Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020424023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902042402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902042402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-04
- Tag 1902-04-24
-
Monat
1902-04
-
Jahr
1902
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs «Preis I« der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich./l 4 50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich 6, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. - Redaktion und Expedition: Johannisgasse 8. Fernsprecher 153 und 222. FMalevprditianrrr r Alfred Hahn, Buchhondlg., UniversitätSstr. 8, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. Königspl. 7. — Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße 8. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. —— Haupt-Filiale Serlin: Königgrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 33V3. Nr. 208. Abend-Ausgabe. MMn T aM a tt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Amtes der Stadt Leipzig. Donnerstag den 24. April 1902. Anzeigen «Preis die 6gespaltene PeNtzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zifsernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Spedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 86. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Friedensaction. Die „Tägl. Rundsch." erhält folgende telegraphische Meldung: Die Umgebung Krüger's wider spricht entschieden den englischen Meldungen, nach denen die europäischen Boercndelcgirten versucht hätten, den Kricüensschluß dadurch zu h i n t e r t r e i b e n, daß sie sich an Kuuper und Delcasss wendeten, nm mit Stcijn sich telegraphisch in Verbindung setzen zu können. Die europäische Boerenregierung sei über alle Vorgänge in Transvaal unterrichtet und unterhalten Verkehr mit den Boerengencralen. Man wisse, daß die Verhandlungen zu einem Friedensabschlusse nicht geführt haben. Eng land suche jetzt durch alle möglichen Ouerzüge die Ver antwortung für Las Scheitern der Verhandlungen von sich abzuwälzen. Der Abbruch der Verhandlungen sei aber dadurch herbcigeführt, datz England in den Fragen der Un abhängigkeit und der Amnestie keine Zugeständnisse machte. Vom Kriegsschauplätze. Von Lord Kitchcncr liegt wieder ein summarischer Rapport über die Erfolge der letzten Woche vor, und man muß staunen, woher noch immer die enormen Viehhcerdcn kommen, die den Briten wöchentlich in die Hände fallen. 1500 Stück sind es wieder in der letzten Woche gewesen, und wer sich die fruchtlose Mühe genommen hätte, die Zahl der von den Engländern erbeuteten Rinder täglich oder wöchentlich zu notiren, würde wohl nahe an eine Million hcrausbckommen haben. Es läßt sich dies nur so erklären, daß die Heerdcn sehr häufig den Besitzer wechseln, und daß wir immer nur von der Zahl derjenigen Thicrc unter richtet werden, die die Engländer nehmen, daß aber die jenigen, die ihnen wieder abgcnommen werden — ein Vor gang, der sich oft mehrfach wiederholt — nicht gemeldet iverden. Pferde werden seltener und nur 170 hat man fangen können. Auch die Zahl der genommenen Gewehre ist geringer als die der Gefangenen, so daß wohl wieder Greise und Knaben, die noch keine Waffe führen können, in der Zahl einbegriffen sind. In -er C a p c o l o n i e sind die sogenannten „Rebellen" letzthin sehr rege gewesen. General Kreuch hat verschiedene