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I- 4. Amtsblatt litt dir Mißlichen und stiidttfchen Behörden zu Freiberg und Braud Bermtwortlicher Redakteur: Iuliu- Brau« iu Freiberg. Erscheint jeden Wochentag Abend« '/,7 Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2S Pf., zweimonatlich 1M. SO Pf. und einmonatlich 7b Pf. 37. Jahrgang. > Dienstag, de« «. Jaiinar. Inserate werden bi« Vormittag 11 Uhr angenom men und beträgt der Prei« für die gespaltene Zeile oder deren Raum 1ü Pf. 1885. Des hohen Nenjahrstages wegen erscheint Sie nächste Nummer Mittwoch Nachmittag. -Wg Die Vormundschaft. i. In dem bürgerlichen Familienleben nimmt das ver antwortungsvolle Amt der Nor münd sch ast keine ge ringe Rolle ein. Die Pflichten und Rechte, die mit diesem Ehrenamt verbunden sind, haben keine geringe Tragweite, sind aber im Allgemeinen kaum vollständig bekannt. Das Vormundschastsrecht bildet einen Theil der bürgerlichen Gesetzgebung und ist im Königreich Sachsen für dasVörmund- schaftswesen das Gesetzbuch vom 2. Januar 1863 massgebend, während das Entmündigungsverfahren im ganzen deutschen Reiche nach dem Gerichtsverfassnngsgesetz vom 30. Januar 1877 durchgefükrt wird. Von den drei Arten, der Vor mundschaft, der Altersvormundschaft für Minderjährige, der Zuslaudsvormundschaft für Unzurechnungsfähige und der Vermögcnskuratel für Verschollene, ist dieÄltersvormund- schaft diejenige Kategorie, welche das meiste Interesse be ansprucht. Die Bevormundung eines Minderjährigen gehört vor dasjenige Amtsgericht, vor welchem der eheliche Vater desselben seinen persönlichen Gerichtsstand hatte, oder wenn der letztere nicht zu ermitteln ist, vor dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk der Vater gestorben ist. Die Bevormundung einer minderjährigen Ehefrau steht dem Gerichte zu, wo sie ihren persönlichen Gerichtsstand hat. Die Bevormundung eines minderjährigen außereehlichen Kindes richtet sich nach dem Gerichtsstand der Mutter, diejenige eines Findelkindes gehört vor das Amtsgericht des Fundortes. Wenn das Interesse eines Mündels eine Veränderung in der Zuständigkeit der Vormundschaftsleitung wünschcnswcrth macht, so wird auf - erfolgten Antrag von der vorgesetzten Behörde des bisherigen Vormundschaftsgerichts die erforderliche Anordnung getroffen. Sobald sich eine Vormundschaftsbestellung nöthig macht, stellt das zuständige Amtsgericht die nöthigen Erörterungen an, trifft für Pflege und persönliche Sicherung des Mündels die erforderlichen Vorkehrungen, sorgt für die Sicherstellung des Vermögens und ernennt, wenn zur sofortigen Bestellung eines allgemeinen Vormundes nicht zu gelangen ist, einen provisorischen Vormund. Wenn das nicht schon vorher von einem Notar geschehen ist, nimmt das Vormundschasts- gericht die Versiegelung und die Verzeichnung des Ver mögens des Mündels vor. Die Versiegelung kann aber unterbleiben, wenn der Verstorbene einen volljährigen Ehe gatten, Eltern, volljährige Geschwister oder Kinder hinter lassen hat und eine dieser Personen sich zur Herausgabe eines eidlich zu bestärkenden Verlassenschaftsverzeichmsses erbietet. Zur Führuna einer Vormundschaft sind Frauen, mit Ausnahme der Mütter und Großmütter des Unmündigen, unfähig, desgleichen Diejenigen, welche das 25. Lebensjahr noch nicht erreichten, Jene, die selbst eines Vormundes be dürfen, Ehemänner für ihre Ehefrauen und Stiefväter für ihre Stiefkinder. Die Uebernahme einer Vormundschaft können Diejenigen