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werden bi»vormittag 11 Uhr angenom- FHOk^ beträgt der Preis für die gespaltene Zeile 1 oder deren Rmun 1b Pf. Inserate werden bi» vormittag 11 Uhr angenom men und l - - — Mt>eWrM;ewt. und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Bcrmttwortticher Redakteur: JiNiu» Braun in Freiberg. Die Tonkin-Kommission. Der Plan der radikalen Mitglieder der Tonkin-Kom mission, die Erstattung des Berichts an die französische Deputirtenkammer und damit die Bewilligung der Tonkin- -redite bis nach dem Weihnachtsfest hinzuziehen, kann als aefcheitert gelten. Die französische Negierung vereitelte diese Absicht dadurch, daß sie erklärte, den Präsidentenwahl-Kon- greß erst nach Genehmigung der Tonkin-Kredite einzuberufen, sowie dadurch, daß sie bis dahin geheim gehaltene amtliche Schriftstücke dem „Temps" zur Veröffentlichung überließ, welche die Voreiligkeit der französischen Radikalen nach der Räumung von Langson in's hellste Licht setzten. Wenn man schon damals beklagte, daß der Minister Ferry von seinem Posten verdrängt wurde, trotzdem er den Friedens vertrag mit China bereits in der Tasche hatte, mußte es die Radikalen völlig in der öffentlichen Meinung herab setzen, als nun der Beweis geliefert wurde, daß der von ihnen Ferry zum größten Vorwurf gemachte Rückzug von Langson ohne allen Grund erfolgte. Dem Ministerium des Auswärtigen durfte man es vernünftiger Weise nicht zur Last legen, wenn das Kriegsministerium einem notorischen Trunkenbold ein wichtiges Kommando anvertraute, wenn dieser gegen den Befehl des ihm vorgesetzten Generals seinen Posten verließ und vorher noch die Geschütze einer Bergbatlerie und die Kriegskasse der von ihm befehligten Brigade in's Wasser werfen ließ. Der kürzlich, zur größten Wuth der radikalen Deputirten, veröffentlichte amtliche Bericht des Marine-Artillcric-Obersten Boranis-des-Bordes stellte auf Grund zahlreicher Zeugenaussagen fest, daß Oberstlimtenant Herbinger den Befehl zur Räumung Langsons in einem völlig unzurechnungsfähigen Zustande gab, daß einzelne Frcmdenlegionäre aus Liede zu einem von ihnen entdeckten Weinvorrath trotzdem dort ruhig fort zechten, ohne einen einzigen chinesischen Soldaten zu sehen, weil die Chinesen, die auf den baldigen Friedensschluß rechneten, gar nicht an eine Eroberung LanasonS dachten. Die erhitzte Phantasie der französischen Radi kalen erfand damals eine Schmach für die französischen Waffen und einen politischen Mißerfolg des KabinetS Ferry, während nichts weiter vorlag als die llnmäßigkeit eines sonst begabten Stabsoffiziers. Um die Armee zu schonen, wurde das Resultat der darüber geführten kriegsgerichtlichen Untersuchung bisher geheim gehalten; die Art und Werse aber, wie die Tonkin-Kommiffion zahlreiche Offiziere und Beamte verhörte, um auf Grund ihrer Aussagen die Räu mung Tonkins zu fordern, zwang die Regierung zu den Enthüllungen, die auf die öffentliche Meinung in Frank reich eine mächtige Wirkung ausübtcn. Die Pariser Handelskammer hat sich bereits entschieden gegen die Räumung Tonkins erklärt und die jetzige traurige Lage des Pariser Geschäfts dem unpatriotischen Verhalten der Tonkin-Kommission zur Last gelegt, die durch ihr Vor gehen im ganzen Lande Beunruhigung und Aufregung er zeuge. Der Handelskammerpräsident Dietz versicherte, er erhalte täglich Briefe aus seiner elsässischen Heimath, wo nach in Deutschland die Aussagen vor der Tonkin-Kom mission in einer Weise beurtheilt würden, die keineswegs für den im französischen Heere herrschenden Geist günstig erscheine. Im Elsaß seien die Franzosenfreunde wahrhaft entsetzt, zu sehen, wie sich die Offiziere der französischen Armee gegenseitig mit Schmutz bewerfen. Oberstlieutenant Serbin gcr ist vor einigen Tagen an Bord des „Comorin" in Algier angekommen und reist von dort nach Paris, um von seinem ehemaligen Vorgesetzten, dem General Brisre de l'Jsle, Rechenschaft für den ihm vor der Tonkin-Kommission gemachten Vorwurf des Alkoholismus zu fordern. Einem Vertreter der „Agence Havas" gegenüber erklärte Oberst lieutenant Herbinger in Algier, eine erneute Untersuchung werde erst zeigen, ob er wirklich in Langson wider den Befehl des Generals Regner und entgegen der Meinung der Kommandanten Servivres und Diguet den Rückzug an geordnet und unnütz die Kanonen und die Kriegskasse im Stich gelassen habe. Der gegenseitige Neid, die giftigen Anschuldigungen, die schlaffe Handhabung militärischer Ver antwortlichkeit sind Erscheinungen in der französischen Armee, die sich dadurch erklären, daß letztere keinen Kriegsherrn hat, der über den politischen Parteien stehend, nur die Interessen des Heeres und des Landes wahrnimmt. So lange in Frankreich politische Machtfragen und parlamentarische Strömungen die Kriegsführung beeinflussen, sind Mißstände unvermeidlich, wie sie aus der Anklage gegen Herbinger hervorgehen. Ob dieser schuldig oder nicht schuldig ist, scheint jetzt nebensächlich. Der ganze Zwischenfall ist weder ehrenvoll für die NächstbctheUigten, noch nützlich für die, jetzigen republikanischen Machthaber in Frankreich, deren auswärtige Politik in Folge deS Liebäugelns mit den Ra dikalen weit hinter derjenigen Ferry's zurückbleibt. Von einer ganzen Reihe hochangesehener Körperschaften in Frankreich sind in letzterer Zeit Kundgebungen gegen die ursprünglich beabsichtigte Räumung Tonkins ersolgt, welche als eine schwere Schädigung des französischen Ansehens und des Handels bezeichnet wurde. Das französische Volk be greift demnach thatsächlich die politischen Nothwendigkeiten besser als seine berufenen Vertreter und zwingt die letzteren moralisch, ihrer Parteilcidenschaft Zügel anzulegen. Diese Proteste aus der Mitte der Wähler und die Veröffentlichung des Berichtes des Obersten Borgnis haben endlich die Tonkin-Kommission zu der Einsicht gebracht, daß ihre Ab sicht, der Kammer die unmittelbare Räumung Tonkins vor zuschlagen, nur die Wirkung haben würde, die Republik bei dem Heere verhaßt und lächerlich zu machen, was den Bonapartisten, die deshalb zu einem solchen verhängnißvollen Beschlusse aufmunterten, gerade recht sein würde. Der von der Kommission gewählte Berichterstatter Pelletan erklärte deshalb bereits, er werde zwar den raschen Abschluß der Tonkin-Expedition verlangen, aber die Bewilligung eines provisorischen Kredits für die Erhaltung der Truppen em pfehlen. Damit ist das Ministerium Brisson zufrieden untt betrachtet auf diese Weise seine eigene Existenz gesichert. Im Grunde ist damit aber nichts gewonnen, denn ob Tonkin schnell oder langsam verlassen wcrd, ändert daran nichts, daß die Asiaten allen Respekt vor Frankreich verlieren, wenn dieser Staat nach so großen Opfern an Gut und Blut ein mit so vielen Hoffnungen begonnenes überseeisches Unter nehmen wieder derart fahren läßt. Geradezu unausführbar scheint der von dem französischen Kricgsminister Campenon vor der Deputirtenkammer auf gestellte Plan, nach welchem Tonkin zwar nicht geräumt, aber der dortige Truppenbestand wesentlich verringert werden soll. Auf diese Weise dachte die französische Regierung das Ansehen Frankreichs in Asien ausrecht zu erhalten und gleichzeitig die für die Steuerzahler unerfreulichen Lasten der dortigen Kriegsführung herabzumindern. Der