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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 15.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189609153
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18960915
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18960915
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-15
-
Monat
1896-09
-
Jahr
1896
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 15.09.1896
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Weilage zum Isreiberger Anzeiger und HageblaÜ. W 215.Dienstag, dm IS. September.1888. von Tönning? Sie machten vorhin, kurz bevor ich derte, solch ernstes Gesichtchen — aber nicht wahr, S Sie auffor- ne sind nicht Familien-Nachrichten digem Ton: „Nun wollen wir ein Standesamtsnachrichten aus Freiberg vom 11. und 12. September 1896. Verschiedenes. * Die Dame mit ven Brillanten. Eine schöne junge Geboren: Ein Knabe: Hrn. Ernst Schiffmann in Leipzig. Reudmtz; Hin. E. Lautsch in Leipzig. - Ein Mädchen: Hrn. k. Martin Zürn m Wendisch-Rottmannsddrf bei Oberplanitz: Hrn. Bruno Beer in Leipzig; Hrn. Gustav Schlag in Leipzig; Hrn. Richard CarsianM in Duisburg. ,, Verlobt: Hr. Gustav Eduard Gümpel in Kappel bei Chemnitz mit Frl. Emilie Glaeser in Schönau bei Chemnitz. Gestorben: Hr. Karl Anton Dittrich, Handschuhfabrikant, kn Limbach; Hr. Ingenieur Karl Valtin in Dresden; Hr. Semmaroö-r. lehrer a. D. Robert Wolfram in Borna; Hr. Hermann Theodor Klengel, Referendar bei der König!. Staatsanwaltschaft, Chemnitz; Fra« Johanne verw. Schulze, verw. gew. Müller geb. Mr; Krau Ma Auguste Stein geb. Ulbricht in DreSden-Strehlen; Frl. Katharina TheniuS in Dresden; Hr. Rudolf Klun-ker, Graveur, in Dresden; Hr. Strdtrath Oskar Emil Waller in Leipzig-Gohlis; Frau Klara verw Assessor Handrich geb. Wiedemann in Leipzig; Frau Karoline verw! Meyer in Leipzig; Hr. L. GarmS iu Chemnitz; Hr. Dekoration»» maler G. A. Schultz in Zschopau. Vermerk mit einem mächtigen Ortssiegel daneben gemacht worden, nnd dies Papier war aus Versehen in seinen Händen geblieben. Damit versehen zogen wir Wohlgemuth nach dem Bureau. Der argentinische Beamte nahm das merkwürdige Schriftstück in die Hand, studirte darin herum, verstand natürlich kein Wort davon, was er sich indessen nicht merken lassen wollte, und fragte mich schließlich nach längerem Betrachten der vielen großen Siegel, die ihm zu imponiren schienen, und mehrfachen Blicken auf meinen jetzt übrigens ganz anständig gekleideten ehemaligen Handwerks burschen, ob es nicht angemessen sei, eine solche Persönlichkeit ' ausnahmsweise erster Klaffe zu befördern, was ich natürlich be jahte. Aber Augen hat der Landsmann gemacht, wie ich ihm nachher draußen erklärte, was für Heil ihm widerfahren! * AlS Beispiel, welchen Druck Vas Wasser in größeren Diesen ans untergetanchtc Hohlkörper ansübt, führen amerika nische Fachzeitungcn eine eigenartig konstruirte Taucherglocke an, welche in' 60 Meter Tiefe vom Wasserdruck zerdrückt wurde; der Fall dürfte aber vielmehr ein Beispiel dafür abgeben, wie wenig die amerikanischen Konstrukteure zu rechnen gewohnt sind. Die eigenartige Taucherglocke stellte einen Würfel aus Phosphorbronce von 2 Meter Seitenfläche nnd °/z Zoll Wandstärke dar, dessen Flächen durch Rippen verstärkt waren. Die Schaulöcher von 3"> Aufgebote: Der Fabrikmüller