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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg Md Braud. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun tu Freiderg. F28. Erscheint jeden Wochentag Rachmitt. V,6Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2d Pf., zweimonatlich 1 M. SO Pf. und einmonatlich 7b Pf. SS. Jahrgang. Freitag, den 4. Februar. Inserate werden bis Vormittag 11 Ubr angenom. men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile I UH>» F . oder deren Raum IS Pi. Die deutsch französischen Beziehungen. Die in rascher Aufeinanderfolge sich wiederholenden Meldungen der preußischen Regierungsblätter von den Barackenbauten und Truppenzusammenziehungeu in den östlichen Departements Frankreichs und die von der deutschen Reichsregierung in den letzten Tagen verfügten militärischen Maßnahmen werfen ein grelles Schlaglicht auf den Stand der Dinge zwischen Deutschland und Frankreich. Es ist grundfalsch, wenn deshalb weitgehende Besorgnisse gehegt werden, da das Verhältniß zwischen beiden Staaten sich neuerdings nicht wesentlich ungünstiger gestaltet hat, als in der ganzen Zeit seit dem Sturz des entschieden frieden freundlichen Ministeriums Ferry. Die Unsicherheit dieses Verhältnisses hat Fürst Bismarck in seinen historischen Auslassungen im verflossenen deutschen Reichstage hinreichend gekennzeichnet. Ganz Deutschland weiß seitdem, daß mit der Eventualität eines neuen deutsch- französischen Krieges, gleichviel ob derselbe in zehn Tagen oder in zehn Jahren ausbrechen wird, sehr ernst gerechnet werden muß. In Bereitschaft sein ist Alles, was Deutsch land gegenüber der Wühlarbeit der französischen Patrioten- Liga, der ehrgeizigen Vielgeschäftigkeit des Generals Boulanger und der Unbeständigkeit der Regierungsverhält- nifse in Frankreich zu thun im Stande ist. Daß Deutsch land Frankreich nicht angreifen wird, das bezweifelt wohl kein einsichtiger Mensch; leider hängt es aber nicht von uns ab, ob die französischen Maßnahmen an der Grenze nur Manöoervorbereitungen bleiben oder ob sie Kriegs borbereitungen werden sollen. Die deutsche Heeresleitung würde sich jedoch einer unverzeihlichen Pflichtversäumniß schuldig machen, wenn sie verabsäumte, Elsaß-Lothringen vor emer Ueberschwemmung durch französische Truppen unmittelbar nach einer möglichen Kriegserklärung zu schützen. Die „Köln. Zeitung" sagt darüber treffend: „Uebersieht Deutschland die französischen Vorkehrungen und läßt sie sich still gefallen, so kann gar leicht in Frankreich der schmeichelnde Glaube angesacht werden, Deutschland fürchte zur Zeit den Krieg mit Frankreich, — und wer möchte bestreiten, daß im letzteren Falle leichter noch als im ersteren ein ehrgeiziger, thatendurstiger und einfluß reicher Mann ohne viel Schwierigkeiten die Franzosen zum Wagniß des Rachekrieges fortreißen könnte!" Dasselbe Blatt giebt aber zu, daß die Erhaltung des Friedens sehr wahrscheinlich ist, wenn Deutschland vor einem Militär konflikt bewahrt bleibt. Wenn die Staatskunst des Fürsten Bismarck unterstützt wird durch die Willensbekundung des deutschen Volkes, jedes Opfer zu bringen, welches er forderlich ist, um den Uebermuth der französischen Chau vinisten einzudämmcn, dürste dieselbe Mittel und Wege finden, die Kriegslust der Revanchelustigen in Frankreich rasch zu dämpfen. Freilich darf auch nichts geschehen, was der leicht erreg bare französische Nationalgeist als eine Beleidigung der Landesehre auffassen könnte. Die stärkere Besetzung der deutschen Grenze bedeutet keine solche Verletzung, wohl