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, Erscheint jeden Wochemag N-rchmiti.'/,»Uhr für den »0 andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mart 25 Pf., V»-> "EF < zweimonatlich 1 M. 50 Pf. und einmmmtlich 75 Pf. SS Jahrgang. — Sonnabend, den S. März. und Tageblatt Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zn Freiberg »nd Brand. Bermüwottlicher Redakkur: Julis« Braun in Freiberg Inserate werden bis Vormittag 1l Uür angenom- FH UHM» mm und beträgt der Preis für die gespaltene Zelle H UHUH oder derm Raum 15 Pf. Die Eröffnung des deutschen Reichstags. Bei der gestern Mittag im weißen Saale des Berliner Schlosses erfolgten Eröffnung des deutschen Reichstages war die Betheiligung der Abgeordneten eine stärkere als sie sonst bei solcher Gelegenheit -zu sein Pflegte. Die Er- öffnung selbst vollzog sich in den bei Abwesenheit des Kaisers üblichen einfachen, rein geschäftsmäßigen Formen. Nach Beendigung des Gottesdienstes im evangeli schen Dom und in der katholischen Hedwigskirche begann sich der Saal zu füllen, und bald standen eifrig plaudernde Gruppen bei einander. Punkt 12 Uhr betrat der Bundes- rath unter Führung des Staatssekretärs von Bötticher und des Grafen Lerchenfeld den Saal und nahm zur Linken des verhüllten Thronsessels Aufstellung. Neben den soeben Genannten standen die Herren Maybach, Graf Hohenthal, vr. Lucius, von Schmied, vr. Friedberg, von Marschall, vr. von Goßler, von Neidhardt, vr. von Scholz, v. Prollius und so fort in der üblichen Weise, daß auf einen preußischen Bevollmächtigten ein solcher der anderen Bundesstaaten folgte. Herr von Bötticher trat einen Schritt vor und verlas die von uns gestern bereits unter Depeschen im Auszug mitgetheiltr Thronrede, welche fol- gendm Wortlaut hatte: .Geehrte Herren! Seine Majestät der Kaiser haben mir den Auftrag zu ertheilen geruht, den neagewählten Reichs tag in allerhöchstihrem und der verbündeten Regierungen Namen willkommen zu heißen. Ihre Thätigkeit in der bevorstehenden Session wird durch eine Reihe wichtiger Vorlagen in Anspruch genommen werden. Der Gesetzentwurf über dieFriedenspräsenz- stärke des deutschen Heeres, welcher zum Bedauern der verbündeten Regierungen in der vorgelegten Form die Zu stimmung des vorigen Reichstags nicht gefunden hat, wird Ihnen alsbald unverändert zugchen. Im Zusammenhänge mit der Heeresvorlage steht die Ihnen obliegende Aufgabe der schleunigen Berathung des Reichshaushalts-Etats. Ungeachtet des nahe be- vorstehenden Ablaufes des Etatsjahres wird es hoffentlich gelingen, das Reichshaushalts-Gesetz rechtzeitig zu verein baren. Die Opfer, welche das etatsmäßige Ausgabe- bedürfniß beansprucht, sind, ungeachtet der bei der Veran schlagung desselben beobachteten Sparsamkeit, nicht gering. Unsere finanzielle Lage weist daher darauf hin, die eigenen Einnahmen des Reichs durch die Beschaffung neuer Ein nahmequellen zu verstärken und unsere Steuergesetzgebung im Sinne einer gerechten und der Leistungsfähigkeit der Steuerzahler entsprechenden Vertheilung der Lasten auszu gestalten. Die verbündeten Regierungen geben sich der Hoffnung hin, daß cs ihnen gelingen werde, mit dem neu gewählten Reichstag zu einer Verständigung über die nöthigen Reformen unseres Steuersystems zu gelangen; die dazu erforderlichen Vorarbeiten werden ohne Verzug in Angriff genommen. Die