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Kaiser vor, dem es durch den Reichskanzler Fürsten zu Hohenlohe zugegangen war. Eine Entscheidung des Kaisers über das Gesuch ist noch nicht erfolgt und dürfte voraussichtlich nicht vor Erledigung des Marineetats im Plenum des Reichstags getroffen werden. Am nächsten Mittwoch oder Donnerstag wird den bisherigen Dispo sitionen zufolge die zweite Lesung des Marineetats im Reichstage erfolgen. Man erwartet, daß von dem Plenum wenigstens der eine der beiden geforderten Kreuzer be willigt werden, und daß damit eine Situation geschaffen werden wird, die dem Staatssekretär das Verbleiben auf seinem Posten ermöglicht. Die „Nordd. Allg. Ztg.", welche die Einreichung des Abschiedsgesuches zu bestätigen in der Lage ist, fügt ihrer bezüglichen Mittheilung folgen des hinzu: Auf die Entscheidung wird es nicht ohne Einfluß sein, wie sich der Reichstag zu den Beschlüssen seiner Budgetcommission stellt. Es darf um so eher er wartet werden, daß der Reichstag in seinen Bewilligungen für Schiffsbauten über die Vorschläge der Budgetcom mission erheblich hinausgeht, als deren Abstriche bekannt lich aus finanziellen Erwägungen motivirt wurden, während die Nothwendigkeit der geforderten Schiffsbauten auch von denen anerkannt wird, welche die geforderten Baugelder mit Rücksicht aus die Finanzlage für jetzt glaubten ablehnen zu müssen. Die Finanzlage ist jedoch gerade jetzt so günstig, daß erwartet werden darf, der Reichstag werde die finanziellen Bedingungen der Com- mijsionsmehrheit nicht theilen, wozu ihn schon der Um stand bewegen sollte, daß während der ganzen Amtsdauer des jetzigen Reichskanzlers von Steuererhöhungen irgend welcher Art nicht die Rede gewesen ist und auch die für die Marine geforderten Beträge ohne besondere finan zielle Maßnahmen bereit gestellt werden können. Die Anwesenheit des Grasen Waldersee in Berlin, der während der Montagssitzung in den Wandelgängen des Reichstagsgebäudes sichtbar wurde, giebt in Berliner politischen Kreisen zu mehrfachen Combinationen Anlaß. Neue ernste Ruhestörungen hat die Escortirung von wegen Wahlausschreitungen verhafteten Bauern aus Davidow nach Lemberg (Galizien) hervorgerufen. Die Husarenescorte wurde mit Steinwürfen empfangen und mußte sich den Weg mit der Waffe bahnen. Hierbei wurden zwei Personen aus der Volksmenge und ein Polizist verletzt. Es wurden drei Verhaftungen vor genommen. Die Davidower Gcrichtscommission wurde auf dem Wege nach Lemberg überfallen, wobei sich die Angreifer der Gerichtsacten zu bemächtigen suchten. Frankreich. Die Kammer berieth am Montag die Kretasrage und nahm mit 356 gegen 143 Stimmen eine Tages ordnung an, welche die Erklärung der Regierung ge nehmigt. England. Jameson und Cecil Rhodes sind lebendige Beispiele dasür, daß die freie Republik Transvaal der englischen Politik ein arger Stein des Anstoßes ist. Das Cabinet von St. James verliert die Frage nicht aus dem Auge, wie man die Boernrepublik dem britischen Besitzstände Feuilleton. Künstler und Verbrecher. Roman aus der Gegenwart von Theodor Hermann Lange. (Fortsetzung.) Der Engländer wollte nicht, daß Molado bei Schilde rung seiner Pläne, die ihn jedenfalls jetzt Tag und Nacht beschäftigten, irgend wie irritirt würde. Molado erzählte auch weiter und je mehr er über seine Projecte berichtete, desto aufgeregter wurde er. Einwendun gen, die Fillmore einige Male machte, beachtete der Italiener kaum. Molado wollte im Innern Afrikas einen neuen Staat gründen, zwar nur einen ganz kleinen. Unter dem Aequator hoffte er, noch einige Quadratmeilen völlig herrenlosen Gebietes vorzufinden. Die Gründung dieses Staates, der „Fortuna" genannt werden sollte, war aber nur Mittel zum Zweck. Er wollte für diesen Staat, dessen König Molado selbst zu werden hoffte, Briefmarken verausgaben und zwar im Werthe bis zu fünf Francs das Stück. „Damit mache ich ein glänzenden Geschäft," wieder holte Molado mehrere Male. „Außerdem verleihe ich den Hoflieferanten-Titel. Diese Titel können dann Kauf leute und Fabrikanten billig bei mir kaufen. Die Menge muß es bringen. Wenn ich in einem Jahre in ganz Europa nur Tausend Diplome verkaufe, so erziele ich glänzende Geschäfte. Inzwischen war es schon ziemlich spät geworden. Fremont und Fillmore wünschten dem confusen Pro- jectemachec viel Glück, obschon sie in ihrem Innern da von überzeugt waren, daß dieses neueste Luftschloß des Herrn Molado nicht über das allererste Stadium hinaus kommen würde. Als man sich unten auf der Straße von Molado verabschiedet hatte, der in der entgegengesetzten Richtung sich nach Hause begab, sagte Charles zu Fremont: „Das ist ja ein ganz sonderbarer Kauz. Mir scheint, daß er mehr für das Irrenhaus als für Jnnerafrika reif ist. auf gute Art einverleiben könnte. Die Sorge um Transvaal ist nicht geringer geworden, seitdem Präsident Krüger in Bloomfontain mit den Vertretern des Oranje-Freistaates Conferenzen gehabt hat, die aus eine Annäherung, wenn möglich sogar eine Ver einigung der beiden südafrikanischen Provinzen hin zielten. In Pretoria herrschte denn auch längere Zeit starke Beunruhigung, die von der englischen Regierung für Südafrika bereit gestellten Truppen könnten un mittelbar in den Frieden der Republik eingreifen. Das ist nun zwar nicht geschehen, besagte Truppen sind in Kapstadt gelandet worden; damit ist jedoch keineswegs jede Sorge um die Zukunft gebannt, da die englischen Truppen im Kaplande sehr schnell gegen Transvaal in Action zu setzen wären. Bringt die orientalische Frage europäische Verwickelungen mit sich, dann würde ein starkes englisches Detachement vom Kaplande aus sehr wohl für die Interessen John Bulls in Thätigkeit treten können, ohne daß ihm Seitens Europas ein wirksamer Widerstand entgegengesetzt werden würde. Die „Fischerei im Trüben" könnte dann möglicherweise auch in Afrika bequem in Scene gehen. Ueber das Ergebniß der in Bloomfontain geführten Verhandlungen ist übrigens etwas Endgültiges noch nicht zu melden. Griechenland. Die Lage in den Orientwirren hat sich in erfreulicher Weise geklärt, die Mächte haben sich einmüthig ent schlossen, das zu thun, welches besser schon vor Wochen gethan worden wäre, und Griechenland in fühlbarer Weise diejenigen Grenzen anzugeben, die es nach Lage der einschlägigen Verhältnisse nicht überschreiten darf. Die Blockade Kretas und die erforderlichenfalls dem nächst ins Werk zu setzende Blockade der Häfen Griechenlands wird zunächst eine friedliche sein. Fügt sich Griechenland, so werd es der Großmuth der Mächte theilhaftig werden, denen nichts daran gelegen ist, Grie chenland für seinen Frevelmuth zu züchtigen, sondern lediglich daran, jede Gefahr für den Frieden Europas aus dem Wege zu räumen. Die amtliche Zusicherung der Autonomie Kretas ist durch eine directe Proclamation der Mächte nun mehr erfolgt. Die Kundmachung besagt, die Türkei solle mit der inneren Verwaltung Kretas nichts mehr zu thun haben. Türkischerseits haben die Schritte der Mächte gegenüber Kreta lebhafte Zustimmung gefunden. Griechenland wird sich den Gewaltmaßregeln der Mächte, so erklärte ein Beamter der griechischen Gesandt schaft in Konstantinopel, jedenfalls fügen, da es weder die Folgen einer Blockade lange ertragen, noch einen Krieg beginnen könne. Die Kriegsrüstungen werden trotz dieser beruhigenden