Scharmützel mit Malan's Leuten und anderen kleinen „Banden" in dem Rhodes- und Ladygrey-Districtc gehabt, ilnd Ookiep ist die Hauptstadt von Namagualand, das Centrum eines reichen Kupferminendistricts am Endpunetc der Bahn, die von Port Nolloth an der Westküste ins Innere führt. Im Oranje-Frei st aate sind in der nordöstlichen Ecke von den britischen fliegenden Colonnen keine Erfolge zu verzeichnen gewesen. Zwar hat Oberst Rochefort einige Gefangene dort gemacht, doch steht die Zahl derselben in keinem Verhältniß zu der aufgewandten Zeit und Mühe, und auch die britischen Colonnen haben einige geringe Ver luste gehabt, so daß die ganzen Operationen keinen Erfolg bedeuten. Im Transvaal hat ein östlich von Pretoria gegen Süden veranstaltetes Treiben gleichfalls keinen Erfolg gehabt; die Bocrcn wollen sich nicht stellen, halten sich verborgen, und die Briten finden sie natürlich nicht. Die Operationen des Obersten Colen- brander im Petersburger Distri<!i dauern an, aber hier haben die Boeren einen, wenn auch nicht bedeutenden, Er folg errungen. Bei Hacnersburg muß am 15. oder 16. ein Gefecht stattgefunden haben, bei welchem die Boeren eine Abtheilung Colenbranüer's abschnitten und ihr vcr- hältnißmaßig schwere Verluste beibrachtcn, wie aus der letzten Verlustliste hervorgeht. Die Briten verloren bei Hacnersburg — 20 Meilen östlich von Pietersburg — 1 Officier, 6 Mann an Todtcn, 2 Gefangene und 16, thcils leicht, theils schwer Verwundete. Oberst Colenbrander war nicht im Stande dieser „detachirten", zu deutsch ab geschnittenen Abtheilung zu Hilfe zu kommen, ist jetzt aber wieder in der Verfolgung der Feinde begriffen, die sich indessen längst wieder zerstreut haben. Alles in Allem haben keine wichtigen Ereignisse stattge- fnnden und wenn sich schon von selbst der Einfluß der Ab wesenheit der Führer und die Erwartung des Resultats der Verhandlungen fühlbar machte so wird dies in den kommenden Wochen umsomehr der Fall sein, als Lord Kitchcncr sich in gewisser Weise — zwar nicht durch ver brieften Waffenstillstand — gebunden hat, den Boeren die Möglichkeit, untereinander zu berathen, durch seine Ope rationen nicht zu rauben. Wie viele Boeren noch in Waffen den Engländern gegenüber stehen, ist zur Zeit schwerer denn je zu be- urtheilen. Vor Monaten gab Chamberlain im Parlament seine Meinung dahin ab, daß es noch etwa 8000 Mann seien, und heute kommt die „Times" mit einer Schätzung und sagt 7000 oder, sehr günstig gerechnet, 10 000 Mann. * Pretoria, 23. April. („Rcntcr's Bureau.") Unter den vom Obersten Rochefort bei Schweizerrcnccke am 15. April ge fangen genommenen Boeren befinden sich ein V r u d e r D e - larey ' s und ein Bruder des GencralsKock. * Capstadt, 23. April. Lord Milncr ist heute hier cinge- troffen und nach Muizenbcrg wcitergefahrcn. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. April. Die Geschäftslage des Reichstages, der gestern die erste Berathung des Gesetzentwurfs zur Ein schränkung der gewerblichen Kinder- arbeit begann und sie heute voraussichtlich mit Ver weisung der Vorlage an eine besondere Commission be enden wird, scheint sich durch den eingegangcncn Ge setzentwurf, betreffend Gewährung einer Pauschal summe für die Mitglieder der Zollt arif- eom Mission wesentlich zu vereinfachen. Man nimmt in Reichstagskreisen jetzt allgemein an, daß eine Ver tagung vor Pfingsten, etwa vom 7. Mai bis Mitte October, eintreten