Suche löschen...
Sächsischer Landes-Anzeiger : 03.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188807036
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880703
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880703
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-07
- Tag 1888-07-03
-
Monat
1888-07
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 03.07.1888
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 152. — 8. Jahrqanq. L« jeden Wochentag Abend (mit Datum de« folgenden Tages) zur Berjendung gelangendeSächsische Landcs-Auzeigrr" mit täglich einem besonderen Unter« haltunasblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabe« stellen monatlich 70 Pig., bei de» Post-Aust. ?b Ps. (1688er Ztgs.-Pr-isliste Nr. ö03S'.) SSchstscher Kür Abonnenten erscheint je einmal iinJahr: sommer-Eisenbahiifabrsilanheft für Sachsen. Minter.Eisenbabnfabrplanbeft für Sachsen. Aslnstr. «alender des Sächsischen Landboten. Illnstrirte-JahresbnchdesLander-stnzeigerS. Fasiiiks-Aiisejzkr mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Dienstag, 3. Juli 1888. .Petitzeile) R LeiWiederbolung großer AnyoncrnRabatt. Lei Bestellungen von Au-wärt- wolle man Bnchdrnckcrei, Chemnitz. Tbeaterstraße b (Fernsprechstelle Nr. ISS). Telegr -Adr-: Landes-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich einem besonderen 4. Sächsisches Allerlei - Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Crzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 5. Illnsirirtes Unterhaltungsblatt — 6. Sonntagsblatt — Crtra-Beiblatt: Luftiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntmachungen. In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Schnittwaarcn- und Confcctjonsgeschästsinhabers Carl Friedrich Wilhelm Schindler in Chemnitz ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters, zur Erhebung von Ein wendungen gegen das Schlußverzcichniß der bei der Bertheilung zu berück sichtigenden Forderungen und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht verwerthbaren Vcrmögensstücke der Schlußtermin ans den 28. Juli 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Königlichen Amtsgerichte Hierselbst bestimmt. Chemnitz, am 30. Juni 1888. Königliches Amtsgericht. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Kaufmanns Emil Richard Döring, Inhabers der Firma Richard Döring in Chemnitz, wird, nachdem der in dem Vcrgleichstcrmine vom IS. Mai 1888 angenommene Zwangsvergleich durch rechtskräftigen Beschluß von demselben Tage bestätigt ist, hierdurch ausgehoben. Chemnitz, den 2S. Juni 1888. König!. Amtsgericht. In dem Konkursverfahren über das Vermögen Johann Friedrich Hermann Ruttloss's, Inhabers der Firma Hermann Nnttloff in Chemnitz, ist in Folge eines von dem Gemeinschuldner gemachten Vorschlags zu einem Zwangsver- gleichc Vergleichstermin auf den 26. Juli 1888, Vormittags 10 Uhr vor dem Königlichen Amtsgerichte hicrselbst auberaumt. Chemnitz, am 28. Juni 1888. Königliches Amtsgericht. Ortsbehördliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung, die Einführung der Trichinenschau in Oberlungwitz betr. Nachdem von der Königlichen Amtshauptmannschaft Glauchau das Regulativ über die Untersuchung des Schweinefleisches auf Trichinen bestätigt worden ist, treten die Bestimmungen desselben am 1. Juli dieses Jahres in Kraft, was hierdurch mit dem Bemerken bekannt gemacht wird, daß als Trichinen- schauer Herr Carl Emil Schulze