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reikMAPeillek und TagedlM. 37. Jahrgang. Freitag, den 2». Miirz Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Erscheint jeden Wochentag Abends '/,7 Uhr sür den i andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. und cinmonatlich 75 Pf. Inserate werden bis Vormittag l l Uhr angcnom- l men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile z 1 oder deren Raum 15 Ps. f w Zwischen der zweiten und dritten Lesung der Dampfer-Vorlage. ' INach einer viertägigen Verhandlung über die Dampfer- Subventions-Vorlage ist der deutsche Reichstag endlich bis zu der Abstimmung gelangt, welche Dank der unermüdlichen und wahrhaft großartigen Verthetdigung der Vorlage durch den deutschen Reichskanzler verhältmßmaßig günstig ausfiel. Gegen die ostasiatische Linie, welche in keinem Zusam menhang mit der Kolonialpolitik steht, war von keiner Seite Widerspruch erhoben worden. Es sand sich aber auch für die vielbestrittene australische Postdampfer-Linie sammt der Zufahrtslinie vom Mittelmeer aus und der Zmeiglinic nach den Samoa- und Tonga-Inseln (unter Ablehnung der von sozialdemokratischer Seite geforderten Einschränkung) eine Mehrheit von 170 gegen l59 Stimmen. Für die Regierungsvorlage stimmten dabei geschlossen: die Konser vativen und die Nationalliberalen, 13 Mitglieder des Zen trums, die reichsländischen Abgeordneten, drei Welfen, zwei Deutschfreisinnige (Graf Hacke und Bertram) und 1 Mit glied der Volkspartei (Abg. Härle). Gegen 20 Mitglieder des Zentrums fehlten bei der Abstimmung und trugen da durch indirekt dazu bei, daß die australische Linie genehmigt wurde. Auch die Mehrheit, welche die dritte Linie, die afrikanische, mit 166 gegen 157 Stimmen ablehnte, war eine so geringe, daß die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, in dritter Lesung auch für diese Linie noch eine Mehr heit zu gewinnen. Die zunächst ungünstige Entscheidung über die afrikanische Linie wurde dadurch herbeigeführl, daß dabei die Zahl der für die Regierungsvorlage stim menden Mitglieder des Zentrums auf zehn zurückging, während sieben Ultramontane Stimmen sich zur Opposition schlugen. Bei so geringen Majoritäten fehlt jede Gewißheit über den entscheidenden Ausgang der dritten Lesung der Dampfer- Subventions-Vorlage, welche voraussichtlich Freitag oder Sonnabend stattfindet. Ebenso möglich wie es erscheint, daß auch die abgelchnte afrikanische Linie noch in der dritten Berathung Genehmigung findet, kann es sich auch ereignen, daß die bewilligte australische Linie schließlich noch abgelehnt wird. Jedenfalls halten cs die regierungsfreundlichen Parteien für geboten, auf dem Posten zu sein. Die „National liberale Korrespondenz" schreibt wörtlich: „Bei den Abstirtz- mungen am Montag waren sämmtliche Mitglieder der nationalliberalen Fraktion ohne Ausnahme, die konservativen Fraktionen fast vollzählig auf dem Platze, während - das Zentrum nicht unbedeutende Lücken aufwies, die Sozial demokraten wohl kaum bis zur Hälfte, die Elsaß-Lothringer nur mit zwei Mitgliedern anwesend waren. Man wird von den Meisten, welche der Sitzung fern geblieben, annehmen müssen, daß sie, wären sie anwesend gewesen, zum Min desten nicht für die australische Linie gestimmt haben würden. Da nun die Majorität bei dieser gestrigen Abstimmung nur 11 Stimmen betrug, so ist klar, daß das definitive Zu standekommen des Gesetzes mit der ostasiatischen und der australischen Linie (inkl. Zweiglinie nach Samoa) noch keines wegs gesichert ist." Daß der Erfolg bei der zweiten Lesung, den man nach der anfänglichen Stellungnahme