werde. Der Commission würde durch eine solche Vertagung genügend Zeit gewährt werden, den Zolltarif gründlich in erster und zweiter Lesung zn bc- rathen. Die Annahme des neuen Gesetzentwurfs dürfte gesichert sein, da er wohl als Etappe für die Bewilligung allgemeiner Diäten betrachtet werden darf und dadurch auch denjenigen Fraktionen schmackhaft wird, die früher von einer Entschädigung der Commissionsmitglicder allein nichts wissen wollten. Ohne Kümpfe wird es freilich bei der Berathung der Vorlage nicht abgehcn. Bekannt lich soll jedes der 28 Commissionsmitglicder eine Pauschal summe von 2400 erhalten; da aber wiederholt der Fall cintreten wird, datz ein Mitglied ausscheidet und sich durch ein anderes ersetzen läßt, so bereitet der Verthcilungs- modus nicht geringe Schwierigkeiten. Schwerlich aber sind diese groß genug, um die Vorlage ernstlich zu gefährden. Die Hauptfrage bleibt, ob trotz der Diätengewährung für die Commission das Plenum ohne Diäten im Herbst und im Winter beschlußfähig sein wird. Welche Vorlagen vor der Vertagung noch erledigt werden sollen, dürfte der Seniorenconvcnt demnächst entscheiden. Außer Zweifel scheint zu stehen, daß in Folge des internationalen Ab kommens über die Beseitigung der Zuckerprämien dem Reichstage in den allernächsten Tagen der Entwurf eines neuen Zuckergeseyes zugeht, um die Zuckerindustrie der bisherigen Ungewißheit und Unsicherheit zu entreißen. Wie verlautet, soll diese Vorlage kürzlich Gegenstand der Berathung im preußischen Staatsministerium gewesen sein. Auch das B r a n n t w e i n st e u er g c s e tz hofft man noch vor der Vertagung zu erledigen, da die Mchrheitspartcien über dieses Gesetz zu einem einigenden Compromiß gelangt sein sollen. Sehr trübe Aussichten eröffnet den Einzelstaaten die folgende, anscheinend officiöse Auslassung der „Berl. Pol. Nachr.": „In parlamentarischen Kreisen ist man aus den Er fahrungen der jetzigen Tagung des Landtages, insbesondere bei der Etatsbcrathung, zu der Auffassung gelangt, datz die Ein berufung des Landtags im Januar und die Vorlegung des StaatshauShalrsetats zu diesem Termine für die sachgemäße Erledigung der parlamentarischen Geschäfte nichts weniger als günstig ist. Selbst wenn nicht, wie gegenwärtig, die Fest setzung des Etats zu dem verfassungsmäßigen Termine un möglich wird, mutz die Etatsbcrathung sich so rasch abspiclen, daß neben den Plenarsitzungen nicht ausreichend Zeit und Muße für die eigentlich gesetzgeberische Arbeit, sowie für die Vor bereitungen der Etatsbcrathung bleibt. Dies gilt ins besondere auch von den Arbeiten der Budgctcommission, welche mehr und mehr von dem Gesichtspunkte beherrscht wird, nur rechtzeitig den nöthigen Bcrathungsstoff für das Plenum zu liefern. Bei der Schwierigkeit der jetzigen Finanzlage, welche in den nächsten Jahren sicher noch eher zu- als ab nehmen wird, zu mal eine weitere Verschlechterung des finan ziellen Verhältnisses zum Reiche in nahezu sicherer Aussicht steht, ist aber eine gründliche Bc^ Handlung des Etats geradezu unerläßlich. Man ist daher viel fach der Ansicht, datz cs vorzuziehen sein würde, nach dem Bei spiele im Reiche den Landtag im Spätherbste zu berufen und ihm alsdann auch schon vor Weihnachten den Staatshaushaltsctat vorzulegcn. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß eine bezügliche Anregung noch während der dritten Berathung des Etats im Abgeordnetenhaus«: gegeben werden wird." Wenn in Preußen derartige Sorgen herrschen, welche Empfindungen müssen dann die übrigen Staaten beseelen, besonders diejenigen, in denen die Volksver tretung sich zu einer vernünftigen Steuerreform nicht auf zuschwingen vermag! Hoffcntlicht merkt man wenigstens in Berlin recht bald, daß die sorgfältigste und gründlichste Behandlung des Etats nicht hinreicht, die Finanzklemme zn beseitigen und das heillose finanzielle Verhältniß des Reiches zu den Einzelstaatcn zn bessern. Dann wird ja wohl auch die preußische Negierung ernstlich und eifrig den Plan einer umfassenden R e i ch s f i n a n z r c f o r m erwägen, und reist Staatssekretär Graf Pvsado w s k y, der ja auch preußischer Minister ist, nochmals rund, so wird er den Finanzmittistern der von ihm beehrten Staaten nicht mehr cinrcden, man könne und dürfe mit dem Aus bau des deutschen Finanzzollsnstems nicht früher beginnen, als bis man die finanzielle Wirkung der durch die neuen Handelsverträge festzulegenden Schutzzölle zu übersehen vermöge. ZuderErmordungderFrauWolff und ihres Kindes auf der Insel Neu-Pommern im Bismarck- Archipel wird der „Schlesischen Zeitung" geschrieben: Fran Hedwig Wolff, eine blühende und gesunde Frau, Anfang der dreißiger Jahre, lebte mit ihrem Mann, einem Berliner Kaufmann, bereits seit etwa acht Jahren in Herbertshöhe auf Neu-Pommern. Herr Wolff war früher Angestellter der Neu-Guinea-Compagnie und verwaltete als solcher die in Herbertshöhe befindlichen Lager der selben. Beide Eheleute besaßen also langjährige Erfahrung im Umgänge mit den Eingeborenen und waren mit deren Gewohnheiten und Sitten wvhlvcrtraut. Die kurze Kabel nachricht läßt zwar über die Ursache des Mordes keinen sicheren Schluß zu, immerhin ist es aber nicht anzunehmcn, daß die Eingeborenen von der Familie Wolff in irgend einer Weise gereizt worden sind, sondern es dürfte sich viel mehr wiederum nm eine jener ruchlosen Thaten der Kanaken handeln, zu denen sie gewöhnlich durch plötzlich erwachende Habgier verleitet iverden. Das glücklich ge rettete Fräulein Coö ist eine Nichte der in Herbertshöhe lebenden Fran Kolbe, verwittweten Fran Forsayth, der Inhaberin der Plantagenbau und Handel treibenden be deutenden Firma „Forsanth". Fräulein Coö ist eine junge Hattoast- (Halbblut-) Dame, die aber vollständig europäische Erziehung genossen hat. Diese jüngste Mordthat der Ein geborenen beweist von Neuem den heimtückischen und hinterlistigen Charakter der Kanaken. Der Schauplatz des Verbrechens liegt in unmittelbarer Nähe des am längsten und stärksten von Europäern bewohnten Theiles von Neu- Pommern. Nachdem im Jahre 1893 die letzten Unruhen der Eingeborenen in der Umgegend von Herbertshöhe mit bewaffneter Macht unterdrückt worden waren, hatten sie keine feindlichen Unternehmungen gegen die Europäer mehr unternommen, so daß letztere sich in jenem Gebiete durchaus sicher fühlten. Auch durften sie mit Recht an nehmen, daß die häufige Anwesenheit von Kriegsschiffen, die ständige Gegenwart der Polizeitruppe, der dauernde Verkehr mit den Europäern »nd die Thätigkcit der Missio nare der katholischen Mission in Vunapope den Ein geborenen sowohl die Friedfertigkeit, als auch die Ueber- lcgcnheit der Europäer klar vor Augen geführt haben mußten. Die Europäer lebten daher in dem Gefühle voll ständiger Sicherheit, gingen stets unbewaffnet aus und trugen keine Bedenken, ihr Haus