hier, wohnhaft bei Herrn Bleichcreibesitzer Herold, in Pflicht genommen worden ist. Nach 8 1 dieses Regulativs müssen alle Schweine, welche im hiesigen Orte geschlachtet werden, gleichviel ob das Fleisch oder die ans demselben hcrznstellenden Eßwaaren zum Verkauf oder für den Privatgebrauch bestimmt sind, vor ihrer Zerlegung mikroskopisch ans Trichinen untersucht werde». Die Untersuchung hat durch den verpflichteten Trichinensälauer zn erfolgen. Sämmtliche hiesige Fleischer sowie Fleisch- waarenhändler haben vorschriftsmäßige Schlacht- und Fleischbücher zu führen, welche gegen Erstattung der Druckkosten in hiesiger Gemeindcexpedition z» habe» und bei Revisionen den revidireuden Beamten unweigerlich vorznlcgen sind. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Regulativs werde» mit Geldstrafe bis zu 30 Mark geahndet. Oberlungwitz, am 2S. Juni l888. Der Gemeindevorstand. Oppermann. Telegraphische Nachrichten. Vom 1. Juli. Budapest. Die Symbolische Großloge von Ungarn veranstal tete heute unter Theilnahme von 300 österreichischen und ungarischen Freimaurern eine Todtenfeicr für Bruder Friedrich von Hvhenzollern Der Großmeister Franz Pulszky eröffnete die Feier mit einer Rede, in welcher er die Berechtigung der maurcrischen Todtenklage über Friedrichs Heimgang nachwies. Der Festredner schloß seinen Nach ruf mit dem Ausdrucke der Hoffnung, daß noch einmal ein Meister kommen werde, wie Friedrich, in dessen Erscheinen die Auferstehung feiner Ideen zu begrüßen wäre. Belgrad. König Milan sendet das Antwortschreiben auf die Ratification von der Thronbesteigung Kaiser Wilhelms durch einen militärischen Specialgesandten. London. In hiesigen diplomatischen Kreisen ist das Gerücht von der demnächst bevorstehende» Hierherkunft des Grafen Herbert Bismarck verbreitet. Man bringt, mit Recht oder Unrecht, diese Reise mit der angeblichen Specialmission des Generals v. Winter- fcld in Zusammenhang, der, wie man wissen will, außer der officiellcn Aufgabe, der Königin Victoria die Thronbesteigung Kaiser Wilhelms II formell anzuzeigen, auch noch eine andere, intimere Mission am britischen Hoflager zu erfüllen hätte. Politische Rundschau. Chemnitz, den 2. Juli. Deutsches Reich. Von allen Seiten kommt nun die Be stätigung, daß der Kaiser Mitte dieses Monats mit der Aacht Hvhenzollern" nach Petersburg reisen wird. Der Besuch unseres Kaisers am Zarenhofe kann als Erwiderung wiederholter Besuche gellen, welche Kaiser Alexander in den letzten Jahren in Deutschland abgestattet hat. Allein es liegt auf der Hand, daß die Zusammen kunft unter den gegenwärtigen Umständen erheblich mehr Bedeutung besitzt, als die eines bloßen Höflichkeitsbesuches. Sie ist geeignet, auf eine erhebliche Besserung auch der politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern hinzuweisen, und wird damit ein wichtiges Glied in der Kette derjenigen Anzeichen, welche die Hoffnung auf eine dauernde Erhaltung des europäischen Friedens eröffnen. — In der katholischen Presse Deutschlands ist Klage darüber geführt, daß die beiden katholischen Fürsten, der Prinz-Regent von Bayer» und der König Albert von Sachsen, dem evangelischen Gottes dienst vor der Reichstagserüffuung und nicht dem katholischen in der Hedwigskirche beigewohnt haben. Es wird mitgetheilt, daß der Prinzregeik^ die Entscheidung über diese Frage dem König Albert von Sachsen überließ. Dieser entschied sich für Beiwohuung des evangelischen