Karl Alwin Hänel au» GeyerS- dorf bei Annaberg und Anna Marie Emilie verw. Klemm geborene Auerbach hier; der Brauführer Emil Arthur Türpe au» Littdorf bei Roßwein und Anna Marie Löfsler hier; der Bahnbedienstete Heinrich Oito Seifert von hier und Anna Auguste Fleischer au» Lichtenberg. Geburten: Dem Zinngießer Mätzler eine Tochter; dem Maschinen fabrikarbeiter Horlbeck eine Tochter; dem Backofen- und ScharwerkS- maurer Haupt ein Sohn; dem Düngemittelfabrilarbeiter Fröhlich ein Sohn; dem Fabrikposamentier Dachsel eine Tochter. Ferner ein unehe licher Sohn und eine uneheliche Tochter. Sterbefälle: Der pensionirte Bergarbeiter und Hausbesitzer Karl Gottfried Scheinert, 67 I. 3 M. 3W. alt; der Hausbesitzer uud vormalige Drahtziehermeister Karl Otto Seifert, 49 I. 4 M. SW. alt; der Hausbesitzer und Schneidermeister Friedrich Wilhelm Roth, I. 2 M. 1 W. alt; der PrivatuS, vormalige Fleischermeiffer und Oekonom Heinrich Clemens Würdig, 83 I. 11 M. 26 T. alt; die Handarbeiterswittwe Johanne Rosine Richter geb. Ulbricht. 76 1.10 M, 23 T. alt; deS Geschirrsührer Gehrhardt Tochter Hertha Franziska. M. 2 W. 3 T. alt. während sie die langen Wimpern senkte. Sie war noch so ganz Neuling auf dem Parquett des Hofes und diese Auszeichnung von einem Prinzen des großherzoglichen Hauses versetzte sie momen tan in eine leichte Verwirrung, die sie allerdings nur noch rei- render erscheinen ließ. Dem Herzog, dem feinen Frauenkenner, entging dies nicht, ganz leise drückte er den zarten, weißen Arm etwas fester an sich, und sagte dabei in vertraulich liebenswür- Edelsteine zu überwachen hat. * In Argentinien wird Jeder, so erzählt ein Mitarbeiter »er „Köln. Volksztg.", der aus einem fremden Lande hierher ommt und somit als Einwanderer angesehen wird, auf seinVer- angen auf Staatskosten nach jedem beliebigen Punkte der Republik befördert. Nebenbei bemerkt, wird dies vielfach von Reisenden, die von Europa kommen und nach Chile wollen, da hin ausgebeutet, daß sie sich auf diese Weise bis nach der Stadt Mendoza fahren lassen, an dem dortigen guten Weine für die bevorstehenden Strapazen etwas stärken, um darauf in ein Paar Tagen gemüthlich über die Kordilleren nach Chile zu klettern. Nur wird zur Gewährung der freien Beförderung die Vorzeigung einer Art Paß verlangt, womit es aber nicht sonderlich genau genommen wird. So bat mich vor einigen Tagen ein frisch an gekommener junger Deutscher, der auch ins Innere wollte, als Dolmetscher mit ihm zum Einwanderungsbureau zu gehen. Auf meine Frage nach seinem Passe antwortete er etwas verlegen, er habe keinen, brachte dann aber ans meine Erwiderung, irgend ein Papier thue es auch, ein in holländischer Sprache abgefaßtes nnd mit vielen Siegeln nnd Stempeln versehenes Schriftstück zum Vorschein, dem zu Folge er in Holland, wo er längere Zeit auf der Walze gewesen, „wegen Mittellosigkeit und Landstreicherei", wie es darin hieß „per Schub" über die Grenze gebracht worden war. Jedes Mal, wo der Gendarm ihn abgcliefert, war ein Durchmesser waren durch zollstarke Glasscheiben gebildet. DaS ganze Gewicht des Körpers betrug gegen 11000 Kilo, so daß int Wasser ein Uebergewicht von etwa 3000 Kilo verblieb; bei 60 Fuß Tiefe oder etwa 6 Atm. Ueberdruck kam also auf jede Fläche von 4 Quadratmeter eine Belastung von 240000 Kilo, welchen Druck sich der Konstrukteur