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-U 204. 10. Jabraa»«. — > Erscheint jeden Wochentag Nachmitt.'/,6 Uhr für den I _ . . andcrnTaa. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., S AnNNstÜtttÜ 3. zwcimonatüchlML0Pf^undcimrwnatlich7ü Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angcnom- men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile « I XX oder deren Raum 15 Pf. reiö erger MMek und LWMM. Amtsblatt für die kömglichen mb stMschen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: In Vertretung Ernst Mauckisch in Freiberg. Die Gesellschaft für Spiritus- verwerthung. Nachdem es mißlungen ist, noch vor Ablauf des Mo nats August die geplante Aktiengesellschaft zu besserer Verwerthung des Spiritus zu Stande zu bringen, soll jetzt versucht werden, bis zum 15. d. M. vier Fünftel der ganzen Spiritus-Erzeuger zu einer solchen Vereinigung zu bringen. Daß das mcht leicht sein wird, liegt auf der Hand, zumal die Verpflichtungen Derjenigen, welche das Vertrags-Formular bereits unterschrieben haben, Donners tag Mittag 12 Uhr erloschen ist. Bei den Vortheilen, welche die Koalation den Spiritusproduzenten in Aussicht stellt, steht es noch keineswegs fest, daß der zweite Versuch ebenso scheitern werde wie der erste, zumal die Absicht be steht, die Agitation ernstlich weiter zu führen. Diejenigen Interessenten, welche sich bisher noch zurückhielten, können aber nicht darauf rechnen, daß weitere Versuche wiederholt werden können, wenn das Unternehmen auch beim zweiten Male fehlschlagen oder zahlreiche bisherige Unterzeichner sich weigern sollten, ihre Unterschriften bis zum 15. September gelten zu lassen. Nach dieser Frist müßte die Koalition als für immer gescheitert angesehen werden, denn selbst die zum Beitritt bereitesten Brenner würden sich genöthigt sehen, im Hinblick auf die neue Brenn - Kampagne ander weitige Verfügungen zu treffen, wenn sie auf die geplante Aktiengesellschaft als Käuferin des Spiritus nicht alsbald mit Sicherheit rechnen können. Kommt die Gesellschaft nicht zu Stande, wird die Verwerthung des Spiritus sicher größere Schwierigkeiten als bisher verursachen, denn schon der erste Fehlschlag hatte die Folge, daß die Spirituspreise an der Berliner Produktenbörse sofort auf den Stand berabgingen, den dieselben vor den ersten Veröffentlichungen über die geplante Unternehmung hatten. Wäre die Spiritus- Verwerthungs-Gesellschast am 1. September d. I. zu Stande gekommen, so würden die Preise sicher bis auf 90 Mark gestiegen sein, was dem von der Gesellschaft angebotenen Preis von 120 Mark, nach Abzug der Nachsteuer von 30 Mark, entspräche. Damit wäre vielen Landwirthen geholfen gewesen. Die politischen Gegner, welche bereits über das „Zer schellen des Spiritusrings" jubeln, haben dem Projekt weit weniger geschadet als die Lauheit oder Zurückhaltung be deutender Interessenten und der Umstand, daß die Vor bereitungen der Unternehmer nicht hinreichten, um die Gründung bis zum 29. August zu ermöglichen. Mit den süddeutschen Interessenten hätte man entschieden Fühlung nehmen müssen, ehe man mit dem fertigen Plan hervortrat. Viele Brenner, welche schon über ihre Produktion für die nächste Zeit verfügt hatten und es für schwierig hielten, sich von den Lieferungsverträgen wieder frei zu machen, wurden durch die Bedingung 'abgeschreckt, daß vie Gesell schaft die Gesammlproduktion und zwar sofort für sich be anspruchte. Wäre zur rechten Zeit nach dieser Seite hin eine Uebergangsklausel zugestanden worden, so hätten sich weit mehr mittlere und kleinere Brenner für die Koalition erklärt, wodurch die geforderten vier Fünftel aller Produktion immerhin jetzt schon nominell angeschlossen sein würden. Ueber die Höhe der bis jetzt thatsächlich vereinigten Pro duktionsmengen wie über die Zahl der beigetretenen Brenner sind bestimmte Angaben noch nicht bekannt geworden, dock dürfte die in Berlin erfolgte Schätzung der Gesammtzahi der Anmeldungen auf 3000 hinter der Wirklichkeit zurück bleiben. Der als Organ der Spiritus-Koalition geltende „Berl. Börsenkourier" versicherte sogar, daß die Anmeldungen das vorausgesetzte Mindestquantum von acht Zehntheilen des maischraumsteuerpflichtigen Produkts überstiegen hätten, und daß die Anmeldefrist jetzt nur verlängert werde, um solchen Brennerei-Besitzern den Beitritt offen zu halten, die bisher wegen ihrer sozialen oder amtlichen Stellung Bedenken trugen, als Agitatoren für eine für sie gewinnbringende Koalition zu gelten. Das erwähnte Blatt behauptete auch, Fürst Bismarck werde der Koalition nachträglich beitreien, sobald die Monopolbank gesichert sei und ähnlich verhalte es sich mit den Brennereien, welche im Besitze fürstlicher Personen oder Domänen sind. Bei dieser Gelegenheit ist es erst in weiteren Kreisen bekannt geworden, daß der deutsche Reichskanzler nicht nur zu den bedeutendsten Holz-Industriellen Deutschlands zu zählm ist, sondern auch eine sehr hervorragende Stellung unter den Spiritus-Industriellen einnimmt. Die in Stolp erscheinende „Zeitung für Hinterpommern" brachte über den großartigen Brennerei-Betrieb in der Herrschaft Varzin sehr nteressante Details. Als Fürst Bismarck Varzin erwarb, >efanden sich daselbst drei Brennereien, von denen eine in Seelitz, aufgelassen und durch eine neue Brennerei in Mis- dow ersetzt worden ist; gegenwärtig sind Brennereien in Varzin, Wendisch-Puddinger und Misdow. Nach der seit Erwerbung der Herrschaft durch den Fürsten Bismarck ^attgehabten Vergrößerungen des Brennereibetriebes und -er Umwandlung des früheren Handbetriebes in Dampf- irtrieb sind durchschnittlich in den drei Brennereien der Herrschaft im Ganzen monatlich 75 Faß Branntwein — 45000 Liter gebraut worden. DaS ergibt eine Jahres- iroduktion von etwa 900 Faß --- 540000 Liter oder ,400 Hektoliter. Wenn die Varziner Brennereien sich dem Berliner Konsortium anschlössen, so würde nach den Be rechnungen des letzteren dasselbe aus den Varziner Brenne reien etwa 3024 Hektoliter (56 Prozent der Produktion) ür den Inland-Verbrauch zu übernehmen haben, darunter 2160 Hektoliter zu dem Preise von 70 M. und 864 Hekto liter zum Preise von 50 M. Der übrige Bettag von 2376 Hektoliter würde zur Verwerthung auf das Ausland angewiesen sein. — Man hat denn auch an den deutschen Reichskanzler eine Einladung zum Eintritt in die Spiritus- Monopol-Bank gerichtet, aber den Bescheid erhalten, daß der Fürst das Unternehmen zwar für ein nützliches halte und demselben gutes Gedeihen wünsche, jedoch glaube, mit Rücksicht aus seine ministerielle Stellung, von einer Be theiligung Abstand nehmen zu sollen. Außer dem Reichs- kanzler haben auch noch andere r^chgestellte Brennerei- Besitzer ihre Theilnahme an der Gesellschaft abgelehnt, weil sie es mit ihrer gesellschaftlichen Stellung für unvereinbar erachten, einem Aktien-Unternehmen beizutreten. Am vergangenen Freitag hat sich der Führer der deutsch freisinnigen Partei, der Abgeordnete Eugen Richter, in einer Versammlung eines Berliner fortschrittlichen Vereines in seiner bekannten schneidigen Weise gegen die geplante Spiri tus-Monopol-Bank ausgesprochen und betont, das Projekt unterscheide sich nur insofern vom Reichsmonopol, daß letzteres auch den Kleinhandel mit einschließen wolle. Er erinnerte daran, daß alle die Gründungen, die ehemals so viele Klagen über die Macht des Kapitals, über die Schäd lichkeit des Börsenrings und des Glftbaums hervorgerufen hätten, gegen die Gründung der Spiritus-Verwerthungs- Gesellschast nur ein Kinderspiel gewesen seien. Vielleicht tragen ähnliche Gedanken ^ie Schuld, daß sich selbst das Organ der preußischen Hochkonservativen, die „Neue Preuß. Ztg ", sehr ablehnend gegen das Unternehmen verhielt und dessen dauernden Nutzen für die Landwirthschaft in Zweifel zog. Im Grunde sind aber die Bedenken, welche gegen die Verbindung der Landwirthschaft mit dem Großkapital ge macht werden, nicht stichhaltig. Das „Frankfurter Journal" sagt darüber treffend: „Richtig ist, daß die modernen Pro duktions- und Verkehrsverhältnisse mit entscheidender Kraft auf das Entstehen großer genossenschaftlicher Verbindungen hintreiben, die stark genug sind, dem heutigen Erwerbsleben eine gewisse Stetigkeit und größere Nuhe in der Preis-, also auch in der Lohnsatzbildung zu verleihen, als es neuestens der Fall ist. Daß derartige Koalitionen unter allen Umständen verwerflich sind, wenn sie vom Kapital oder der Großunternehmung ausgehen, und nur unterstützt werden dürfen, wenn sie gegen dieselben sich richten, verräth eine Höhe der sozialwirthschaftlichen Anschauung, zu der wir uns nicht aufzuschwingen vermögen." Tagesschau Freiberg, dm 2. September "Der deutsche Kaiser fuhr gestern Vormittag 10 Uhr zur Herbstparade des Gardekorps aus das Tempelhofer Feld, wohin sich kurz vorher auch die Kaiserin begeben hatte. Die Parade des Gardekorps verlief bei prachtvollem Wetter wahrhaft glänzend. Se. Majestät der Kaiser fuhr, von der Kaiserin mit der Prinzessin Wilhelm und glänzender Suite gesolgt, worin sich der Prinz Komatsu von Japan, die sremdländifchen Militärattaches und die zum Besuch in Berlin anwesenden britischen Offiziere befanden, zuerst die Front der in zwei Treffen aufgestellten Truppen entlang und ließ dieselben dann zwei Mal vorüberdefiliren. Die Kaiserlichen Majestäten wurden auf dem Hinweg, sowie auf dem Rückweg von der die Straßen füllenden Bevölkerung stürmisch begrüßt. Nachmittags 5 Uhr fand im Weißen Saal, dem Marine-Salon und den angren zenden Gemächern des Königlichen Schlöffe» in Berlin rin größeres Diner statt, zu dem etwa 350 Einladungen ergangen waren. Unter den Eingeladenen befanden sich außer den zur Zett in Berlin anwefenden Königlichen Prinzen und Prin zessinnen und deren Hofstaaten rc., auch die landsässtgen Fürst lichkeiten, die aktiven Staatsmtnister, die Obersten-Hof-, die Ober-Hof- und die Hof-Chargen, die General- und Flügel- Adjutanten, die an der Parade betheiltgt gewesenen Generale und Stabsoffiziere, die Militär-Attaches und mehrere fremd herrliche Offiziere und andere hochgestellte Personen. Zur Taselmusik war die Kapelle des 3. Garde-Regiments z. F. be fohlen. Gestern Abend wohnten die Allerhöchsten und die Höchsten Herrschaften der Fest-Vorstellung im Berliner Opern- Hause bei. In dem letzteren ist Kaiser Wilhelm vorgestern Abend völlig unerwartet erschienen, um sich die neue elektrische Beleuchtung zeigen zu lassen. Herr Genrral-Jntendant Graf v. Hochberg gab dem hohen Herrn dir nöthigen Erläuterungen. Se. Majestät stand länger als eine Viertelstunde in der großm Proszeniumsloge links und überschaute von dort den Zuschauer raum und die Bühne, während von Herrn Ober-Inspektor Brandt die Erleuchtung in den verschiedenen Stärken und Farben vorgeführt wurde. Der Kaiser nahm lebhafte Theil nahme an den Erklärungen, des General-Intendanten und be- bekundete durch viele Fragen sein Interesse an der Sache, so daß alle Anwesenden über dir Frische und Lebendig keit des Kaiserlichen Herrn hocherfreut waren. — Ueber das Befindendes deutschen Kronprinzen meldet der „Reichsanzeiger": „Der Leibarzt Sr. Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen des Deutschen Reiches, vr. Wegner, sprach sich im Einvernehmen mit vr. Mackenzie dahin aus, daß der Gesundheitszustand des Kronprinzen in der letzten Zeit gute Fortschritte gemacht hätte, da höchstdeffen Allgemeinbefinden vortrefflich sei. Die Stimme sei noch heiser, da an verschie denen Stellen des Kehlkopfes, wie schon seit mehreren Monaten, Disposition zu Kongestionen besteht. Seit der letzten Kauteri sation hätte eine neue Ausbildung der bis dahin vorhanden« Anschwellung nicht stattgefunden; eine Wiederkehr derselben sei indeß nicht unwahrscheinlich; sie würde zwar die Genesung verzögern, jedoch an und für sich nicht bedenklich erscheinen. Völlige Schonung der Stimme und Verwendung kalter feuchter Luft seien die wichtigsten prophylaktischen Maßregeln, welche in der nächsten Zeit zu nehmen seien." — Wie die „Neue Stettiner Ztg." erfahren hat, wird auch der deutsche Reichskanzler zu dem Kaisermanöver in Stettin eintreffen, und dort im Kreishause Wohnung nehmen, wo acht Zimmer für ihn bereit gehalten werden. — Die als Organ des Reichs kanzler- bettachtete „Nordd. Allg. Ztg." bringt folgende offiziös« Notiz: „Die Petitionen um Erhöhung der Grtreide- zölle mehren sich noch immer. Eine derartige Petition ist kürzlich auch von Interessenten der Berliner Getreidebörse au den Herrn Reichskanzler gerichtet worden. Die Petenten klagen, daß durch die bisherige Ueberfluthung von fremd ländischem Getreide und die in nächster Zeit noch zu er wartenden immensen Zufuhren das inländische Produkt immer schwerer verkäuflich werde. Neben der Landwirthschaft stehe in Folge dessen auch der inländische Getreidehandel vor seinem Untergange, wenn nicht in allerkürzester Zeit das Land vor weiteren Ueberfluthungen mit fremdem Getreide geschützt werde. Es sei daher dringend geboten, die landwirthschaftlichen Schutz zölle, speziell für Weizen, Roggen, Hafer und Oelsaat schleunigst in genügender Weise zu erhöhen " — Nach einer Mittheilung der „Berliner Politischen Nachrichten" wird der preußische Etat pro 1888/89 unter Ausschluß aller Neuforderungen für wie immer nützliche, doch nicht unabweisbare Bedürfnisse nach den Regeln der strengsten Sparsamkeit aufgestellt werden, da der Ertrag der neuen Steuern (Branntweinsteuer, Zuckersteuer) sich noch nicht übersehen, viel weniger genau veranschlagen läßt, auf wieviel davon für Preußen mit Sicherheit zu rechnen ist. — In der am 31. August in Trier stattgefundenen Schluß sitzung der katholischen Generalversammlung beantragte vr. Lieber eine Resolution, welche die Abschaffung des Restes der Kulturkampfgcsetze und die Zurückberufung aller Orden ohne Ausnahme verlangt. Diese Resolution wurde einstimmig an genommen, ebenso die bereits mttgetheilte Resolution über die Wiederherstellung des Kirchenstaates. Auf der Fahrt zu den Truppenübungen in Mähren ist der Kaiser von Oesterreich überall von der herbeigeströmten Bevölkerung jubelnd begrüßt worden. Besonders festlich ge staltete sich der Empfang, welcher auf dem Prerauer Bahnhofe dem Kaiser seitens der Stadtgemeinde und der Bevölkerung des Bezirkes bereitet wurde. In Olmütz hatten sich auf dem Stadtbahnhofe das Metropolitan-Kapitel mit dem Domdechanten Weihbischof Grafen Belrupt an der Spitze, die Gemeindever tretung unter Führung des Bürgermeisters v. Engel, die Handelskammer mit dem Vize-Präsidenten Brandhuber, sowie eine Deputation der Gemeindevorsteher des Olmützer Bezirkes