Gottesdienstes in der Schloßkapelle an der Seite des Kaisers. Mitglieder des preußischen Königshauses haben ja auch schon oft genug katholischen Gottesdiensten beigewohnt. — Als Nachfolger des Admiralitätschess vonCaprivi, der seine Entlassung eingereicht hat, wird der Chef der Marinestation der Nordsee, Viceadmiral Graf von Monts, bezeichnet. Andere wollen wisse», daß hierzu der Viceadmiral Knorr ausersehen sei. Müßiges Gerede ist es, wenn es heißt, Prinz Heinrich von Preußen werde jetzt den Oberbefehl über die Marine erhalten. Dazu muß er Vice Admiral sein, und jetzt ist er erst Korvettenkapitän, hat also noch die Ernennungen znm Kapitän zur Sec, Kontre-Admiral und Vice- Adniiral vor sich, über die sicher noch mehrere Jahre vergehen werden. — Sonnabend Nachmittag 2^ Uhr fand unter dem Vorsitze des Reichskanzlers noch eine Sitzung des preußischen Staatsministe riums statt. Heute Montag reist Fürst Bismarck wahrscheinlich nach Fricdrichsruhe. Graf Moltke hat sich auf seine Besitzung Kreisau in Schlesien begeben. Amtlich wird mitgetheilt, daß die Nachricht, die kommandireudcn Generale von Witzendorff und von Treskow hätten ihre Entlassung eingereicht, falsch ist. — Am vorigen Sonntag fand auch in Württemberg ein Trauer gottesdienst für Kaiser Friedrich statt. Wie die „Franks. Ztg." mittheilt, benutzte ein evangelischer Pfarrer diese Gelegenheit zu der Ausführung, „es sei als ein großes Glück für Deutschland zu betrachten, daß wir vom Einfluß der Kaiserin Viktoria durch den Tod Kaiser Friedrichs erlöst worden seien. Die Kaiserin hätte nicht nur versucht, englische Sitten und Gebräuche bei uns einzuführeu, sie habe auch den Reichs kanzler Fürsten Bismarck beseitigen wollen." (!!!) — Die „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt: Was der Kaiser in einer, an den Reichstag gerichteten Thronrede für Deutschland ver kündete, ist weit über des Reiches Grenzen gehört und verstanden worden. Ebenso hat das vor dem preußischen Landtag zu Preußens Volk Gesprochene weit über den Verband desselben hinaus volle Be achtung gefunden. Die gesammte Presse des Inlandes und Aus landes hat sympathisch begrüßt, was Kaiser Wilhelm II. an den Anfang seiner Regierung gestellt hat. Daß unser eigenes Volk die wahrhaft kaiserlichen und königlichen Verheißungen beider Thronreden mit Jubel aufnahm, war für Preußen's und Deutschlands Patriotismus selbstverständlich. Wenn aber überall auch im Auslande die hohe Bedeutsamkeit dieser Akte anerkannt wurde, so. kam darin zugleich zum Ausdruck, wie auch nach dem so kurz auf einander gefolgte» zweimaligen Thronwechsel die Stellung des deutschen Reiches und die ihm Seitens der anderen Nationen cntgegengebrachte Achtung un vermindert dieselbe geblieben ist. Sowohl der Reichstag, wie di« beide» Häuser des preußischen Landtages haben in den an Se. Majestät den Kaiser und König gerichteten Adressen es ausgesprochen, wie das von anderen Nationen uns oft beneidete Bertrauens-Ver- hältniß zwischen Fürst und Volk, das unter Kaiser Wilhelm I. so schön erblüht ist, vom Vater auf den Sohn und von diesem auf den Enkel vererbt ist. Vertrauen um Vertrauen, Treue um Treue, daS sind die Grundsäulen, auf denen unsere staatlichen Zustände basiren. Unsere Zukunft ist in die Hand eines Monarchen gelegt, der seinen Stolz darein setzt, als König der erste Diener des Staates zu fein. Aus solche Vorbedingungen hin treten wir der Zukunft entgegen: gewiß Ursache genug, eine