französische Kriegsnnnister dürfte diesem Plan nur aus politischen Gründen zugestimmt haben, ohne selbst an die Ausführ barkeit zu glauben. Die jetzt in Tonkin und Anam stehen den 26000 Mann französischer Truppen reichten bisher nothdürftig hin, den oberen Lauf des Rothen Flusses und die Hauptstadt Anams zu Vertheidigen, waren aber nach früheren offiziellen Berichten der Oberbefehlshaber nicht im Stande, irgend einen Vorstoß zu wagen. Es ist unbegreif lich, daß jetzt plötzlich 12 000 Mann genügen sollen, den dortigen französischen Besitz zu sichern. Eine solche Truppen reduktion würde wahrscheinlich nur die Schwarzflaggen, die stets aus den Grenzländern Chinas Nachschub erhalten können, zu neuen Angriffen auf die französischen Stellungen ermuthigen. Die gänzliche Räumung Tonkins wäre immer noch ein geringerer Fehler, als die höchst gefährliche Ver minderung der dort stehenden Truppen. Die Kolonial politik der französischen Regierung sollte nicht darnach be messen werden, dem jetzigen Ministerium über eine politische Verlegenheit hinwegzuhelfen, sondern nur darnach, die Tonkin-Expedition zu einem Ende zu führen, das Frank reich zum Nutzen und seinem Heere zur Ehre gereicht. Ein solcher Gesichtspunkt scheint aber für die von der französischen Kammer mit der Vorberathung der Tonkin- Kredite betraute Kommission noch weniger maßgebend ge wesen zu sein, als für das Kabinet Brisson, und dürfte deshalb der von ihr in den nächsten Tagen zu erwartende Bericht wenig dazu beitragen, die Situation zu klären. Jedenfalls aber werden die von der Kammer darauf hin zu fassenden Beschlüsse für das Schicksal des ganzen Regie rungssystems in Frankreich eine nachhaltige Bedeutung haben. Tagesschau. Freiberg, den 15. Dezember. Bei der gestern im deutschen Reichstage fortgesetzten Berathung des Etats des Reichsamts des Innern veranlaßte das Kapitel „Neichsgesundheitsamt" den Abg. Langerhans, die gesetzliche Leichenschau von Neichswegen anzuregen. Geh. Rath Köhler erwiederte, die Durchführung eines Leichenschaugesctzes würde auf große Schwierigkeiten stoßen; auch würde es vielfach an den geeigneten Personen fehlen. Abg. Lingens wünschte eine schärfer accentmrte Thätigkcit des Reichsgesundheitsamts auf dem Gebiete der Friedhossanlegung. Schließlich fragte der Redner, was das Gesundheitsamt unter dem Begriff Wein verstehe. Geheimrate Köhler bemerkte, das Gesundheitsamt schenke der Frage vollsth Aufnierksamkeit, doch sei das Personal desselben so gering, daß niinder wichtige Gegenstände zurückgestellt werden müßte«. Was den Wein betreffe, so sei es ohne Frage, daß dieser ein Gährungsprodukt der Traube sei; doch dürfe man diesen Be griff nicht zu eng ziehen. DaS Gesundheitsamt sei mit einer gesetzlichen Regelung dieser Frage beschäftigt und er hoffe, daß sich das Haus noch in dieser Session werde damit beschäftigen können. Abg. Greve bedauerte, daß an der Spitze deS Ge sundheitsamtes kein Arzt stehe, und widerlegte dann die Vor würfe, die Staatssekretär von Bötticher gegen die Koalitionen der Aerzte erhoben hatte. Jeder Arzt verwende ein Viertel seiner Praxis auf unentgeltliche Behandlung der Armen. Eine Taxe für die Krankenkassmärzte sei unmöglich, vor Allem aber müßten ihre Sätze die Taxe von 1815, die nach dem damaligen Geldwerth bemeffen seien, erheblich übersteigen. Staatssekretär von Bötticher entgegnete, er habe nur denjenigen Aerzten einen Vorwurf machen wollen, > die sich nach der Konvention des Aerztetages gerichtet haben. Was die Stelle des Direktors des Gesundheitsamtes betreffe, so haben Autoritäten nicht dm Eindruck, als ob das Amt jetzt schlechter verwaltet