Thätigkeit der verbündeten Regierungen richtet sich unausgesetzt auf den weiteren Ausbau der auf der aller höchsten Botschaft vom 17. November 1881 beruhenden sozialpolitischen Gesetzgebung. Dabei handelt es sich zu nächst darum, durch die Erstreckung der Unfallver sicherung auf die von derselben noch nicht erfaßten Kreise der arbeitenden Bevölkerung einen genügend breiten und tragfähigen Untergrund für das weitere und ab- schließende gesetzgeberische Vorgehen zu gewinnen. Zu diesem Avecke werden Ihnen zunächst Gesetzentwürfe über die Un fallversicherung der Seeleute und der bei Bauten beschäftigten Arbeiter zugehen. Eine weitere Vorlage, welche den In teressen des Handwerkerstandes durch Erweiterung der den Innungen zu verleihenden Befugnisse dienen soll, ist in der Vorbereitung begriffen. Die Anwendung des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879 stößt in der Praxis auf mannigfache Schwierig, leiten. Es wird Ihnen ein Gesetzentwurf zugehen, welcher zunächst auf dem Gebiete der Verwendung gesund heitsschädlicher Farben diese Schwierigkeiten zu be seitigen sucht. Die gesetzlich vorgeschriebene Revision des Servistarifs und der Klasseneintheilung der Orte wird durch Ihre Mitwirkung zum Abschluß zu bringen sein. Ebenso werden die noch unerledigt gebliebenen Gesetzent würfe über die Errichtung eines Seminars für orien talische Sprachen und über Aenderungen der Ge bührenordnung für Rechtsanwälte Ihre Thätigkeit in Anspruch nehmen. Die Beziehungen des deutschen Reichs zu den fremden Mächten sind heut noch dieselben wie zur Zeit der Er öffnung der vorigen Reichstagssession. Auf allerhöchsten Befehl habe ich die Genugthuung Seiner Majestät des Kaisers über die Kundgebungen des Papstes zum Ausdruck zu bringen, durch welche das wohlwollende Inte resse Seiner Heiligkeit für das deutsche Reich und für dessen inneren Frieden bethätigt worden ist. Die auswärtige Politik Seiner Majestät des Kaisers ist fortwährend darauf gerichtet, den Frieden mit allen Mächten und besonders mit unseren Nachbarn zu erhalten und zu pflegen. Dieser friedliebenden Politik des Kaisers vermag der Reichstag die wirksamste Unterstützung zu ge währen, wenn er schnell, freudig und einmüthlg den Vorlagen zustimmt, welche die sofortige und nachhaltige Stärkung unserer defensiven Wehrkraft zum Zweck haben. Wenn der Reichstag ohne Zaudern und ohne Spaltung den Willen der Nation zum einmüthigen Ausdruck bringt, gegen jeden Angriff auf unsere Grenzen heut und jeder Zeit die ganze Fülle unserer nationalen Kraft in voller Rüstung aufzubieten, so wird der Reichstag schon durch seine Beschlüsse allein und noch vor deren Ausführung die Bürgschaften des Friedens wesentlich verstärken und die Zweifel beseitigen, welche sich an die bisherigen parlamen tarischen Verhandlungen über die Vorlagen behufs Stärkung unserer Wehrkraft geknüpft haben können. Seine Majestät der Kaiser hegt zu dem gegenwärtigen Reichstag das Ver trauen, daß seine Beschlüsse der nationalen Politik der verbündeten Regierungen eine sichere Unterlage gewähren werden und schöpft aus diesem Vertrauen die Zuversicht, daß die Bemühungen Seiner Majestät, den Frieden und die Sicherheit Deutschlands zu wahren, von Gott gesegnet sein werden. Auf allerhöchsten Befehl Seiner Majestät des Kaisers erkläre ich im Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet." Die