zeitweise lediglich dem Schutze ihrer „schwarzen Jungens" zu überlassen. Ucber- dies ist die Anwesenheit einer weißen Frau in jener Gegend fast von derselben Bedeutung, wie die eines Mannes, denn auch die Frauen wissen im Allgemeinen mit Schußwaffen umzugehcn, was den Kanaken ebenso bekannt ist, wie daß die Europäer in ihren Häusern stets Schußwaffen bereit haben. Deutsches Reich. ch Leipzig, 24. April. Der Deutsche GastwirtbS- Ver band, Sitz Berlin, mit 31000 Mitgliedern in 460 Ver einen, und der Bund de ut sch e r G a stw irthe, Sitz Leipzig, mit 29 000 Mitgliedern in 420 Vereinen, sowie einige andere GastwirtbSvereine, haben eine Denkschrift, betreffend die Verordnung des Bundes rathes über die Beschäf tigung von Gehilfen und Lehrlingen in Gast- und S ch an kwir th schäft en ausgearbeitet, in der gegen diese Ver ordnung Stellung genommen und dabei unter Anderem bemerkt wird, daß die betreffende Verordnung in ihrer gegenwärtigen Feuilleton. Eva oder Anneliese? 21j Roman von Ern st Ge org y. Nachdruck verboten. Am folgenden Abend erschien Bernd Brandau erst spät auf dem Rout. Er suchte Feodora. In einer nenen, schillernden Toilette kam sie an Konstantin's Arm auf ihn zugcrauscht. Ihr Gesicht war blaß, aber ihre Augen funkelten erregt. „Die Karten lügen nicht. Der Mensch kann seinem Schicksal nicht entgehen!" lachte sie laut. — „Ich stelle Ihnen meinen Bräutigam vor, Bernd Juliano witsch!" Dieser sah des Russen glückstrahlendes Ge ¬ sicht. Er beherrschte sich und gratnlirte. Die junge Braut bildete mit ihrem sprühenden Geist und ihrer wunder baren Stimme den Mittelpunkt des Festes. Erst gegen das Ende desselben traf es sich, daß Bernd sich in ihrer Nähe befand. — Sie waren zufällig allein in ihrer Ecke. „Sie haben mir gestern einen Keulenschlag versetzt; aber dennoch erkenne ich an, daß Sie wie ein Ehrenmann gehandelt!" sagte Feodora in leichtem Plaudcrtone. — „Ich habe über Sie nachgedacht. Meine Zofe mußte mir für Sie die Karten legen. Nun weiß ich Alles, Bernd Julianowitsch! Schieben Sie den Zeitpunkt einer Hetrath mit der Blinden weit hinaus! Uebereilen Sie nichts, das ist mein Rath!" „Wie kann ein so geistvolles Mädchen so kindlich abergläubisch sein?" fragte er lächelnd. „Spotten Sie, nitschevo! Nur gehorchen Sic!" Konstantin trat zu ihnen heran: „Was denken Sic nur, meine Braut will später noch zur Oper; glauben Sie daran?" meinte er übermüthig. „Ich durste nach Ruhm! Nur Ruhm ist Glück!" sagte sie. „Und ich?" fragte ihr Verlobter lachend. — „Dn bist mein Freund!" war ihre Antwort. Am anderen Tage geleitete Bernd die Abreisenden mit prachtvollen Blumen und Confectcn zur Bahn. Thränenüberströmt schaute Feodora von oben zu ihm herab. Sic reichte ihm noch einmal die Hand, die er in einer Aufwallung von Snmpathic küßte. „Ans Wieder sehen!" sagte er warm. „Uebereilen Sic nichts, Bernd! Sic haben sich Ihr Glück verdient. Sie werden es " Der Zug brauste schon fort. Er schaute dem Enteilenden nach. Dann wandte er sich und schritt langsam mit Kon stantin fort. „Sic haben vornehm gehandelt. Ich dante Ihnen mein Glück! Meine Braut hat mir Alles erzählt!" sagte dieser. Siebentes Capitel. In -em Restaurant von Dressel saßen mehrere Offi- ciere fröhlich plaudernd beisammen. Die Neste ihrer ge meinsamen Mahlzeit waren bereits fortgeräumt. Auf dem Tische standen nur noch die Weingläser und Aschen becher. Zwei Flaschen alten Weißweines