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Der Bundesrath des Deutschen Reichs stimmte den Entwürfen eines Handelsgesetzbuchs, einer Grundbuch- ordnung und bctr. die Kündigung und die Umwandlung der 4proc. Reichsanleihe zu, ferner dem Nachtragsantrage Preußens betr. die Ausführung des Börsengesetzes. Eine skandalöse Scene riefen die Socialdemo kraten in der jüngsten Berliner Stadtverordneten versammlung hervor. Es handelte sich in derselben um den Magistratsantrag, zur Anschaffung einer in etwa 100,000 Exemplaren an Schüler der Berliner städtischen Schulen zu vertheilenden Festschrift über Kaiser Wilhelm I. 20,000 Mk. zu bewilligen. Der socialdemokratische Stadtverordnete Or. Zadeck verlaß nun während der Debatte eine Erklärung seiner Fractionsgenossen, die von Gehässigkeiten gegen den verstorbenen Großen Kaiser er füllt ist und in der die Ablehnung des Magistratsan trages gefordert wird. Säinmtliche übrigen Vertreter der Hauptstadt, sie mochten angehören, welcher Partei sie wollten, machten gegen dieses socialdemokratische Ansinnen energisch Front und leuchteten dann Or. Zadeck sehr gründlich heim. Daß der Antrag schließlich mit Aus nahme der socialdemokratischen Stimmen einhellig zur Annahme gelangte, braucht kaum gesagt zu werden. In Bezug auf einen „Hosgeschichten" betitelten Artikel in der letzten Nummer der „Zukunft", aus welchem hervorgeht, daß zu der kürzlich stattgehabten Hochzeits feier der Tochter des Hausministers v. Wedell-Piesdorf mit dem Grafen Bismarck-Bohlen Graf Herbert Bis marck eingeladen worden sei, die Einladung auch ange nommen, dann aber auf Veranlassung des Kaisers habe wieder absagen müssen, erklären die „Berl. Neuest. Nachr.", daß die Angelegenheit ihnen schon seit voriger Woche aus parlamentarischen Kreisen bekannt sei. That- sächlich habe Herr v. Wedell den Grafen Herbert Bis marck gebeten, als Vertreter der Bismarck-Schönhäuser- Linie, der Hochzeitsfeierlichkeit beizuwohnen. Gras Herbert Bismarck hätte die Einladung mit Zustimmung des Fürsten Bismarck angenommen, dann aber nach träglich doch noch- abgesagt, allem Anschein nach aus dem von der „Zukunft" angegebenen Grunde, wonach nämlich Graf Vismarck-Bohlen es seinem Vetter auf Veranlassung des Kaisers habe nahelegen müssen, seine Zustimmung zurückzunehmen. Die Gründe für diesen von allerhöchster Stelle geäußerten Wunsch entzögen sich der Kenntniß. Unmöglich könnten sie in den Enthül lungen der „Hamburger Nachrichten" beruhen, mit den Graf Herbert Bismarck nicht das Geringste zu schaffen hätte. (Es bleibt abzuwarten, ob etwas Wahres an der Sache ist.) Oesterreich-Un^r». Das österreichische Abgeordnetenhaus hat seine Session 1891—96 ohne Sang und Klang geschlossen, die Ehre einer Abschiedsthronrede wurde ihm nicht zu Theil. Nur dem Präsidenten Chlumecki wurde eine persönliche Ehrung erwiesen, indem ihm Vertreter aller Parteien des Hauses zum Dank für seine umsichtige Leitung des Präsidiums eine goldene Glocke überreichten. Italien. Die Lage in Abessynien ist recht ernst; die ita- lienische Regierung soll entschlossen sein, das vor Jahres frist so wacker behauptete Kaffala den Derwischen preis zugeben und ihre Streitkräfte auf die Vertheidigung der italienischen Colonie zu beschränken. Die Gerüchte über ein geplantes gemeinsames Vorgehen Italiens unv Eng lands in Abessynien werden als unbegründet bezeichnet. Die Nachrichten aus Afrika lauten immer günstiger. So wird die Streitmacht der Derwische nunmehr auf blos sechstausend Mann angegeben, die zudem nur un genügend mit Munition versehen seien. Eine Gefahr für das Fort Agordat sei also nicht vorhanden. Diese würde erst dann eintreten, wenn die feindliche Kavallerie die Verbindungen Agordats mit Keren unterbrechen würde, wodurch die Verpflegung des Forts bedeutend erschwert sein würde. Aus dem MuidenthaLe. "Waldenburg, 