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IS LHH Srschcmt i-deu Kocherüüg Abend«Uhr fürdm andern Dia. Prci«vierkljähAich 2Mark 25 Pf., twetmonaMch 1 M. 50 Pf. nnd einmovaüiih 75 Pf. Die Auslieferungsverträge Tagesschau. Freiberg, den 27. Januar Das gleichzeitige Arbeiten des -rutschet» Reichstages und des preußischen Abgeordnetenhauses ruft in parlamentarischen Kreisen tiefe Verstimmung hervor, weil viele Volksvertreter mit einem Doppelmandat betraut sind. Vielfach nimmt man an, daß es der Reichsregierung ein Leichtes sein würde, bei dem preußischen Abgeordnetenhause eine größere Rücksicht auf den deutschen Reichstag zu ermöglichen, und daß, wenn eine solche Rücksichtnahme unterbleibt, dies vielleicht in der Abficht geschehe, um neuen Anhalt für den noch immer nicht auf« gegebenen Plan zweijähriger Budgetperioden zu gewinnen. Gestern tagte allerdings nur der deutsche Reichstag, welcher zunächst 107 200 Mark für Arbeiten zur Sicherung der Fundamente des deutschen Botschaftsgebäudes in Rom, des Palazzo Caffarelli, bewilligte, dann aber die Berathung des Etats der Zölle und Verbrauchssteuern, speziell der Rüben zuckersteuer, fortsetzte. Hierzu lag ein Antrag des Abg. Grasen Hacke vor, die Regierung aufzufordern, die Zuckersteuerkredite von 6 auf 9 Monate zu erstrecken. Der Referent Abg. von Wedell-Malchow berichtete, aus welchen Gründen die Kommission die Ansätze der Regierung genehmigt habe. Die Ziffer entspreche dem dreijährigen Durchschnitt; die Kommission habe darum den Antrag, von dem Ansatz in Höhe von 38 400000 Mark etwa 14 Millionen mit Rücksicht aus die hohe Wahrscheinlichkeit eines Minderertrages abzusetzen, nicht zu dem ihrigen gemacht. Abg. Graf Stolberg-Wernige rode suchte die Regierung gegen den Vorwurf zu recht fertigen, nicht bereits an die Reform der Zuckersteuer heran getreten und dadurch die Ueberprodnktion gefördert zu habe«. Es empfehle sich vielmehr die Prolongation des jetzigen Zu standes auf ein Jahr, von dieser Frist hoffe er eine Ein schränkung der Produktion und Hebung des Konsums. Abg. Graf Hacke (Zuckerfabrikant) schloß sich der Ansicht an, daß die Regierung augenblicklich besser thue, an dem bestehenden Zustande nichts zu ändern. Darin stimmen die Industriellen überein, daß der Zeitpunkt zu einer Aenderung der Be steuerung so gewählt werden müsse, daß sie die Industrie nicht schädige, d. h. sie muß mindestens ein Jahr vor der betr. Kampagne, die der neuen Besteuerung unterworfen werden soll, erlassen werden. Die bisherige Form der Besteuerung, diejenige des Rohmaterials, sei jedenfalls eine sehr glücklich« gewesen und habe die Industrie zu ihrer Blüthe gebracht. Namentlich mache er die Regierung darauf aufmerksam, daß bei der zukünftigen Steuerreform zwischen den Fabriken mit und denen ohne Melasseentzuckerung ein Ausgleich durch ver schiedene Besteuerung gefunden werden müsse. Abg. Härle führte dagegen die gegenwärtige Ueberfluthung des Weltmarkte- mit Zucker und damit die gegenwärtige Krisis auf unser Steuersystem zurück, das trotz der gegenwärtigen Lage der Industrie schnellstens geändert werden müsse. Die Resolution Hacke wäre nur bei einer Aussicht auf schleunige Steuerreform annehmbar, andern Falles bedeute die Prolongation der Steuerkredite mir wiederum neue Opfer für die Staatskasse. Der Minister I)r. Lucius bestritt die Mitschuld der Regie rung an dem Niedergang der Zuckerindustrie, da die erstere schon 1881 eine Herabsetzung der Ausfuhrvergütung vorschlug. Jetzt müsse die allgemeine Nothlage der Landwirthschaft uns zu um so größerer