und eine dick bäuchige Sectflasche lagen in einem Silberkübel, der, mit Eis gefüllt, von den Kellnern in die unmittelbare Nähe der Gesellschaft gerollt worden war. — Einer der Herren zog mehrmals die Uhr hervor und verfolgte unruhig den Lauf der enteilenden Stunden. „Zum Teufel, Oppen, lassen Sic schon die Knarre stecken! Sie nehmen Einem ja die Gemächlichkeit mit Ihrem ewigen nach der Uhr sehen!" rief ein gemächlich aussehender Rittmeister ärgerlich. „Was haben Sie eigentlich vor? Sind Sie zum Rendez-vous bestellt?" „Das weniger!" lachte der Gefragte. — „Aber Brandau ist heute in Berlin, und ich habe ihm gesagt, daß ich bis ein Uhr hier auf ihn warten würde. Sein Verlobungs fest scheint sich jedoch recht in die Länge zu ziehen!" „Was, Brandau hat sich verlobt? Mit wem denn?" „Nein, nein, nicht er!" entgegnete Oppen. — „Sein Freund, der Sohn seines Pensionsvaters, ein Pastor Neubert, verlobt sich heute. Um Ihre Neugier ganz zu befriedigen, kann ich Ihnen sogar vcrrathcn, daß cs ein Fräulein Anna Mottek ist, welche sich besagter Herr er koren hat!" — — Die Anderen lachten. Ein junger Leutnant, -er in großem Ansehen stand, weil sein Onkel Kultusminister mar, warf sich in die Brust: „Aha, also der Pastor will sich schon vcrheirathen? Und wer ist in direkt der Urheber dieses hoffentlich nicht zweifel haften Glückes? Ich, meine verehrten Kame raden!" „Sie sehen ganz darnach aus!" „Schaut nur den Knopp an, wie er sich brüstet!" „Weshalb? Beweise antreten!" riefen die Hörer lustig durcheinander. „Das will ich Ihnen erklären! Wer den Papst zum Vetter hat, wird Cardinal! Ich führte Bernd vor einigen Wochen bei meinem Onkel ein. Wir Beide befürworteten eifrigst eine baldige Anstellung des vortrefflichen Fritz oder Kranz Neubert. Onkel wurde breitgeschlagen, über ¬ zeugte sich von der Güte des Jünglings. Resultat: Neubert erster Pfarrer in nettem Oertchcn in Pommern! Conse quenz: Verlobung und Heirat-! Unschuldiger Mit helfer? Ich! Also keine Renommange!" — Alle lachten. „Ein Hoch dem edlen Stifter ehelichen Glückes!" schrie ein Officier. Sie tranken dem Freunde zu. „Oh, bitte, die Hauptschuld bleibt auf Brandau ruhen", wehrte dieser ab. — „Der Mensch hat eine Verve, sich für seine Schützlinge ins Zeug zu legen, und eine Ausdauer, deren Sache zu verfechten! Einfach unglaub lich!" „Ja, ein tadelloser Charakter ist unser schöner Graf entschieden!" constatirte der Rittmeister. „Ist er Ihnen eigentlich sijinpathisch?" „Ich weiß nicht recht, was ich aus ihm machen soll!" meinte der Angeredcte sinnend. „Ohne Frage ist er ein trefflicher Mensch; aber man wird nicht klug aus ihm!" „Wieso?" „Etwas frei ¬ sinnig, etwas philiströs einerseits! Andererseits ent schieden heiter und jugcudfrisch veranlagt, aber von innen heraus verhalten, niedergedrückt bis zur Melancholie. Man muß niederträchtig lange zapfen, ehe er zum brauch baren Mitglied des Casinos wird. Dabei frage ich Sic, was hat Brandau für Gründe zum Trübsinn und Duck mäuser? Er steht in jeder Beziehung glänzend da!" „Sic haben entschieden Recht!" erwiderte Einer. — „Na, wenn ich offen sein soll, ich mag ihn nicht besonders, denn ich kann nun einmal Musterbvnzcn und Tilgend helden nicht vertragen. Das Schrecklichste aber ist, wenn ein Mensch Principien hat! Das hat nnn der Brandau: Er spielt nicht, er läßt keine Pferde rennen, er verschenkt keine Villen an Balletrattcn. Zum Kuckuck, zu was hat