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Sächsischer Landes-Anzeiger : 11.03.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188803119
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880311
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880311
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-03
- Tag 1888-03-11
-
Monat
1888-03
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 11.03.1888
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lsffe». werkehr. mcha«. ifg. ch ihlk». es. kleineren :ise der s lche mir ! meines wurden, nen tief- Z8. vorf. l Denen odc und hlafenen nn ihre Blninen- Seschenke Dank lditz für , Grabe icm ver- cRocvcr, ,d Herrn teschenke, für daS n Ruhe- ann hlief nach iden unser , Schwie- ager,Herr Sro»», re. , ten diese» uercn Ent- kachmittag jittwe Schütze, assenen. iter. .-Borst.): :attung an Requisiten. cht«. cten. Vorst.): > kHarilv hiitz. ltten. idinger. ater. Närz. ale: >auer. 7 Bildern, att". H «e. 59. — 8. Jahrgang. ieden Wochentag Abend (mit Datum folgende» Tages) zur Bersendung Kngende..Sächstschc Landcs-Anzc gcr" täglich einem besonderen Unter- baltungsblatte und mit dem Extrabeiblatt Softiaes Bilderbuch kostet bei den Ausgabe- RIM. «alender ie» Sächsischen Sandboten. JllnstrirteS Jahresbuch desLandeS-SnzeigerS. mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Sonntag. 11. März 1888. . , t>reirde-„T»chf.rande«.«n,eiaer»": Raum einer schmalen Eorvuszell« 18 Pfg. Bevorzugte Stell« (lsvalt. Petitzeile) SO Pf. BeiWIederholung großer AnnoncenRabatt. Lei Bestellungen von Auswärts wolle man Jnsertionsbetrag (in Briefmarken) beifügen <ie 8 Silben Lorpusschrift bilden ca. 1 Zeile.) «nnoncenannahme nur bis Vormittag. Bnchdriukctti. Slicmnitz. Theaterstraße 8 (Fernsprechstelle Nr. ISS). Mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4. Sächsisches Allerlei — 5. Jllnftrirtes Unterkaltnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. Vom Tode Kaiser Wilhelms I. 6. Berlin, 9. März Abends. Kaiser Friedrich I., unser theurer bisheriger Kronprinz, hat am Todestage seines Vaters die Würde des deutschen Kaisers und Königs von Preußen über nommen, er, der würdige Sohn des großen Vaters. Freilich ver schleiert auch beim Gedenken an ihn tiefe Wehmuth unser Auge, der starke, kraftvolle Mann ist seit Jahresfrist von einem fürchterlichen, schleichenden Leiden heimgesucht, das unbestreitbar die weiteste Aus dehnung genommen hat, aber heiß flehen die Bitten eines ganzen großen Volkes um die volle Genesung seines neuen Kaisers, der so fort über den Brenner und durch Tirol mit der Kaiserin Victoria nach Deutschland zurückkehrcn und vorläufig in dem Berlin benach barten Charlottcnburg seinen Wohnsitz nehmen wird. Kaiser Friedrich steht, nächst seinem verstorbenen Vater, Alldeutschlund am nächsten, und wir vertrauen seiner Weisheit und Kraft. Gott mag ihn schützen und erhalten zur Wahrung des Friedens des ganzen deutschen Reichs im Innern und nach Außen. Betreffs des Ueberganges der deutschen Kaiserwürde ist keinerlei andere Bestimmung in der Reichsverfassung enthalten, als -daß diese Würde mit der Krone Preußens verbunden ist. Der neue Träger der Königswürde hat nach Art. 54 der Preu ßischen Verfassung in Gegenwart beider Häuser des Landtags das eidliche Gelöbniß zu leisten, „die Verfassung des Königreiches fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren". Indessen braucht dieses Gelöbniß nicht sofort zu erfolgen; es ist namentlich keine Voraussetzung des Beginnes der Ausübung der königlichen und kaiserlichen Rechte. Die Schwierigkeiten, welche sich aus der Krankheit Kaiser Friedrichs er geben, werden, dessen darf man gewiß sein, durch den Kaiser und die Nation unter dem Ralhe des Staatsmannes, der an erster Stelle das deutsche Reich begründen half, überwunden werden. Das deutsche Volk hat das Vertrauen, das es dem nunmehr regierenden Kaiser entgegcnbringt, stets und namentlich während verletzten Monate bewiesen. Die Stellvertretung, welche Kaiser Wilhelm dem Prinzen Wilhelm er- theilt, ist erloschen, alle Regierungsrechte gehen auf Kaiser Friedrich über. Die Trauer im Reichstage. Die Trauerbotschaft hat den Sitzungssaal des Reichstages stark gefüllt. Mit den Vertretern der verbündeten Negierungen erscheint der Reichskanzler Fürst Bismarck. Präsident von Wedell-Piesdorf eröffnet die Sitzung um 1/21 Uhr und ertheilt das Wort dem Fürsten Bismarck: Ich habe Ihnen die schmerzliche Mittheilung zu machen, daß Se. Majestät Kaiser Wilhelm heute Vormittag 8^/2 Uhr zu seinen Vätern entschlafen ist. Infolge dieses Ereignisses ist die preu ßische Krone und damit die deutsche Kaiserwürde auf Se. Majestät Friedrich HI., König von Preußen, übergegangen. Nach telegraphi schen Nachrichten wird Se. Majestät der regierende Kaiser morgen von San Remo abrcisen und hier zu gehöriger Frist eintreffen. Ich habe von Sr. Majestät dem hochseligen Herrn in Bethäligung der unermüdlichen Arbeitskraft noch die Unterschrift erhalten, welche mich ermächtigt, den Reichstag nach Ablauf seiner Geschäfte, d. h. heute oder morgen, zu schließen. Ich hatte die Bitte an Seine Ma jestät gerichtet, nur mit dem Anfangsbuchstabe» zu unterzeichnen, er hielt aber die Antwort, er wolle versuchen, noch mit dem vollen Namen zu unterzeichnen. Es ist dies das historische Actenftück der letzten Unterschrift Sr. Majestät des Kaisers. Ich halte es sür Ihren Wünschen entsprechend, daß der Reichstag noch nicht ausein andergeht, sondern zusammcnbleibt bis nach Eintreffen Sr. Majestät des Kaisers Friedrich. Ich mache deshalb von der Allerhöchsten Er mächtigung keinen Gebrauch, als daß ich sie zu den Acten des Hauses ldge und den Herrn Präsidenten des Hauses bitte, die Entschlüsse, die den Stimmungen und Gefühlen des Hauses entsprechen, herbei- zuführen. Es steht mir nicht zu, meine Herren, von dieser Stelle de» persönlichen Gefühlen Ausdruck zu geben, welche mich bei dem Hinscheidcn meines Herrn erfüllen. Wenn die Gefühle, die mich bewegen (Pause), ich verzichte auf einen Ausdruck derselben, aber (größere, schmerzliche Pause) Eines möchte ich Ihnen doch nicht Vvrcnthaltcn zu wissen, nicht von meinen Empfindungen, sondern von meinen Erlebnissen: die Thatsache, daß in den schwere» Schickungen, die Se. Majestät erlebt hat, es zwei Thatsachen waren, welche ihn mit Befriedigung und Trost erfüllten: die eine, daß die Leiden seines Sohnes und Nachfolgers nicht nur in ganz Deutsch land, sondern in der ganzen Welt die Herzen mit einer Theilnahme erfüllt haben, die beweist, welches Vertrauen sich die Dynastie des deutschen Reiches bei anderen Nationen erworben; dieses Vertrauen wird sich auch auf die deutsche Nation übertragen. Die zweite Richtung, in der Se. Majestät Trost in manchen schweren Schickungen empfand, war diejenige, daß der Kaiser auf die Entwickelung seiner Nation, auf die Herstellung und Consolidirung der Nationalität des Volkes, dem er als Leiter angehörte, daß der Kaiser aus die Ent wickelung, welche die Lösung dieser Aufgaben genommen hat, mit einer Befriedigung zurückblickte, welche den Abend seines Lebens verschönte und erleuchtete. Es trug dazu die Thatsache bei, daß mit einer solchen Einmüthigkeit der Regierungen und des Reichstages die Be schlüsse gefaßt wurden, welche zur Sicherung des Reiches nöthig sind. Diese Wahrnehmung hat seine Majestät mit großem Trost erfüllt. Ich kann nicht sagen, wie ihn dieser Beweis der Einheit der ge summten deutschen Nation, wie er durch die Volksvertretung hier verkündet worden ist, gestärkt und erfreut hat. Ich glaube, m. H., «s wird Ihnen allen erwünscht sein, dieses Zeugniß mit in Ihre Heimath zu nehmen, daß jeder Einzelne von Ihnen Antheil an diesem Verdienst hat. Das nationale Bewußtsein und vor Allem die treue, arbeitsame Pflichterfüllung im Dienste des Vaterlandes, die in dem Dahin geschiedenen verkörpert waren, das hoffe ich zu Gott, daß dieses Erb- theil von Allen, die wir an den Geschäften des Vaterlandes mitzu wirken haben, bewahrt werden wird, das walte Gott. Präsident v. Wedell-Piesdorf (mit bewegter Stimme): Se. Majestät Kaiser Wilhelm, den das deutsche Volk liebte und verehrte, ist nicht mehr. Keines Menschen Mund kann dem Schmerze Ausdruck geben, der ganz Deutschland erfüllt. Wir beugen uns in Demuth vor Gottes Hand! Nur das Eine glaube ich noch aussprechen zu dürfen, daß diese schweren Tage uns in Treue