der Glocke wohl kaum vorgestellt; noch weniger ihn nachgerechnet haben dürfte, der vielmehr von der hinreichenden Festigkeit des Würfels so überzeugt war, daß er gleich bei der ersten Versenkung in der Glocke Platz zu nehmen beabsichtigte, und nur schwer bewogen werden konnte, erst einen provisorischen Versuch abzuwarten. Beim Herabsenken noch nicht auf dem Meeresboden angekommen, ließ Plötzlich ein heftiger Ruck an dem Kabel der Winde erkennen, daß etwas Passirt sei. Nach erfolgtem Aufwinden zeigte dann der eiserne Korb, mit welchem man die Glocke vorsichtshalber umgeben, nichts wie die formlosen Trümmer derselben; die Glasscheiben waren in Atome zerdrückt. Jetzt liegen die Reste in einem Eisenbahnschuppen zu Pittsburg, wo den zahlreichen Neugierigen „die große Druckkraft des Wassers" an den Metallbrocken demonstrirt wird. (Mitgetheilt vom Inter nationalen Patentbureau von Carl Fr. Reichelt, Berlin 6). * Ein englischer Missionar hält, nachdem er mehrere Jahre in China gelebt, zum ersten Mal eine Predigt in chinesische* Sprache. Die Chinesen hören ihm sehr aufmerksam zu, und er ist erfreut über die augenscheinliche Wirkung seiner Predigt. Wie erstaunt ist er aber, als sie ihm hinterher erzählen, sie hätten zwar kein Wort verstanden, da sie — englisch nicht könnten, doch wären sie erstaunt gewesen, wie ähnlich das Englische dem Chinesischen klänge, namentlich die Fülle der Assonanzen sei überraschend, die für das Chinesische so bezeichnend ist, und die das Englische mit diesem gemein zu haben scheine. Der Missionar hat noch ein paar weitere Jahre chinesisch gelernt, ehe er wieder in dieser Sprache Predigte, von der John Wesley be hauptete, der Teufel habe sie erfunden, um die christlichen Missionare vom himmlischen Reiche fern zu halten. Bekanntlich kann fast jedes der einsilbigen chinesischen Wörter durch andere Betonung eine andere Bedeutung erhalten Es giebt Wörter, die sich auf 24 verschiedene Arten aussprechen lassen und dann jedes Mal etwas ganz Anderes bedeuten. Das Wort „tseung" kann, laut „Romanw.", z. B. heißen: Elephant, Ingenieur, Ruder stange, Pflanzenfresser, Mond, Nachtigall und noch vieles Andere. * Bei einem in Wien veranstalteten Balle einer Adelsgesell schaft wirkte außer der Straußschen Kapelle auch jene des Raaber Zigeunerprimas Farkas mit, der znm Anfspielen dreier Csärdäs und der Tafelmusik eigens nach Wien berufen worden war. „Do Llarori", sagt Graf Cs .... cs während der Pause, „der Strauß wird jetzt seinen für heute komponirten Walzer vor tragen, paß auf! Wenn Du ihn nachspielst, bekommst Du von mir drei Hunderter." „Hox lsss, HÄtüsag!" (Wird geschehen, Exzellenz!) Der Walzer wird gespielt, stürmisch beklatscht, auch wiederholt, aber wie ändert sich der freudige Ausdruck des Kompo nisten, als beim Essen die Zigeuner ausmarschiren und das nagel neue Stück mit hinreißendem Schwünge herunterfideln, die ver ändert gebrachten Stellen durch Zwischenspiele des Cymbals er setzend. „Ah — da muß ich bitten! Haben die Kerle durch Be- stähung meine Partitnr erwischt — aber unmöglich, bin erst : heut früh fertig geworden!" ruft Strauß, „— und Marczi ist : erst heute Abend aus Naab gekommen" — rief lächelnd der Graf; „seien Sie beruhigt, das ist nun einmal die Gabe unserer Zigeuner! Gelt, Marczi?" und er warf ihm die drei Hunderter hin, zu denen von den begeisterten Ballgästen viele andere Hinzugethan wurden. Sogar Strauß wollte mitthun, aber sein ungarischer Kollege bat nur um einen Händedruck und um einen Klavier auszug, um den Walzer richtig einzuüben. * Eine alte Gans. Es dürfte zu den Seltenheiten ge hören, daß eine zahme Gans das respektable Alter von 32 Jahren erreicht. Eine solche befindet sich im Besitze des Rentners Herrn M. Gitschthaler in Sürth. Trotz ihres hohen Alters ist sie noch immer eine anfmerksame Wächterin der Villa ; denn allemal, wenn ein Fremder den Garten betritt, kündigt sie dieses durch ihr trompetenartiges Geschrei an. * Ein galanter Ehemann. Herr X. speist mit seiner Frau in einem Gasthause. Zum Schluffe läßt er sich eine Cigarre zu 50 Pfennigen geben. „Etwas theuer!" bemerkte Frau X. schüchtern. „Wenn man," erwidert der ritterliche Ehemann, „das Vergnügen hat, mit seiner Gattin zu speisen, darf Einem nichts zu kostspielig sein." Dame der Pariser Halbwelt spielt in Ostende jetzt eine große Nolle; sobald sie am Strande oder in dem Kursaal erscheint, ist sie von Herren umschwärmt, aber auch die Augen der Frauenwelt sind bewundernd und neidisch auf sie gerichtet; stets ist sie von einem Diener begleitet. Diese Schöne trägt die entzückendsten Gewänder allerneuester Mode und die herrlichsten Geschmeide; bischen plaudern, nicht wahr, Fräulein lalle Lokale reißen sich um den Besuch dieser — Reklamedame. " Weder die Toiletten, noch die Geschmeide gehören ihr, sie stellt sie nur aus. Ein ' Pariser Schneider und ein Pariser Juwelier haben sich im Verein mit der Leitung des Ostender Spielklubs zu dieser Ausstellung verbündet. Der die Reklamedame begleitende Diener ist ein Beamter des Juweliers, der die Geschmeide und Der Ballsaal mit seiner reichen Dekoration in mattgrün und Gold, der sich in den schmalen, in die Wände eingelassenen Vene tianischen Spiegeln vervielfältigte, die strahlende Helle, die elegante Gesellschaft, die rauschende Musik, die ihr noch in den Ohren klang — und sie selbst in duftiger Toilette, im Kreise hochfürst licher Personen, die ihr mit solcher Liebenswürdigkeit begegneten. Ihre natürliche Lebhaftigkeit, ihr beweglicher Geist schüttelten aber rasch die anfänglich so natürliche Beklommenheit ab — sie wurde heiter, gesprächig, und dadurch noch reizender, sogar der stille, etwas schwerfällige Erbgroßhcrzog lachte und schien interessirt. Röder war ernst und schweigsam, und seine großen blauen Nngen ruhten mit fast sorgendem Ausdruck auf ihrem Antlitz. — Der nächste Tanz war ein Lancier. Dem Forstmeister wurde die Ehre zu Theil, ihn mit der Prinzessin Charlotte zu tanzen, ihnen gegenüber Herzog Louis und Nadine, die anderen Paare ' der Adjutant des Großherzogs mit der Gräfin Hankwitz — der Adjutant des Herzogs mit einer Hofdame. — Aus dem Neben zimmer, wo der Großherzog Whist spielte, trat er plötzlich in den Ballsaal zu seiner Gemahlin. „Was sagst Du denn, daß Louis heute tanzt wie ein Wasser fall — alter Junggeselle!" flüsterte er der Großherzogin zu. immer so ernst?" „O nein, Hoheitz fragen Sie nur Herrn von Röder, der kennt mich" Sie sah znm Forstmeister hinüber. „Hoffentlich sehe ich Sie mich so oft in diesem Winter, um Sie kennen zu lernen", erwiderte Herzog Louis verbindlich, wäh rend seine feurigen Augen die ihrigen suchten. Der Erbgroßherzog, die Prinzessin Charlotte, der Adjutant des Großherzogs, Major von Wedderkoy, und die junge lebens lustige Gräfin' von Hankwitz saßen heiter plaudernd zusammen, als Prinz Louis, Röder und Nadine hereintraten. „Rücken Sie etwas, liebe Gräfin, dann kann Fräulein von Tönning sich hier noch setzen; freilich ein bischen auetschen werden wir uns; aber das schadet nicht", rief Prinzessin Charlotte ihnen lachend entgegen. Nadine nahm Platz, der Prinz zog einen Sessel an ihre Seite, Röder setzte sich ihr gegenüber; ein Lakai präsentirte Sekt und Gefrorenes. „Was befehlen Sie, Gnädigste?" fragte der Herzog Nadine. „Ach, machen Sie es doch wie ich", lachte die Prinzeß, „nehmen Sie Beides, dies Himbeereis schmeckt famos", nnd sie führte den kleinen, goldenen Löffel an die frischen, rothen Lippen. Der Herzog stellte eine kleine Krystallschale mit Eis Und ein Glas Champagner vor Nadine hin, ergriff dann selbst einen Kelch mit dem perlenden Schaumwein und trank auf das Wohl der Damen. Nadine entging es nicht, daß ihre Gruppe der Zielpunkt vieler Blicke war; sie kam sich wie verzaubert vor, und Alles um sie her war ihr wie ein Traum. „Als Junggeselle hat er ein Recht dazu, und alt fühlt er sich mit seinen zweiundvierzig Jahren noch gar nicht," lachte SophieUlrike. „Ach — nix da — es ist nur wegen der kleinen charmanten Tönning," murmelte Heinrich II. „Allerliebstes Mädchen — was?" „Ja, eine liebreizende Erscheinung, und wer weiß, wer um ihretwillen nicht noch ganz gern Junggeselle wäre," neckte die Großherzogin. Um zwölf Uhr war der Ball zu Ende, und die hohen Herr schaften verabschiedeten ihre Gäste auf das Liebenswürdigste. Als Frau von Tönning sich über die Hand der Großherzogin beugen wollte, wußte diese es zu verhindern, zog die Greisin in ihre Arme und sagte: „Leben Sie wohl, meine liebe Frau Tönning — es war mir eine herzliche Freude, Sie noch so frisch und rüstig wiederzusehen, und zuin Winter, nicht wahr, dann schicken Sie uns Ihre Enkelin?" „Wir haben stets für viele Gnadenbeweise zu danken gehabt, König!. Hoheit, und ich darf wohl daher die gehorsamste Bitte aussprechen, auch Nadlne die hohe Gunst ein klein wenig zuzu wenden," antwortete die alte Excellenz. „Sie soll uns herzlich willkommen sein; auf Wiedersehen in Rothenburg, liebes Kind!" Mit diesen Worten wandte sich die hohe Frau zu dem jungen Mädchen, ihm die Hand zum Kusse reichend. Auch die Verab schiedung durch Serenissimus selbst war äußerst verbindlich, man konnte es sich nicht verhehlen, die Tönnings mußten doch in großer Gunst stehen. „Sie haben sich gut amüsirt, Nadine?" fragte Frau v. Klembzow, als diese ihr Lebewohl sagte. „O herrlich, gnädige Frau — der schönste Abend meines Lebens. Gute Nacht — gute Nacht, Herr von Röder!" Er stand nicht weit von seiner Schwester und bot ihr den Arm, um dem Kammerherrn von Tein och zu folgen, der die alte Excellenz hinaus und, als sie in ihren Pelz gehüllt war, auch an den Wagen führte. „Wars nicht reizend!" fragte Nadine, nnd hob das von einem weißen Spitzentuch umrahmte Gesichtchen zu ihm empor. „Es ist Ihr erstes derartiges Fest, Fräulein Nadine; wenn Sie so viele mitgemacht haben werden, wie ich, dann werden Sie finden, daß eins dem andern gleicht ." „Das glaube ich dock nicht," antwortete sie. Die Großmutter verschwand im Innern oes Wagens, sie stieg nach ihr hinein und dann fuhr der Wagen davon. Excellenz war erschöpft — sie lehnte mit geschlossenen Augen in den Polstern, Nadine plau derte anfangs, als sie aber nur einsilbige Antworten erhielt, drückte sie sich auch in ihre Wagenecke und blickte träumend in die stille, mondbeglänzte Landschaft hinaus. Ihre Augen verfolgten die Bäume, die die Chaussee einfaßten, sie kamen und waren ver schwunden — das war doch eine kleine Abwechslung. (Fortsetzung folgt.) Bon B. von der Lancken. (6. Fortsetzung.) sNachdruck verboten.) „Ich amüsire mich prächtig, und sehen Sie, Herr Forstmeister, solch Leben gefällt mir," rief sie, mit leuchtenden Augen zu ihm auffchauend. „Es gefällt Ihnen, weil Sie es nicht wirklich kennen mit feinen vielen Hohlheiten, seinen Klippen, seinen Aeußerlichkeiten." „Nun, ist das Leben, wie ich es führe, etwa nicht hohl? Aeußer- lichkeiien finden sich auch da, nur sind sie nicht schön und glänzend, sondern kleinlich und häßlich — so bleiben nur noch die Klippen — die giebt es vielleicht nicht in unseren kleinen, engen Verhält nissen, wo Jeder in ruhigem Geleise weiter trippelt, einer neben dem anderen, aber gerade die Klippen zu umschiffen, das reizt und stärkt die moralische Kraft." „Wer seine moralische Kraft noch nicht erprobt hat, weiß nicht, wie stark sie ist, doch pflichte ich Ihnen insofern bei, daß es Charaktere giebt, die sich entschieden nur in Prüfungen und Kämpfen zu ihrer wahren Stärke durchringen." Er sah sie scharf von der Seite an, und zum ersten Mal ent deckte er in der Haltung des Kopfes und in dem Schnitt des feinen Gesichts einen Zug von Energie, der ihm bisher nicht auf- gesallen war. „Ich glaube, Fräulein v. Tönning", sagte er, „ich glaube, Sie find-ein solcher Charakter." Sie sah ihn voll an. „Sie mögen Recht haben, Herr von Röder, ich kann es nicht behaupten; aber ich weiß, daß ich leben und nicht vegetiren will, wie bisher, ich will es wenigstens zunächst einmal kennen lernen, dies „Leben", will genießen, will" Eine hohe, etwas hagere Gestalt, mit scharfgeschnittenem, brünettem Antlitz und einem schwarzen, langen Schnurrbart trat heran und verbeugte sich vor Nadine — Herzog Louis. Er trug nur ausnahmsweise und ungern Uniform, auch heute war er in schwarzem Gesellschaftsanzug, als einzige Dekoration den Stern des Großkreuzes des Rothenburger Hausordens auf der Brust. „Sie gestatten mir eine Extratour, lieber Forstmeister? Röder trat mit einer Verbeugung zurück, und Nadine flog mit dem Prinzen iiber das Parquett. . Als er sie wieder auf ihren Platz führte, war der Tanz zu Ende; der Herzog hielt Nadinens Hand noch einen Moment an den Fingerspitzen fest und sagte zum Forstmeister: „Hier bringe ich Ihnen Ihre Tän zerin zurück, Herr von Röder", dann gab er mit einem kaum merklichen Druck ihre Fingerchen frei, zog das feine Batisttuch und strich sich über die Stirn. „Es ist warm im Saal, finden Sie nicht, Gnädigste? Aber ich sehe, daß sich der Erbgroßherzog und Prinzeß Charlotte da ein allerliebstes Plätzchen in einer Nische ausgesucht haben — geben Sie mir Ihren Arm und Sie, lieber Forstmeister, be gleiten uns." So schritt Nadine am Arm des Herzogs durch den Ballsaal; ihr Herzchen klopfte rascher unter dem seidenen Mieder, und das Roth ihrer Wangen verdunkelte sich um eine kleine Nuance,
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