ertragen, sobald man nur mit fester Hand zugreist, um sie zu gewinnen. Auch Sie werden vergessen, Rommingen. ES ist ein trauriger Trost — aber ein sicherer! — Ich war grausam wie ein Arzt, der eine schmerzende Wunde schafft, aber — es ist zu Ihrem Heil, das hat mich kühn und muthig gemacht. Eine Frau wie die, die Sie sich erwählt haben, hätte Ihnen auf die Dauer kein Glück gebracht. Sie verlangen mehr — weil Sie mehr geben —" Prinzeß schwieg plötzlich still, die Stimme versagte ihr vor Erregung. Schatten der Nacht waren aus allen Winkeln hcrvor- gekrochen und hatten das große Gemach in Dunkel gehüllt, durch die offene Balkonthür wehte der Wind einen weißen Falter, der lautlos hin- und herschwebend nach einer Rückkehr zu suchen schien, wie ein verirrter Gedanke. Ein schmaler Streifen Mond licht brach durch die Fenster und umsäumte die breiten Blätter der Jucca in der Erde mit einem strahlenden Rand. Es war lautlos still. Auf einmal fühlte Detlev seine Hand um klammert. „Sprechen Sie — ein Wort nur!" flehte SibylleS Stimme. Er konnte nicht, die Kehle versagte ihren Dienst. „O, wenn ich Sie zu trösten vermöchte" — flüsterte Prinzeß leidenschaftlich. „Ich nehme Antheil an Ihnen — ich — mein Gott! Soll ich zur Velrätherin an mir selber werden — nur, um Ihnen zu zeigen, daß das Schicksal gleich grausam ist?" „Hoheit!" ries Rommingen zurücksahrend, und riß seine Hand aus der ihren. Er konnte nicht mehr mißverstehen, Worte, Ton, das Zucken ihrer Finger sprach zu deutlich. „Eine Liebe, die im eignen Herzblut erstickt!" flüsterte Prinzeß und lehnte sich, wie einem Schwächegesühl nachgebend, gegen seine Schulter. „Glauben Sie nicht, daß sie ebenso leidvoll, aus dem Thron, wie in der Hütte empfunden wird? O, Rommingen — wenn Sie unglücklich sind — ich bin es auch — weit mehr noch. Soll es uns ein Trost sein?" Ihm entgegen strömte ein leiser Duft von Cedernholz, als sie ihm so nahe gekommen war; wie eine Binde fiel es plötzlich von seinen Augen. Die anonymen Briese — die Blumen — Prinzeß also war es gewesen, die ihn mit ihrer Liebe verfolgt hatte! Er konnte sich nicht Helsen, er mußte auflachen. — O, über diese Komödien und Tragödien im Leben! Sein Lachen ertönte häßlich in dem großen stillen Zimmer, Prinzeß erbebte. „Haben Sie keine andre Antwort?" fragte sie, zwischen Zorn und Thränen kämpfend. Sie war in diesem Augenblick wirklich nur das schwache Weib, das sich willenlos ihrem Herrn und Geliebten beugt. „Verzeihen, Hoheit," sagte Detlev sich sammelnd, „daS Alles ist so wunderbar, mir schwindelt der Kops — ich will hinaus — hinaus," wiederholte er lauter. „Und zu ihr?" „Vielleicht!" „Das dürfen Sie nicht!" Ihre bebenden Finger um-, krampften wieder seinen Arm. „Sie wird Sie aufs Neue in Banden schlagen, und ich will — hören Sie, ich will den einzigen Mann, den ich bisher geachtet habe, auch in Zukunft nicht anders sehen. Ein unbeschreibliche Gluth loderte in dem ganzen Wesen der Prinzeß, wie sengendes Feuer berührte eS ihn. Es ist nicht selten, daß jemand lange kalt scheint und heißt, der nachher durch die gewaltigste Explosion von Leidenschaft alles in Erstaunen setzt. So ging es Rommingen. Dieser Ausbruch machte ihn völlig fassungslos, und dazu begann Prinzeß zu schluchzen und zu beben, daß er trotz alledem, was ihn drückte, den Arm um sie legte und sie behutsam zum Sofa führte. „Ich werde Fräulein von Nobbe suchen," sagte er, froh, unter diesem Vorwand das Zimmer verlassen zu können. „Nein, bleiben Sie einen Augenblick — es ist nicht nöthig, daß mich jemand außer Ihnen schwach sieht." Mit gewaltiger Anstrengung unterdrückte sie ihr Schluchzen. „Vergessen Sie," hauchte sie nach einer Pause kaum ver ständlich. Er beugte sich über sie, um bester hören zu können, da fühlte er seinen Kopf von zwei zuckenden, glühenden Händen festgehalten, eiskalte Lippen berührten flüchtig seine Stirn. „Gehen Sie," sagte Sibylle mit einem Anklang ihres ge wöhnlichen Tones. „Vergessen wir diese Stunde — Beide." Er gehorchte sofort, ohne ein Wort deS Abschieds sogar, jedcs schien ihm hier überflüssig. Prinzeß lauschte auf daS Schließen der Thür, ein unendlich bitteres, enttäuschtes Lächeln ! umzog ihre Lippen. Vielleicht hatte sie nie in ihrem Leben i härftr und schmerzlicher die Reizlosigkeit ihrer Person em pfunden. — Als Fräulein von Nobbe nach einiger Zeit zu Hoheit eintrat, sand sie dieselbe noch immer regungslos im Sopha liegen. Vor sichtig beugte sie sich über die vermeintlich Schlafende. Zwei erloschene, von dunklen Rändern umgebene Augen öffneten sich ihr entgegen, das Gesicht war fahl. „Um Gotteswillen, Hoheit, sind Sie krank?" fragte die Hof dame erschrocken. „Nein, Amanda, mich friert nur." Prinzeß schüttelte sich wie von einem Frost gepeinigt. „Das kommt vom Zug. Die Balkonthür ist noch offen. Welche Unvorsichtigkeit!" meinte Fräulein von Nobbe mit sanftem Vorwurf und schloß eiligst die Thür. (Fortsetzung folgt.!
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