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1 Mir angcnom- !! gespaltene Zeile 1887. , , - sl Erscheint jeden Wochentag NnchmtU. Uhr für dm ^<1 andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mart 25 Pf., t/>!» EF7M: zweimonatlich t M. SV Pf. und eimnonatltch 7b Pf. Jnferate wer dm bis Bormittag II Mr angenom men und beträgt der Preis für die " " oder deren Raum IS ! SS. Iahrgaug. Sonntag, »e> H. März. BerzerWyei^ mdTWdlaL Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg nnd Bmnd. Berantwortlicher Redakteur: Iuliu« Braun in Freiberg Die Woche Alles verkündet das Nahen des Frühlings, in ge schützten Lagen beginnen bereits Krokusse und Märzveilchen zu blühen und Lerchen und Staare sind ohne Bangen vor einem etwaigen Nachwinter schon zu uns zurückaekehrt In die Menschenbrust will aber die rechte frohe LenzeS- ahnung noch nicht einziehen; zu tief haben die in den letzten Wochen so oft betonten Kriegsbefürchtungen die Gemüther erschüttert. Das Gebühren der östlichen und westlichen Nachbarn des deutschen Reiches war bisher wenig geneigt, das geschwächte Vertrauen auf die Erhaltung des Weltfriedens wieder zu kräftigen. Das Selbstvertrauen des deutschen Volkes ist aber seit dem nationalen Ausfall der am 21. v. M. statt- gesundenen Reichstagswahl im steten Wachsen begriffen und wird um so mehr dazu beitragen, die noch vorhandenen Besorgnisse zu verscheuchen, als Deutschland bei fester Eintracht zwischen Regierung und Volksvertretung keinen äußeren Feind zu fürchten braucht. Wenn die sächsische Regierung am Mittwoch der zu diesem Zweck eigens ein- bemsenen sächsischen Ständeversammlung den zur Vervoll- ständiKMig des sächsischen Staatsbahnnetzes dienenden Ver trag über dm Ankauf des auf fächsischem Gebiete liegenden Theils der Berlin-Dresdener Bahn vorlegte, deutet dies entschieden darauf, daß höheren Orts baldige kriegerische Verwickelungen nicht mehr befürchtet werden. Einen nicht minder zuversichtlichen Eindruck machte der Wortlaut der Thronrede, mit welcher der Staatssekretär von Bötticher am Donnerstag Mittag den deutschen Reichstag eröffnete, bevor der letztere noch durch die erst in den letzten Tagen der Woche stattgefundenen 61 Stichwahlen vervollständigt war. Bei den jetzigen Zeitverhältnissen schien die gleich in der ersten Sitzung des Reichstags von Windthorst und Richter bitter getadelte Beschleunigung der Reichstags- eräffnung um so gerechtfertigter, als die möglichst schnelle Genehmigung der schon viel zu sehr verzögerten Militär-Vorlage dringend wünschenswerth ist und das entschieden regierungsfreundliche Ergebniß der letzten Reichstagswahl durch den Ausfall der Stichwahlen nicht wesentlich beeinträchtigt werden konnte. Im Ganzen haben die Deutsch-Freisinnigen Grund, mit den Stichwahlen sehr zufrieden sein, da sie durch die selben fast für ihre sämmtlichen bedeutenden Vertreter noch Mandate erlangten, wenn sie die am 21. Februar erlittene Scharte auch nicht vollständig auszuwetzen vermochten. An vielen Orten haben sie ihren Erfolg der Unterstützung der Sozialdemokraten zu danken, die ihre eigenen Kandidaten nur noch sehr vereinzelt durchzubringen vermochten und deshalb über den Wahlausfall sehr verstimmt sind. Diese Unzufriedenheit veranlaßte bereits an einzelnen Orten, wie in Magdeburg und Lübeck nach dem Bekanntwerden des Wahlresultats ernste Unruhen und dürfte die größte Wach samkeit der Behörden