ablehnen, welche bereits zwei umfang reiche oder drei kleinere Vormundschaften auf sich haben, ferner Personen, welches das 60. Lebensjahr erfüllt haben, Solche, denen die Erziehung von 5 Kindern bereits obliegt, Staatsdiencr, öffentliche Beamte. Kirchen- und Schuldiener, Militärpcrsonen, die Großmutter des Minderjährigen und Jene, welche mit Anderen zur ungetheilten Verwaltung einer Vormundschaft bestellt werden sollen. Differenzen zwischen Mündel und Vormund berechtigen so wenig wie etwaige Ortsvcränderungen oder Vergehungen des Mündels zur Nicderlegung der Vormundschaft. Wer ohne ausreichenden Grund die Uebernahme verweigert oder feine Pflicht als Vormund verletzt, kann mit Geldstrafe bis zu 150 Mark eventuell Gefängniß bis zu 14 Tagen belegt werden, hat allen aus seiner Weigerung entstehenden Schaden zu ersetzen und für den vom Gericht eingesetzten besonderen Vormund zu haften. Testamentarische Wünsche der Eltern werden von der Obervormundschaft berücksichtigt, zunächst die Anordnungen des VaterS und dann erst "diejenigen der Mutter. Wo solche Anordnungen nicht vorliegen, sind die Verwandten des Mündels in der Erbreihefvlgc zu bestellen. In Er mangelung solcher Verwandten wird eine andere gerichts zuständige Person zum Vormund ernannt. Wenn ein Gläubiger, ein Schuldner oder ein Sozius des Verstorbenen zumVVormund bestellt wird, ist ein Mitvormund einzusctzen. Die Frist zur Ablehnung einer Vormundschaft beträgt acht Tage. Der neue Vormund hat dem Richter auf Hand schlag Treue und Gewissenhaftigkeit bei Führung der Vor mundschaft zu versprechen und erhält dann den Vormund schein als Bestellungsurkunde. Der Vormund hat für das körperliche und sittliche Wohl seiner Pflegebefohlenen, Sicherung und Vermehrung ihres Vermögens zu sorgen und sie in gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten zu vertreten. In der Regel ist die Vormundschaft unentgeltlich zu führen, doch kann eine Entschädigungssumme von dem Erblasser ausge setzt oder von dem Gericht zugebilligt werden. Eine Ueber- schreitung oder ein Mißbrauch der vormundschaftlichen Be fugnisse kann nicht nur von dem Mündel, sondern von jedem davon Unterrichteten bei dem Vormundschastsgericht angezeigt werden. Für etwa aus der Vermögensverwal tung entstehende Forderungen des Mündels steht dem letzteren ein Rechtsgrund zur hypothekarischen Sicherheits forderung zu. Binnen drei Jahren nach erlangter Voll- jährikeit hat der Mündel das Recht, die Nichtigkeit der für ihn gemachten Geschäfte geltend zu machen. Wenn dem Vormunde größere Werthobjekte des Mündels anvcrtraut werden, kann das Gericht Sicherheitsleistung verlangen, es sei denn, daß die Eltern die Kautions-Bestellung ausdrück lich für überflüssig erklärten oder daß eine Mutter die Vor mundschaft führt, der die Obervormundschaft Vertrauen fchenkt. Die Kosten der Kautionsstellung fallen dem Mündel zu. Größere Werthobjekte kann das Gericht in Verwahrung nehmen und muß dies thun, wenn es der Vormund verlangt. Wenn noch kein notarielles Vermögens- verzeichniß vorhanden ist, hat der Vormund sofort ein solches anzusertigen und beim Vormundschastsgericht ein zureichen, eventuell eidlich zu erhärten, desgleichen, wenn dem Bevormundeten später Vermögen zufällt. Ist von den Eltern die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses verboten, so hat der Vormund trotzdem ein solches aufzu nehmen und dem Vormundschastsgericht versiegelt zu über geben, das dasselbe nur im Nothfalle eröffnet. Tagesschau. Freiberg, den 5. Januar. Schon im deutschen Reichstage kam die Thatsache zur Sprache, daß viele Fabrikanten nur solche Arbeiter beschäftigen, welche Mitglieder freier Kassen sind, zu welchen die Arbeitgeber nichts beizutragen haben. Kürzlich ist deshalb an die Handelskammern zu Barmen, Elberfeld, Lennep, Solingen, Düsseldorf, Krefeld und M.