Woche, welche diese Ereignisse sah und cs erlebte, wie die ganze gesittete Welt diese Umstände würdigte, der Mit- und Nachwelt für immer unvergeßlich zu machen! — Das Armee-Verordnungsblatt veröffentlicht Folgendes: Se. Majestät der Kaiser genehmigte, daß auch die Generalität und die, Offiziere des Kriegsministeriums, des Generalstabes und der Adjutantur im Dienste zu Pferde hohe Stiefel tragen dürfen, jedoch nicht bei großen Paraden. Die berittenen Offiziere der Infanterie haben auch bei großen Parade» hohe Stiefel anzulegen. — Die conservative Gesammtvertretung Berlins hat an den früheren preußischen Minister des Innern von Puttkamer folgende Adresse gerichtet: „Hochzuverehrender Herr Staatsminister! Eurer Excellenz Rücktritt aus dem Dienste für König und Vaterland, welchem Sie durch nahezu 40 Jahre in größter Treue und Hingebung obge legen, hat, wie die weitesten Kreise des Landes, so auch die zahl reichen Bürger Berlins, die überzeugt sind, die Förderung des allge meinen Wohles nur auf conservativem Wege erhoffen zu können, tief bewegt. Es geziemt uns nicht, über die Gründe, die Ew. Excellenz bestimmt haben mögen, Se. Majestät den Kaiser und König um die Entlassung aus Ihren hochwichtigen Aemtern zu bitten, unsererseits uns ausznsprechen, wir sind uns mit Ew. Excellenz eins über di« Grundlagen, auf welchen allein das Wohl unseres Volkes mit Erfolg, gepflegt werden kann. Eben deshalb drängt es uns, den innigsten und wärmsten Dank zu sagen für die in hingebendster Mitwirkung mit unserem erhabenen Kaiserlichen Herrn und mit dem von ihm an die Regierung gestellten großen Kanzler von Ew. Excellenz nach allen Richtungen des Staatslebens unermüdlich bewährte sörder- same Pflege des öffentlichen Wohles. Diesen Dank schuldet Ihnen im vollsten Maße das Vaterland. Wir werden dessen stets eingedenk bleiben! Möge Gott Ew. Excellenz gnädigst schützen und Ihnen weiter noch lange Kraft gewähren, in welcher Stellung auch immer dem Vaterland zu dienen." — Die in diesen Tagen verbreitete Mittheiluiig, die national- liberale Fractivn des preußischen Abgeordnetenhauses habe beschlossen, für die bevorstehenden Landtagswahlen kein allgemeines Wahlkartell mit den conservativen Parteien abzuschließcn, ist nicht ganz richtig. Ein solcher Beschluß ist noch nicht gefaßt. Bei der Erörterung der Frage trat aber allgemein die Ansicht zu Tage» ein Kartell, wie bei den Rcichstagswahlki, für die nächsten Wahlen nicht abzuschließen. — Wie verlautet, hatte der türkische Botschafter in Berlin dieser Tage eine Besprechung mit dem Grafen Herbert Bismarck in Bezug aus die bulgarische Angelegenheit. Graf Bismarck soll dem Vertreter der Türkei dabei dculich zu verstehen gegeben haben, daß die deutsche Regierung in dieser Zeit der Trauer sich mit der Sache in keiner Weise beschäftigen und der Türkei nur rathen könne, auch ihrerseits die Sache ruhen zu lassen, um nicht unnöthige Verwickelung«: her beizuführen. — Auf der preußischen Gewehrfabrik zu Spandau soll der ge sammte Betrieb vom 7. Juli ab auf unbestimmte Zeit gänzlich ruhen. Es wird dann an Stelle der alten Maschine eine neue von erheblich größerer Leistungsfähigkeit (200 Pferdekräfte) aufgestellt werden. Leidenschaftliche Herzen. Roman von Karl Zastrow. Forlsetzung- Nachdruck verboten. „Aber," fuhr die junge Dame rasch, ohne feinen Einwurf zu beachten, fort, „sie giebt sich ja in fast jeder Hinsicht anders, als Sie selbst Wie könnte