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ö Braud. 1887 ü Erscheint jeden Wochentag Nachmitt.'/,6 Uhr für den sj » Mfü H / > andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Ps., I d * E zweimonatlich 1M. 50 Ps. und einmonatlich 75 Pf. E Illis Inserate werdm bis Vormittag 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis für die gespaltene Zelle oder deren Raum 1k Pf- — 10 I-hrs-ki. Freitag, de« 2«. August. mvergerMM^ und TkHtdlüü. Amtsblatt für die kömglicheu uud städtischcu Behörden zu Freiberg Verantwortlicher Redakteur: I« Vertretung Ernst Mauckisch in Freiberg. Die Entscheidung über Irland. An diesem Donnerstag beginnt in dem britischen Parla ment über die Unterdrückung der irischen Natioxalliga eine große Redeschlacht zwischen den Vertretern der großbritanni schen Reichseinheit und den durch die Anhänger Gladstones unterstützten irischen Parnelliten. Der Ausgang dieses voraussichtlich mehrere Tage hindurch währenden Wort kampfes wird entscheidend sein für das Schicksal des Kabi- nets Salisbury, das bei einer ungünstigen Abstimmung so fort dm Platz räumen würde. Gerade der Umstand, daß die bevorstehenden Verhandlungen den Prüfstein für die Dauerhaftigkeit deS jetzigen Regierungssystems in G»glaub bilden, macht die nächsten Tage zu den wichtigsten der ganzen Parlamentssession. ES handelt sich is der Haupt sache darum, ob di« Mehrheit des englischen Unterhauses mit dem von der Regierung gram die irische Nationalliga geführten Schlag einverstanden ist oder nicht. Im Grund hat da» Ministerium Sali-buch, als eS jene landsmann schaftliche Verbindung durch ein Schreiben des VizekönigS von Irland als eine „gefährliche" erklären ließ und da durch derm Unterdrückung anbahnte, nur von dem Rechte Gebrauch gemacht, das ihm nach dem Artikel 6 der irischen Zwangsbill zusteht. Nach diesem Gesetz bedarf es jetzt nur noch einer Verordnung des VizekömaS von Irland, um über einzelne Bezirke dieser Insel den Ausnahmezustand zu verhängen, wonach alle Versammlungen der Liga in den betroffenen Bezirken ungesetzlich sind und alle im Dienste der Liga Arbeitenden schweren Strafen verfallen. Nach langem Zaudern hat sich die malische Regierung endlich entschlossen, den unverbesserlichen irischen Aufwieglern gegen über von dm ihr zustehenden Vollmachten Gebrauch zu machen. Der Rechtsauffassung des modernen Staates ent spricht es vollkommen, die erklärten Feinde der staatlichen Ordnung der Wohlthaten des gemeinen Rechts verlustig zu erklären. Viel zu lange hat das Ministerium Salisbury gezögert, Gebrauch von der ihm verliehenen Vollmacht zu machen, Gesetz und Recht mit fester Hand zu wahren. Der Halbheit der ReaierungSmaßregeln werden die letzten Wahl- Niederlagen zuqeschrieben, welche die oppositionellen Anhänger des früheren Ministers Gladstones ermuthigten, dessen Pro gramm: „Versöhnung mit Irland oder strenge Handhabung der Gesetze" weit verständlicher schien als dasjenige, welches bisher für die irische Politik des Kabinets Salisbury maß gebend war. Das jetzige Ministerium dankt sein Entstehen dem Zu sammengehen aller Parteien, welche aus Liebe zur Einheit des britischen Reiches von der Gewährung einer Sonder stellung an Irland nichts wissen wollten. Deshalb war es längst Pflicht des Kabinets, den auf diese Sonderstellung mit gesetzlichen und ungesetzlichen Mitteln losarbeitenden Mitgliedern der irischen Nationalliga mit dem nöthigen Ernst entgegen zu treten. Das bisherige zaghafte Zögern mußte die Freunde der Regierung irre machen, die endlich Gefahr im Verzüge sah und nun am Freitag that, was sie nach Ansicht der meisten Verfechter der britischen Reichs einheit längst hätte thun müssen. Die gegen die irische Nationalliga gerichtete Proklamation wurde an diesem Tage im englischen Oberhause durch den Premierminister Salisbury selbst, im Unterhause aber durch den irischen Staatssekretär Balfour verlesen, wobei der Letztere gleichzeitig ankündigte, daß die Regierung bereit sei, an diese« Donnerstag in eine Verhandlung über dir getroffene Maßregel einzutreten Bei dieser Parlamentsberathung wird es voraussichtlich an aufregenden Zwischenfällen nicht fehlen, denn wenn einer seits die Regierung nur ungern zu einem Akt der Noth wehr ihre Zuflucht genommen hat, ist anderseits die eng lische Nation im Allgemeinen allen AuSnahmemaßregeln grundsätzlich abgeneigt und kann sich die irische Parnellite«- Partei über das gründliche Scheitern der Versöhnungs pläne Gladstones mcht trösten. Der Versuch, die National liga zu zerstören, ist gleichzeitig ein Verzicht auf jedes weitere Zugeständniß an Irland und zeigt die deutliche Ab sicht, jede neue nationale Organisation der Irländer zu verhindern. Die Wirkung der Proklamation des Vizekönigs von Irland war deshalb in Dublin keine niederschmetternve, sondern eine aufregende. Die irischen Blätter ergingen sich in den gemeinsten Schmähungen über die Urheber der Proklamation und eines derselben verflieg sich sogar zu der Aeußerung: „Die Unfähigkeit dieses Regimes wird nur von der Niedertracht desselben übertroffen!" Selbstverständlich äußern die Organe der mit den Par nelliten verbrüderten englischen Gladstonianer ihr Mißfallen über die Proklamation in gemessener Weise, aber ihr Ver dammungsurtheil ist doch so bestimmt, daß deutlich der Ent schluß Gladstones und seiner Freunde hervorleuchtet, un parlamentarischen Kampfe mit den irischen Parnelliten auch bei dieser Gelegenheit Hand in Hand zu gehen und das Kabinet Salisbury wegen dieser „willkürlichen und unge rechten Maßregel" heftig anzugreifen. Da» Recht ist auf Seite de» Ministeriums, denn kein Staat der Welt kann auf die Dauer eine Nebenregierung wie die irische National liga ertragen, der Parteigeist ist aber in den von Gladstone geleiteten radikal-liberalen Schichten deS englischen Volkes so mächtig, daß dieser Gedanke dort keine Anerkennung findet. Bei der fisten Entschlossenheit der gejammten Tmy-Partei ist der Sieg der Regierung bei dem sich jetzt im Unterhause entspinnenden Kampfe dennoch kaum zweifelhaft, wenn die liberalen Unionisten, dir sich aus Bedenken gegen die für die Reichseinheit so gefährlichen Pläne Gladstones von diesem lossagten, nicht ihren bisherigen Grundsätzen untreu werden. Ein Theil der liberalen Unionisten, besonders Chamberlain, hat sich aber schon gegen das Verbot der irischen Nationalliga ausgesprochen. Der Letztere erklärte freilich vor seinen Wählern in Birmingham gleichzeitig, er denke nicht daran, sich deshalb von dem mit dem Vorgehen der Regierung einverstandenen liberalen Führer Lord Hartington zu trennen. Ch«mberlain sagte in Birmingham wörtlich: „Als uns die Regierung in Bezug auf Irland als exekutive Gewalt des Staates um die dazu nöthigr Macht bat, gaben wir unsere Zustimmung, und jetzt, wenn sie es absolut nothwendig erachtet, dieselbe in Anwendun; zu bringen, ist das zunächst Sache ihres Urtheils und nicht deS unseren. Ich glaube, daß es prinzipiell richtig war, daß die Regierung diese Macht besitzen sollte, um dieselbe in Reserve zu halten; doch vom Standpunkte der Zweck mäßigkeit aus bedauere ich es, daß sie den gegenwärtigen Augenblick dazu benutzte, von derselben Gebrauch zu machen. Es ist dafür jetzt in Irland kein Grund vorhanden. Das Land ist auffällig frei von Verbrechen ernstlicher Art Man sagt, daß die Liga in einzelnen Distrikten noch all mächtig ist und ihren verderblichen Einfluß dort, wo ihre Autorität obwaltet, durch den über die Minderheit aus- geübten Terrorismus geltend macht. Doch glaubte ich, und glaube eS noch, daß die Strafrechtsnovelle verschiedene Artikel enthält, die vollständig genügen, mit solchen vereinzelten Fällen fertig zu werden.... Ich fürchte, daß, was die Regierung jetzt gethan hat, für dieselbe die größten Schwie rigkeiten, ja sogar Gefahr nach sich ziehen wird.... Sie werden wohl bereits wissen, daß es ein offenes Geheimniß ist, daß die liberalen Unionisten und deren Führer der Re gierung mit Bezug auf diesen Schritt ernste Vorstellungen gemacht haben. Wir drangen in dieselbe, womöglich davon abzustehen, von der Macht, die wir in ihre Hand gelegt hatten, gegenwärtig Gebrauch zu machen und dieselbe als eine Waffe für den Augenblick aufzusparen, Werst, sie der selben später bedürfen würde. Die Regierung jedoch hat die Verantwortlichkeit in dieser Angelegenheit, und nicht wir, und daher, wenn sie es für absolut geboten hielt, ihre Macht zu gebrauchen, so tadle ich sie nicht. Sie hatte, das gebe ich zu, das Recht, unsern Rath unberücksichtigt zu lassen, und den Weg einzuschlagen, welchen die Minister der Krone es als ihre Pflicht erachteten zu wählen; ich beanspruche jedoch meinerseits, auch für mich und diejenigen meiner Kollegen, die der Regierung Rath ertheilten, das Recht, unsere bisherige Stellung als unabhängige Freunde der Regierung zu behaupten." Nach dieser Aeußerung scheint es allerdings, als beab sichtige Chamberlain mit seinen nächsten Freunden bei der Abstimmung über die Proklamation sich von den Regieruugs- freunden zu trennen, möglicherweise bezweckt derselbe aber auch nur, den Tories bei dieser Gelegenheit seinen Werth und seine Wichtigkeit zu beweisen. Im ersteren Falle wäre das Unglück für das Kabinet Salisbury auch nicht groß denn der von demselben als zuverlässig betrachtete rechte Flügel der liberalen Unionisten, den Lord Hartington führt, ist weit zahlreicher als das radikale Häuflem Chamberlains, der durch seinen Eigensinn dem früher mit ihm engbe- freundeten Gladstone manche schwere Stunde bereitet hat Das Ministerium Salisbury wäre noch nicht verloren, wenn auch Chamberlains Schaar wieder mit fliegenden Fahnen in das Lager Gladstones übergehen sollte, wohl aber, wenn es auf dem beschrittenen Pfade nur einen Schritt zurückwiche. Es hat jetzt den Kampf für die Reichs einheit ausgenommen, der keinen Ausgleich zuläßt; es muß dabei siegen oder — fallen. Tagesschau Freiberg, den 25. August. Da- deutsche Kaiserpaar unternahm am Dienstag Nach mittag eine Spazierfahrt im Park von Babelsberg. Die in Potsdam anwesenden Mitglieder deS preußischen Königshauses erschienen am Dien-tog Abend zum Thee. Gestern Vormittag nahm Se. Majestät der Kaiser die Vorträge de« Oberhos- maischalls Grafen Prrponcher und de« Geh. Ober-Regierung»« ralh Ander» entgegen und wohnte Nachmittags mit der deut schen Kaiserin dem Adlerschicßrn de» OsfizierkorpS deS 1. Garde- rrgiwentS im Katharinenholz bei Potsdam bei. Se. Majestät der Kaiser traf um 4»/, Uhr im offenen Zweispänner, von enthusiastischen Zurufen de» zahlreichen Publikum» begrüßt und von dem Regimentskommandeur Lwdiqmst empfangen, ein uud schritt die Schützen front unter den Klängen de» Schützen marsche» ab. Bald darauf traf auch Ihre Majestät die Kaiserin im offenen Vierspänner rin. Prinz Wilhelm von Preußen geleitete die Kaiserin zum Schützrnstand, woselbst rin Polster- sessel für die hohe Frau bereit stand. Der greise Monarch gab den ersten Schuß und traf den Adler. Um Uhr kehrte die Kaiser« und bald damach der Kaiser nach Babels berg zurück. An dem Feste nahmen außerdem noch die Prim zrsfin Wilhelm, der Prinz Friedrich Leopold von Preußen sowie dir Prinzessinnen Amalie und Louise von Schleswig- Holstein thril. — In und um Königsberg werdm bereit» um fangreiche Vorbereitungen für die großen Kaisermanöver ge troffen. Zahlreiche Pikiere find jetzt schon mit dem Aufbau eines großen Zeltlagers für die Manöver der 2. Division bet Quedenau beschäftigt. Dieses Lager soll auch ein große» Zelt für den Kaiser erhalten, zu welchem die Materialien von Berlin in Königsberg eingetroffen sind. Dieses Zelt ist au» leichtem Holzwerk gefertigt, das Innere in zwei Übtheilungen getheilt. Dir innere Abtheilung ist für den Kaiser, die vordere für die Umgebung desselben bestimmt. Beide Räume enthalten nur ganz einfache Einrichtungen: Stühle mit Rohrgeflecht und Tische, einen großen mit Wachszeug überzogenen Schreibtisch,Spiegel mit einfachem Holzrahmen rc. Das Kaiserliche Zimmer, welchesnach allen Seiten freie Aussicht gewährt, zumal da daS Zelt auf einer Anhöhe errichtet wird, mthält ebenfalls keine Polstermöbel. — Der Chef der deutschen Admiralität, General-Lieutenant von Caprivi, traf vorgestern auf dem Aviso „Pfeil" in Apm- radr ein und schiffte sich gestern daselbst auf dem Panzerschiffe „Friedrich Karl" ein, um sich zu den Geschwaderübungen in der Eckernförder Bucht zu begeben. Der StationSchef Vize- Admiral von Blanc übernimmt dort dir Leitung der taktischen Manöver deS Ostsregeschwaders. Die Uebungen in der Kieler Bucht dauern bis zum 27. d. M.— Der chinesische Gesandt« in Berlin, Hlü Ching-Cheng, reiste Dienstag Mittag von Berlin nach London ab, um nach kurzem Aufenthalt daselbst weiter nach Portsmouth bezw. Spithead zu gehen, wo der Gesandte die beiden auf der Schiffswerft des Stettiner „Vulkan" fertiggestellten und Namens seiner Regierung in Stettin übernommenm chinesischen Panzerschiffe „King Iuen" und „Lai Dum" nochmals inspiziren und mit diesen die beiden iei Armstrong gleichzeitig bestellten und fertiggestellten chine- ischen Kreuzer vergleichen wird. Die letzteren find mit den leiden Stettiner chinesischen Panzern in Portsmouth bezw. Spithead unter dem Oberkommando deS im chinesischen Flotten- dienst stehenden englischen Kapitäns Long zu einem chinesischen Geschwader vereinigt, um am 30. August von letzterem Hafen- orte aus nach China abgehen zu sollen. In etwa zehn Tagen dürfte der Gesandte wieder in Berlin eintrcffcn. — Der Verein der Spiritu»fabrikanten in Berlin hat ein neues Flugblatt herauSgegeben, in dem eS heißt: „Eine Ber- chleuderung der Waare aus dem Weltmarkt wird nicht stattfinden. Der Weltmarkt wird aufgesucht unter Fest haltung der alten berühmten Marken, der ersten Qualitäten de» deutschen Produktes. Die Preise im Jnlande werden nicht höher gehalten werdm, al» eS die Sache selbst erfordert; ede übermäßige Anspannung, welche sich durch Rückgang des Konsums und Hervorlockung neuer Brennereien rächen würde, wird vermieden werden. Der industrielle Verbrauch des Spiritus wird in jeder Richtung befördert werden, nicht allein durch die dem Bedarf angepaßte Prcisstellung, sondern auch durch Prämiirung diesen Verbrauch fördernder Arbeiten und Erfindungen. Die für dm Export arbeitenden, Alkohol ver brauchenden Industriezweige, z. B. die Bleizuckerfabrikation, werden einer des anderen Fürsorge gewürdigt werden. Der direkte Export und die Konkurrenz mit dem Auslande wird mit allen Mitteln gefördert werdm — so weit cs für daS deutsche Gewerbe eripriißlich ist. Die russische Konkurrenz muß be kämpft werden, aber in rationeller Weise, nicht durch plan-