Erklärung mit unvermindertem Eifer fortgesetzt, und es ist kaum wahrscheinlich, daß die Bemühungen der Mächte einen griechisch-türkischen Krieg, oder richtiger Metzelei, grausames Abschlachten an der Landgrenze werden verhüten können. Truppentransporte dahin erfolgen stündlich sowohl von Athen wie von Konstantinopel aus. UWerika. Die neue Mac Kinley-Bill, die die Schutzzölle in Nordamerika erhöhen soll, erweist sich nach einer Meldung Sie stießen mich ja übrigens bei seiner Erzählung von den ehemaligen väterlichen Gütern auf Sicilien mit dem Fuße an!" „Diese Güter, die Malodos Eltern angeblich besessen haben sollen," warf Fremont ein, „lagen nicht in Sici lien, sondern auf dem Monde. Molados Vater war ein ehrsamer Schuhmacher in Palermo. Der Groß vater soll allerdings ein kleines Gut unweit Messina besessen haben." „Schlecht ist Molado nicht," bemerkte Fillmore, „aber ein hirnverdrehter Plänemacher, der nie zu etwas kommen wird. Das Glück war ihm ein paar Mal hold, aber er verstand nicht, es sestzuhalten. Zweimal gewann er nicht unerhebliche Beträge in der Lotterie, doch verlor er sein Geld nur zu rasch wieder. Mit dem ersten Gewinn kaufte er ein Hotel in der Kapstadt und mit dem zweiten eine Eisfabrik in Brasilien. Von Haus aus ist er eigentlich Kaufmann. Er fühlte sich aber schon als Handlungslehrling zu „etwas Höherem" ge boren. Bald glaubte er in sich einen neuen bahnbrechen den Componisten entdeckt zu haben, bald hielt er sich wieder für einen genialen Theaterdichter, bald wieder für ein Genie auf irgend einem anderen Gebiete. Er schrieb einige Dramen und Possen, die indessen bei ihrer Aufführung glänzend durchfielen. So suchte er das Glück in allen möglichen Berufsarten und in aller Herren Länder. Ich befürchte, er wird schließlich, wenn er alt und arbeitsunfähig geworden ist, noch im Armen- oder Jrrenhause enden. „Und was treibt er jetzt hier in Kairo?" fragte Charles seine beiden Begleiter. „Im Winter," entgegnete Fillmore, „war er hier Agent eines großen Londoner Reisebureaus, das ihn ziemlich gut bezahlte. Seit April hat er nichts mehr zu thun und lebt jetzt von allerhand Commissionen, wie man hier sagt, das heißt von sogenannten kleinen Einkäufen und Vermittelungsgejchäften, die ihm von auswärtigen Firmen übertragen werden. Die letzten Wochen war er kurze aus Philadelphia in der Hauptsache als eine Rückkehr zu den Tarifen der alten Mac Kinley-Bill. Aus dem MuldeeMMle. *Waldeuburg, 16. März. Der hiesige Obstbauverein, der unter seinem jetzigen Vorsitzenden Herr Hofgärtner Wild ner zu neuem Leben erwacht ist, hielt am vergangenen Sonn abend Abend im Rathskeller eine gut besuchte Sitzung ab, in welcher nach Verlesung des Protokolls über die letzte Sitzung und eines von Herrn Oberrentmeister Müller verfaßten Berichtes über die Thätigkeit des Vereins seit Gründung desselben zunächst der Statutenentwurf, welcher von einer hierzu gewählten Commission ausgearbeitet worden war, durch den Schriftführer Herrn Rentver- walter Letz zur Mittheilung kam. Der Entwurf wurde einstimmig genehmigt uud die Drucklegung der Statuten beschlossen. Sodann wurde das vom Vorsitzenden für hiesige Gegend ausgestellte Normalsortiment m Aepfeln und Birnen vorgetragen. Es wurde hierbei bemerkt, daß sich der Rothe Herbst-Calvill, die Rothgraue Dechant- birnc und die Grumkower Butterbirne in hiesiger Gegend weniger bewährt hätten; dagegen empfehle sich die An pflanzung des Saffer-Aepfels, >des Golden Nobel (gelber Edel), des Gartencommissar, der Grauen Winter- Neblis und der Hofrathsbirne. Der Vorsitzende empfahl beim Pflanzen der Bäume das Pflanzloch nur bis zu einem Drittel mit guter Erde zu