sei, als wenn ein Arzt an der Spitze stände. Sollte sich letzteres einmal als nothwendlg Herausstellen, so werde die Regierung nicht zögern, einen Arzt an die Spitze zu rufen. Abgeordneter Geiser wünschte die Ausdehnung der Organisation deS gesammten Gesundheitswesens auf daS ganze, Reich. Die Abgg. Zeitz und Ulrich verwendeten sich für einheitliche Bestimmungen'" auf dem Gebiete des Bierwefcns für Nord- und Süddeutsch land, die bisher dadurch gehindert wurden, daß im Nordm Surrogate erlaubt seien. Der Bundeskommiffar Köhler entgegnete, die Erfüllung der ausgesprochenen Wünsche werde erwogen werden. Auf die Anfrage des Abg. Witte, ob und wann ein Gesetz werde erlassen werden, das die Behandlung giftiger Farben regele, antwortete Bundeskommiffar Köhler, es würde hierüber augenblicklich das Urtheil von Sachver ständigen eingcholt. Abg. Bürklin wünschte möglichst ein gehende Bestimmungen zur Verhütung der Weinverfälschung. Nachdem noch der Abg. Greve die Vortheile der Feuer bestattung erörtert hatte, wurde das Kapitel bewilligt. Beim Kapitel „Neichsversicherungsamt" berichtigte Abg. Gamp seinen kürzlich begangenen Jrrthum, daß er eine Anzahl von Versicherten mit derjenigen der Versicherungen verwechselt habe. Redner besprach sodann die Ausführungen der Berufs- genossenschaften, deren Kosten er lange nicht so hoch schätze, als vielfach befürchtet werde. Abg. Barth befürchtete, die Berussgenvssenschaften würden infolge ihrer bureaukratischen Eintragung ihren Zweck meist verfehlen. Abg. Schrader wünschte genauere Auskunft über die eventuelle Errichtung von Landesversichcrungsämtern. Staatssekretär v. Bötticher erklärte, über diese Frage lägen keine näheren Informationen seitens der Einzelstaaten vor, jedenfalls würden derartige Ein richtungen keineswegs die Zurückziehung der Mehrforderung des Reichsversicherungsamtes zur Folge haben. An der weiteren Debatte nahmen noch Theil die Abgg. Kröber, Dirichlet und Schrader. Das Kapitel wurde bewilligt. Bei den einmaligen Ausgaben für die „Sozialisteukommission" beklagte sich Abg. Kräcker über das Verbot einer angeblich sozia listischen Zwecken dienenden Druckerei in Breslau. Alsdann wurde der Titel bewilligt. Bei dem Titel zur „Herstellung einer Statistik der öffentlichen Armenpflege für 1885" wünschte Abg. Kalle, daß künftig die Fragebogen über die Armen pflege weiter verwendet würden, um dauernd einen klaren Ueberblick zu gewinnen. Der Redner machte den Bestim mungen über den Unterstützungswohnsitz den Vorwurf der In humanität. Abg. Dirichlet bezeichnete dies als gänzlich unbe gründet. Der Titel wurde bewilligt, ebenso der Rest des Kapitels. — Die Budgetkommission des deutschen Reichstages erledigte gestern den Militäretat, lehnte dabei abermals die Position für die Unterosfiziersschule in Breisach ab, strich auch die für den Neubau einer evangelischen Garnisonkirche zu Straßburg geforderte Summe von 121000 Mark, sowie die Posten für Kasernenneubauten in Ratibor, Lrobschütz, Kassel und Schwetzingen. Die für die Neuerwerbung von Artillerie- Schießplätzen geforderte Summe wurde auf 3 Millionen Mark herabgesetzt, das Uebrigc aber bewilligt. Heute beginnt in der Kommission die Berathung des Eisenbahnetats. Unser Kaiser ertheilte gestern Nachmittag im Beisein des Kultusministers von Goßler dem neuernannten Erzbischof von Köln, I)r. Krementz, welcher vorher schon von dem deutschen Kronprinzen empfangen worden war, die nachgesuchte Audienz. — An Stelle des von Berlin fortgczogenen Oberlandesgerichts- präsidentcn von Holleben ist der regierende Gras Otto zu Stolberg-Wernigerode zum Vorsitzenden des Zentral-Komitees