der Opposition kaum er warten konnte, wesentlich der Energie und Beredsamkeit des deutschen Reichskanzlers zu verdanken war, liegt auf der Hand. Die Nachwirkung seiner in den letzten ^Lagen im Reichstage gehaltenen Reden wird im Volke ohne Zweifel noch nachhaltiger sein, als in den Reihen der verbitterten Par lamentarischen Opposition. In dieser Voraussicht hat sich der Führer des Zentrums, Abg. Windthorst, eifrigst be müht, durch sofortige scharfe Entgegnungen die Wirkung der Reden des Fürsten Bismarck abzuschwächen. Nicht nur die Beredsamkeit des Kanzlers, sondern auch seine eigenen Mißverständnisse mir den ostpreußischen und süd deutschen Uttramontanen über die Welfenfrage zwangen den Führer des Zentrums, zur Wahrung seines politischen Einflusses das Aeußerste zu wagen und die halbverrosteten Kulturkampf-Waffen auszugrabcn. So erklärt sich die un gewohnte Schroffheit, mit welcher sich Windthorst auf Un kosten des Einvernehmens mit den altpreußrschen Konser vativen am letzten Freitag über den Fürsten Bismarck als den wahren „Loki" auslicß, der durch seine Knlturkämpferei selbst zum Mörder des deutschen Völkerfrühlings geworden. Um aber die alte bereits im Erlöschen begriffene Flamme neu anzufachen, bedurfte es unverkennbar noch stärkerer Mittel und deshalb sprach Abg. Windthorst am Sonnabend von den 1866 und auch nachher noch verletzten Rechten, unter welchen sich die Ultramontanen, Polen, Welfen, Elsässer und Sozialdemokraten alles Mögliche denken konnten. Am Tage vorher hatte der deutsche Kanzler nur des Krieges von 1866 gedacht, um es als einen großartigen Sieg des nationalen Gedankens zu preisen, daß trotz desselben bereits 1870 ganz Deutschland einig zusammenstand in der Abwehr des französischen Angriffs. In dieser Art, den Krieg von 1866 zu erwähnen, lag sicherlich kein Anlaß zu der Ver wahrung, zu welcher der Abg. Windthorst alsbald das Wort ergriff, als ob er der berufene Sachwalter desjenigen Theils des deutschen Volkes wäre, welcher damals gegen Preußen und seine Verbündeten in Waffen stand. Das ultramontane Organ „Germania" ist seitdem noch weiter gegangen, wie der Abg. Windthorst, indem es die Mittel staaten deshalb als edel pries, weil dieselben 1870 ihren Groll wegen 1866 vergaßen und mit dem Norddeutschen Bunde in den Kampf gegen Frankreich zogen und sich mcht mit dem Auslande verbanden, wie Preußen dies im Jahre 1866 mit Italien gethan. Die Berliner „National-Ztg." weist dagegen daraus hin, daß das mit Preußen verbundene Italien damals lediglich den Erwerb italienischer Gebiete erstrebte, während ein deutscher Staat, der sich 1870 mit Frankreich verbunden hätte oder neutral geblieben wäre, die französischen Absichten auf deutsches Gebiet unterstützt haben würde. Es ist bezeichnend, daß ein deutsches Blatt gegenwärtig noch nachträglich eine derartige Politik als immerhin zulässig darzustellen wagt, indem es das Zusam menstehen gegen den Landesfeind als einen Akt besonderen Edelmuthes preist! Man sollte meinen, daß eine Fraktion, die solche Ge sinnungen offen zur Schau trägt, unmöglich noch Sympa thien im Lager der preußischen Hochkonservativen besitzen könne, trotzdem äußerte sich die „Neue Preuß. Ztg." über das Verhallen des Zentrums bei den Dampfer-Subventions- Debatten in der schonendsten Weise. Das erwähnte Blatt erklärte sich durchaus mit den Aeußerungen Windthorst's über die vergiftende Wirkung des „Kulturkampfes" ein verstanden, und bezeichnete den letzten, als den eigentlichen Quell und die Wurzel alles Uebels. Nachdem Windthvrst soeben den Fürsten Bismarck allein für die Entstehung und Fort dauer