23. Januar. Die Theatergesellschaft der Herren Emil Hannemann und vr. Max Neumann brachte gestern Abend im Schönburger Hof hierselbst das Lustspiel „Renaissance" von Koppel-Ellfeld und Franz v. Schönthan zur Aufführung. Herr Koppel-Ellfeld ist in letzter Zeit dadurch weiteren Kreisen bekannt geworden, daß ihm bei seinen schriftstellerischen Arbeiten mehrfach Plagiat vorgeworfen worden ist. Ob auch bei diesem Stücke der Vorwurf gerechtfertigt ist, mag dahin gestellt bleiben, der Umstand, daß, die Handlung in Italien spielt, läßt fast vermuthen, daß es sich hier um die Uebertragung eines italienischen Wertes handelt. Das Stück ist ein Vers-Lustspiel, zeigt eine glatte gefällige Sprache, die ost reiche Lebenserfahrung kundgiebt und die frei ist von den üblichen banalen Witzen, welche die neueren Lustspiele so vielfach kennzeichnen. Die Handlung spielt in der Nähe Roms zur Zeit des 15. Jahrhunderts, als die Bigotterie und Scholastik aufs Höchste gestiegen war und alle Lebens verhältnisse beherrschte. Diese Anschauung kommt in der Marchesa Sansavelli, die ihren Sohn dem Klosterleben widmen will, und in dem Magister Severino zum ent sprechenden Ausdrucke. Der Geist einer freieren Kunst richtung, der „Wiedergeburt" (Renaissance), findet seinen Ausdruck in dem Maler Silvio, der seine Motive in der Schönheit der Natur und im menschlichen Empfinden sucht. Ernste gemüthvolle Scenen, die zu Thränen rühren können, wechseln mit höchst ergötzlichen Austritten, namentlich gewinnt der junge trotzköpfige Vittorino mit seinem weichen hingebenden Herzen in seiner Auflehnung gegen den pedantischen Magister und in seiner Freude an der Natur Aller Herzen. Das Spiel war ein äußerst flottes, die Rollen wurden mit einer Wärme gegeben, die hinreißend wirkte; ganz besonders kamen die seelischen Affecte zu außerordentlich lebenswahrem Ausdrucke. Besonders hervorragend war der tolerante Benedic- tiner-Pater, der durch Herrn l)r. Neumann, ebenso der junge Vittorino, welcher durch Frl. Hendrichs dargestellt wurde; in gleicher Lmie stand die Rolle der Marchesa (Frl. Wichmann) und des Malers Silvio (Herr Wald) Zur verständnißvollen Darstellung kam auch der Magister Severino durch Herrn Schybilski; die weniger bedeuten den Rollen der Schließerin Isotta und ihrer Nichte Coletta, sowie des leidenschaftlichen Maler-Modells Mirra fanden in Frl. Wehn, Frl. Jahn und Frl. Bertram ge schickte Vertreterinnen. Die Kostüme entsprachen der Zeit der Renaissance. Das verhältnißmäßig zahlreiche Publikum, das vollauf befriedigt worden sein dürfte, spendete den vorzüglichen Leistungen wiederholt den leb haftesten Beifall. Hoffentlich werden wir recht bald wieder durch ein Gastspiel erfreut. Morgen Sonntag beabsichtigt das Theater-Ensemble im Parkrestaurant in Wolkenburg gleichfalls „Renaissance" auszuführen. Wün schen wir ihm guten Erfolg. * — Das beste und zuverlässigste Mittel gegen die Influenza und deren Verschleppung besteht (in der mög lichst frühzeitigen ärztlichen Beobachtung und Behandlung jedes einzelnen, mit Kopfschmerzen, allgemeiner Körper abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit und leichtem Frösteln auftretenden Unwohlseins. Sobald sich eine oder mehrere solcher Krankheitserscheinungen zeigen, gleichviel ob bei einem Erwachsenen oder bei einem Kinde, soll man sich sofort zu Bett legen, eine gehörige Krankmdiät inne halten und nicht säumen, den Arzt rufen zu lasten. Namentlich soll die Verschleppungsgefahr durch die Schul kinder sehr nahe liegen. Die Kinder soll man beim leisesten Unwohlsein zu Hause halten, sie von der übrigen Umgebung möglichst getrennt im Bette liegen lassen bez. die in der Schule über Unwohlsein klagenden Kinder so fort nach Hause entlasten. * — Zu den Obliegenheiten der Landbriefträger gehört bekanntlich auch die Annahme von Postsendungen auf