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fremden Gesandten überläßt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Lihungtschang wirklich krank darniederliegt; aber diese Krankheit hat offenbar Aehnlichkeit mit der Ge schichte von der Verlegung des kaiserlichen Siegels, die auch schon einmal zur Begründung der Verzögerung herhalten mußte. Was aber die Bedenken gegen eine baldige Lösung der Chinawirren am meisten bestärkt, ist der Umstand, daß die deutsche Reichsregierung sich zur Entsendung einer nicht unerheblichen Verstärkung, 900 Mann und 12 Offiziere, nach China veranlaßt gesehen hat. Lägen die Verhältnisse so schön und glatt, wie sie die chinesischen Berichte vielfach darzustellen versuchen, dann wäre von der Absendung dieses jüngsten Truppentransports Abstand genommen worden. Auch daß die Unruhen in Tschili auch nach der Ueberreichung der Collectivnote noch viel fach und fast täglich zu militärischem Einschreiten nöthigen, wird man beim besten Willen nicht als ein günstiges Symptom für die baldige Erledigung der Chinawirren bedachten können. Im Gegentheil drängt diese That- sache dem Betrachtenden die Ueberzeugung auf, daß die Nachsicht der Mächte schon zu weit' gegangen und der Uebermuth der chinesischen Massen über Gebühr ge wachsen ist. Wir befürchten daher selbst für den Fall, daß die Friedensverhandlungen in Peking durch keinerlei diplomatische Zwischenfälle unterbrochen und schnell zu Ende geführt werden, daß mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages noch kein Friede einkehrt, sondern daß die Feindseligkeiten Seitens der Chinesen bis auf Weiteres ohne Unterbrechung werden fortgesetzt werden. Und das wäre nach jeder Richtung hin, nicht zum mindesten nach der unsres Handelsverkehrs mit China, das Schlimmste, was geschehen könnte. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat zur Preußenfeier je einen Ver treter derjenigen Familien eingeladep, welche im Herzog- thum Preußen bereits am 18. Januar 1701 ansässig waren. Es sind dies der Landeshauptmann v. Brandt- Tannenberg, der Geh. Regierunzsrath v. Gottberg-Groß- Klitten, Herr v. Saucken-Tarputschcn und der Ober- landesgerichtsgrath v. Plchwe-Dwarischken. Diese Herren sind eingeladen, bei dem am 18. Januar vormittags im Rittersaale des Berliner kgl. Schlosses stattfindenden Empfange der Abordnungen der Provinz Ostpreußen und der Stadt Königsberg gegenwärtig zu sein. Ter König von Württemberg läßt sich bei der Feier durch den Herzog Albrecht vertreten, der König von Italien durch den Herzog Aosta. Die Prinzen Eitel Friedrich und Adalbert treffen aus Plöhn zur Theilnahme an der Feier ein. Der Sultan entsendet eine Abordnung. Tas Kaiserpaar machte Donnerstag Nachmittag einen Spaziergang. Am Freitag siedelte der Hof von Potsdam nach Berlin über. Die Reise nach Weimar hat der Kaiser nach Berliner Blättern hauptsächlich deshalb aufgegeben, weil im dortigen Schlosse Masern herrschen und die Ansteckungsgefahr für die Kinder des Kaiserpaares somit groß wäre. Tie Beisetzung des Großherzogs Karl Alexander ging Freitag Mittag in Weimar vor sich. Die öffent lichen Gebäude trugen reichen Trauerschmuck, ebenso die Privatgebäude, namentlich in den Straßen, die der Trauerzug berührte. Ter Balkon des Rathhauses trug die Kolossalbüste des verewigten Landesherrn. Auf den Plätzen erhoben sich mit silbernen Palmenzweigen und mit Engelsköpfen verzierte Postamente, welche Feuer schalen trugen und durch umflorte Guirlandcn, von denen schwarze, silberbefranste Festons herabhiugen, ver bunden Waren. Schon seit früher Morgenstunde waren die Straßen, durch die der Trauerzug sich zu bewegen hatte, von einer dicht gedrängten Menschenmenge um säumt. Auf dem Platze vor der Hofkirche, der