Schonung der landwirthaftlichcn Industrie» bestimmen, die noch verhältnißmäßig gut reussiren, nämlich die Zuckerindustrie, die Spiritusbrennerei und die Stärke- sabrikation. Frankreich sei mit seinen landwirthschaft- lichen Nebengewerben viel übler daran, als wir; es habe versucht, dem Niedergange derselben durch einen Uebergang zu dem in Deutschland üblichen Steuersystem abzuhclfen. Am Wenigsten eigne sich die gegenwärtige Zeit einer Krisis zu Steuerexperimenten. Warten wir, schloß der Redner, mindestens noch ein Jahr ab. Abg. Oechelhäuser befürwortete hierauf den Antrag Hacke und wünschte in der nächsten Session eine umfassende Gesetzesvorlage über die Zuckerbesteuerung. Am liebsten wäre ihm ein allmählicher Uebergang zu dem englischen System, welches den Zucker ganz von Steuern entlaste und sie auf den Branntwein abwälze. Der Staatssekretär v. Burchard erklärte, wenn das Gesetz über die Zuckersteuer nicht verlängert werde, laufe dasselbe Anfang August ab. Die Regierungen und das Haus würden aber die Wiederherstellung der alten Ausfuhrsätze nicht wün schen, sondern nur das Gesetz aus ein Jahr verlängern wollen. Was die Stellung der Regierung zur definitiven Regelung der Zuckersteuerfrage angehe, so liege deren Programm schon : in dem Material der Zuckerenquete und in den Aeußerungen aus der letzten Session vor. Sollte die Prüfung des Antrages Hacke im Bundesrath dazu führen, ihm inhaltlich zuzustimmen, so würde der letztere ihn nicht durch eine Verordnung iw Nachbestellungen auf die Monate Februar uns Mär; Werden zum Preise von 1 M. 5V Pf. von allen kaiserlichen Postanstatten sowie von de« be kannten Ausgabestelle« und der unterzeichneten Expeditton angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. > 37. Jahrz«« — Mittwoch, Sen 28. Januar Inserate »erden bi« Lormütag 11 Uhr äugen»«- k LH FH men Md beträgt der Preit für die gespalten« Zeür S D LHLHLH oder deren Rau« iS Pf. H das Nesultat jener Besprechung angesehen. Wenn sdie österreichisch ungarische Negierung nicht gleichzeitig mit der Veröffentlichung eines ähnlichen Uebereinkommens hervor trat, so liegt das wahrscheinlich in der Nothwendigkeit, erst die Annahme des Anarchistengesetzes durch das öster reichische Abgeordnetenhaus abzuwarten und in der Schwierig keit, die Zustimmung des ungarischen Ministeriums zu erlangen. Aus den Eiuzclbestimmungen der zwischen der preu ßischen und russischen Regierung zum Abschluß gelangten Vereinbarung ergiebt sich, daß wegen hockwc-rölyrischer Unternehmungen, wegen Mord und Mor^p wegen Herstellung oder Besitz von Dynamit oder anderer Spreng stoffe angeklagte, angeschuldigte oder verurtheilte Personen der Auslieferung unterliegen, daß aber ferner auch andere Verbrecher unter gewissen Voraussetzungen ausgeliefert werden sollen. Das Hauptgewicht ist darauf zu legen, daß das Abkommen speziell dahm geht, die angebliche politische Absicht des Verbrechens in keinem Fall als Ablehnungs- arund für die Auslieferung gelten zu lassen. Die Aus lieferung politischer Verbrecher lst demnach zwischen Preußen und Rußland generell zugestanden. Damit rst der erste Schritt zur Erreichung der internationalen Vereinbarungen über die Auslieferung der Dynamithelden gethan, welche Rußland seit dem Hervortreten der nihilistischen Attentate bisher vergeblich anstrebte. Nun ist wenigstens gegründete Aussicht vorhanden, daß auch di« anderen Staaten zu der Ueberzeugung gelangen, daß sie sich der Umsturzbewegung gegenüber im Zustande der Nothwehr befinden und aus Gründen der Selbsterhaltung auf das bisher als Ehren pflicht betrachtete Asylrecht für alle politischen Verbrecherver- und T M M tt Amtsblstt für die Nützlichen und städtischen Behörden zn Freiberg md Brand Verantwortlicher Redakteur: Iuliu- Brau« i« Freiberz. zichten müssen. Zunächst wird es sich natürlich darum handeln, den Staatsvertraa zwischen Rußland und Preußen auf das ganze Deutsche Reich auszudehnen, wozu die Zu stimmung des deutschen Bundesraths und des Reichstages erforderlich ist. Bei der einflußreichen Stellung, welche die Polen in der starken Zentrumspartei cinnehmen, dürfte das Abkommen mit Rußland in der deutschen Volksvertretung nicht ohne vorausgehende leidenschaftliche Debatten Annahme finden. Noch schwieriger dürfte es in Oesterreich fallen, einen ähnlichen Vertrag zu ratifiziren. Selbst die entschieden regierungsfreundliche alte „Wiener Presse" erklärt bei Be sprechung des preußisch-russischen Abkommens, daß nur jene Vertragsbestimmungen gebilligt werden können, welche fak tische Verbrechen betreffen, daß aber die öffentliche Meinung die Verleugnung der idealen Grundsätze des Afylrechtes nicht ratifiziren werde. Das halboffiziöse Blatt verwendet sich für strenge Unterscheidung zwischen der Abwehr gegen die Anarchisten und der Vollmacht zur Chikane der politischen Pa teien, verwirft ferner alle nach letzterer Richtung gehende Maßregeln, welche insbesondere der russischen Verwaltung gegenüber mcht gut zu heißen seien. Noch mißlicher wird es fein, für em solches Abkommen die Ungarn zu gewinnen, die nicht nur gegen Rußland einen alten Haß hegen, sondern auch in der Epoche von 1849 bis 1862 mit Aus nahmegesetzen ziemlich bittere Erfahrungen gemacht haben. Der Ministerpräsident Tisza, der über einen großen Anhang im ungarischen Abgeordnetenhaus verfügt, wird gewiß alles Mögliche thun, seine Landsleute für eine durch die Ver hältnisse dringend gebotene internationale Abwehr gegen die Anarchisten zu gewinnen, doch dürste ihm das kaum gelingen, wmn der Vertrag nicht vorher mit Garantien gegen eirun etwaigen Mißbrauch gegen andere politische Parteien ver sehen würde. Eine solche maßvollere und enger begrenzte Fassung des betreffenden Abkommens wider den Anarchismus wäre aber auch gleichzeitig geeignet, zu einer wirklichen inter nationalen Einigung zur gemeinsamen Abwehr zu führen. Nach den am Sonnabend in London gleichzeitig im Parla- mentsgebäude und im Tower versuchten neuen ruchlosen Dynamit-Attentaten und nach der abermaligen Entdeckung einer Höllenmaschine in Chikago muß es möglich sein, sowohl England wie die Regierung der nordamcrikanischen Union zu einem theilweisen Verzicht auf das bisherige Asylrecht zu bewegen, dessen Mißbrauch diese Staaten fort während zum Heerde schändlicher Verbrechen macht. Gegen die Anarchisten, welche sich selbst außerhalb des Gesetzes stellten, giebt es keine Schonung mehr; sie haben selbst die Wohlthaten der Gesetze verwirkt. Wohl aber ist den Männern eine Zuflucht zu gönnen, die aus irgend einem Grund mit den jeweiligen Machthabern eines Staates nicht vollständig übereinstimmen, deshalb schweren Herzens die Heimath meiden, ober zur Erreichung ihrer politischen > Ideale sich niemals mit einem Verbrechen beflecken würden. Die alte radikale Methode des griechischen Arztes Hippokrates: „Wo Medizin nicht hilft, hilft das Schwert!" ' wird voraussichtlich überall zur Anwendung kommen, wo ! das sanfte Mittel sozialer Reformen sich als ungenügend erweist, um die von der Umsturzpartei verschlimmerten so zialen Uebel zu beseitigen. Die Nothwendigkcit, die Gesell- schäft vor den Ausschreitungen einer verhetzten, irregeleiteten Menge zu schützen, die letztere aber vor der Einimpfung ' des revolutionären Giftstoffes zu bewahren, läßt sich nicht ableugnen. Wenn geheime Wühlereien und offene brutale ' Gewaltthaten Leben und Eigenthum der Bürger gefährden, l dann befinden sich Staat und Gesellschaft im Zustand der ' Nothwehr. Nach dem was die anarchistische Fraktion der Sozialisten in den verschiedenen Ländern im Zeitraum der l letzten Jahre verübt hat, kann dieselbe keine Schonung i mehr erwarten. Auf die Rücksichten, welche man bisher i den sogenannten politischen Verbrechern, die das Gelingen , ihrer Thaten zuweilen Helden stempelte, zu Theil werden ! ließ, kann eine Partei keinen Anspruch machen, < die durch Raub und Mord, Petroleum und Dynamit nicht nur ihre politischen Gegner, sondern auch harmlose friedliche > parteilose Bürger auf das Schändlichste gefährdet. Der vor dem Reichsgericht in Leipzig kürzlich verhandelte Reinsdorf-Prozeß hat ein grelles Streiflicht auf die anar- > chistische Organisation geworfen, die sich nicht auf die Menge, sondern nur auf einen kleinen Kreis von verzwei felten Anhängern stützt, denen mit gesetzlichen Bestimmungen kaum beizukommen ist. Bei diesem Prozeß wie bei den bisherigen Erhebungen über die Ermordung des Frank furter Polizeiraths Rumpff hat es sich bis zur Evidenz ergeben, daß die von dem in Amerika sicher geborgenen exaltirten Führer Most geleitete extreme sozialistische Partei vor keinem Mittel zurückschreckt, wo cs gilt, den Kultur staaten keine Ruhe zur friedlichen Entwickelung zu gönnen. Erwiesenermaßen fallen der anarchistischen Fraktion der Sozialisten auch zahlreiche, iu Oesterreich verübten Ver brechen zur Last, z. B. das Raubattentat auf den Schuh macher Merstallinger, die Ermordung der Polizeibeamten HIubek und Blöch und der an dem Bankier Eisert in Wien verübte Raubmord. Außer den bei den Prozessen Kam merers und Stellmachers ans Licht gekommenen Thatsachen ergaben auch noch andere in Prag, Graz, Lemberg, Krakau und Laibach geführte strafgerichtliche Verhandlungen, daß die im Geheimen wirkende Anarchisten - Partei sowohl in Deutschland wie in Oesterreich rastlos auf den Umsturz der bestehenden staatlichen Ordnung hinarbeitet. Minder nachweisbar dürfte der Zusammenhang dieser staatsgefähr lichen deutschen und österreichischen Anarchisten mit den russischen Nihilisten und mit den irischen Feniern sein, von denen die ersteren jedenfalls die Kampfesweise vollständig abgelernt haben, ganz abgesehen davon, daß die Führer sich gleichmäßig das Asylrecht der Schweiz, Englands und der nordamerikanischen Union zu Nutze machten, um von dem sicheren Versteck aus ihre willenlosen Werkzeuge zum Kampf gegen ihre Heimath auszurüsten. Die trans atlantischen revolutionären Werkstätten des deutschen Anar chisten Most, des russischen Nihilisten Hartmann und des irischen Fenierhäuptlings O'Donovan Rossa liegen ver- muthlich nicht weit auseinander. Die Gemeinsamkeit der durch diese gemeinschädlichen Wühlereien erzeugten Gefahr mußte den Kulturstaaten den Gedanken einer gemeinsamen Abwehr nahe legen. Wenn es bis jetzt auch nicht bekannt wurde, ob cs nach dieser Richtung hin bei der Zusammenkunft der Kaiser von Deutschland, Rußland und Oesterreich in Skierniewicze zu bestimmten Abmachungen gekommen lst, so steht doch fest, daß dabei die anarchistische Gefahr ausführlich besprochen wurde. Der vor wenigen Tagen veröffentlichte, am 13. Januar d. I. bereits in Kraft getretene Auslieferungs- Vertrag zwischen Preußen und Rußland wird allgemein als