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NO I andern Tag. Preis vlerteyahrUS » Marr 2v Pi., '/»" -K-V V^ zweimonatlich l M SO Ps. und rinmrnatlich 7bPf. Inserat» »erden bi» Bormittag 11 Uhr angenom« UH UH MI men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H UHU» M »der deren Raum 1» Pf. w » »0. Jahrgang. -> Sounabend, -e« 23. Juli. und Tageblatt Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Senuttwortlicher Redaktarr: Jalir» Braun in Freiberg Nachbestellungen »uf die Monate August und September Werden zum Preise vo« 1 Mk. 5V Pfg. vo« alle« kaiserliche« Postanstatte« sowie vo« de« be- Fannte« Ausgabestelle« und der unterzeichneten Expedition ange«omme«. Expedition -es Freiberger Anzeiger. Die Untergrabung des russischen Kredits. Eine ganze Reihe preußischer Blätter setzt den Kampf gegen die russischen Werthe mit auffallender Heftigkeit fort, und führen dabei besonders die „Neue Preuß. Ztg", die „Ber liner Politischen Nachrichten" und die „Kölnische Zig." eine Sprache gegen Rußland, die fast als kriegerisch zu bezeichnen ist. Das erstgenannte Blatt, die sogenannte „Kreuzzeitung", macht kein Hehl daraus, daß diese vereinten Angriffe nicht nur den Zweck haben, das deutsche Kapital möglichst in Sicherheit zu bringen, ehe der „russische Staatsbankerott" mit allem Ungestüm ausbricht, sondern auch den Haupt urheber der fortwährenden Beunruhigungen Europas und dessen ebenso unberechtigten als unbändigen Macht erweiterungstrieb, der eine halbe Welt in ihrer natur gemäßen Entwicklung aufhalte, mindestens auf ein Menschen alter lahm zu legen. Die Ursachen der Ueberschuldung Rußlands sucht das erwähnte Blatt in der auswärtigen Politik, wie in den kläglichen inneren Zuständen des russischen Reiches. Trotzdem Rußland nur mit deutschem Kapital habe Eisenbahnen bauen und Heere ausrüstcn können, sei es den Slavophilen gelungen, den Zaren aus der Freund schaft mit Deutschland herauszuziehen und ihn zu Maß regeln zu bestimmen, welche die Gefahr eines kriegerischen Zusammenstoßes näher rückten. In absehbarer Zeit sei nicht auf die Wiederkehr der russisch-deutschen Freundschaft zu rechnen, weil Rußland für die Wiederannäherung an Deutschland die Gewährung voller Aktionsfreiheit im Orient als Preis verlange, das deutsche Reich aber nicht gewähren könne, was feinen eigenen Frieden und denjenigen der ihm befreundeten Mächte gefährden würde. Die „Köln. Ztg" betont bei ihren Angriffen gegen die russischen Papiere mehr die finanziellen als die politischen Gesichtspunkte, giebt aber eine sehr grau in grau gemalte Schilderung der Finanzlage Rußlands. In dieser von den Berliner Regierungsblättern reproduzirten Darlegung heißt es: „Ein Anderer als der gegenwärtige russische Finanz minister könnte die Sachlage berücksichtigen; Herr Wyschne- gradski aber ist nicht genug ernsthafter Politiker, um sich über die Folgen der Untergrabung des russischen Kredits, die sich im Reich hier vollzieht, große Sorgen zu machen. Geld herbeizuschaffen ist sein vornehmstes Streben, aber eine verständige und wohlberechnete Finanzwirthschaft darf man von ihm nicht erwarten. Das neueste finanzielle Abenteuer ist die in Aussicht genommene Einführung des Branntwein Monopols in drei zentralen Gubernien. Es soll ein Versuch sein, aber man braucht nur die Fragen der Absperrung dieser Landestheile gegen den Schmuggel und der Kosten dieses Versuchs aufzuwerfen, um die Luftigkeit dieser Finanzmanövcr zu erkennen. Ebenso abenteuerlich ist die Absicht, eine oder zwei Milliarden in Europa zu borgen. Inzwischen zeigen die endlosen Listen der von den Agrarbanken zur öffentlichen Versteigerung gestellten Güter, wie es mit der russischen Volkswirthschaft bestellt ist. Der Bankerott dieses Hauptgcwerbes wird immer allgemeiner und er wird durch die seit zwei Jahren gegründeten beiden Staatsbanken, die Adels- und die Bauer-Agrarbanken, nicht aufgehalten. Beide Banken haben bisher bereits etwa 160 Millionen Rubel Darlehen ertheilt, aber auch recht schlimme Erfahrungen gemacht. Das Geld wird wohl ge geben, aber cs hält schwer, das Geld zurückzubekommen oder die Zinsen zu erhalten. Die Zustände auf dem flachen Lande sind in vielen Gegenden verzweifelte: der Groß grundbesitz bankerott, der Bauer bettelarm und dem Trunk ergeben. Das ist die geringste Sorge der Regierung. Wenigstens sollte man das glauben, wenn man sieht, wie wenig sie sich darum und wie viel sie sich um die Ostsee- Provinzen und um Bulgarien kümmert. Hierin allein liegt schon die volle Rechtfertigung deS Mißtrauens, welches in Deutschland gegen die Kreditfähigkeit Rußlands erwacht ist." Zur Untergrabung des russischen Kredits tragen jedoch die m Rußland neuerdings auftauchenden Finanzprojekte weit mehr bei, als die Angriffe der preußischen Regierungs blätter. Ein von der russischen „St. Petersburger Ztg." gemachter Vorschlag hat ganz besonders den Markt der russischen Papiere verstimmt. Diese Zeitung befürwortete die Umwandlung aller russischen Äoldanleihen in Papier- Rubel-Obligationen, was gleichbedeutend mit dem Staats bankerott wäre. In dem betreffenden Artikel wurde aus- geführt, daß für die Sicherheit des Rubels in gleicher Weise wie für die Goldanleihen das gejammte Vermögen des Zarenreiches verpfändet sei. Wenn man nun die da durch gebotene Sicherheit bezüglich der Goldanleihen der gestalt veranschlage, daß man die letzteren mit Preisen von 90 bis 100 Prozent bewerthe, so sei es widersinnig, gleich zeitig den RubelkourS bis 60 Prozent herabzudrücken. Thatsächlich habe man auch in der Entwerthung des Rubels das Ergebniß von Umtrieben der ausländischen Bankiers, durch deren Vermittelung Rußland das für den Dienst seiner Metallrubel-Anleihen erforderliche Geld beschaffe, vor Augen. Es liege im Interesse dieser Bankiers, der russischen Regierung diese Goldmengen möglichst theuer zu verkaufen oder, was dasselbe sei, den Rubeuours thunlichst herabzu- setzen. Dieses Bestreben werde mit einem Schlage auf hören, wenn Rußland seine Goldschulden in Papieranleihrn umwandle. Alsdann hätten die sämmtlichen auswärtigen Börsen ein unmittelbares Interesse Daran, den RubelkourS thunlichst hoch zu sehen, und die bisherigen Gegner würden sich in Freunde verwandeln- Den Inhabern der Goldanleihen könne man für je 2'/, Francs Gold etwa einen Kreditrubel auswerfen, welches Verhältniß dem Durchschnittspreise des Kreditrubels während der letzten zehn Jahre entspreche. Mit einer solchen Abfindung würden sich — davon ist das genannte Blatt überzeugt — die Besitzer der Goldanleihen einverstanden erklären. Der Einwand, daß eine derartige Konvertirung einen verschämten Bankerott darstelle, sei nicht stichhaltig. Nach den Lehren der National-Oekonomie habe man den Stand der Getreidepreise zum Ausgangspunkte für die Vergleichung sämmtlicher Preise zu nehmen. Gegen wärtig könne man nun aber für einen Kreditrubel reichlich ebensoviel Getreide kaufen, wie zur Zeit der Ausgabe der meisten Goldanleihen für Francs. Infolgedessen ent- spreche das vorgcschlagene Umwandlungsverhältniß von 2^/, Francs gleich 1 Kreditrubel vollauf dem Standpunkte der Billigkeit. Bis jetzt ist man an der Berliner Börse aeneigt anzunehmen, daß die russische „St. Petersburger Zeitung" mit diesem sonderbaren Vorschläge nur ihre eigene Finanzweisheit auftischt und daß das russische Finanz ministerium einem Plane fernsteht, den selbst die Freunde des russischen Staatskredits als „Bankerott" bezeichnen. Gegen diese Auffassung der Stellung des Petersburger Blattes wenden sich die offiziösen „Berliner Politischen Nachrichten," indem sie darauf Hinweisen, daß diese Zeitung dem Ministerium des öffentlichen Unterrichts gehört und das besondere Organ des Prokurators Pobedonoszew, des bekannten orthodoxen Erziehers des Zaren, ist. Der Haupt redakteur der russischen „St. Petersburger Zeitung" bekleidet nebenbei im Departement der öffentlichen Aufllärung die Stellung als Staatsrath, so daß seine Aeußerungen doch wohl mehr Beachtung verdienen als die Berliner Börsen blätter anzunehmen scheinen. In den panslavistischen Kreisen Rußlands, denen leider der jetzige Finanzminister Wyschne- gradski entnommen ist, glaubt man aber den Fehdehandschuh äufnehmen zu können, der von Deutschland der russischen Finanzpolitik hingeworfen wurde. So schreibt das Haupt organ der russischen Konservativen, der von dem Fürsten Meschtscherski redigirte „Grashdanin": „Die erste Antwort Rußlands könnte ein verstärkter Rückkauf der entwcrtheten russischen Fonds, der zweite aber die Einführung einer entsprechenden Steuer für alle Ausländer sein, die sich in Rußland aufhalten und in irgend welcher Weise kommerziell oder industriell beschäftigt sind. Sollte man von Berlin aus auch hiernach noch den Krieg gegen unsere Werthe fortführen, so würden wir am besten thun, wenn wir auch unsererseits auf dem uns von Berlin angezeigten Wege wcitergehen und schließlich die Einfuhr aller deutschen Pro dukte nach Rußland bedingungslos verbieten. Freilich wird es uns nicht leicht werden, die deutschen Erzeugnisse zu vermissen. Trotzdem bin ich aber der Ueberzeugung, daß die Deutschen unter dieser Maßregel unvergleichlich mehr leiden werden, als wir." Sollte man in Petersburg diesen Ton nicht herabstimmen, dann dürste sich Fürst Bismarck vielleicht doch noch veranlaßt sehen, die Direktion der Deut schen Reichsbank anzuweisen, die Lombardfähigkeit der russischen Papiere einzufchränken. Die bei der Reichsbank lagernden offenen Hinterlegungen enthalten in außerordent lich umfangreichem Bettage russische Werthpapiere, von denen ein großer Theil m kleinen und mittleren Händen sich befindet. Von diesen Hinterlegungen wurden m den letzten Tagen nach Millionen zählende Beträge im Auftrage der Besitzer seitens der Reichsbank verkauft. Nach dem deutschen Bankgesetze braucht der Reichskanzler in seiner Eigenschaft als oberster Chef der Reichsbank zu der an- gedeuteten Verfügung nicht einmal das Bankpräsidium zu befragen. Eine derartige Anordnung müßte um so tiefer wirken, als dann die politischen Beweggründe, welche der Aktion zu Grunde liegen, unzweideutig zu Tage treten würden. Der bishenge offiziöse Federnieg gegen den russischen Staatskredit kann noch immer von der deutschen Reichsregierung desavouirt werden, eine Verfügung der deutschen Reichsregierung, wie die in Rede stehende, würde aber als eine direkte Feindseligkeit der deutschen Regierung gegen Rußland, als eine absichtliche Untergrabung des russischen Staatskredits und deshalb als ein ernstes poli tisches Symptom zu bettachten sein. Tagesschau Freiberg, den 22 Juli. Trotz der Anstrengungen der letzten Reisetage erfreut sich der deutsche Kaiser des besten Wohlseins. Mittwoch wurde der Statthalter Graf Thun zum Dmer im Badeschlosse zu gezogen. Vorgestern Nachmittag hat der Monarch der Gräfin Lehndorff einen Besuch in der „Solitude" abgestattet und gegen Abend eine Spazierfahrt mit dem Grafen Lehndorff inS Kötschachthal unternommen. Nach den bisherigen Bestimmungen wird Kaiser Wilhelm bis zum 16. August in Gastein bleiben, doch hängt der endgiltige Beschluß von dem Befinden deS Kaisers und dem Erfolg des Gastciner Aufenthaltes ab. Darnach wird sich auch die Zeit und der Ort für die Zu sammenkunft mit dem Kaiser von Oesterreich richten. Man nimmt indessen als ziemlich gewiß an, daß diese Zusammen kunft nicht in Salzburg, sondern in Gastein stattfinden wird. — Die deutsche Kaiserin verläßt mit ihrem Hofstaat am 25. d. M. Koblenz und begiebt sich zunächst nach Homburg, woselbst zum Empfang bereits die nöthigen Einrichtungen ge troffen werden. — Der vor einigen Tagen in Berlin einge troffene indische Fürst, der Maharadschah von Hyderabad, Sir Salar Aung, ist mit den in seiner Begleitung sich be findenden indischen Fürstlichkeiten und Offizieren, sowie seiner Dienerschaft gestern früh 7^ Uhr von Berlin wieder ab- gcreist und hat sich vom Bahnhofe Friedrichstraße aus über Köln nach Calais begeben, von wo aus die Ueberfahrt nach England erfolgen soll. — Der „Reichs-Anzeiger" veröffent licht das Gesetz, betreffend den Verkehr mit Kunstbutter, sowie die Erklärung der deutschen und der portugiesischen Re gierung, betreffend die Abgrenzung der beiderseitigen Be sitzungen und Interessensphären in Südafrika. — Gestern Vormittag fand in Berlin in der Reichsbank eine Sitzung von Interessenten des erweiterten sogenannten Preußen- Konsortiums statt, worin die Abrechnung über die neueste Ausgabe der deutschen Reichs-Anleihe zur Vorlage gelangte. — Die „Magdeburger Zeitung" bestreitet die Richtigkeit der Wiener Meldungen, welche die Kandidatur des Prinzen Ferdi nand von Koburg als abgethan bezeichnen, und behauptet, daß die Berliner politischen Kreise die bisherige Haltung des Prinzen als durchaus sachgemäß ansehcn. Noch hat die russische Regierung ihr letztes Wort nicht gesprochen, und so lange dies nicht der Fall ist, erscheint eine Sinnesänderung des Zaren bezüglich dieser Persouenfrage nicht ausgeschloffen. Man findet in Berlin auch nicht, daß Prinz Ferdinand sich bisher schwankend oder gar unzuverlässig gezeigt habe. Die obwaltenden äußeren Umstände machen chm eine kluge Zurück haltung zur Pflicht, nicht nur mit Rücksicht auf seine eigene Person, sondern mehr vielleicht noch mit Rücksicht auf den europäischen Frieden. Daß die Bulgaren ungeduldig sin» und eine schnelle Lösung der fast ein Jahr dauernden Krists leb haft wünschen, ist begreiflich. Prinz Ferdinand macht sich aber um Europa wohl verdient, wenn er sich durch diese bul garische Ungeduld nicht zu unüberlegten Schritten hinreißen läßt. — Die Münchener „Neuesten Nachrichten" bringen einen Leitartikel über die französische Mobilifirung aus der Feder eines unserer als hervorragendste und beste Kenner der französischen Verhältnisse geltenden Militärschriftsteller, worin