des Kulturkampfes verantwortlich gemacht hat, muß man nach diesen Erklärungen der „Kreuzzeitung" annehmen, daß sie in ihrem Herzen dem Zentrumsführer auch darin recht giebt, und mit der Verurtheilung des Kulturkampfes auch den Träger desselben als die Wurzel alles Uebels angesehen wissen will. Daß die kirchenpolitischen Zwistig keiten in Preußen die Hauptursachc des innern Unfriedens rn Deutschland sind, daran zweifelt wohl Niemand. Es kommt nur darauf an, ob der deutsche Reichskanzler an der Fortdauer derselben die Schuld trägt oder die Partei, welche durch unerfüllbare Forderungen den Friedcnsschluß verhindert. Wenn der Abg. Windthorst am 13. ds. Ms. im Reichstage sagte: „Schaffen Sie den Kulturkampf aus der Welt, dann werden wir den inneren Frieden haben!", so hat er absichtlich oder unabsichtlich vergessen, daß die Elsässer, die Polen und die Welfen ein Interesse daran haben', die inneren Kämpfe in Deutschland fortdauern zu lasim, durch welche sie die Unterstützung zahlreicher Partei genossen finden. Ob mit Recht oder mit Unrecht, hält der Reichskanzler den Umstand, daß der ehemalige Erzbischof von Posen, Kardinal Ledochowski, so großen Einfluß im Vatikan besitzt, für ebenso störend als den, daß der wegen der Einverleibung Hannovers und der Verhinderung der welfischcn Herrschaft in Braunschweig innerlich erbitterte Abg. Windlhorst an der Spitze der einflußreichen Zentrums partei steht. So lange wie jetzt eine solche Verquickung der kirchenpolitischen Dinge mit den politischen Fragen der Wiederherstellung der Selbständigkeit Polens, Hannovers und Braunschweigs besteht, so lange entfällt für den deut schen Reichskanzler jede Möglichkeit, den inneren Frieden wicdcrherzustellen. Dieselben Blätter, welche noch vor Kurzem eine Verständigung der römischen Kurie mit Preußen m nahe 'Aussicht stellten, zweifeln jetzt an dem Zustande kommen derselben, weil der polnische Einfluß im Vatikan aus rein politischen Gründen die Ernennung des bürger lichen Geistlichen Wanjura zum Erzbischof von Posen hinter trieben hat. Der bei den Debatten über die Dampfer- Subventionen zu Tage getretene erbitterte Widerstand des Zentrums gegen die Kolvnialpolitik des Reichskanzlers wird jedenfalls die Wirkung nicht erzielen, diesen eisernen Staats mann mürbe zu machen, sondern demselben höchstens noch größere Volksthümlichkeit verschaffen und ihn noch mehr stählen gegen die offenen und verkappten Feinde des geeinten Deutschen Reiches. Tagesschau. Fretberg, den 19. März. Gestern erfolgte im deutschen Reichstage die Berathung der Holzzölle, gelangte aber noch zu keinem Abschluß. Zu nächst sprach Abg. Rickert gegen die Holzzölle, welche eine blühende Industrie schädigen, vielleicht sogar zerstören würden. Der Zoll auf Zedernholz sei der Ruin für die Bleistiftfabri kation, die mit großer Mühe dem Auslande gegenüber den Weltmarkt behaupte, und durch den Zoll auf amerikanisches Edelholz werde die hamburgische, lübeckische und mecklenbur gische Fournierindustrie schwer benachtheiligt. Finanziell bringe der Holzzoll nicht solche Vortheile, daß den erwähnten Schäden gegenüber die Einführung desselben sich rechtfertige. Abg., Graf Stollberg-Wernigerode hielt die Befürchtungen des Abg. Rickert für vollständig unbegründet. Der bairische Bundeskommissar Ganghofer glaubte, daß der geringe Zoll unmöglich die Industrie in der geschilderten Weise schädigen könne, zumal die Holzeinsuhr den Bedarf weit übersteige. Darauf bestritt Abg. v. Staufs enberg, daß Holzzölle die nationale Arbeit zu schützen vermöchten, behauptete vielmehr, daß der Zolltarif die Schwindelindustrie begünstige, welche die theuren zollpflichtigen Edelhölzer nachahmen lasse. Gegen diese Ausführungen wendete sich der Staatssekretär von Burchard, indem er behauptete, die Belastung des Rohmaterials durch die Holzzölle sei viel zu gering, als daß diese für die Produkte der betreffenden Industrien in Betracht kommen könnten: er bitte daher im Interesse der Uebersichtlichkeit von jeder Aus nahme für Zedernholz und andere Edelhölzer abzusehen und die Zollerhebung nicht unnothig zu erschweren. Abg. Stiller empfahl die Anträge der Linken, Abg. Graf Skolb erg- Wernigcrodedie Kommissionsanträge, während die letzteren- von dem Abg. Dirichlet bekämpft wurden. Abg. Windt» Horst erklärte, er wolle keine Finanzzölle bewilligen, sondern nur den Holzzoll, soweit derselbe zum Schutze der deutschen Waldkultur nöthig sei. Nach der weiteren, von den Abgg. Grillenberger, v. Gramatzki und Freiherrn Göler von Ravensburg geführten Debatte fand der Antrag der Kommission mit den abschwächenden Anträgen von Stiller, Grillenbergcr und Kröber Annahme. Für Rohholz von Buchsbaum wurde mit 138 gegen 132 Stimmen ein Zollsatz von 10 Pfennigen angenommen, auch sür Zedern-, Kokos-, Ebenholz und Mahagoniholz der nämliche Satz beschlossen. Geschnittenes Erikaholz wurde aus 15 Pfennige tarifirt. Außer den in der Position 13u bisher schon als zollfrei bezeichneten Hölzern bleiben auch Schleisholz und Holz zur Cellulose fabrikation, nicht über 1 Meter lang und nicht über 18 Zenti meter stark, zollfrei. Hierauf folgte die Position Nutzholz, wobei sich Abg. Kröber gegen die beabsichtigte Holzzoll- crhöhung wendete, deren die deutsche Waldkultur nicht bedürft. Der Redner berief sich auf die überaus zahlreichen Petitionen gegen die Holzzölle. Der Buudeskommissar Ganghofer erwiederte, diese Petitionen bewiesen gar nichts, denn alle großen Volkskreise, denen mit der Zollcrhöhung auf Holz ge dient sei, hätten keinen Anlaß, zu petitioniren, wenn sie sähen, daß die Regierung schon in ihrem Sinne vorginge. Durch die bedeutende Einfuhr von ausländischem Holz würde den deutschen Produzenten ihr Absatz erschwert, sodaß vieles gute deutsche Nutzholz in's Brennholz geschlagen werden muffe, während andererseits viel schlechtes Nutzholz vom Auslände eingeführt werde. Abg. Freiher v. O w trat ebenfalls den Ausführungen des Abg. Kröber entgegen und betonte, auf die süddeutschen Verhältnisse hinweisend, es sei allerdings ein nationales Interesse für die Erhöhung der Holz zölle vorhanden. Hierauf wurde die Verhandlung vertagt. Die liebevolle Aufmerksamkeit, mit welcher der deutsche Kaiser seine getreuen Staatsdiener bei jeder Gelegenheit erfreut und ehrt, prägt sich wiederum in dem Angebinde aus, welches der greise Monarch dem Fürsten Bismarck zum 1. April bestimnit. Der Kaiser beauftragte nämlich den Direktor der Berliner Kunstakademie, Anton von Werner, eine Kopie der Kaiserproklamation in Versailles in verkleinertem Maßstabe anzusertigen, welches Bild der Monarch seinem verdienten Mithelfer bei dem großen deutschen Einigungswerke zu widmen beabsichtigt. Das bekannte Organ des Reichskanzlers, die „Nordd. Allg. Ztg.", sucht die Besorgnisse der deutschen Handelskammern wegen Schädigung der deutschen Schifffahrt durch den franzö sischen Entschluß, während der Feindseligkeiten mit China Reis als Kricgskontrcbande zu behandeln, möglichst zu be schwichtigen. Die französische Maßnahme würde keine sehr nachtheilige Rückwirkung üben. Dieselbe bleibe nur berechtigt, wenn sie gleichmäßig gegen alle neutralen Schiffe durchgeführt werde, es sei daher zu erwarten, daß Frankreich, wenn es den