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parlamentarischen Kreisen. In dieser Conferenz, zu der Mitglieder aus allen Fractionen eingeladen sind, soll angesichts der im Reichstage bevorstehenden General debatte der Zolltarif besprochen werden. Wie bekannt, pflegte auch Fürst Bismarck als Reichskanzler mit den hervorragenden Parteiführern privatim über wichtige Gesetzentwürfe zu verhandeln, deren Schicksal als unge wiß angesehen werden mußte. Da Graf Bülow in den Fußtapfen seines Lehrers und groben Ministers zu wandeln wünscht, so hat er gewiß das Verlangen, in Sachen der Zolltariffrage mit den Führern der ver schiedenen Reichstagsfraclionen in persönliche und un mittelbare Beziehung zu treten. Bezüglich der Zoll tariffrage sind nur die Ansichten der verschiedenen Par teien nicht nur so weil auseinandergehend, sondern auch so fest und wie zu Stein verhärtet, daß auch der mit den besten Absichten unternommene Vermittelungsversuch wenig Aussicht auf Erfolg bietet. Frankreich. Ter Appell, den der um sein Portefeuille mit Recht besorgte Ministerpräsident Waldeck-Rousseau gerichtet hat, scheint nicht ungehört verhallt zu sein. Zahlreiche Mitglieder der socialistischen und radikalen Gruppen der Tepulirtenkammer beschlossen, von ihrem principiellen Standpunkt einmal abzuweichen und der Regierung die geforderten Chinakredite zu bewilligen. Wird das Anleihegesetz für China aber bewilligt, dann hat das Cabinett bis zu den Neuwahlen nichts mehr zu be fürchten. Afrika. Tas Weihnachtsgeschenk der Königin von Eng land an die englischen Soldaten in Südafrika ist auf dem Tampfer „Canada" zugleich mit einigen Truppen verstärkungen nach seinem Bestimmungsorte abgcgangen. Tas Geschenk besteht bekanntlich in Tabakspfeifen; es ist nur noch ungewiß, ob die Engländer oder die Buren daraus rauchen werden. In England ist die Verstimmung über die Erfolg losigkeit der Kitchenerschen Kriegsoperationen in Südafrika eine so ernste und allgemeine geworden, daß sich die der Regierung näher stehenden Blätter garnicht genug thun können in der Aufzählung von Gründen, weshalb die Tinge so und nicht anders stehen. Die „Times" meldet jetzt aus Pretoria, man habe sich bezüglich der Stärke der noch im Felde befindlichen Burentruppen lange Zeit einer verhängnißvollen Täuschung hingegeben. Es ständen thatsächlich noch 70 Commandos Von ie 50 bis 400 Mann unter den Waffen, die auf alle Gebiete des Kriegsschauplatzes gleichmäßig vertheilt seien. Dagegen seien die englischen Streitkräfte in Südafrika bei Weitem nicht so hoch, als in England allgemein angenommen werde. Tie Viertelmillion Soldaten, die dem Lord Kitchener zur Verfügung ge standen hatte, sei im Laufe der Zeit auf nur 45,000 Mann herabgesunken. Es liegt eigentlich kein stich haltiger Grund vor, an diesen Angaben der Londoner „Times" zu zweifeln. Treffen sie aber zu, dann würde sich das Verhältniß der Buren zu den englischen Truppe» etwa wie 1 zu 3 stellen. Nun, wir meinen, ein Buren krieger kaun es wohl mit drei englischen Söldnern, die sich bekanntlich großen Gefahren nicht gern aussetzcn, ganz wohl aufnehmen. Präsident Krüger hat daher auch nur Recht, wenn er das englische Anerbieten, gegen die Anerkennung der südafrikanischen Republiken die Goldminen auszutauschen, auf das allerentschicdenste ab lehnt. Amerika. Tie venezolanische Regierung hat unter dem Einfluß der neuesten Wirren die Erfüllung ihrer finanziellen Verpflichtungen wieder vollständig eingestellt. Im Ganzen schuldet sie nunmehr den deutschen Interessenten 10»/, Mill. Fr. Hinsichtlich der Abtragung dieser Schulden war man zu einem Uebereinkommen gelangt, als der Krieg mit Kolumbien ausbrach. Alle von deutscher Seite gemachten Bemühungen, die Reichsre gierung für die Angelegenheit der deutschen Gläubiger zu interessiren, sind nach dem „Berl. Tagebl." bisher erfolglos geblieben. Ans -em Mnl-enthale. *Waldeuburg, 29. November. Tie Schleichardt'sche Theatergesellschast brachte gesteru Abend ein Lustspiel der alten Schule, G. von Mosers „Salon-Tiroler", das auch gestern wieder seine Zugkraft ausübte, zur Auf führung. Tas Stück spielt zum größten Theile in Berlin, zum Theil am Achensee in Tirol. Tie Charakterzeich nungen sind im ganzen zutreffend, so die eigensinnige Tochter des Kaufmanns Bredo, welcher der erziehliche Einfluß der Mutter gefehlt hat, der allzeit beschäftigte Kaufmann Bredo und seine Schwester Adelheid, die mit Würde und die Formalitäten liebend den Haushalt führt, der gigerlhafte Fritz von Strehsen (der Salon- Tiroler), ferner der junge Kaufmann Hans Werner, der allezeit „orientirt" ist, die Kammerjungfer Selma, die Tiroler Josef Stemmbacher und dessen Vater, die Vroni Steiner, weiter der neugierige und saumselige Diener Ludwig, der Bankier Lichtenberg und dessen Tochter Alice. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Rollen gut, theilweise glänzend durchgeführt. Hervorragend waren auch die Gesangseinlagen, die ebenso wie das Gesammtspiel mit vielem Beifall ausgenommen wurden. Auch die Darbietungen unserer Stadtkapelle, welche die Zwischenacte angenehm ausfüllten, ernteten lebhaften Beifall. Morgen Sonnabend wird das historische Charakterbild aus unserem Erzgebirge „Carl Siülpner, der kühne Wildschütz" zur Darstellung kommen. * — Auf Blatt 117 des Handelsregisters für den hiesigen Gerichtsbezirk ist am 25. d. die Firma F. Emil Uhlmann in Falken und als ihr Inhaber der Dünge mittelfabrikant Franz Emil Uhlmann daselbst eingetragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Tüngemiltel- fabrikation und Düngcmittelhandel. * — Tie Tagesordnung für die 8. diesjährige Be zirksausschußsitzung, welche diesmal Sonnabend, den 30. d., vormittags I I Uhr in der Bezirksanstalt Lichten stein stattfindct, ist folgende: I. Geschäftliche Milthci- lungen. 2. Bczirksanstaltsangelegenheiten. 3. Gesuch der Gemeinde Langenberg um Gewährung einer Bei hilfe aus Bezirksmitteln zu einem Brückenbau. 4. An lagenregulativ für Crotenlaide. 5. Anlagenregulativ für Niederlungwitz. 6. Anlagenregulativ für Oberschind maas. 7. Anlagenregulativ für Reichenbach. 8. An lagenregulativ für Mülsen St. Micheln. 9. Anlagcn- regulativ für Kuhschnappel. 10. Anlagenregulativ für Gesau. 11. Anlagenregnlativ für Callenberg. 12. Frie drichs für Oberlungwitz Tispensationsgesuch in Tismem- bralionssachen. 13. Rudolphs in Bernsdorf Gesuch um Erlaubniß zum Krippensetzen. 14. Gesuch des Gaft- wirths Hermann Döhler in Reinholdshain um Erlaub niß zur Veranstaltung öffentlicher Theatervorstellungen durch Vereine. 15. Friedrichs in Niederlungwitz Ge such um Erlaubniß zur Veranstaltung von Singspielen und theatralischen Aufführungen durch Vereine. 16. Görners in Falken Schankerlaubnißgesuch für ein neu anzulegendes Gesellschaftszimmer. 17. Leistners in Hohn dorf Schankerlaubnißgesuch für den Neubau. 18. Wag ners in Hohndorf Gefuch um Erlaubniß zur Veran staltung von Singspielen und theatralischen Vorstellungen. 19. Engels in Hohndorf Gesuch um Erlaubniß zum Ausschank von Kaffee, Selterswaffer und nicht alkohol haltiger Limonade. 20. 11. Nachtrag zum Ortsstatut für Hohndorf. Callenberg, 29. November. In der letzten Sonntag unter zahlreicher Betheiligung vorgenommenen Kirchcn- Vorstandswahl wurde an Stelle der ausscheidendcn Herren Strumpfwirker Herm. Flämig in Callenberg und Gartenbesitzer Ernst Helbig in Reichenbach Herr Gemeindevorstand Hermann Siegel in Callenberg mit erdrückender Majorität und Herr Gartenbesitzer Emil Schramm in Reichenbach neugewählt, während Herr Gutsbesitzer und OrtSrichter Friedrich Schramm in Reichenbach wiedergewählt wurde. Die feierliche Ein weisung der Neugewähltcn soll am 2. Advent im Vor mittagsgottesdienste stattfinden. — Ter am Montag Abend in Schlunzig verhaftete 22jährige Schüler einer Dresdner Gartenbauschule, der am Sonntag Abend auf den Pfarrer des Ortes einen Anschlag verübt hatte, heißt Richter. Es wurde bei ihm ein geladener Revolver und ein eiserner Hammer gefunden. In der linken Jackettasche hatte er ge mahlenen weißen Pfeffer, den er etwaigen Verfolgern in die Augen zu werfen beabsichtigte. Er gab zu, auf die Pfarrer in Tharandt und Seifersdorf bei Radeberg Mordanschläge geplant zu haben. Richter hatte auch seinem Lehrer, dem Obergärtner M., vier Nächte lang auf dem Wege nach Königsbrück aufgelauert, um ihn zu erschießen. Er feuerte auch auf ihn, traf jedoch nicht. Am Sonntag Abend, nach dem ersten Versuch, in das Haus des Pastors in Schlunzig einzudringen, lief er in Stunden von dort nach dem Bahnhof Glauchau und erreichte noch den Anschluß nach Dresden, sodaß sein nächtliches Umhertreiben außerhalb Dresdens nie be merkt wurde. Tie Drohbriefe, die er an verschiedene Pastoren gerichtet hat, waren unterschrieben: „Tas Nationalcomite für Verbrecherthum und Anarchismus." Jetzt ist er ins Krankenhaus geschafft worden, offenbar ist er also geistesgestört. — Allerhand abenteuerliche Gerüchte von einer „Leichen schändung" wurden in diesen Tagen aus Thurm ver breitet. Sicherem Vernehmen nach ist das Gerücht jedoch unbegründet und der betreffende Vorfall hat sich in ganz andrer Weise zugetragen. Auf dem dortigen Friedhöfe wurde am Montag die Leiche der vor un gefähr vier Wochen beerdigten Frau Pöcker von dort wieder ausgegraben und in Gegenwart mehrerer Gerichts personen aus Glauchau und des Staatsanwalts aus Zwickau durch Herrn Bezirksarzt Medicinalrath Or. Hankel und einen weiteren Arzt aus Glauchau in der Leichen halle secirt. Es handelt sich darum, durch die Section die Todesursache der Frau Pöcker festzustellen, da der Verdacht entstanden ist, daß ein in einem Nachbardorfe wohnhafter Handwerker, der sich mit Kurpfuscherei be faßt und die Verstorbene bis zu ihrem Tode behandelt und hierbei ganz falsche Mittel angewendet hat, weshalb er wegen fahrlässiger Tödlung zur Verantwortung ge zogen werden soll. — Wie berichtet wiro, hat Herr Restaurateur und Fleischermeister Louis Bauer in Hartenstein kürzlich ein Schwein geschlachtet, welches annähernd 5 Centner wog und 2 Meter 50 Centimeter lang war. Das Herz des Thieres wog allein 4 Pfund. Das Fleisch des Borstenthieres war sehr schmackhaft. Aus dem Sachsenlande. — Tie 2. Kammer nahm am Donnerstag in ihrer 7. öffentlichen Sitzung, der am Regicrungstische Staats minister von Metzsch und einige Regierungscommissare beiwohnten, zunächst den Gesetzentwurf über die Auf hebung der mit Apothekergerechtigkeiten verbundenen Berbietungsrechte in Vorberathung. An der Debatte be- lheiligten sich die Abgeordneten Lieban-Rochlitz, Or. Spieß Pirna, Knopfloch-Radeberg und Dietrich-Hefen- berg. Aus den Ausführungen sämmtlicher Redner ging hervor, daß man dem Gesetzentwurf sympathisch gegen übersteht, doch wurden Bedenken laut, daß die ausge- worsene Entschädigungssumme von 100,000 bis 200,000 Mk. nicht ausreichcn werde angesichts des Einflusses, den die Berbietungsrechte auf den Werth der Apotheken ausüben. Tas Haus übergab den Gesetzentwürfe zur Berichterstattung an die Gesetzgebungsdeputation. Schließ lich erfolgte noch die Wahl des Präsidenten Or. Mehnert und der Bicepräsidenten Or. Schill-Leipzig und Opitz- Treuen zu Mitgliedern und der Abgeordneten Hähnel- Kuppritz,'May-Polenz und Schubart-Euba zu stellver tretenden Mitgliedern des Landtagsausschusses zur Ver waltung der Statsschulden. Tarauf wurde die Sitzung geschlossen. — Eine für die Innungen wichtige Entscheidung hat kürzlich die Krcishauptmannschaft Dresden gefällt. Die Glaser-Innung zu Dresden stellte sich auf den Stand punkt, daß nur berufsmäßig gelernte Glasergehilfen, nicht aber die bei Glasermeistern beschäftigten Tischler usw. in den Gesellenausschuß gewähü werden dürften. Auf hiergegen erhobene Beschwerde hat die Kreishaupt mannschaft entschieden, daß das Verfahren der Dresdner Glaserinnung ungerechtfertigt und in dem Gesetz nicht begründet sei. Es dürften vielmehr alle bei Jnnungs- mitgliedcrn beschäftigten Gehilfen an der Verwaltung der Innung thcilnehmen, soweit es gelernte Personen seien. Auch den Einwand der Innung, daß Gesellen, die nicht specielle Fachleute seien, z. B. nicht zu Lehr- lingsprüfungen geeignet wären, hat die Kreishauptmann schaft für unerheblich gehalten, denn cs sei noch nicht ohne Weiteres anzunehmen, daß solche Gehilfen unfähig zur Beurtheilung der Prüfungsarbeiten seien. — Eine große Freude zum bevorstehenden Weih- nachlsfest wurde vier Arbeitern des Heizhauses auf dem Friedrichstädter Bahnhofe in Dresden dadurch bereitet, daß das Zehntel, das sie in der Lotterie spielten, An theil an der Prämie hatte, sodaß jeder von ihnen, ein Heizer und drei Putzer, das nette Sümmchen von 10,125 Mk. erhielten. Ein Zehntel hat ein Tienst- mann gewonnen, fünf Zehntel sollen in der Collecte ge blieben sein. — Am Mittwoch Abend erschoß sich in Cnmmitr schütt in seiner Wohnung der etwa 25 Jahre alte Sohn eines dortigen Baumeisters, wie es heißt, aus unglück licher Liebe. — Ter Fabrikant und spätere Fabrikdircctor Gustav Adolf Flechsig in Werdau war beschuldigt, in seiner Einkommensteuerdeclaration aufs Jahr 1896 sein Ein kommen statt mit 59,000 Mark nur mit 13,350 Mark, also um ca. 46,000 Mark zu niedrig angegeben und dadurch den Staatsfiscus um einen Steuerbetrag von 1730 Mark geschädigt zu haben. In einem ihm zu gestellten Strafbescheid des Stadtraths zu Werdau wurde ihm deshalb eine dem achtfachen Betrage der hinter zogenen Steuer entsprechende Geldsprafe von 13,840 Mark auferlegt. Gegen diesen Strafbescheid hat Flechsig auf gerichtliche Entscheidung angetragen und die Sache kam am Dienstag nach vorher vorgenommener gründ licher Revision der Bücher vor die Strafkammer lH zu Zwickau zur endgiltigen Aburtheilung. Der Ange klagte bestritt, ein so hohes Einkommen, wie die Steuer behörde angenommen habe, jemals gehabt zu haben und die Verhandlungsergebnisse führten auch dahin, daß Flechsig nur zu 2850 Mark Geldstrafe verurtheilt wurde. — Ein merkwürdiges Abkommen hat die Sparkasse in Waldheim mit dem Rabatt- und Sparverein Wald heim getroffen. Sie hat nämlich die baare Auszahlung der Rabatt-Summen für diesen Verein übernommen. Unseres Erachtens haben die städtischen Sparkassen andere Aufgaben als die, sich in den für die Gewerbe treibenden ohnehin so schweren Concurrenzkampf zu deren Nachtheil einzumischen. - Viel Aufsehen erregt in Greiz die Suspendirung des Todtengräbers Perthel, angeblich wegen Unredlich keiten und Leichenschändung. Beim Grabgraben stießen Arbeiter auf einen Sarg, der infolge der Arbeiten zum Theil zerstört wurde, wodurch die noch gut erhaltene Leiche eines seiner Zeit als Braut begrabenen jungen Mädchens sichtbar wurde. Auf Geheiß des Todten gräbers haben nun die Arbeiter, um Raum zu gewinnen, angeblich die Leiche vernichtet. Die Empörung der An gehörigen und der ganzen dortigen Einwohnerschaft läßt sich leicht denken.