der Regimentsantinous denn seine Millionen?!" „Es gicbt keinen genttlcren als ihn! Er hat offene Hand für Jeden, der ihn nm etwas anspricht! Seine Schwermut- und Rcscrvirtheit wird wohl ihre voll wiegende Begründung haben. Ich denke, wir lasten meinen Freund nun aus der Besprechung!" sagte Oppen stirnrunzelnd und nachdrücklich. „Aber, Öio mio, warum so gereizt, Kamerad? Es greift doch Keiner Ihren theurcn Brandau an!" entgegnete von Brankenfeld. „Ich bitte, wiederholen Sie den Namen nicht so laut, an dem zweiten Tisch von hier, links, sitzt ein Verwandter des Be treffenden, der General von Brandau!" warnte der Ritt meister leise. Alle Köpfe wandten sich nach der bezeichneten Richtung. Man nickte sich bedeutsam zu. Wirklich er kannten einige den ehemaligen Vormund Bernd s, der mit zwei Ctviltsten, augenscheinlich echten Landjunkern, plauderte. Die Unterhaltung wurde leiser fortgeführt. Endlich erhob sich Oppen, ging einige Schritte und be grüßte den cintretcnden Brandau mit den Worten: „Guten Abend! Spät kommt er, doch er kommt!" Sic schüttelten sich die Hände. „Ocppchen sitzt, glaube ich, bei dem lupns in tabula etwas stark in der Tinte! Die Schulden wurden diesmal überraschend schnell berappt!" raunte Brankenfeld dem Rittmeister zu. Dieser murmelte nur: „Aha, daher die dicke Freundschaft so plötzlich!" Er schwieg, denn Bernd stand bereits am Tische und verneigte sich mit der ihm eigenen Grazie. Dann bestellte er eine Flasche Wein und nahm Platz. — Die Anwesenden erkundigten sich neckend nach dem Vcrlvbungsfest seines Schutzbefohlenen. Unbefangen, ohne die leise Ironie der Fragen zu be merken, gab er Antwort. Ans seinem ernsten Gesicht lag noch ein schwacher Abglanz von der Freude, die das sonnige Glück des jungen Paares, die Dankbarkeit des Professors in ihm erweckt hatte. Als das Gespräch wieder allgemeiner geworden, versank er in seine gewohnte Schweigsamkeit. Plötzlich zuckte er zusammen. Ein dröhnendes Gelächter erscholl hinter seinem Rücken. Die Stimme des Lachenden kam ihm merkwürdig bekannt vor. Vorsichtig wendete er sich mit seinem Stuhl, bis er zurückblickcn konnte. Dann spähte er durch die vom Ranch trübe gewordene Luft und erbleichte. Sein Herz begann mächtig zu schlagen. In diesem Moment entdeckte General Brandau seinen Großneffen und winkte ihm zu, sich zu ihm zu be geben. Noch immer sehr blaß, erhob sich Bernd. „Ich entdeckte soeben Bekannte in unmittelbarer Nähe von uns. Sie werden mich freundlichst entschuldigen, meine Herren, wenn ich mich für kurze Zeit entferne, nicht wahr?" „Aber, bitte sehr, lassen Sic sich durchaus nicht stören, lieber Brandau!" entgegnete der Rittmeister, der als Aeltcstcr den Vorsitz führte. Langsam und zögernd, als versagten ihm die Füße den Dienst, schritt Bernd zu dem Tische, an dem die drei Herren saßen. Derjenige, welcher so furchtbar gelacht hatte, drehte sich jetzt auf einen kurzen Zurnf des Generals nach ihm um. Er war Graf Warell. „Gotts Donner, mein lieber Junge, sind Sie cs wirtlich oder ist cs nur Ihr Geist? Ich ver- muthete Sic in Potsdam und dachte nicht im Traume daran, Ihnen am ersten Tage schon zu begegnen! Na. schaden thnt cS nix, im Gcgcntheil, freue mich ganz un menschlich! 'n Abend, mein Viccsohn!" Warell war aufgesprungen und schüttelte Bernd s Hand unablässig, während er seinen WMkonnnensgruß mit wahrer Stentor-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite