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i> Braud 267 Ml! Amtsblatt für die Nützliche« und Wüsche« Behörde« z« Freiberg Bermüvorlsicha RedÄte«: 3»!iu» Brau« i« Freiberg. Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom- I men und beträgt der P^issür dk g^Paltme Zeile over deren maum ib Pf. I und Tageblatt. --- 4t). Jahrgang - Erjchcml jeden Wochentag Nachmitt. '/,SUHr für den SLÄ. Donnerstag, den 17. November. wirklich« Thatbestand verdunkeln zu lassen. Die Pariser, Blätter sind angefüllt mit Unterhaltungen von Reportern j Die Krifis in Frankreich l 16. November. l der Spitze seine» der Krankheit de» Gewißheit gebende Tagesschau. Freiberg, dm Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht au amtlichen Theil» folgende über die Natur deutsche« Kronprinzen die traurigste 1 Mittheilung: »Der vr. Moritz Schmidt hat Sr. Majestät dem Kaiser und König über die Konsultation am 11. November 1887 Nachstehende» berichtet: Bet der Untersuchung de» Kehlkopfe» Sr. Kaiserlich« und Königlichen Hoheit de» Kronprinzen haben die versammelt« Aerzte frststellen können, daß das Leid« durch da» Bor- handmsein einer bösartig« Neubildung bedingt ist; dieselbe fitzt vorwiegend unter dem linken Stimmbande und an der Hinterwand de» Kehlkopse», kleine Anfänge zeig« sich auch auf der rechten Seite. Da» Uebel ist bi» jetzt ein örtliche» und hat da» All gemeinbefinden nicht beeinträchtigt; die Gefahr der Neubildung liegt in der« allmäliger Zunahme. Nachdem Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit sich nicht sür HerauSnehmen de» ganzen Kehlkopfe» entschieden, wird in einer länger« oder kürzeren Zeit durch Auftreten von Athe»- noth der Luftröhrmschnitt vrrumthlich nothwmdig werd«. Die versammelten Aerzte hab« Sr. Kaiserlich« und Königlichen Hoheit empfohlen, dm Winter im Süd« zu zubringen, weil der Aufenthalt daselbst e» eher ermöglich« wird, die Körperkräft« auf dem jetzigen Stande zu erhalten. Mit Vorstehendem stimmt der von dem stellvertretmden Leibarzt vr. Schrader hierher gelangte Bericht durchau» überein. Es ist Vorsorge getroffen, daß für den Fall de» Bedürf nisse» eine bewährte chirurgische Kraft in San Remo zur Stelle ist." Der erste Assistent de» Geheimrath» v. Bergmann, vr. Bramann, ist für die eventuelle Ausführung eine» Luftröhren« schnitte» auserseh« und wird nächster Tage nach San Remo abgehen. Die Kronprinzessin ist nach Bordighera gereist, um mit dem Kaiser von Brasilien eine Zusammenkunft zu haben. In der RetchShauptstadt hat am Montag Geheimrath von Bergmann in seiner klinischen Vorlesung die Operation der halb seitigen Kehlkopf. Resektion wegen Kcebser- krankung an einem LOjährigen Patienten ausgesührt. DieOpe- ration verlief glücklich und Professor von Bergmann verbreitet« sich ausführlich über die Bedingungen, welche diese Operation nothwmdig mach«, über die Art der Ausführung und über die Aussichten auf Erfolg. Ein mehrere Hunderle von Zu hörern umfassendes Auditorium folgte mit Thrilnahme und gespanntester Aufmerksamkeit dem Vortrage de» glänzend« Operateurs »nd verglich im Stillen die Vortheile einer früh zeitigen Operation mit dem jetzigen tragischen Schicksal de» deutschen Kronprinz«. —Dieses Schicksal hat, wie zu erwarten war, auch die Gesundheit der deutschen Kaiserin tief erschüttert. Wie die „Elberfelder Zeitung" schreibt, lauten die Nachrichten über die hohe Frau fortgesetzt ungünstig, doch giebt ihr Zustand zu augenblicklichen Besorgniss« keinen An laß. Dagegen ist unser Kaiser von seiner letzten Unpäß lichkeit vollständig