erheischen. Der Eindruck, den die Thronrede auf die Abgeordneten der Septennatsparteien machte, war ein sehr günstiger; besonders gefiel der Hinweis darauf, daß es in der Hand des Reichstages liege, die Fnedensbürgschaft zu verstärken. Trotz der Zurückhaltung, mit welcher die auswärtige Politik besprochen ist, spiegelt die Thronrede den Ernst der Lage klar und deutlich wieder; mit besonderer Wärme gedenkt dieselbe aber der dankens- werthen Friedensbemühungen des Papstes. Um so auf fallender erscheint es, daß sich gerade jetzt von allen Seiten Stimmen gegen die dem preußischen Hcrrenhause zugegan- gene Kirchengesetz-Novelle erheben, die doch dazu bestimmt ist, den Ausgleich mit dem Vatikan zum Abschluß zu bringen. Der Kommission liegen Anträge des Grafen zur Lippe und des Bischofs vr. Kopp vor, welche eine erhebliche Er weiterung der von der preußischen Regierung gemachten Zugeständnisse, namentlich bezüglich der Zulassung der geistlichen Orden anstreben. Es ist Thatsache, daß die römische Kurie, welche von dem Entwurf, wie ihn die Re gierung singebracht hat, nicht ganz befriedigt ist, Hoffnungen auf die Durchsetzung der Kopp'schen Anträge baut. Wie aus den römischen Korrespondenzen der Berliner „Germania" und aus verschiedenen Artikeln des ultramontanen „Wests Merkur" deutlich hervorgeht, setzt das Zentrum alle Hebe in Bewegung, um den Vatikan an dem endlichen Friedens- schluß zu verhindern. Andererseits hegt man aber auch von hochkonservativer Seite ernste Bedenken gegen den Entwurf; so schreibt die „Neue Preuß. Ztg": „Wir sind, wenn nur der evangelischen Kirche Freiheit gewährt wird, um den Ausgang nicht besorgt; — ohne die Erfüllung neser Voraussetzung aber sind wir zur Zeit außer Stande, die Vorlage anzunehmen." Mit Beschränkung auf die nöthigsten Förmlichkeiten sind am 1. d. M. die österreichisch-ungarischen Dele gationen eröffnet worden und gingen deren beide Präsi denten jeder politischen Anspielung aus dem Wege, um nicht den von ihnen bei Eröffnung der Herbstsession ge machten Fehler zu wiederholen- Die kurzathmige Vorlage, welche diesmal den einzigen Berathungsgegenstand der Delegattonen bildet, enthält fast nichts als die einfache Kredltforderung von 52 V, Millionen Gulden, und ihre Begründung ist noch lakonischer als diejenige, welche kürz lich in Wien der Landesvertheidigungsminister Graf Wel- sersheimb seiner Zwölf-Millionen-Forderung für die Land- wehr und den Landsturm mitgegeben hat. Der Budget- ausschuß der österreichischen Delegation genehmigte schon am Mittwoch nach Anhörung der Minister Grafen Bylandt- Rheydt und Kalnoky, sowie des Marinekommandanten von Sterneck, die Anträge: der gemeinsamen Regierung über die für militärische Vorsichtsmaßregeln bereits verausgabten I6V10 Millionen Indemnität zu- ertheilen und die Regierung zu ermächtigen, für weitere dringende Maßnahmen 8^10 Millionen zu verwenden, sowie für etwa künftig sich ergebende außerordentliche Heereserfordernisse 28 Millionen Gulden zu verwenden. Der Ausschuß der ungarischen Delegatton konnte sich nicht so schnell schlüssig machen; die Annahme der Vorlage sti den Ausschüssen und im Plenum,der Delegationen stich» trotzdem von Anfang an außer allem Zweifel. Durch die schwere Heimsuchung, welche Italien durch die verhängnißvollen Erderschütterungen an der Riviera be troffen hat, ist die langwierige Ministerkrisis etwas in den Hintergrund gedrängt worden. Ganz