aber würde als solche in Paris eine etwaige Aufforderung zur Verminderung der Besetzung der französischen Ostgrenze angesehen werden. Die darauf deutende Nachricht des Londoner Blattes „Daily News" wurde deshalb von Berlin aus schleunigst und sehr entschieden als völlig un begründet bezeichnet. Einem fast nicht minder aufreizenden Artikel der Berliner „Post", der unter der Ueberschrift „Auf des Messers Schneide" die Unhaltbarkeit der durch den Kriegsminister Boulanger in Frankreich geschaffenen Lage nachzuweisen versuchte, dürste kaum ein offiziöser Ursprung beizulegen sein. In der furchtbar gespannten Lage, in der sich jetzt Europa befindet, sind derartige Aus lassungen leicht geeignet, die Welt glauben zu machen, daß man in Deutschland den Krieg mit Frankreich herbeiwünsche, was Fürst Bismarck selbst bekanntlich entschieden bestritten hat. Dieser Schilderung der Gefährlichkeit der Situation widersprechen auch verschiedene Thatsachen, denn wenn Kaiser Wilhelm bei dem letzten Berliner Subskriptionsballe die Gemahlin des französischen Botschafters demonstrativ auszeichnete, wenn der deutsche Botschafter, Graf Münster, eigens von Cannes nach Paris kam, um dem Empfanc bei dem Minister Flourens beizuwohnen, so sind das nich Zeichen, aus welchen zu entnehmen wäre, daß die deutsch- französischen Beziehungen „auf des Messers Schneide" balanziren. Als ein weiteres Friedenszeichen erscheint der Wiener „Neuen Freien Presse" eine Mittheilung des Pariser Blattes „Gaulois". Darnach unterhandelte die russische Regierung mit mehreren französischen Bankhäusern wegen einer Anleihe von 180 Millionen und gab, als riese Verhandlungen wegen der bedrohlichen politischen Situation in's Stocken geriethen, jenen Finanzhäusern ormelle friedliche Versicherungen, die sich namentlich auf )ie Erklärung des Zaren stützen, daß die guten Beziehungen zwischen Rußland und Oesterreich-Ungarn keine Störung erleiden werden und daß man nach den dem Zaren bekannten Gesinnungen des Kaisers Wilhelm keine kriegerische Ver wickelung zwischen Deutschland und Frankreich befürchte. Wenn gerade die liberalen Wiener Blätter sich besonders empört über den neuen „Krieg in Sicht" - Artikel der Ber liner „Post" äußern, ist dies leicht erklärlich durch die großen Opfer, welche der österreichisch-ungarische Kaiserstaat angesichts der Möglichkeit einer deutsch-französischen Ver wickelung bringen zu müssen glaubt. So unerfreulich die Aussicht auf ein neues gewaltiges Ringen der Kulturvölker Deutschland und Frankreich wegen der tausendfachen Folgen ur die eigenen Interessen Oesterreich-Ungarns sein mag, )ie Regierung dieses Kaiserstaates muß nothgedrunaen für eine solche Möglichkeit Vorsorge treffen. Für Oesterreich- Ungarn ist es sogar wahrscheinlich eine Existenzfrage, das treue Festhalten an dem September-Bündniß von 1879 glänzend vor aller Welt darzulegen, gleichviel welche Be- vandtniß es mit den Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland haben mag. Trotzdem Fürst Bismarck Bulgarien auf dem Altar der russischen Freundschaft geopfert hat, cheiut Rußland dafür noch durch keine bindende Er- lärung der Neutralität für dm Fall eines deutsch- ranzösischen Krieges seinen Dank abgestattet zu haben. Viele Aeußerungen der russischen Presse wären ganz unverständlich, wenn Rußland sich bereits zu einer solchen neutralen Haftung verpflichtet hätte. In Wien glaubt man nun, daß entweder diese Unzuverlässigkeit der russischen Politik zur Vertagung des deutsch-französischen Krieges führen oder Oesterreich-Ungarn zwingen werde, feine stärkste Rüstung anzulegen, um in Gemäßheit des September-Bündnisses seinen deutschen Verbündeten vor einem russischen Angriffe zu schützen. Es fehlt nicht an Stimmen in Wien, welche die kürzlich eingeleiteten öster reichischen Rüstungen weniger als eine Konsequenz der drohenden Gestaltung der bulgarischen Frage, als viel mehr durch die prekären Wechselbeziehungen zwischen Deutsch land, Frankreich und Rußland veranlaßt und von Berlin aus inspirirt ansehen wollen. Möge nun diese Auslegung auch vielleicht nicht ganz zutreffen, so steht doch das Eine fest, daß die deutsch-französischen Beziehungen auf die öster reichischen Rüstungen nicht ohne Einfluß bleiben konnten. Wenn selbst Rußland schließlich sich zu einer strengen Neutralität gegenüber einer deutsck-französischen Kollision verstehen würde, dürfte man iu Oesterreich dennoch die Hände keineswegs ruhig in den Schooß legen. Ein deutsch französischer Krieg könnte immerhin Rußland zu dem Ver suche verlocken, sich des mächtigsten Gegners seiner Orient- Interessen durch einen rasch und energisch geführten An griffskrieg zu entledigen. Bei einer solchen Sachlage gab es kein Zögern und wurde deshalb von der österreichisch-ungarischen Regierung die Einberufung der Delegationen zur Zweiten Hälfte dieses Monats beschlossen, um für die Verstärkung der Wehrkraft der Gesammtmonarchie Kreditforderungen zu stellen, deren Höhe zwischen 25 bis 40 Millionen betragen soll. Die nicht unbedeutenden Anschaffungen, welche durch das Inkrafttreten des neuen Landsturmgesetzes nöthig werden, dürften in dieser Summe noch gar nicht inbegriffen sein. Für dieselben beabsichtigen die Landesvertheidigungs- minister beider Reichshälften, dem österreichischen Reichsrath und dem ungarischen Reichsrath besondere Kreditforderungen zugehen zu lassen. Im ungarischen Unterhause hat der Ministerpräsident Tisza bereits Erklärungen abgegeben, welche den in Aussicht stehenden militärischen Maßnahmen dm Charakter einer Vorbereitung zum Kriege nehmen sollten. In ähnlicher Weise hat sich Graf Kalnoky in Wien geäußert und es steht nun zu erwarten, daß man in Oesterreich-Ungarn trotz der wenig günstigen Finanzlage ohne Zögern die Mittel bewilligen wird, die nicht dem Kriege, sondern zur Verhinderung eines Kriegsausbruchs dienen sollen. Hoffentlich wird aber auch die aus den deutschen Reichstagswahlen am 21. d. M. erstehende deutsche Volksvertretung derartig zusammengesetzt sein, daß sie in demselben Sinne bereit ist, Alles zu thun, was geeignet ist Frankreich die Aussichtslosigkeit eines neuen Krieges mi Deutschland klar vor Augen zu führen. Tagesschau. Freiberg, dm 3. Februar. Der deutsche Kaiser empfing gestern Nachmittag I V« Uhr im Beisein deS Grafen Herbert Bismarck den bisherige« mexikanischen Gesandte« iu Berlin, General Franzisko Z. Mena, um aus dessen Händen das Schreiben entgegeuzunehmeu, wo durch derselbe vou seinem Posten abberufeu wird. Da- Diner nahmen die kaiserlichen Majestäten gestern allein ein. — Ueber eine angebliche Aeußeruug deS greisen Monarch« theilt die „Rordd. Allg. Ztg." Folgendes mit: Ein Wähler in der Provinz Hannover hatte den Reichskanzler um W/derlegung der Wahllüge ersucht, daß da- Septeunat die Verlängerung der Dieustzeit auf siebe« Jahre bedeute. Fürst BiSmarck hat darauf erwidert: „Eurer Wohlgeborm )anle ich verbindlich für die gefällige Mittheilung vom 2L. >. M. über die im dortigen Wahlkreise verbreiteten Gerüchte über den Grund der Auflösung des Reichstags. Ich kmm Ihnen nur bestätige», daß eS sich bei der von der Mehrheit des aufgelösten Reichstags verworfen« Militärvorlage in keiner Weise um eine Verlängerung der gesetz- icheu dreijährigen Dienstzeit des Einzelnen, andern ausschließlich um die Feststellung der Stärke des GesammtheereS im Frieden für einen siebenjährigen Zeitraum handelt. Die von Ihn« erwähnte Ausstreuung, daß der allerhöchste Kriegsherr wünsche, „die Jungen« sollten jetzt ganze sieb« Jahre dimm", fällt daher unter die leider uur zu zahlreich auftretmden böswilligen Entstellung« der Absicht« Sr. Majestät deS Kaisers und König-." — In der letzt« Zeit hab« im preußisch« KriegSministerimn unter dem Vorsitz des Generals Blume Berathungm hinsicht lich der Einführung der neuen Jnfanterie-AuS- rüstung stattgefunden, zu welchen verschiedene höhere Offiziere zugezogen waren. Um ein eingehendes, der Praxis entnommenes Urtheil über das neue Gepäck hierbei zu ge winn«, warm zu den Konferenzen auch Offiziere derjenigm Truppmabtheilungen befohlen worden, welchen die neue Aus rüstung zur praktisch« Erprobung überwiesen worden war. Es find dies die beiden Kompagnieführer deS Lehrinfanterie» bataillonS, der frühere Kommandeur des Bataillons, der Kom mandeur des in Metz seit 1. Juli v. I. lediglich zu Versuchs zwecken formirtm BersuchS-Jnfanteriebataillons der 30. Di vision und der älteste Kompagnieführer dieses Bataillons. Diese Detachements haben seit sieben Monaten das neue Gepäck gründlich erprobt durch zahlreiche Marsch- und Feld dienstübungen, Bivouaks, Gefechtsübungen mit scharfen Patronen, sowie auch durch größere Expeditionen. Selbstredend wurde» sämmtliche llebungen mit Kriegsgepäck ausgeführt. Auf Grund der gemacht« Erfahrungen sprach sich die Kom mission einstimmig für Einführung der neuen Ausrüstung aus, wobei noch einzelne, von den Versuchs - Ab- theilungen vorgeschlagene Aenderungen Berücksichtigung fand«. Die neue Ausrüstung bietet dm Vortheil der voll ständigen Befreiung der Brust vom Druck des gerollte» Mantels, sowie der Brotbeutel-, Schanzzeug- und Feld flaschenriemen und ermöglicht so dem Mann ein freieres Athmen, sie bewirkt eine gleichmäßige Vertheilung der Last aus Schulter, Hüfte und Kreuztheil und gestattet einen leicht« Anschlag des Gewehrs und deshalb ein besseres Schießen und ermöglicht endlich die Mitführung einer größeren Anzahl von Patronen, sowie einer dreitägigen aus Konserven bestehenden Verpflegungsportion. Die Genehmigung des Kaisers voraus gesetzt, soll die neue Ausrüstung in Bälde zur Einführung gelangen und die Beschaffung der für die neu zu formirende» Regimenter benöthigten Ausrüstungsstücke möglichst nach dem neuen Muster erfolgen. Das Uebergangsstadium von der alten zur neu« Ausrüstung wird übrigms nur ganz kurze Zeit dauern, da ein großer Theil der alt« Stücke nach der neuen Probe aptirt werd« kann. — Von gutunterrichteter Seite wird bestätigt, daß jetzt in der kirchenpolitischen Frage zwischen Preußen und dem Vatikan völliges Einver nehmen herrscht und daß die Verhandlungen zu Vereinbarung« führten, deren Inhalt den freundschaftlichen Beziehung« zwischen der preußisch« Regierung und der päpstlichen Kurie durchaus entspricht. — Da in Berlin ein Verzicht des Abg. Cremer auf eine dortige Reichstagskandidatur in Aussicht steht, wird es möglich sein, in allen sechs Berliner Wahlkreis« Kandidaten aufzustcllen, für welche alle liberalen und konser vativen Anhänger der Militär-Vorlage zu stimmen vermögen. Nach einer der „Deutschen Zeitung" aus zuverlässiger Quelle gewordenen Mittheilung hat der Kaiser von Oester reich in den letzten Tagen dem Gesandten einer Großmacht