ich je einem Manne in Liebe angehören, an dem kein Zug wahr, der mir unfaßbar, räthselhaft erschiene? O, wie kann sich das auf die Dauer vertrage», Sie, die Offenheit und Vertrauensseligkeit selbst — das Mädchen die wandelnde Lüge? Wohin muß ein solches VerhältNiß führen? „Sie übertreiben, Emmy!" versetzte er lächelnd. „Wie kann ich schon jetzt verlangen, daß diese jugendliche und doch so ernste Seele, die sich unter des Lebens rauhesten Stürmen entwickelt haben mag sich in jeder Hinsicht dem Einblicke des fremden Mannes, — denn fremd bin ich ihr doch bis jetzt noch, — bloßlegen soll? Das kann sich erst später finden, und ihre Zurückhaltung — davon bin ich über zeugt — wird schwinden, sobald wir verheirathet sei» werden. Wenn sie mich dann ganz kennen gelernt und gefunden haben wird, daß ich ihres Vertraues Werth bin, wird sie sicherlich nicht säumen, mir dasselbe in unbegrenzter Weise zu schenken." Das junge Mädchen zuckte mit den Schultern. „Aus dem Grund der weiblichen Seele," versetzte sie, „soll nichts schlummern, was Ursache hätte, sich zu verbergen, keine Regung, die das Auge nicht klar und offen widerspiegelte, und was in einem schuldlosen Mädchenherzen blüht und knospet, das — mein' ich — könnte jeder fremde Blick auch erschauen, selbst wenn ein rauher Nord darüber hingestreift ist. Wie viel mehr aber müßte der Freund einen klaren Einblick in mein Naturell haben, dem für's ganze Leben an zugehören ich gelobt habe." Er strich leise mit der Rechten über die wie im leisen Unmuth gefaltete Stirn. Die Wahrheit dieser Worte fiel ihm schwer auf's Herz. Dann aber, als komme ihm Plötzlich bei, daß ihr scharfer Tadel ja eineni eifersüchtig?» Gefühl entspringen könnte, lächelte er im leichten Triumphe und sagte'nach einer Pause: - „Sie sind eine überaus strenge Richterin, Fräulein Emmy, uw eS will mich bedünken, als theilten Sie jenes Vorurtheil, das man im Allgemeinen gegen diese armen Mädchen hat, die Vas herbe Geschick früh zeitig auf das stürmische Meer des Lebens hinausschleudert und denen man es daher wahrlich nicht verargen sollte, wenn der heitere Lebens- spicgcl sich allmälig trübt und sich dann weigert, die finsteren und stachlichten Blüthen des Menscheuhasscs zu zeigen, die auf dem Grunde der Seele langsam heranreifen und die freilich nicht für Jedermanns Auge taugen." „Ich habe das innigste Mitleid mit diesen armen Geschöpfen," versetzte das junge Mädchen lebhaft; „Sie werden indeß zugestehen, daß zwischen Ihrer Erwählten und Jenen ein Unterschied besteht. Ich wollte auch nicht sagen, daß man Jedermann sein Vertrauen schenken soll — o nein — nein! nur einem Manne wie Sie sollte man offen und ohne Rückhalt entgegenkommen, — das ist meine Meinung. Ein Vorurtheil habe ich durchaus nicht. Das aber, C mund, sage ich Ihnen geradezu und würde cs erforderlichenfalls vor aller Welt wiederholen: ich könnte einem solchen verschlossenen, eigen artigen Geschöpf nimmer gut sein, könnte nie und nimmer Vertrauen zu ihm fassen, und so begierig ich bin, die Dame Ihres Herzens kennen zu lernen, erhebt sich doch in meinem Innern eine Stimme, welche mich warnt vor einem Zusammentreffen mit ihr. Ich fühle, es liegt einmal etwas Fremdartiges zwischen uns, das kein wahrhaft herzliches Einvernehmen aufkommen lassen würde. Bei Ihnen, Ed mund, der Sie lieben, — ist das freilich anders. Die Leidenschaft — anders kann ich Ihre Neigung nun einmal nicht nennen, hat Ihren Blick