letzten Sätze der Thronrede, in welcher die aus wärtige Politik berührt wird, wurden mit stürmischem Bei fall ausgenommen, der namentlich nach dem Schlußsätze, in dem das Vertrauen des Kaisers auf der Erhaltung des Friedens günstige Beschlüsse des Reichstages erklärt wird, eine in diesen Räumen selten gehörte Höhe erreichte. Als Herr von Bötticher geendet, brachte der bairische Bevoll mächtigte, Graf Lerchenfeld, das Hoch auf den Kaiser aus, in das die Anwesenden dreimal begeistert einstimmten. Tagesschau Freiberg, den 4 März. Der veutfche Kaiser nahm gestern Vormittag mehrere militärische Meldungen entgegen, hörte die Vorträge des Ge nerals v. Albedyll und des Kriegsministers Bronsart von Schellendorff und machte Nachmittags eine Ausfahrt. Zu der gestrigen Soiröe im kaiserlichen Palais ergingen 200 Ein ladungen. — Unter dem Vorsitz des Generals von Treskow tritt jetzt in Berlin eine Kommission zusammen, um die probe weise geübte neue Felddienstordnung nunmehr endgittig festzu stellen. — Der Generalfeldmarschall Graf Moltke eröffnete als Alterspräsident die gestrige Sitzung des deutschen Reichstags, indem er zu provisorischen Schriftführern die Abgg. Graf Kleist-Schmenzin, vr. von Kulmiz, Graf Schönborn-Wiesentheid und Goldschmidt berief. Da der Namensaufruf die Anwesenheit von 252 Abgeordneten ergab, war das Haus beschlußfähig. Unter den bereits eingegangenen Vorlagen befanden sich die Militiirvorlage, der Etat und das Unfallversicherungsgesetz. Abg. Windthorst widersprach der sofortigen Vornahme der Präsidentenwahl, da der Reichs tag erst vollzählig werde, nachdem die Stichwahlen beendet seien. Darauf erwiderte Staatssekretär v. Bötticher, wenn Windthorst einen Borwurf dagegen erheben wolle, daß es Sr. Majestät dem Kaiser nothwendig erschienen, den Reichstag für heute einzuberufen, so weise er diesen Vorwurf als durchaus unberechtigt zurück. Das deutsche Volk solle der Regierung Dank dafür wissen, daß sie die Fristen zu der nothwendigen schnellen Feststellung des Etats abkürzte; er nehme diesen Dank für die Regierung in Anspruch. Die Be mängelung dieser Maßregel sei ein Eingriff in?die Rechte Sr. Majestät des Kaisers. Wenn der Kaiser den Reichstag berufe, so hätten die Mitglieder die Pflicht, auf ihrem Platze zu er scheinen. Abg. Richter hielt diese Berufung des Ministers v. Bötticher auf Se. Majestät den Kaiser für unzulässig; sie beweise, daß dir Minister ihre Stellung für zu schwach er achteten und sich hinter die Autorität des Kaisers zurückziehen müßten. Zweckmäßig möge die Berufung deS Reichstages auf heute sein, es handle sich aber nicht um die Zweckmäßigkeit, sonder« um die Rechtsfrage. Sechszig Wahlkreise seien noch unvertreten, daher scheine es mindestens zweifelhaft, ob der Reichstag schon in die Geschäfte eintreten könne. Abg. Freiherr von Helldorf bestritt, daß die Rechts frage erhoben werden könne. Abg. von Bennigsen gab aber zu, daß Einwände gegen die außerordentlich frühe Be rufung des Reichstages erhoben werden könnten, gegen daS Gesetz und die Verfassung sei jedoch nirgends verstoßen wor den. Man müsse den außerordentlichen Umständen, welche vorliegen und Jedem einleuchten müßten, der die Thronrede gelesen habe und der Entwickelung der europäischen Verhält nisse gefolgt sei, Rechnung tragen; dann aber könne man die Rechtsfrage nicht erheben, sondern nur den Wunsch aussprechen, daß ähnliche Verhältnisse sich nur wiederholten, wenn außer ordentliche Gründe vorlägen. Im gegenwärtigen Falle habe man der Regierung zu danken. (Lebhafter Beifall). Abg. Windthorst wiederholte, die Rechtsfrage sei nicht auS der Welt zu schaffen. Abg. Frhr. v. Kardorff hob hervor, es sei nach dem Verfassungsartikel 12 ein kaiserliches Recht, dm Reichstag zu berufen; dem gegenüber habe der Reichstag nur die Pflicht, dem Ruse zu folgen. Wo stände denn in der Verfassung, der Reichstag könne seine Geschäfte nicht beginnen, wenn so und so viele Wahlkreise unvertreten seien? Der Red ner widersprach der Ansicht Bennigsens, daß überhaupt Be denken erhoben werden könnten. Abg. v. Bennigsen ant wortete , eS sei ihm nicht eingefallen, das formelle Recht Sr. Maj. des Kaisers zur Berufung des Reichstages anzuzweifeln, er habe nur gewünscht, daß dieses Recht nur in den aller- dringendsten Fällen geübt werde. Wenn OpportunitätSgründe maßgebend wärm, so sei dies bei dem Abg. Windthorst der Fall, sonst hätte dieser mit seinen Freunden nicht hier er scheinen dürfen. Abg. Windthorst trat nochmals für seine Ansicht ein. Abg. Richter verwahrte sich dagegen, daß ein Vorwurf gegen Se. Maj. den Kaiser erhoben worden sei. Die kaiserliche Verordnung sei vom Reichskanzler gegengezeichnet, dieser sei also verantwortlich für die Berufung. Der Red ner gab zu, daß keine mala ückö8 vorliege. Für die Geschäfte, welche zunächst zu vollziehen seien, blieben die Stichwahlen völlig gleichgiltig. Wmn es sich später zeigen sollte, daß Nachtheile durch die vorzeitige Berufung erfolgt seien, so werde sich noch immer ein Einwand erheben lassen. Damit war der Zwischenfall beendet. Nach der Anordnung des Alterspräsi denten wurde ungesäumt die Verloosung in Abtheilungen voll zogen. Heute Nachmittag 2 Uhr findet die Präsidentenwahl statt. Unter Einrechnung der von den erforderlichen 61 Stichwahlen bis jetzt bekannten 27 Wahlergebnisse ergiebt sich folgende Stärke der Parteien: 1884 1887 77 Konservative 78 28 Reichspartei 35 51 Nationalliberale 96 156 Regier ungsfreunde 209 67 Deutschfreisinnige 26 24 Sozialdemokraten 11 99 Zentrum 95 11 Welfen 3 16 Polen 12 8 Volkspartci 0 1 Däne 1 15 Elsasser 15 241 Oppositions-Mitglieder 153 Der Präsident der Bremer Handelskammer richtete an der dortigen Börse gestern an die Anwesenden eine Ansprache, in welcher er anläßlich der Reichstagswahl namens der Kauf mannschaft das ungeschwächte Verträum derselben zu dem bis herigen Vertreter Bremens im Reichstage, Konsul Meier, aussprach und die Versammlung oufforderte, demselben ein Hoch auszubringen. Die Kaufmannschaft leistete der Auf forderung Folge. — Wie man aus Kuxhaven meldet, ist am 28. Februar von Helgoland aus beobachtet worden, wie ein französisches Kriegsschiff die Tiefen in den dortigen Ge wässern auspeilte. Im Budget-Ausschusse der österreichischen Delegation hat der Kriegsminister Graf Bylandt-Rheidt die Regierungs vorlage eingehend begründet. Damach umfassen die geplanten militärischen Vorsichtsmaßregeln drei Gruppen: solche, welche die Regierung in der Hoffnung auf Jndemnitätsertheilung als unaufschiebbar bereits durchführte, und welche 16^/io Mill. fl. erforderten, solche, welche in nächster Zeit ausgeführt werden müssen — diese erheischen 8»/i» Millionen — und ferne