ihren Bestellungsgängen. Die Landbriefträger haben zu diesem Zwecke ein Annahmebuch bei sich zu führen, das zur Eintragung der von ihnen unterwegs angenommenen Werth- und Einschreibsendungen, Postanweisungen, ge wöhnlichen Packete und Nachnahmesendungen dient und nach jedem Bestellgange von einem Beamten der Post anstalt durchgesehen wird. Die Auflieferer können derartige Sendungen entweder selbst in das Annahmebuch ein tragen, oder die Eintragung den Landbriefträgern über lassen. Im letzteren Falle muß dem Absender auf Ver langen durch Vorlegung des Buches die Ueberzeugung von der geschehenen Eintragung gewährt werden. Auf diese Weise ist Jedermann in den Stand gesetzt, bei Auflieferung einer Sendung — abgesehen von gewöhn lichen Briefen — durch Vermittelung des Landbrief trägers deren richtige und pünktliche Weiterbeförderung von vornherein sicher zu stellen. Postanweisungsbeträge nehmen die Landbriefträger übrigens nur dann entgegen, wenn ihnen gleichzeitig das ordnungsmäßig ausgefüllte Formular zur Postanweisung mit übergeben wird. * — Das amtliche „Dresdner Journal" schreibt: Von einem Berliner Colportagegeschäft wird neuerdings im Königreiche Sachsen das Lieferungswerk „Die Chronik von Palästina" von L. Schuster durch Reisende unter dem Vorgeben vertrieben, daß ein Theil des Ertrages zum Besten der Armen und Nothleidenden bestimmt sei. Auch sollen einige Reisende dieses Geschäfts beim Ver triebe wiederholt „für wohlthätige Zwecke" unbefugt Geldbeträge eingesammelt haben. Der ganze Vertrieb ist ein schwindelhafter und eS wird hiermit vor ihm gewarnt. * — Nachdem das König!. Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts im Einverständniß mit dem hohen Landesconsistorium beschlosten hat, Herrn Kirch schullehrer Oskar Lipffert in Niederwinkel in Anerkennung seiner langjährigen und treuen Dienste im Kirchen- und Schulamt den Cantortitel zu verleihen, wurde demselben die Urkunde darüber von dem Ortsgeistlichen Herrn Pastor Werner in Gegenwart der Herren Mitglieder des Kirchen- und Schulvorstandes unter Ansprache des Erst genannten und Beglückwünschung der Anwesenden am Freitag Abend überreicht. Herr Cantor Lipffert dankte sichtlich erfreut in bewegten Worten. Auch von Herrn Schulrath Lötzsch war ein Glückwunsch eingegangen. * — Nachdem am gestrigen Tage das Barometer er heblich gefallen war, trat in vergangener Nacht Schneefall ein, der während des heutigen Tages anhielt. Leider hat der herrschende Wind den Schnee stellenweise verweht, sodaß die Hoffnungen auf eine gleichmäßige Schlitten bahn kaum Erfüllung finden dürsten. — In Glauchau wird seit dem 19. d. der Weber Ludwig Kostuch Burkhardt vermißt. Es wird vcrmuthet, daß ihm ein Leid zugestoßen ist. Derselbe ist von mitt lerer Statur, hat hageres Gesicht, freie Stirn, graumelirte Haare und trug einen Vollbart. Etwaige Wahrnehmungen sind der Polizei in Glauchau mitzutheilen. — Am Dienstag fand am Landgericht in Zwickau gegen elf Personen, darunter ein Feuermann mit drei Söhnen, wegen Aufruhrs eine Verhandlung statt. Die Angeklagten wurden zu Gefängnißstrafen von 6 Monaten bis 2 Jahren 1 Monat verurtheilt. Die Sache kam von einem geringfügigen Tanzstättenexceh, der sich am 18. October v. I. in Zwickau ereignete, her. Aus dem SachsenLaude. — Die Sterbeziffer Sachsens ist mit Ausnahme des Jahres 1894 noch niemals so niedrig gewesen als im verflossenen Jahre. Obwohl die im Vorjahre ganz außer gewöhnlich niedrige Zahl der Todesfälle — 87,097 — auf 90,757 gestiegen ist, kommen doch bei einer für die Mitte des Jahres auf 3,763,000 Seelen berechneten Bevölkerung nur 24,1 Fälle auf 1000 Lebende. Ge biete mit hoher Geburtenfrequenz, zu welcher insbesondere die Medicinalbezirke Chemnitz uno Glauchau gehören, überschreiten die mittlere Sterbeziffer allerdings bedeutend. — Auf den sächsischen Staatsbahnen wird man, gutem Vernehmen nach, die sog. O-Züge künftig zu größerer Bedeutung kommen lassen. Man entspricht damit den Wünschen des Publikums, das eine größere Fahrgeschwindig keit auf den großen Durchgangslinien verlangt. Hierzu aber wird eine Ersetzung der jetzigen Schienen durch sog. Goliathschienen erforderlich sein. — Ein sehr günstiges Ergebniß, dasjenige der Vor monate noch wesentlich übertreffend, haben die Betriebs einnahmen der sächsischen Staatseisenbahnen im December o. I. geliefert. Nach vorläufiger Feststellung wurden in diesem Monate vereinnahmt: 2,399,505 Mk. im Per sonenverkehr, 268,877 Mk. mehr als im gleichen Monat des Jahres 1895, 6,433,425 Mk. im Güterverkehr, 905,945 Mk. mehr, 488,822 Mk. aus sonstigen Quellen, 483 Mk. weniger, 9,221,742 Mk. im Ganzen, 1,174,339 Mk. mehr. In der Zeit vom 1. Januar bis 31. De cember 1896 betrug die gesammte Einnahme 33,434,083 Mk. im Personenverkehr, 2,781,811 Mk. mehr, als im Jahre 1895, 70,624,331 Mk. im Güterverkehr, 5,663,381 Mk. mehr, 5,470,815 Mk. aus sonstigen Quellen, 137,946 Mk. mehr, 109,545,229 Mk. im Ganzen, 8,583,138 Mk. mehr. Die Mehreinnahms beträgt durch schnittlich 2314 Mk. auf je 1 Kilometer der Bahnlänge. — Mit der allgemeinen Hebung der wirthschaftlichen Lage hat sich im Lande ein lebhaftes Verlangen nach der Erbauung neuer Eisenbahnlinien gezeigt, und eine größere Anzahl von Petitionen nach dieser Richtung hin liegt dem Finanzministerium vor. Dasselbe bringt den Petitionen ja ein ungetheiltes Interesse entgegen, doch ist immer wieder darauf zu verweisen, daß die Bahn hofsbauten von Dresden an diesem Zustande auch in absehbarer Zeit nichts ändern lasten. Sind die Bahn- hossbauten in Dresden beendet, so beginnen die großen Bahnhossumbauten in Chemnitz, und haben diese ihr Ende erreicht, so wird an die Ausführung des großen Leipziger Projects gegangen, besten Durchführung jeden falls noch größere Summen verlangen wird als die Dresdner Bauten, da hier ein großer Centralbahnhof ge schaffen werden muß, der fast alle in Leipzig einmünden den Linien nach einer Centralstelle führen soll. — Von einem Schwesternpaare wurden Herrn Consi- storialrath Benz in Dresden 10,000 Mark mit der Bestimmung für die Frauenkirche daselbst übergeben, daß die Erträgnisse dieses Kapitals, besten Vergrößerung die Geberinnen durch weitere Zuwendungen von anderer Seite lebhaft wünschen, zu g. eapslia Gesangsaufführungen beim sonntäglichen Gottesdienst verwendet werden möchten. — Die elektrische Bahn von Dresden durch den Plauenschen Grund hat nunmehr, wie man hört, die Genehmigung der zuständigen Behörden gefunden. Doch ist diese Genehmigung an allerlei erschwerende Bedingun gen geknüpft. Darunter befindet sich z. B. auch die, daß bei Schneefall nur auf einem Gleise Salz gestreut werden darf, um — die Schlittenfahrt nicht zu behin dern. Die Bahn wird die Eisenbahnstationen Plauen, Potschappel, Deuben, HainSbcrg (außerdem Löbtau und Döhlen) berühren und dürfte der Staatsbahn bedeutende Concurrenz machen. Von Deuben soll sich dann die Linie (auch elektrisch betrieben) Deuben-Postcndorf-Kreischa- Lockwitz-Niedersedlitz abzweigen, für welche die Concession bisher aber noch nicht ertheilt wurde. — Auf dem Leipziger Ausstellungsplatze wird ein eigener Pavillon für Post und Presse errichtet. Der etwa 125 bedeckende, geschmackvolle Pavillon wirb in einem Flügel die Räume für die Post, den Telegraph, das Fernsprech-LermittelungSamt und das Fernsprech- Zimmer, in dem anderen Flügel einen Schreibsaal für die Vertreter der Presse enthalten. In der Gartenbau halle der Ausstellung findet in der Zeit vom 5. bis 25. Juni eine Jagdtrophäcn-Ausstellung statt, welche sich lebhafter Sympathien aller Freunde des edlen Waid- mannSsports erfreut. Sogar König Albert von Sachsen hat sein hohes Interests, welches er dieser Ausstellung