-Gladbach ein Regierungs-Reskript ergangen, in welchem jene Handlungsweise eine inhumane und illoyale genannt und ferner gesagt wird: „Wir sind über zeugt, daß die Handelskammer mit uns und der großen Mehr heit der Fabrikanten das Verhallen jener Minderheit verur- theilt. Die Durchjührung der Krankenversicherung ist eine der Ausgaben der Sozialreform des Deutschen Reichs. Ein feind seliges Verhalten gegenüber dieser Krankenversicherung ist von jener Minderheit um so kurzsichtiger, als die Anträge, welche die Halbseiden-Jndustrie wegen Rückvergütung der Baumwoll garnzölle behufs Erleichterung ihrer Konkurrenzfähigkeit aus den Weltmarkt gestellt hat, ein Entgegenkommen seitens der Reichsregierung verlangen, welches durch inhumane Behand lung der Weber nur verscherzt werden kann." Die liberalen preußischen Blätter mißbilligen zwar das Verhalten der be treffenden Fabrikanten, aber auch das Verfahren der Regierung in Düsseldorf, die Entscheidung einer sachlichen Frage, wie die Rückvergütung der Baumwollgarnzölle, in Verbindung mit einer völlig anderen Angelegenheit zu bringen.— Die „Nordd.Allg. Ztg." bringt eine anscheinend aus amtlicher Quelle geflossene Erörterung darüber, ob es richtig sei, bei der Frage der Kon kurrenz des russischen Petroleums mit dem amerika nischen lediglich den merkantilischen Standpunkt des Import- Handels ins Auge zu fassen, ohne der Bedeutung dieser Frage für das gejammte Deutschland und seinen Petroleumkonsum zu würdigen. Bisher sei fast nur das amerikanische Petroleum auf dem deutschen Markte erschienen, so daß zu Gunsten des selben eine beklagenswerthe Art von Monopol bestand, weil jede Konkurrenz fehlte. — Wie die ..Magdeburger Ztg." er fahren haben will, hat der Bundesrath nicht nur im Post- f p ark aff en-Gesetzentwurs den Höchstbetrag eines Gut habens auf 800 Mark herabgemmdert, sondern auch beschlossen, es der Landeszeutralbehörde vorzubehaltcn, den zulässigen Höchstbetrag der Einlage auch unter der genannten Summe festzusetzen. — Die „Germania", das Organ der Zentrumspartei, fährt in ihren Bemühungen fort, die Deutsch-Freisinnigen zum Beharren- bei der Verweigerung des Direktorpostens im aus wärtigen Amte anzustacheln. In letzter Zeit ist vielfach von Differenzen zwischen Deutschland und Spanien die Rede gewesen, die aus der ver zögerten Anerkennung der spanischen Oberhoheit über den Sulu-Archipel herrühren sollten. Dieses Gerücht ist aus den Einfluß von englischer Seite zurückzuführen, von der aus man jetzt gern überall Mißstimmung gegen Deutschland er regen möchte. Wenn wirklich eine unerhebliche Differenz zwischen Spanien und Deutschland bestehen sollte, so könnte es sich nur uni die Auslegung der Meistbegünstigungsklausel des deutsch-spanischen Handelsvertrages handeln. — Ueber die angebliche deutschfeindliche Stimmung in Elsaß-Lothringen lauten die Berichte sehr widersprechend. Aus Anlaß der jüngsten deutschen Reichtagswahlen hatte der „Cercle des Alsaciens-Lorrains" in Paris den Abgeordneten des Reichs landes eine Glückwunschadrcsse gewidmet, welche zur Weiter beförderung dem Senior derselben, Herrn Jean Dollfuß von Mülhausen, übermittelt worden ist. Aus dem aus Cannes datirten Antwortschreiben des deutschen Reichstagsabgeordneten Dollfuß zitirt der in Paris erscheinende „Antiprussien" folgende charakteristische Sätze: ^Jch beeile mich, Ihre Glückwünsche meinen theuren Kollegen mitzutheilen, welche bester als ich unsere gute Sache vertheidigen und gegen diese Annexion sprechen können, die uns immer mehr zur Verzweiflung bringt und unglücklich macht. Aber, so hoffen wir, man wird schließ lich zur Erkenntuiß gelangen, daß man aus uns keine Deut schen machen kann und daß es daher Vortheilhafter sein wird, auf die Annexion zu verzichten, welche Deutschland schweres Geld kostet, ohne zu seiner Wohlfahrt beizutragen." Dem gegenüber steht eine Aeußerung des bischöflichen Koadjutors Fleck iu Metz gegen einen Redakteur des Pariser Journals „Matin", der dem Prälaten versicherte, daß die Elsaß- Lothringer in Paris noch immer hofften, durch einen Revanche krieg ihr Vaterland wiederzuerhalten. Darauf erwiderte der Koadjutor: „Wir haben hier diese Ideen nicht; wir wollen keinen Krieg. Uebrigens will mau Gott sei Dank auch in Frankreich keinen Krieg und wünscht mit Recht den Frieden mit Deutschland. Niemand denkt mehr an Revanche." Der Kaiser von Oesterreich hat den Prinzen Wilhelm von Preußen zum Inhaber des galizischen Infanterie-Regi ments Nr. 57 ernannt. Bisher bekleidete der Prinz in der österreichischen Armee nur den Posten eines Majors im Regi ment „Wilhelm l. deutscher Kaiser uud König von Preußen". — Am Freitag kamen im Wiener Gemeinderath sehr heftige Szenen vor. I)r. Mandl rügte die gemeindliche Geldverwal- tuug, bei der die Kassenbestände eine zu enorme Höhe hätten. Er nannte das Verfahren des Ausschusses, der 1867 beschloß, österreichische Staatspapiere vom Ankauf für deu Reservefond auszuschließen, ein unpatriotisches. Es wurde ihm erwidert, daß dies im Interesse der leichten Realisirbarkeit dieses Fonds geschehen sei, da dazumal die Staatspapiere großen Schwankungen unterworfen waren. Die Diskussion nahm so heftige Formen an, daß die Parteien einander mit dein Hinauswerfen der un liebsamen Redner drohten. Vr. Mandl's Wort „verdächtige Wirthschast" rief heftige Remonstrationen hervor, bis Mandl zur Erklärung sich genöthigt sah, es sei nicht seine Absicht, den Gemeinderath Wiens herabzusetzen und das Wort „verdächtige Wirthschast" zurücknahm. — Im österreichischen Abgeordnetenhause findet, nach dem von der „Politik" mit- getheilten Arbeitsprogramm, im Februar die Budget-Debatte statt und hofft man die übrigen dringenden Arbeiten des Parla ments bis 24. März derart zu bewältigen, daß die Session dann geschlossen werden kann. In diesem Falle würde der feierliche Schluß mit einer Thronrede erfolgen, in welcher der Thätigkeit des Parlaments in der abgelausenen Legislatur- Periode, sowie der Hauptarbeiten des künftigen Reichsrathes gedacht werden dürste. — Nach dem neuesten Ausweis wurden der Nieder-österreichischen Eskompte-Gesellschast in Wien in der letzten Zeit acht Millionen Gulden Einlagen entzogen. Das in Italien verbreitete Gerücht, daß nicht Genua, sondern Triest die Kopsstation der neuen subvcntionirten über seeischen Dan'pserlinien bilden solle, hat große Ausregung her- vorgerujen. In Rom zetert man jetzt über den Fürsten Bismarck und jammert über die 40 Millionen, welche Italien vergeblich für die St. Gotthardbahn geopfert hat. Das Journal „Corriere" meldete, der italienische Minister des