mischen, da durch größere Mengen sich hauptsächlich nur Faserwurzeln bilde ten, die dem Baum keinen genügenden Halt gewährten und in den festen Mutterboden nicht eindringen könnten, den Baum nicht zu tief zu pflanzen und gut anzupsählen, nachdem der Boden sich gesetzt habe. Bäume mit schlech ten Wurzeln seien erst im nächsten Jahre zu beschneiden. An von Herrn Handelsgärtner Schwarzlose mitgebrach ten Stämmchen zeigte der Vorsitzende den Baumschnitt praktisch; es ist darauf zu achten, daß ein Leitzweig und genügende Seitenzweige zur Bildung einer regelmäßigen Krone verbleiben. Der Wurzelschnitt ist so auszuführen, daß die Schnittfläche nach unten steht. Als bestes Bindematerial wurden Weiden empfohlen. Von ver schiedenen Mitgliedern wurden Bestellungen auf Nist kästen aufgegeben. Als Zielpunkt für einen demnächst zu veranstaltenden Ausflug wurden die Gartenanlagen des Henn Commerzienrath Vogel in Lunzenau während der Baumblüthe in Aussicht genommen. Zur Mitglied schaft hatten sich 5 Herren angemeldet. * — Vielfach ist hier der Wunsch ausgesprochen wor den, zum 100. Geburtstag des hochseligen Kaisers Wil helm I. am Sonntag Abend eine allgemeine Illumina tion zu veranstalten. Wie wir hören, hat eine Anzahl hiesiger Einwohner bereits die nöthigen Vorbereitungen getroffen, ihrer Verehrung des Heldenkaisers in dieser Weise Ausdruck zu geben; es wäre sehr erwünscht, wenn die Betheiligung hieran eine möglichst allseitige würde. *— Aus Jägerkreisen wird geschrieben: Ein außer gewöhnlich gutes Hasenjahr ist fast mit Sicherheit zu er hoffen. Selbst noch die kommenden Launen des Wetters können an den guten Erwartungen kaum etwas ändern. *— Wie uns von verschiedenen Seiten versichert wird, wurde gestern Nachmittag in hiesiger Gegend ein Zeit in Massauah, wohin ihn ein hiesiges Geschäfts haus geschickt hat. Außerdem sucht er einen Theil- Haber mit Geld für seine neueste Gründung im — Herzen Afrikas. Alle drei Männer mußten zu gleicher Zeit laut auf lachen. Sie schritten durch die jetzt ruhigen Straßen rüstig vorwärts. Ihr Weg führte sie durch den außer ordentlich großen Ezbekiye-Garten hindurch. Die Park anlagen zeigten sich noch in glänzender elektrischer Be leuchtung. An den Eingängen zu den künstlichen Fels grotten brannten Dutzende von vielfarbigen Lampions. Von fernher klangen die monotonen Töne einer arabischen Musikkapelle, die in irgend einem Theile des weiten Gartens concertirte. An den Wegen aber standen selt same Gewächse und sonderbar geformte tropische Sträucher mit grellrothen und grellgelben Blüthen. Ein eigen- thümliches berauschendes Aroma entströmte den Bosquets, welche eine ausgesuchte Pflege verriethen. Die Zahl der Passanten war gering. Die meisten Gartenbesucher saßen auf Bänken oder in der Nähe der Springbrunnen, deren plätschernde Wasser man bei der abendlichen Stille weithin vernahm. Auf den Spiegel des großen Teiches und auf die kleineren Wasserbassins warf außerdem der Mond sein volles Licht, der oben am wolkenlosen Himmel in wundervoller Klarheit stand und dem jungen Brown weit größer und weit Heller erschien, als unter dem fernen amerikanischen Himmel. Als die drei Männer bereits durch die Muski wander ten und sich der kleinen Nilstraße näherten, gewahrte Charles vor den Thüren der geschlossenen Kaufgewölbe eine Reihe Schläfer. Dieselben ruhten auf Matratzen, die über breite Bänke gelegt waren. Auf diesem nicht unbequemen Lager schliefen die Araber, denn solche waren es, einen festen Schlaf, wie ihr Schnarchen verrieth. „Was sind das für Schläfer?" fragte Charles seine Begleiter. „Das sind die Nachtwächter von Kairo" sagte Herr Fillmore. (Fortsetzung folgt.)