für das Publikum abgesperrt war, versammelten sich von 11 Uhr an die zur Beisetzung eingetroffenen Fürstlichkeiten, der großherzogliche Hofstaat, die Civil- und Militärbehörden, sowie zahlreiche Abordnungen. Kurz nach 11^ Uhr betrat Großherzog Wilhelm Ernst mit dem als Ver treter des Kaisers erschienenen kommandirenden General des 11. Armeecorps v. Wittich, gefolgt von den Fürst lichkeiten, unter dem Geläut aller Glocken der Stadt die Hofkirche. Nach einem kurzen Gebet wurde der Sarg auf den vor dem Südportal der Kirche haltenden achtspännigen Leichenwagen gehoben, worauf sich der Zug in Bewegung setzte, während die zur Leichenparade! kommandirten Truppen präsentirten. In dem Zuge, der von Ordonanzgendarmcn eröffnet wurde, schritten dem Leichenwagen die Geistlichkeit und die Hofchargcnfl hinter dem Wagen folgte der Großherzog mit dem General v. Wittich und den Fürstlichkeiten. Ihnen schlossen sich das diplomatische Corps, die Minister, die Vertreter der Universität Jena und die übrigen Ab-! ordnungen an. Ter Zug bewegte sich über den Karls-! platz und Theaterplatz durch die Schiller- und Amalien-! straße nach der Fürstengruft, woselbst nach der gottes- j dienstlichen Handlung die Beisetzung erfolgte. Militär! gab Trauersalven ab. Lebhaftes Bedauern erregte das! Ausbleiben des Kaisers, den man so gern als den ersten Vertreter deutscher Nation gerade hinter diesem Sarge hätte einherschreiten sehen. Die Justizcommission des Reichstags lehnte mit Stimmengleichheit Anträge, der Socialdemokratie und der freisinnigen Volkspartei ab, die darauf ausgehen, Preßvergehen den Schwurgerichten zuzuweisen. Eine Vermehrung der Polizei wird nicht nur in Berlin, sondern vom 1. April ab auch in einer großen Anzahl andrer deutscher Städte erfolgen. Diese Maßnahmen erfolgen nach der „Volksztg." zu dem Zweck, bei Reisen des Kaisers dem Monarchen größere Sicher heit zu bieten. Unsere Ausfuhr nach Nordamerika hat sich im vergangenen Jahre sehr wesentlich erhöht. Ihr Werth ist gegen 189Z, in welchem Jahre er rund 205 Mill. Mk. betrug, um etwa 100 Mill. Mk. gestiegen. Ein neuer Gesetzentwurf betr. d.n Scheckverkehr bei der Reichspost wird dem Reichstag noch in dieser Tagung zugehen. Von der Annahme dieses Entwurfes wird es abhängen, ob der Postscheckverkehr im Laufe des nächsten Jahres zur Einführung gelangt. Zur Buren-Einwanderung in Deutsch-Süd westafrika schreibt man der „Dtsch. Tagesztg.": Die kapländischen Buren, die nach Deutsch-Südwestafrika übersiedeln wollen, trafen vor einigen Tagen von Amsterdam in Berlin ein. Sie haben mit dem Berichter statter für Südwestafrika in der Kolonialbtheilung eine Besprechung gehabt und sind dann nach Hamburg gereist, von wo sie sich mit dem fälligen Dampfer nach Süd- westafrika begaben. Von Seiten der Kolonialabtheilung ist die Weisung nach Windhök ergangen, diesen Bnren möglichste Unterstützung angedeihen zu lassen. Sie werden bei der Landung Unterkunft finden, dann werden Ochsenwagen für die Beförderung ins Innere bereit stehen. Außerdem wird die Verwaltung ihnen Bohrer zur Gewinnung von Wasser überlassen. Tie Familien dieser Buren befinden sich zum größten Theil noch in der Kapcolonie, später wird man diese nach Großnama- land herüberkommen lassen. Den Buren auf St. Helena, die wegen der Bedingungen einer Uebersicdelung nach Deutsch-Südwestafrika anfragten, ist eine Abschrift der Abmachungen zugesandt worden, welche mit den Kap- buren in Amsterdam g'troffen worden sind. Oesterreich-Ungarn. Tie gesammte Presse, einschließlich der Regierungs blätter, steht, wie der „Voss. Ztg." ans Wien gemeldet wird, unter dem Eindruck des Ausfalls der Wahlen und des Zuwachses, den die deutsch-radikale Partei gewonnen hat. Angesichts dieser entschiedenen