getrübt, und wer weiß, was Sie alles anders sehe», als es in der Wirklichkeit ist. Vielleicht —" „Vielleicht?" wiederholte ihr Begleiter lächelnd. „Ich wollte sagen: vielleicht ist es überhaupt nur das Räthsel- hafte, Geheimnißvolle, sich ewig Widersprechende in ihrem Wese», von dem Sie sich so unwiderstehlich angezogen fühlen. Wenn das wäre, Edmund, o dann wünsche ich Ihnen, daß Ihre Liebe tief genug sein möge, um nicht zu schwinden, wenn diese Räthsel gelöst sind. Doch — wir stehen am Ziele — ich danke Ihnen, Edmund, nun leben Sie wohl." Sie reichte ihm mit freundlichem Lächeln die kleine, weiche Hand, von der sie den Handschuh abgezogen hatte, und ehe er noch de» Sinn ihrer letzten Worte recht begriffen hatte, stand sie schon in der geöffneten Ladenthür. Noch einmal nickte sie ihm freundlich zu, aber es wollte ihn bedünken, als läge auch nicht die leiseste Spur der früheren herzlichen Vertraulichkeit mehr in ihrem Gruß. Gedanken voll sah er ihr nach, dann setzte er kopfschüttelnd seinen Weg fort. Ihre Worte klangen in seinem Innern nach, doch wenn er auch fühlte, daß sie manches Wahre enthielte», redete er sich doch mit einer ge wissen Gcnugthuung ein, daß die tadelnde Kritik, welche die junge Banquicrstochter geübt hatte, wohl hauptsächlich in ihrer Eifersucht begründet sei, so gleichmüthig und nebensächlich Emmy auch scheinbar diese Angelegenheit behandelt hatte. Unter diesen Gedanken erreichte er die Waldemarstraße und bald stand er vor dem Hause, in welchem die Wandcrmusikcr logirteu. Rasch jede Spur von Unmuth, welchen seine Begleiterin hcrvorgerufen, von sich schüttelnd, trat er in die Hausflur und wollte eben die weißgescheuerten Stufen der Treppe hinaufsteigcn, als eine ziemlich corpulente, auffallend geputzte Dame, in welcher er sogleich die Besitzerin des Hauses vermuthete, ihm mit den Worten entgegentrat: „Zu wem wünschen Sie, mein Herr? Dort oben wohnt Niemand." „Ich dächte, der Violinist Brandey mit den beiden Damen —" „Sind heute mit dem Frühzuge abgereist," unterbrach ihn dis Hauswirthin. Sein erstes Gefühl war das einer gewissen Betroffenheit. Bald aber gab sich ein Ausdruck der Befriedigung in seinen Zügen kund. „Es war also doch kein Schwindel mit der Ankündigung des unwiderruflich letzten Concerts," sprach er, mehr zu sich selbst als zu der ihn aufmerksam betrachtenden Dame. „Wahrhaftig, das sind die ersten Virtuosen, die ihr Versprechen halten, aber nicine theure Anna wird die Ursache sein. Wohin sie gereist sind, kann ich jeden falls von Ihnen erfahren?" fragte er die Wirthin. „Erlauben Sie mir gleichfalls eine Frage: sind Sie vielleicht Herr Werner?" Der Angeredete bejahte cs. „Dann habe ich Ihnen ein Schreiben zu übergeben, welches das Harfenfräulein für Sie hinterlassen hat. Verzeihen Sie gütigst einen Augenblick!" Sie verschwand in dem Partcrrezimmcr des Hauses und kehrte bald mit einem kleinen Billet zurück, das in großer Eile zusammen- gcfaltet schien und mit einer Oblate verschlossen war. Werner ergriff es in stürmischer Hast und eilte nach kurzem Gruße davon. Nur auf die Adresse warf er im raschen Gehen einen Blick. Sie war äußerst flüchtig geschrieben. Athemlos langte er in seiner Wohnung an, wo er hastig das Couvert aufriß und die nachstehenden Zeile» mit den Augen verschlang: '.l Der heutigen Nummer des Sächsischen Landes-Anzeigers liegt bet das Beiblatt „Kleine Botschaft".
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite