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tO. Jahrga«,. —————— Donnerstag, Sen 28. Juli. Inserate »«dm bi» Bormitlag 11 Mr äugen»«- " mm und beträgt dn Prei» für die gespaltene Aeil« »der derm Raum 1S W. * und Tageblatt. Amtsblatt für die kömglicheu md stiidtischeu Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redatte«: Joli«» Braun in Freiberg HA »0 I M emoem Tag. Preis vlenellähruch 2 Marr W M., n,'»-' * zweimonatlich 1 M. so Pf. und «Mmenattich 7b Pf. Nachbestellungen «ns die Monate August «ud September werden zum Preise von 1 Mk. 5« Pfg. von alle« Saiserlichen Postanstalten sowie von de« be kannte« Ausgabestelle« u«d der ««terzeichnete» ExpedMon angeuomme«. LrpedUiou des Freiberger Anzeiger. Die allgemeine Lage des Handels und der Gewerbe. In dem jetzt erschienenen Bericht der Handels- und Gewerbe kammer in Dresden ist über die allgemeine Lage des Handels und der Gewerbe Folgendes gesagt: „Was wir in unserem letzten Berichte zur Kennzeichnung der all- gemeinen Geschäftslage zu sagen hatten, behielt zunächst auch für die größere Hälfte des Berichtsjahres, ja für viele Geschäftszweige überhaupt Geltung. Der Rückgang der Pteise der meisten Fabrikate, welche man Ende 1885 als auf dem tiefsten Standpunkt angelangt betrachtete, setzte sich zunächst weiter fort; trotzdem war der Absatz kein erleichterter, sondern mußte vielfach außer durch Preisnach laß noch durch Gewährung langer Kredite und ander weitige Vergünstigungen an die Käufer erkämpft werden. Auf die Kaufkraft selbst wirkten dieselben Ursachen wie in den Vorjahren verringernd ein. Die Landwirthschaft blieb trotz abermaliger günstiger Ernte und trotz des ihr unzweifelhaft zu Gute kommenden Sinkens des Zinsfußes der Hypotheken, Pfandbriefe rc. in der gleichen gedrückten Lage, während der auf Renten aus bestimmten Kapitalien angewiesene Theil des Publikums durch den anhaltend niedrigen Stand des Zinsfußes und die andauernden Kon versionen in seinem Einkommen geschmälert und dement sprechend in seiner Kaufkraft geschwächt verblieb. Auch das in Handel und Industrie arbeitende Kapital sah vorwiegend den Unternehmergewinn im weiteren Rückgänge begriffen; in manchen Industriezweigen war man dankbar, als Ge schäftsergebniß eine dem niedrigen Rentenzinsfuße gleich kommende Verzinsung des arbeitenden Kapitals zu erzielen, in anderen konnte Deckung der Betriebskosten kaum erreicht werden. Die Menge der produzirten Waareu dürfte hinter der des Vorjahres nicht zurückgeblieben sein, eher sie über stiegen haben, wenigstens kehrt das Schlagwort „Ueber- produktion" noch in den meisten Berichten wieder — unseres Erachtens nicht mehr ganz mit der Berechtigung wie früher. Daß der Werth vieler der umgesetzten Waaren bei gleicher Umsatzmenge nicht die Werthzahlen des Vor jahres erreicht haben dürfte, erhellt aus Dem, was über die Fortdauer der Preisrückgänge gesagt wurde. Hinsichtlich desAusfuhrhandels ist hervorzuheben, wie lähmend auf die Entwickelung desselben die von den meisten europäischen Staaten in der letzten Zeit in immer gesteigertem Maße verfolgte Politik der gegenseitigen Ab schließung durch hohe Einfuhrzölle gewirkt hat und leider aller Wahrscheinlichkeit nach in verschärfter Weise weiter wirken wird. Diese Thatsache ist aus dem Grunde hervor zuheben, weil eine größere Anzahl von Handelsverträgen, in welchen mehr oder minder umfangreiche Konventional tarife vereinbart waren, theils während des Berichtsjahres, theils zu Ende desselben gekündigt wordm sind. Für Deutschland, dessen Handelsverträge nur in wenigen Fällen mit Konventionaltarifen verbunden sind, welches aber auf Grund des Meistbegünstigungsrechtes an den in den Kon ventionaltarifen zwischen anderen Staaten vereinbarten niederen Sätzen Theil hatte, ist die Kündigung solcher Han delsverträge schon sehr empfindlich gewesen, wird sich aber nach dem Schluffe des laufenden Jahres voraussichtlich in noch viel einschneidenderer Weise fühlbar machen. Wir können uns der Befürchtung nicht verschließen, daß bei der bevorstehenden Erneuerung zahlreicher Handelsverträge vor erst wenig Geneigtheit zu finden sein wird, die durch neue Zolltarife immer höher gebauten Zollschranken zu erniedrigen; wir hoffen aber, daß wenigstens bei den Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn die Einsicht die Oberhand gewinnen möge, wie sehr beide Länder in ihrem Verkehr aufeinander angewiesen sind, und daß aus dieser Einsicht die Bereit willigkeit, durch gegenseitige Zugeständnisse Erleichterung der Verkehrs- und Handelsbeziehungen herbeizuführen, hervorgehe. Eine Belebung erfuhren einzelne Handels- undJndustriezweige durch die eingetretene Steigerung der Preise einzelner Naturprodukte. Es gilt dies vor Allem von Kafiee und Wolle, ferner von mehreren vegetabilischen Drogen, von Talg rc. Man konnte sich der Erkenntniß nicht verschließen, daß die Preise dieser Artikel beziehentlich der aus ihnen gefertigten Waaren unter ihren wahren Werth gesunken seien; dies hatte vermehrte Nachfrage und Steigen >er Preise, zunächst der Rohmatenalien, dann, wenn auch langsamer und m geringerem Maße, der Fabrikate zur Folge. Nun stellte es sich heraus, daß die vermeintliche Ueberproduktion, welcher man das stete Sinken der Preise zur Last gelegt hatte und welche doch bei der erhöhten Nachfrage in dem Erscheinen größerer Vorräthe hätte zum Ausdruck kommen müssen, in der That nicht bestand, daß vielmehr der Nachfrage nur durch angespannte Thätiakeit in den Fabriken genügt werden konnte. Unter dem Ein drücke, daß der nächste Tag immer ein weiteres Sinken der Preise sowohl der Rohmaterialien wie der Fabrikate bringen könne, hatten sich Produzent wie Händler daran gewöhnt, der erstere in der Hauptsache auf Bestellung zu arbeiten, der letztere Waare nur zur Deckung des nothwendigsten Bedarfes zu kaufen. Dabei drängt sich die Vermuthung auf, daß in manchen Branchen Vie Verhältnisse in der That ähnlich liegen mögen und daß es nur eines Anstoßes von irgend einer Seite bedürfe, um regere Nachfrage, bessere Preise, erhöhte Thätigkeit und befriedigendere Erträgnisse herbeizuführen. Für die Besserung krS WollgeschästeS ging z. B. der Anstoß von den Vereinigten Staaten von Nord amerika aus; eine zeitweilige, wenn auch nur kurz an dauernde Hauffe des Eisenmarktes war auf Produkttons- unv Preiskartelle schottischer Eisenproduzenten zurückzuführen rc. Wenn nun trotzdem nur in wenigen Artikeln eine er freuliche Wendung zum Besseren eingetreten ist, wenn der allgemeine Anstoß zur Belebung aller Geschäftsbräuchen noch auf sich warten läßt, so ist dies vor Allem auf die droh ende Gestaltung der politischen Verhältj- nisse gegen und seit Ende des Berichtsjahres zurück zuführen. Es bedarf keines ausführlichen Beweises dafür, daß die Gefahr eines Krieges zwischen Deutschland und Frankreich, der mit vollem Rechte von hoher Stelle als ein Vernichtungskrieg bezeichnet worden ist und sämmtliche Länder der Erde in Mitleidenschaft ziehen würde, auf das internationale Geschäftsleben drücken, daß durch diese Gefahr die bereits entwickelten Keime der Besserung zurückgedrängt, das Aufsprossen neuer Keime verhindert werden muß. Wenn auch, Dank der Einmüthigkeit, mit welcher das deutsche Volk durch seine Vertreter die schweren für seine Sicherheit als unerläßlich erachteten Opfer bewilligt hat, der Friede zunächst erhalten geblieben ist — da s läßt sich nicht ver kennen, daß Gewißheit über längeren Fortbestand desselben noch nicht vorhanden, und daß somit auch noch die für die Entwickelung gedeihlicher wirthschaftlicher Thätigkeit auf allen Gebieten des Handels und der Industrie unentbehrliche Grundlage, das Vertrauen, daß man ohne Furcht vor gewaltsamer Störung arbeiten und die Früchte der Arbeit genießen könne, zur Zeit und für die nächste Zukunft noch nicht wieder hergestellt ist. Von diesem Standpunkte aus gezogen, fällt ein Vergleich der Aussichten auf Besserung der allgemeinen wirthschaftlichen Lage am Ende des Jahres 1885 und des Berichtsjahres zu Ungunsten des letzteren aus, wenn auch bereits in den vorhergehenden Jahren das Gefühl der Unsicherheit über die Gestaltung der politischen Beziehungen, wenn auch weniger offenbar, hemmend auf die Belebung von Handel und Wandel eingewirkt haben dürfte. Sowohl der allgemein-, als auch der zollpolittsche Horizont ist am Ende des Berichtsjahres umwölkter gewesen, als 1885; eine Aufhellung desselben in letzterer Beziehung ist durch die mit unermüdlicher Sorgfalt gepflegten Bestrebungen der deutschen Kolonialpolitik nur theilweise erzielt worden. Erfreulich ist die schon jetzt erkennbare segensreiche Ent- Wickelung unserer sozi alp o litischen Gesetzgebun g Wie einerseits die Arbeitgeber mit verschwindenden Aus nahmen den an sie durch das Kranken- und Unfallversiche rungsgesetz gestellten Anforderungen an Geld und Arbeit willig nachgekommen sind, so hat sich andererseits unter den Arbeitnehmern mehr und mehr die Einsicht Bahn ge brochen, daß durch diese Gesetze in der That eine Besserung ihrer Lage bewirkt, die in Gestalt von Krankheit, Verletzung und daraus hervorgehender Erwerbsunfähigkeit drohende Sorge beseitigt, beziehentlich gemildert worden ist. Die Lohnverhältnissesind nur in wenigen Branchen zurückgegangen; von einer großen Anzahl wird vielmehr von mehr oder minder erheblichen Aufbesserungen berichtet". Tagesschau Freiberg, dm 27. Juli. Wie aus Gastein berichtet wird, liahm der deutsche Kaiser am Montag Abend dm Thee in der Billa „Solitude" bei der Gräfin Lehndorff, welche Sr. Majestät zu Ehren eine Theatervorstellung veranstaltet hatte. Der Kaiser folgte in heiterster Stimmung dem Gange deS launigm Einakters und zeichnete mit freundlichen Worten alle Mitwirkenden, sowie den Direktor Strantz, aus. Nach 10 Uhr kehrte der Monarch in da» Badeschloß zurück. Der Kaiser bekommt auch in Gastein eine ziemlich starke Post. Die Familien-Korrespondenz allein mag schon ziemlich umfassend sein, und jetzt hat sich noch em neues Mitglied der kaiserlichen Familie diesem Reigen der Briesschreiber angeschloffen. Es ist der älteste Sohn deS Prinzen Wilhelm von Preußen, der Urmkel des Kaiser». Schon als Kaiser Wilhelm in Gastein ankam, sand er auf seinem Tische ein Kouvert, bemalt mit vielversprechenden großen Buchstabm, das einen Brief auf Viersach liniirtem Papier ent hielt. Das „Schreiben" stammte von dem in Rede stehend« Urenkel des Kaisers. Ein beigeschloffener Zettel der Mutter^ Prinzessin Wilhelm, versicherte, daß Niemand dm Inhalt des „ersten BrieseS" diktirt, Niemand darin Einsicht genommm habe. Lächelnd meinte der Kaiser: „DaS glaube ich, denn mein Urmkel stellt nämlich in sechs Zeilen neun Forderung« an mich!" Gestern früh nahm der Kaiser ein Bad und machte darauf eine Spazierfahrt aus dem Wege nach Böckstein. — Di« osfiztösm „Berliner Politischen Nachricht«" bemerken zu der mehrfach erörterten Frag«, ob der russische Botschafter Graf Schuwalow währmd seines jüngst« Aufenthalt» m Berlin mit dm dortigen Finanzkreisen in persönliche Be ziehungen getreten sei, um beruhigende Versicherungen über die russische Finanzpolitik zu gebm, „diese Frage sei eine müssige." Wäre Graf Schuwalow in der Lage gewesen, Mittheilungm von thatfächlichem Werthe über die russische Finanzlage zu machen, so würde er dieselben in politischen Kreisen zur Sprache gebracht haben. Daß ein Botschafter in privaten Unterhal tungen nicht anders als beruhigend über die Finanzlage des von ihm vertretenen Landes sprechen könne, sei übrigens selbstredend. — Ueber dir Verhaftung deS sozialistischen Zentralkomitss in Berlin ist der „Köln. Ztg." von dort aus guter Quelle Fol gendes mitgetheilt worden: „Die acht verhafteten Leiter der Berliner „Inneren Organisation", Nähmaschinmschloffer Apell, Buchbinder Jahn, Tischler Neumann, Schloff« Scholz, Arbeiter Schmidt, Tischler Seelig, Maurer Wieschke und Schneider Winter, sind bald nach ihrer Verhaftung in das Untersuchung»« gesängniß zu Moabit übergeführt worden. Sie stehen fämmtltch im besten Mannesalter; die meisten von ihnen überragen an Bildung ihre Standesgenoffen ganz erheblich. Namentlich würde man in dem „Arbeiter" Schmidt alles Andere, nur keinen Arbeiter vermuthm. Die Verhaftung des Komitös wurde nicht, wie Vielfach behauptet wird, durch Verrath eine- ehemaligen Parteimitgliedes herbeigeführt; dies wäre schon deshalb unmöglich, weil jedes Parteimitglied nur die Genossen seines Bezirkes kennt; sie ist lediglich durch unausgesetzte an gestrengte Thätigkeit der politischen Polizei ermöglicht worden. Höchstwahrscheinlich wird die Untersuchung noch einen be deutenden Umfang annchmm und daher ist ein rascher Ab schluß derselben nicht zu «warten. Die Sozialdemokraten selbst versuchen es, die ganze Sache als einen harmlosen Be such einiger gegenseitig befreundeter Männer darzustellm. Selbstverständlich darf man nicht glauben, daß die geheime Organisation schon gesprengt sei; es giebt genug fanatische Anhänger dieser Irrlehre, welche sofort in die Stelle der ebm Verhafteten einzurückm bereit sind. Außerdem bestehen in Berlin noch acht andere geheime Komites, die inzwischen wahr scheinlich schon ein neues Zentralkomitö gewählt haben." Diese letztere Annahme wird auch bereits von mehreren Berliner Zeitungen bestätigt. Mehrere österreichische Blätter versichern, der im Schlöffe Ebenthal verweilende Prinz Ferdinand von Koburg befinde sich ungeachtet der Abreise der bulgarischen Deputation in einem überaus lebhafte« Verkehr mit der bulgarische« Regentschaft und dem bulgarischen Ministerium — ein Ver kehr, der nicht danach geartet sei, als ob der Prinz seine Kandidatur als gescheitert ansehe. Die diplomatischen Ver handlungen üb« die Wahl des Prinzen von Koburg zum Fürsten von Bulgarien sind in der That noch keineswegs ab geschloffen, und die Stellung des Prinz« als des erwählten Fürsten der Bulgaren hat sich somit, ungeachtet der Vorbehalte, an welche er die Annahme der Wahl geknüpft hat, bisher in gar nichts geändert. Vielmehr sind die Einflüsse, welche dem Prinz« vermöge sein« Geburt günstig sind, nicht unthätig, um den Verlauf der Verhandlungen zwischen den Kabinetten