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Schönburger Tageblatt Amtsblatt für den Lta-trath zu Waldenburg. M 10. Donnerstag, den 14. Januar 1897. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lnuzennn, Lichtenftein-Calluberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenham, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- Leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Misten: in Altstadtwatdenburg bei Herr^ Kaufmann Otto Förster; in Kausungei bei Herrn Fr. Janaschek; in LangenchurS darf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Frau Kaufmann Max Härtig, Leipzigerstr. l63; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelheim bei Herr» Eduard Kirsten. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage »a» Sonn- «nd Festtagen. Lunahme von Inseraten für die uächster- scheiuende Nummer bis mittag« 12 Uhr. Ser Abonnementrprei» beträgt viertelsShr- lich 1 Ml. Sü Pf. Einzelne Nrn. Ü P. Knserate pro Zeile 10 Pf., Eiliges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Okngaffe 291 L. und y Mimblllger Ameiger Barometerstand Witterungsbericht, ausgenommen am 13. Januar, nachm. 4 Uhr. 757 Mw. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstand -s- 1" 0. (Morgens 8 Uhr — 0".) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 78"/o. Thaupunkt — 2,s Grad. Windrichtung: Nord. Daher Witterungsansfichten für den 14. Januar: Vorwiegend trübe mit Neigung zu Niederschlägen. "Waldenbnrg, 13. Januar 1897. Ueber „englische Vergrößerungssucht" finden sich in den „Hamb. Nachr." folgende markante Ausführungen, die namentlich auch mit Bezug auf die deutsche Colonial politik gegenüber England von Interesse sind: „Wie recht hatte doch Heinrich von Treitschke, wenn er die politische Heuchelei als das englische Nationallaster brandmarkte! Wir sehen eine Regierung, welche be hauptet „Friede ist eine echt englische Politik", beständig Krieg führen, wenn auch nur im Kleinen, gelegentlich auch eine friedliche Stadt wie Alexandrien bombardiren; wir sehen eine Regierung, welche ihre auswärtige Politik „streng conservativ" nennt, beständig Aufruhr und Blut vergießen anstiften, wie in Bulgarien (1882), in Armenien, Kreta und Makedonien seit zwei Jahren, in Transvaal vor Jahresfrist, — wobei sie schlau versteht, ihre Hände in Unschuld zu waschen und ihre Werkzeuge selbstständiger erscheinen zu lassen, als sie in Wahrheit sind. Wenn auch bei allen englischen Annexionen das Gold und die List eine größere Rolle spielen als das Schwert, so fehlt es doch nicht an Anwendung offener Gewalt. Mehr als irgend ein Staat auf dem Erdenrund war das sich mit seiner Friedfertigkeit brüstende britische Reich stets mit Krieg beschäftigt, und auf diese Weise ist sein Flächen raum in den letzten 20 Jahren um 4'/z Millionen Quadratmeilen gewachsen. Wie ungeheuerlich das briti sche Reich sich ausgedehnt hat, davon haben nur Wenige eine rechte Vorstellung. England besitzt wie z. Z. der „Standard" rühmte, von dem bewohnbaren Theile der Erde einen größeren Antheil als jede andere Nation, während zugleich die Bevölkerung dieses Gebiets eine riesige Zahl erreicht hat und mehr denn je zunimmt. Nach dem Census von 1891 betrug die Zahl der Unter- thanen Ihrer britischen Majestät 350 Millionen, wobei die Bewohner der letzterworbenen afrikanischen Besitzungen nicht mitgerechnet sind, und allein in Indien hatten die zehn Jahre 1881 bis 1891 die Bevölkerungszahl um 33 Millionen gesteigert, also um so viel, wie ganz Italien Einwohner zählt. Demnach muß die Zahl der Unterthanen der britischen Krone zu Anfang des kommen- den Jahrhunderts weit über 400 Millionen betragen. Sie übersteigt schon jetzt die Einwohnerzahl aller europäi- schcn Staaten und der Vereinigten Staaten von Nord- Amerika zusammengenommen, und wird bei Fortdauer der britischen Annexionssucht sehr bald die Hälfte aller Bewohner der Erde umfassen. Wie sehr diese Ver- größerungssucht alle Völker geschädigt hat, ist bekannt. Auch der deutsche Colonialbcsitz hat eS erfahren müssen. Die englische Regierung hat immer alle Vortheile ein gestrichen, die das so häufig allem göttlichen und mensch lichen Recht hohnsprechende Handeln der den englischen Colonialbesitz erweiternden Persönlichkeiten einbrachte, und wurde die Sache einmal gar zu toll, so veranlaßte sie eme Komödie im Parlament, wobei die angewcndeten Nttttel verworfen, aber keineswegs auf den Zweck ver zichtet wurde. So war -es ehedem in Ostindien, so ist es heute m Ost- und Südafrika. Lord Salisbury ist F"und der Leiter der britisch-ostafrikanischcn G^ellschast und lederzeit bereit, Alles zu thun, den eng lischen Colonialbesitz zu erweitern. Thatsache bleibt, daß die englische Regierung, entgegen dem mit uns ge schloffenen Vertrage, den Sultan von Witu vom Throne gestoßen hat, um diesen Staat ihrem Besitz einzuverleiben, und weiter, daß sie dadurch auch die Interessen und Rechte deutscher Reichsangehöriger, die dort angesiedelt sind, mit Füßen tritt. Schon einmal haben deutsche Reichsangehörige in den von England in Witu hervor gerufenen Kämpfen Gut und Leben verloren; neue Un ruhen werden die Folge der neuen Gewaltthaten sein. Will die Regierung des Deutschen Reichs das Alles hin nehmen? Als Fürst Bismarck noch am Steuer saß, würde England nicht gewagt haben, uns dergleichen zu bieten. Wie weit sich heute obendrein die Dreistigkeit der englischen Presse versteigt, das zeigt nach so vielem Anderen die neueste Leistung des „Globe", der am 29. v. M. bei Besprechung der Lage in Südafrika erklärte: „Deutschland müsse sich darüber klar werden, daß der geringste Versuch seinerseits, England aus seiner herrschen den Stellung in Südafrika zu verdrängen, sofort zum Kriege führen werde, dem England ruhig entgegensehe; wenn Deutschland den Krieg vermeiden wolle, so müsse es seine feindliche Politik und Haltung gegenüber der colonialen Ausdehnung Englands aufgeben." Der eng lische Uebermuth entspringt dem Größenwahn. Man glaubt in England das, was Disraeli auf dem Lord Mayors-Fest 1876 äußerte: „Es giebt kein Land, welches so gut für einen Krieg vorbereitet ist, wie das unsere, und wenn es sich in einen Kampf einläßt, der seine Freiheit, seine Unabhängigkeit oder seine Herrschaft berührt, so sind seine Hilfsquellen unerschöpflich. „Möchte England doch recht bald die Probe machen! In Wahr heit deckt sich seine unerträgliche Anmaßung nicht mit seiner Kraft. In der gewaltigen Ausdehnung des eng lischen Reichs liegt zugleich seine Schwäche. Wie die Ursache des Verfalls von Weltreichen von jeher in dem Uebermaß der Ausdehnung lag, so stellt auch die eng lische Weltmacht nur ein Scheingebilde dar. Ohne eine entsprechende Landmacht läßt sich eine Weltmacht zur See nicht aufrecht halten. England besitzt aber, wie wir wiederholt nachgewiesen haben, keineswegs die nöthige Wehrmacht zu Lande und kann sie auch nicht mehr schaffen. Das Privilegium der Unangreifbarkeit, welches seine Jnsellagc ihm ehedem gewährleistete, hat es ver loren." Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser arbeitete Dienstag Vormittag im Ber liner Schlöffe mit dem Chef des MilitärcabinetS v. Hahnke und wohnte später in der Technischen Hochschule zu Char lottenburg einem Vortrage des Prof. Linde aus München über dessen neu erfundene Methode zur Flüssigmachung der atmosphärischen Luft bei. Abends fand bei den Majestäten ein größeres Diner statt. Die „Post" bestätigt, daß der bisherige Gesandte in Kopenhagen Murawiew zum russischen Minister des Aus wärtigen auSersehen sei, theilt jedoch keineswegs die Be fürchtung, daß die russische Politik nach der Ernennung dieses Diplomaten in antideutsches Fahrwasser werde ge lenkt werden, und behauptet, daß die russisch-deutschen Beziehungen so freundnachbarlicher Art seien, daß darin durch den voraussichtlichen Minister nicht die geringste Acnderung möglich wäre. Daß der Gesetzentwurf über das Auswanderungs wesen, der demnächst dem Reichstage zugehen wird, sich auf die Auswanderung nach außerdeutschen Gebieten be schränkt, wird jetzt auch dem „Hbg. Corr." bestätigt. Die Frage der Besiedelung der Schutzgebiete ist also aus dem Entwurf ausgcschieden. Der preußische Nachtragsantrag zum Börsengesetz bezieht sich der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge nicht auf die Stellungnahme der Regierung zu den freien Ver einigungen: cs handelt sich dabei nur um die Preisfest stellung bei einer einzelnen Börse. Ueber die Ergebnisse der zweijährigen Dienstzeit wird gegenwärtig von den einzelnen Truppentheilen an die Generalcommandos Bericht erstattet. Die eingegang- nen Berichte werden alsdann an das Kriegsministerium gelangen, hier statistisch verarbeitet und dann in Form einer Denkschrift an den Reichstag gebracht werden. Daß diese Berichte schon ein endgiltiges Urtheil über den Werth oder Unwerth der zweijährigen Dienstzeit bei der In fanterie enthalten sollten, ist nicht wohl zu erwarten, da eine abschließende Kritik erst dann möglich ist, wenn die Leistungen der Reserven, die aus der zweijährigen Dienst zeit hervorgegangen sind, geprüft sein werden. Die Commission für Arbeiterstatistik hat ihre Be- rathungen über das Ergebniß der Ermittelungen über dieArbeitsverhältnisse m der Kleider-und Wäsche- confection beendet und dem Reichskanzler zwei Vor schläge unterbreitet. Der erste Vorschlag verlangt, daß jeder in der Confectionsbranche beschäftigte Stückarbeiter bei Uebernahme der Arbeit in geeigneter Weise einen Ausweis über den Lohn erhält, der ihm nach Vollendung der Arbeit gezahlt werden soll. Der zweite Vorschlag tritt für die Erweiterung der Versicherung gegen Krank heit und Invalidität auch auf die Hausindustrie ein. Die übrigen Erhebungen haben nichts zu Tage gefördert, was zur Abstellung nöthigte. Die „Köln. Ztg." beklagt angesichts der jüngst wieder holt erfolgten Zwangsmaßnahmen auch gegen anständige Zeitungen diese Art der Prcßverfolgung im Interesse der Staatsrcgierung lebhaft; bezweifelt, daß der Reichs kanzler von dem Vorgehen Kenntniß habe und bittet um Abstellung der eingetretenen Mißstände. Der Streikstand in Hamburg ist noch immer un verändert. Die Arbeitgeber sind nach wie vor der An sicht, daß der Streik zusammenbrechen werde. Die Strei kenden dagegen sind überzeugt, daß sie schließlich ihre Forderungen auf Besserung der Arbeitsverhältniffe durch setzen werden. Für die streikenden Hafenarbeiter sind seitens der Berliner Gewerkschaftscommission bisher 85,000 Mk. gesammelt worden. Der Thatsache, daß unser Kaiser sofort nach der Ueber» siedelung des Kaiserlichen Hoflagers von Potsdam nach Berlin dem österreichischen Botschafter, Grafen Szögye- nyi, einen längeren Besuch abstattete, legt man in Ver bindung mit dem Umstande, daß fast zu gleicher Zeit der deutsche Militärattache in Wien vom Kaiser Franz Joseph empfangen wurde, eine besondere politische Be deutung bei. Es verlautet, daß die gepflogenen Unter redungen die Frage der Umgestaltung der Artillerie zum Gegenstände gehabt hätten. Irgendwie Zuverläs siges ist darüber jedoch nicht bekannt geworden, so daß die mitgetheilte Deutung nur den Charakter einer Ver- muthung beanspruchen kann. Ueber Börse und freie kaufmännische Vereini gung veröffentlicht der Bonner Professor Baron in der „Köln. Ztg." eine sehr beachtenswerthe Ausführung, der wir folgendes entnehmen: Die freien Vereinigungen be sitzen thatsächlich den Charakter von Börsen. Die Kauf leute des Getreidezweiges kommen alltäglich in von ihnen gemietheten Sälen zusammen, um im mündlichen Verkehr Getreidehandel zu pflegen. Diese Thatsache hat sofort eine andere im Gefolge: sämmtliche Zeitungen bringen allabendlich die Preisberichte aus diesen Versammlungen. Und die dritte Thatsache ist, kein Mensch zweifelt an der Wahrheit dieser Preisberichte, kein Mensch ist berechnt