Willens äußerung des deutschen Volkes ist die Wiederaufrichtung der slavisch-klerikalen Mehrheit zur Unmöglichkeit ge worden, und die Deutschen haben nach ihren Erfolgen in den Alpenländern allen Grund, gehobenen Muthes in die Zukunft zu blicken. Den größten Gewinn haben die Deutsch-Radikalen zu verzeichnen, nämlich 14 Mandate, den größten Verlust die Jungtschechen, nämlich 9. Die Socialdemokraten verloren im Ganzen 5 Sitze. Frankreich. In der französischen Abgeordnetenkammer wurde be schlossen, die Berathung des Gesetzentwurfs über die Klöster am Montag zu beginnen. Der Berathung wird die Besprechung einer Anfrage wegen Einmischung des Papstes in innere Angelegenheiten Frankreichs Vorangehen. Wegen des von einigen Pariser Blättern verbreiteten Gerüchts, daß Frankreich seine Rechte an den ihm ge hörenden Küstenstrich von Neufundland an England abtreten wolle, wurde der französische Minister des Aeußern Telcasss von einem Senator befragt. Telcassö erwiderte, daß die Rechte Frankreichs auf Neufundland unbestreitbar und unbestritten seien, so daß die Aus übung dieser Rechte durch nichts behindert werden könne. Italien. Professor Mazzoni äußerte zu einem Redacteur des „Corriere Napoli", seiner festen Ueberzeugung nach werde der Papst das Alter von hundert Jahren erreiche», seine Zähigkeit sei außerordentlich, das Herz sei wie das eines jungen Mannes, die Lungen von Stahl, die Luftwege frei, der Stoffwechsel functionirc prächtig. Was endlich die Geistcsfrische betreffe, so streife diese an das Wunderbare. Als der Papst und der Professor sich jüngst über allerlei medizinische Tinge unterhielten, habe der Papst dem Professor plötzlich einen Finger gezeigt und gesagt: „Sehen Sie diese Narbe, Professor? Es handelt sich um eine kleine Ver- lctzung, die ich mir vor fünfundsiebzig Jahren denn Kugelspiel (Boccia) im Garten des Palazzo Colonna zugezogen; wir Seminaristen spielten in unserer Freizeit mit den „Boccie", und die Kugel eines Mitschülers quetsche mir die Hand so stark, daß die Wunde in der nächsten Apotheke vernäht werden mußte." Asten. Tie Pekinger Nachrichten bestehen wieder einmal vor nehmlich aus uncontrollirbaren und überaus unwahr scheinlichen Gerüchten, unter denen namentlich das von den 85,000 Mann chinesischer Truppen, die unter den Augen der Kaiserin-Wittwe in Singanfu exerciren und mit modernen Gewehren ausgerüstet sind, zu er wähnen ist. Es wird mit den 85,000 Mann aber ! wohl nicht so schlimm werden. Von neuen Zusammen stößen europäischer Truppen mit Chinesen liegen Mel dungen nicht vor, ebenso wenig hat man etwas von dem Fortgang der diplomatischen Verhandlungen er fahren. Es ist also wieder einmal das Stadium einer Ruhepause eingetreten, woran die chinesische Frage und ihre Entwickelung bisher ja so reich gewesen sind. Nach einer Londoner Meldung betrachten die chinesischen Friedensvermittler die Forderungen der Verbündeten Mächte als mäßige, erklären aber, der chinesische Hof werde sich denselben trotzdem so lange widersetzen, bis die Reaction vom Ruder entfernt sei, d. h. bis der Einfluß der Kaiserin-Wittwe gebrochen ist. Von weiteren Meldungen verdient bloß noch die Erwähnung, daß die englische Regierung bei der russischen entschiedenen Ein spruch gegen die Bedingungen erhoben hat, unter denen die Eisenbahn Tientsin-Schanhaikwan den englischen Actionären übergeben werden soll. Worin die ange fochtenen Bedingungen bestehen, wird leider nicht gesagt. Zu Reibungen zwischen Rußland und England ist es während des Verlaufs der Chinawirren schon wiederholt gekommen und der jetzige Eisenbahnstreit wird nicht der letzte sein zwischen den beiden Rivalen in Ostasien. Afrika. Die Khakibegeisterung in England beginnt nach den trüben Erfahrungen der letzten Wochen erheblich nachzulassen. Eine der größten englischen Zeitungen, die „Daily News", theilt seinen Lesern mit, daß es seine Tendenz ändern, den Imperialismus bekämpfen und Stellung nehmen werde gegen jede gewaltsame Ge bietserweiterung Englands und nur eine Vergrößerung deS Handelsgebiets auf friedlichem Wege befürworten werde. Tas ist charakteristisch. Sämmtliche Londoner Zeitungen stellen fest, daß sich die Lage im Kaplande während der letzten 24 Stunden bedeutend ver schlimmert habe. Durch die vollständige Aenderung der englischen Taktik, die sämmtliche verfügbaren Truppen zur Deckung der Eisenbahnlinien benutzt, sind alle ent fernt liegenden Garnisonen ihrem Schicksal überlassen worden. Um einigermaßen zu beruhigen, theilen die Blätter mit, Australien habe den Buren große Gebiete zu ihrer Niederlassung angeboten. Heute bedürfen die Buren dieses Anerbietens nicht und hoffentlich auch in Zukunft nicht. In London ist man wegen der Vorgänge im Kap lan de, trotz allen officiösen Ableugnens der Thatsache, ernstlich besorgt, die Londoner Börse weist starke Rückgänge in den Kursen auf und auch die übrigen europäischen Börsen leiden unter dem von London aus gehenden Drucke. Nicht genug, daß Lord Kitchener aus der Aggressive vollständig zur Defensive hat übergehen müssen, ist vielmehr ein vollständiger Rückzug der eng lischen Truppen auf die befestigten Hauptplätze noth- Wendig geworden. Die britischen Truppen, welche bisher frei im Lande umherstreiften und sich auf diese Weise selbst beköstigten, indem sie den Einwohnern fortnahmen, waS ihnen des Fortnehmens Werth erschien, sind auf die die rückwärtige Verbindungslinie Lord Kitcheners beherrschenden Hauptorte zurückgezogen worden, weil Gefahr im Verzüge ist, daß die britische Hauptarmee gänzlich von der Lcbcnsmittelzufuhr abgeschnitten wird. Tie Buren sind jedoch schon so erfolgreich thätig ge wesen, daß Lord Kirchen r alle Ursache zn der Befürch tung hat, eines schönen Tages werde ihm der Proviant für die Truppen ausgehen. Aber es kommt noch schlimmer. Die Buren fürchten selbst die in den wich tigsten Plätzen zusammengezogenen englischen Streitkräfte nicht einmal mehr, was die Thatsache beweist, daß sie auf das Ostthor Pretorias, also der Hauptstadt Trans vaals, in der sich ganz besonders viel englische Soldaten befinden, einen Angriff unternahmen und eine Anzahl Rindviehherden als willkommene Beute mit sich gehen hießen. Die 5000 Buren, von denen es hieß, daß sie nach Deutsch-Südwest-Afrika auswandern wollten, sind im Kaplande eingetroffen und haben sich mit den bereits dort befindlichen Landsleuten vereinigt. Die Lage ist zur Zeit also für die Engländer ohne jeden Lichtpunkt. Aus dem M«lde«thale. Waldenburg, 12. Januar. Ihre Durchlaucht Frau Erbprinzessin Lucie von Schönburg-Waldenburg traf, von Schlitz kommend, am 10. d. M- auf Schloß Pomssen ein und begab sich gestern von dort znrück nach Dresden. *— „Kopf kühl, Füße warm!" Dieser Grundsatz verdient jede Beachtung. Statt der Pelzmütze und den Halstüchern, die das Blut nach dem Kopfe leiten und verweichlichen, Erkältungen, Husten, Heiserkeit und Hals weh zur Folge haben, verwende man seine Sorgfalt mehr auf eine gute Fußbegleitung, wechsle feuchte Strümpfe und verhindere die kalten Füße. Mit dem 31. Tecember ist die vom Reichseisen bahnamt festgesetzte Frist für den Aufbrauch der alten Frachtbriefformulare abgelanfen. Alte Frachtbriefformu lare dürfen infolgedessen jetzt keine Verwendung mehr finden. In dem neuen Formular ist für die Adresse die Angabe von Straße und Hausnummer in dem Sinne vorgeschrieben, daß der Absender für die Folgen mangelnder Adreßangaben haftet. Statt der Worte „Deklarirtes Interesse an der Lieferung und Interesse-