wieder hergestellt. Gestern Mittag erschien der Monarch, als die Wache auszog, unter dem unnennbar« Jubel de» Publikums, welches wiederum nach Tausenden zählte, am Fenster seine» Arbeitszimmers, von wo aus Allerhöchst- derselbe, huldvollst nach allen Seiten sich verneigend, für di« ihm dargebrachten Ovationen dankte. Der in Danzig ver sammelt« westpreußischen Synode sandte der Kaiser aus ihre an ihn gerichtete Adresse folgende Antwort: „Der Provinzial synode von Westpreußen danke ich verbindlich für den Aus druck der Treue und Ergebenheit, mit welchem dieselbe au» Anlaß ihres ersten ZusammentretcnS mich begrüßt hat. Ich bin mir bewußt, daß die Synode unter besonders schwierigen Verhältnissen zu wirken bestimmt ist, ich vertraue aber ihrer ernsten und warmen Hingebung an ihren Beruf, daß sie die ihr zugewiesenen Ziele mit Gottes Hilfe zum Segen der Kirche erfolgreich erstreben wird. Die frommen Wünsche, welche die Synode für meinen schwererkrankten Herrn Sohn, des Kron prinzen Kaiserliche und Königliche Hoheit, ausgesprochen hat, haben mein tiesbetrübteS Herz wohlthuend berührt. Möchte dieses für mein Haus, wie für unser Vaterland schwere Ber- hängniß durch Gottes Allmacht und Gnade bald von un» ge nommen werd«! Berlin, 14. November 1887. Wilhelm." Souschef der Sicherheitspolizei, Goron, versichert, niemals bei den Akten gew«sen ist. Von den Freunden der Regie rung ist auch die Fälschung der beiden ersten Bnefe Wilsons entschieden bestritten und nachgewiesen worden, daß der Papierfabrikant, welcher aus dem Wasserzeichen sür Wilson belastende Schlüsse zog, sich im Jrrthum befand. Da Wilson vor dem Untersuchungsrichter Athalin in Gegen wart der Limousin bekannte, daß er die beiden Briefe ge schrieben habe, hätte er sicherlich Bedenken getragen, diese Dokummte zu beseitigen oder zu entstellen. Der betreffende Papierfabrikant behauptet neuerdings, es sei richtig, daß das Wasserzeichen 1885 schon 1881 angebracht wurde, aber auf eine andere Sorte von Briefpapier wie diejenige, wo rauf die angeblich unterschob«« Briefe geschrieben seien. Da derartige Beweisgründe gegen den Schwiegersohn Nrsvys kaum hinreichen dürften, um von der Deputirten- ämmer die Erlaubniß zu seiner gerichtlichen Verfolgung zu verlangen, bringen seine Gegner bereits wieder neue Be- chuldigungen geg« ihn vor. Der Intransigent Rochefort erklärte am Montag Folgendes vor der parlamentarischen Intersuchungs-Kommission: Im Scheidungsprozesse einer Dame, deren Namen Rochefort nicht nannte, sei in der rsten Instanz das Kind dem Manne zuerkannt worden, darauf habe die Dame appellirt und Wilson eine halbe Million gegeben, worauf das Urtheil des Appellhofes den Mann verurtheilt und das Kind der Frau zugesprochen habe. Rochefort wiederholte auch die Beschuldigungen be züglich der Zahlungen des Barons Seilliere, ohne auch irgend welche Beweise beizubringen. Die Enquöte-Kommission vernahm darauf noch den Redakteur des Journal „Paris", Laurent, welcher so wichtige Enthüllungen machte, daß die Ausschußmitglieder angeblich nach der Sitzung erklärten, )aß die Angelegenheit eine ernste Wendung nehme. Ob diese Wendung Wilson und nur diesen allein betrifft, steht noch dahin. In Folge der Aussage Laurents begab sich eine Delegation der Kommission mit dem Präsidenten Demons zu dem Untersuchungsrichter Athalin und verlangte von ihm eine Haussuchung bei einer Person, deren Name nur De mons von Laurent anvertraut worden ist. Dieselbe soll einige zwanzig Briefe besitzen, die nachweisen, daß Wilson mit d'Andlau einen wahren Ordenshandel getrieben habe Athalin beschloß angeblich, das Verfahren auch auf den Polizeipräfekten Gragnon und den Souschef der Sicherheitspolizei Goron, als für Unterschiebung der Wilsonschen Briefe verantwortlich, auszudehnen. Der mit der Limousin und deren Gelrebten Lorentz. Die ent setzliche Person brüstet sich mit noch vielen anderen Be ziehung«, welche sie enthüllen werde und lieferte den Reportern bereits ein« recht zärtlichen Brief aus, den 1879 General Paul Grsvy, der Bruder des Präsidenten der Republik, an sie geschrieben hat. Daß die Blätter der äußersten Linken fortfahren, alle möglichen Erfindungen zu verbreiten, durch welche mittelbar der Präsident der Re publik bloßgestellt werden soll, kann nicht überraschen. So wird dem „Jntransigeant" der Inhalt eines angeblichen Schreibens Wilsons mitgetheilt, das sich ebenfalls bei der Limousin befunden haben soll, in Wirklichkeit aber, wie der Während das ganze deutsche Volk von banger Sorge um das Leben des edlen Kaljersohnes erfüllt ist und oen Gedanken der Hoffnungslosigkeit seines Zustandes nicht fassen kann noch mag, bereiten sich in Frankreich Dinge vor, die gerade jetzt von bedrohlichster Bedeutung sind. An der Spitze des französischen Freistaates steht ein durchaus ehrenhafter und friedliebender alter Mann, dessen längeres Verbleiben auf dem Präsidentenstuhle Frankreichs von allen Friedens freunden gewünscht wird, von einer Reihe von ehrgeizigen Strebern und von Denen, die nach einem Rachekriege mit Deutschland lechzen, aber ungern gesehen zu werden scheint. Die Entschiedenheit, mit welcher der greise Präsident Grövy seiner Zeit dem übermüthig gewordenen Kriegsminister Boulanger entgegentrat und sein Einverständniß mit der sich von Fall zu Fall mit der Rechten verständigenden Politik des Konseilpräsidmt« Rouvier und des jetzigen Kriegsministers Ferron haben die Chauvinisten, die Radikalen und die Intransigenten gleichmäßig erbittert. An der Un- beugsamkeit des sonst so stillen Greises sahen diese unruhigen Köpfe wiederholt ihre Pläne scheite«; um so dringender wird ihr Verlangen nach dem Abschluß einer Präsident schafts-Periode, die ihnen so geringe Aussichten bietet. Alle ihre Versuche, den greisen GrSvy regierungs müde zu machen, schlug« bisher fehl; er hielt mit Zähigkeit an seinem so wenig erfreulichen Amt fest, nicht aus Ehrgeiz, sonde« aus Pflichtgefühl, um sein Vaterland nicht der Anarchie anheim fall« zu lassen. Der Leichtsinn seines Schwiegersohnes Wilson erschwerte ihm wiederholt dieses geduldige Ausharrm in fast unglaublicher Weise. Trotz seiner Sparsamkeit deckte Grövy wiederholt Wilsons Schulden, um den Gegnern seines Regiments keine Blößen zu zeigen; er verhinderte aus gleichen Gründen seine Tochter Alice den Gatten zu verlassen, dessen Untreue und Ver ¬ schwendung ihr vielen Kummer bereitete. Endlich bot der Prozeß Caffarel-Limousin den Gegnern Grövys die erwünschte Gelegenheit, den Skandal herbeizu führen, den dieser bisher mit großen Opfern hintangehalten hatte. Es stellte sich heraus, daß das ränkesüchtige Weib, das ihr notorisches Verhältniß zu dem aus der Reihe der Radikalen hervorgegangenen Kriegsminister Thibaudin sehr schlau benutzt hatte, und auch unter dessen Nachfolgern im französischen Kriegsministerium frei aus- und eingeh« durfte, mehrere Briefe Wilsons, des Schwiegersohnes von Grsvy, besaß. Im Laufe des Prozesses sollen diese beiden Briefe an die Frau Limousin von der Polizei an Wilson ausgeliesert und von diesem dafür zwei Briefe harmloseren Inhalts untergeschoben worden sein. Als Beweis für diese sowohl Wilson wie die mit der Beschlagnahme der Papiere betraute Pariser Polizeipräfektur schwer belastende Be hauptung diente das Wasserzeichen des Papier», welches auf das Jahr 1885 lautete, während die Briefe aus dem Jahre 1884 datirt waren Gegen Wilson lag aber auch die Be schuldigung vor, als Mitbewohner des Elysee-Palastes Jahre hindurch gewisse dem Präsidenten zustehende Vorrechte, wie Portofreiheit u. dgl. m. widerrechtlich mitgenossen zu haben. Angeblich hat Wilson dies zugestanden und freiwillig eine Ent- schcwigung von 40000 Frks. dafür angeboten. Das Netz zog sich trotzdem über seinem Haupte so dicht zusammen, daß sich das Ministerium Rouvier außer Stande fühlte, für ihn in der Deputirtenkammer einzutreten, sonde« seinen Gegnem das Recht zugestand, durch einen dazu erwählten Kammer Aus- schuß die Affaire Wilson untersuchen zu lassen. Der Vertheidiger der Limousin hatte inzwischen vor dem Zuchtpolizeigericht leichtes Sp el, denn die nach- gewiesenen Beziehungen seiner Klientin zu einer Reihe der einflußreichsten Persönlichkeiten Frankreichs schützten dieselbe vor dem Verdacht, Denen, welchen sie für die Verschaffung von Auszeichnungen und Lieferungen Geld abgenommen hatte, etwas Falsches vorgespiegelt zu haben. General Caffarel erschien mehr und mehr in dem beklagenswerthen Lichte eines Mannes, dessen ungünstige Vermögensverhält nisse von Schwindlern ausgebeutet worden waren, ohne daß er selbst seine Stellung mißbraucht hätte. Klarer lag eine ähnliche dem General d'Andlau beigemessene Schuld am Tage, aber dieser edle französische Senator hatte früh zeitig das Weite gesucht und konnte nur in eontuwasiam zu fünfjährigem Gefängniß, 3000 Franks Geldbuße und zehnjährigem Ehrenrechtsverlust verurtheilt werden. Jr Sachen der Limousin gelangte das Zuchtpolizeigericht nicht so schnell zu einem Abschluß und wurde die entsetzliche Persmi auch nicht daran verhindert, durch die sie umlagern den Vertreter der radikalen Hetzblätter die öffentliche Mei nung m einer fast unglaublichen Weise bearbeiten und den n dem Prozeß Limousin aufgewühlte Schmutz hastet icher nicht nur an einer einzelnen Person. Dem Pariser Natt „Temps" ging ein Brief zu, in welchem ein im luslande lebender Franzose gegen die beschlossene Veröffentlichung der Protokolle der Untersuchungs- Kommission protestirt, damit nicht im Auslande der Glaube verbreitet werde, daß in Frankreich Alles verfault sei. Der „Temps" schließt sich dem Proteste seines Korrespondenten an, hebt aber gleichzeitig hervor, daß gerade diese Skandale den Beweis der Integrität der französischen Verwaltung geliefert haben. Jedenfalls scheint die Wilson-Affaire nur aufgebauscht zu werden, um Grsvy zu zwingen, Boulanger Platz zu machen. Nach dem „Journal des Debats" erklärte er aber, daß er selbst dann nicht von seinem Posten zurücktreten wolle, wenn selbst der Anttag auf gerichtliche Verfolgung Mil ons in der Kammer eingebracht und angenommen werden würde. Dieser Entschluß befestigte sich in ihm, als die Intran sigenten beschlossen, zur offenen Empörung und zum Barri kadenbau zu schreiten, falls etwa Grövy zu Gunsten des von ihnen gefürchteten Opportunistenführers Jules Ferry zurücktreten wolle. Seit Sonntag ist Boulanger wieder in Paris und des Moments gewärtig, in dem ihm die Radi kalen und Intransigenten den Weg zu jener Stelle bahnen, von der aus er keine Stunde zögern würde, Deutschland den Kr eg zu erklären. Hoffentlich vereitelt Grövys Zähig- leit die Hoffnungen dieses ehrgeizigen Volksgenerals.