Italien wetteifert in rühmlichster Weise, den durch das Erdbeben der Er nährer oder des Obdachs Beraubten brüderlichen Beistand zu leisten. Im Vatikan empfing der Papst am Mitt woch die Kardinäle, welche ihm zu dem neunten Jahrestage seiner Krönung beglückwünschten. Das älteste Mitglied des Heiligen Kollegiums verlas eine Adresse, welche der Papst in bedeutungsvoller Rede erwiderte, in der er auch des in diesen Tagen dahingeschiedenen Kardinal-Staats sekretärs Jakobini rühmend gedachte. Bei der Berathung derbelgischen Kammer über die von der Regierung Belgiens verlangten Militärkredite be kämpfte der ehemalige Minister Fröre-Orban in zähester Weise die Vorlage, welche der Kriegsminister Pontus und der Finanzminister Beernaert energisch vertheidigten. Von den meisten französischen Blättern wird noch immer jede kriegerische Absicht Frankreichs in Abrede ge stellt, nach wie vor aber dem Kriegsminister Boulanger in maßloser Weise gehuldigt. Die Beziehungen zwischen dem Minister des Aeußeren, Flourens, und dem Kriegsminister erscheinen noch immer äußerst gespannt wegen des vielbe sprochenen Briefes Boulangers an den Kaiser von Ruß land. Die radikalen Blätter Rußlands ergehen sich in Schmähungen gegen Madame Flourens, durch welche die Ursache dieses Zwistes an die Oeffentlichkeit gelangt sein soll. Die „France" forderte den republikanischen Abge ordneten für Nancy, Cordier, auf, sich darüber zu erklären, ob es wahr sei, daß er in dem Vorzimmer der Deputirtcn- kammer zu einem Kollegen gesagt habe, er würde, obgleich er nicht sehr reich wäre, gern 20000 Franks Demjenigen geben, der ein wenig Gift in eine Tasse Kaffee mischte, welche General Boulanger am Abend nehme. Die Panser sind jetzt davon ganz entzückt, daß Boulanger seinen mör derischen Widersacher, sei es, um ihm die Gelegenheit zu erleichtern, seinen „ernsthaften" Plan auszuführen, sei es, um seine eigene Seelengröße zu erweisen, zu seinem nächsten parlamentarischen Diner eingeladen hat. Für das Königreich Portugal dürften aus dem schroffen Vorgehen des Gouverneurs von Mozambique große Verlegenheiten erwachsen. Die Eingeborenen dieser ostafrikanischen Kolonie haben sich nach Abgang der portu giesischen Schiffe und Truppen nach Tungi gegen die Portugiesen erhoben und mehrere Kontore zerstört. Die Stadt Mozambique selbst wird von den Aufständischen bedroht. Wie dem englischen Unterhause mitgetheilt wurde, ist die britische Schutzherrschaft neuerdings auf den an der Goldküste gelegenen Landstrich zwischen Awoonah und Afla und auf das Sefwhi-Gebiet ausgedehnt worden, wodurch man die Sicherung der Handelsstraßen und die Verhinde rung der Sklaverei zu erzielen hofft. AuS Mittelasien ging der englischen Regierung die für sie allein vielleicht nicht überraschende Botschaft zu, daß der Emir von Afghani stan seine llnterthanen aufforderte, sich auf einen hmigen Krieg vorzubereiten. Dem Vernehmen nach werden die in dem russischen Kriegsministerium seit längerer Zeit geplanten Heeresver stärkungen schon in allernächster Zeit ausgeführt. Ins besondere handelt es sich um eine große Vermehrung der Schützenbrigaden, aus denen besondere Schützendivisionen gebildet werden sollen. General Kaulbars erzählte, er sei sem Großfürsten Wladimir zur Dienstleistung zugewiesen. In Bulgarien herrsche eine wilde Bande und ein Zustand, der Rußland die Lust zu jeder Einmischung verleide. Inzwischen beginnt in Bulgarien bereits die von Kaulbars gesäete Drachensaat aufzugehen. Wie die „Agence HavaS" auS Sofia meldete, gelang es einigen nach Ru mänien geflüchteten bulgarischen Offizieren, die Garnison von Silistria anf ihre Seite zu ziehen und die Festung zu besetzen. Die bulgarische Regierung entsendete sofort mehrere Truppenabcheilungen, um die Meuterer in Silistria und in Rustschuk, wo die Garnison sich ebenfalls empörte, zu Paaren zu treiben. Dies wurde erreicht, wie dies aber gelungen ist, darüber fehlen noch zuverlässige Nachrichten. Jmmerhin ist durch diese Anzettelungen und durch die Ver haftungen vieler Rüssenfreunde in Sofia die bulga rische Frage auf's Neue auf die Tagesordnung des euro päischen Aeropags gestellt und der Stein bereits im Rollen, der die schlummernde Lawine weckt. Tagesschau, Freiberg, den 5 März. Einem Berliner Privalbrief, der auf unzweifelhafte Ge währsmänner zurückleitet, entnimmt die „Geraer Ztg." folgende Aeußerung deS derttfchen Kaisers, welche derselbe dieser Tage zu einem sich meldenden Generallieutenant in Gegen wart mehrerer anderer höherer Offiziere gcthan hat: „Er fühle sich um 20 Jahre verjüngt durch den Ausfall der Wahlen; sein Volk hätte ihm kein schöneresGeburtstags-undOstergeschenk machen können." — Wie der „Slaatsanzeiger" für Württemberg meldet, werden sich Prinz und Prinzessin Wilhelm Vos Württemberg zum Geburtsfeste des Kaisers nach Berlin begeben. — Bei der gestern im deutschen Reichstage zunächst erfolgten Wahl des erste» Präsidenten enthielten sich einige Abgeordnete der Stimmenabgabe. Von den vorhandenen 285 Zetteln waren SS unbeschrieben, 184 lauteten auf v. Wedell- Piesdorf,-2 auf Windthorst. Ersterer war somit gewählt und nahm die Wahl mit herzlichen Dankesworten an. Darauf dankte der Präsident v. Wedell Piesdorf im Namen des HauseS dem Grafen Moltke für seine aufopfernde Hingebung in der Führung der Geschäfte des Alterspräsidenten und für die Ehre, welche er dem Reichstage damit erwiesen habe und bat die Versammlung, sich zum Zeichen deS Dankes von den Sitzen zu erhebm. Unter lebhaftem Beifall kam man dieser Aufforderung nach. Zum ersten Vizepräsidenten wurde vr. Buhl (nat.-lib.) mit 172 von 282 Stimmen gewählt; 107 Stimmen erhielt Frhr. v. Franckenstein, 3 Zettel waren unbeschrieben, vr. Buhl nahm die Wahl dankend an und bat als Neuling bei der verantwortungsvollen Stellung um Nachsicht und gute Unterstützung. Zum zweiten Vizepräsidenten wurde Frhr. v. Hertling (Zmtrum) mit 172 Stimmen gewählt, 94 Zettel waren unbeschrieben. Frhr. v. Hertling dankte für das ihm bewiesene Vertrauen. Die ihm erwiesene Ehre gelte nicht seiner Person, sondern seiner Fraktion. Nach seiner politischen Freunde Ansicht hätte aber dem Zentrum die erste Vizepräfidentenstelle gebührt, er lehne deshalb die Wahl ab, und zwar umsomehr, als er wünsche, auch den Anschein zu vermeiden, als ob er eine von irgendwelchen politischen Freunden abweichende Stellung einnehme. Bei der sofort vor genommenen anderweitigen Wahl des zweiten Vizepräsidenten erhielt Frhr. v. Unruhe-Bomst (Reichspartei) 169 von 236 Stimmen, 67 Stimmen waren ungiltig. Derselbe nahm die Wahl an. Zu Schriftführern wurden auf Antrag deS Abg. Windthorst durch Akklamation Graf Adelmann, Bürcklin, Graf Kleist-Kulmiz, Graf Schönborn, Wichmann und HermeS gewählt. Zu Quästoren wählte man die Abgg. Kochmann und Francke. Der Präsident beraumte die nächste Sitzung