und in Ergebenheit dem neuen Kaiser und seinem Hause verbinden werden. Möge Gott unser Vaterland schützen, möge er besonder- den schwergeprüften Kaiser Friedrich in seinen Beistand nehmen. — Die Sitzung ist geschloffen. — Die Stimmung im Reichstage war wie in der ganzen Reichs- Hauptstadt außerordentlich traurig. Lange standen die Reichsboten bei einander und gaben ihrem Schmerze in unverhüllten Worten Aus druck. Einen derartig trüben Tag sah der Reichstag noch nie. Im preußischen Abgeordnetenhause. Um 1l4/i Uhr erscheint das gesammte Staatsministerium mit Ausnahme des im Reichstage anwesenden Fürsten Bismarck. Präsident von Köller ertheilt das Wort dem Vicepräsidenten des Staats ministeriums, Minister von Puttkamer. Derselbe richtet an das Haus folgende Worte: Ich habe die traurige Pflicht, dem Hohen Hause eine tiesschmerzliche Mittheilung zu machen. Es hat Gott ge fallen, Seine Majestät den Kaiser und König Wilhelm, unseren aller gnädigsten Herrn, heute Morgen 8^/2 Uhr im 28. Jahre Seiner glorreichen Regierung durch einen sanften Tod aus dieser Zeitlichkeit hciinzurufen. M. H.! Sie werden von mir in diesem tiefernsten Augenblick, in welchem unsere Herzen von Trauer und Sorge zugleich so schmerzlich berührt sind, eine Schilderung der Gefühle nicht er warten, die uns Alle, die das gesammte Volk nnd Vaterland bei dem Hintritt, bei dem Verlust dieses allgeliebten und erhabenen ehrwür digen Herrschers erfüllen. Das aber darf ich getrost und voller Zuversicht auch an diesem Tage schmerzlichster Prüfung aussprechen: Das preußische Volk und seine Vertreter werden heute mehr denn je von dem Bewußtsein durchdrungen sein, daß das Leid unseres er habenen Herrscherhauses auch ihr Leid ist, und daß, je tiefer der allgemeine Schmerz über den Hintritt des unvergeßlichen Königs, um so fester und unzerreißbarer das Band sich erweisen wird, welches Preußens Herrscherhaus und Preußens Volk in guten und bösen Tagen verbindet. M. H. I Ich habe Ihrer Weisheit anheimzustellen, denjenigen Beschluß zu fassen, welcher dem Ernste der Lage entspricht. Präsident von Köller: M. H.I Erschüttert und tiefgebeugt, werden wir heute nicht im Stande sein, unsere gewöhnlichen Geschäfte zu erledigen. Ich werde mir erlauben, je nach den Umständen, die nächste Sitzung anzuberaumen. Gott schütze das Königliche Hansl Gott schütze das Vaterland! — Ich schließe die Sitzung. Die amtliche Todesanzeige lautet: Bekanntmachung. Es hat Gott gefallen, Se. Majestät den Kaiser und König, unseren Allergnädigsten Herrn, nach kurzem Kranken lager heute 8>/2 Uhr Morgens im achtundzwanzigsten Jahre seiner reichgesegneten Regierung aus dieser Zeitlichkeit abzurufen. Mit dem Königlichen Hanse betrauert unser gesammtes Volk den Hintritt des allgeliebten, ehrwürdigen Herrschers, dessen Weisheit so lange über seinen Geschicken in Krieg und Frieden ruhmreich gewaltet hat. Berlinden 9. März 1888. Das Staats-Ministerium. Die,letzten Tage des Kaisers. Die Krankheit, welcher Kaiser Wilhelm erlegen ist, das alte Nieren-Lciden, trat seit Sonnabend Nacht auf, begünstigt durch die Schwäche des greisen Herrn, in welche dieser durch den Kummer der letzten Tage verfallen war. Bis zum Dienstag Abend war der Verlauf des Leidens ein günstiger, von da ab traten Unlerleibsbe- schwerden und ein rapider Kräfteverfall ein. Mehrmals am Mitt woch und Donnerstag glaubte man die letzte Stunde des ehrwürdigen Monarchen gekommen, die ganze kaiserliche Familie war anwesend, alle Würdenträger des Reiches und von Preußen die Generalität. Inzwischen harrten vor dem Palais Tausende von Menschen besserer Nachrichten. Donnerstag Abend fünf Uhr schien der Tod gekommen zu sein, gerüchtweise durch ungenaue Extrablätter wurde bereits der Tod des Kaisers verkündet, aber noch einmal errang die kräftige Natur des hohen Patienten die Oberhand. Der Kaiser nahm Bouillon und andere Stärkungsmittel zu sich und in der That besserte sich der Zustand dermaßen, daß mit größerem Vertrauen der Nacht entgegengesehen wurde. Tiefaufathmend zerstreute sich die Volksmenge gegen Mitternacht, bis wohin sie Wind und Wetter getrotzt hatte. Auch die fürstlichen Herrschaften verließen mit Anbruch der Nacht das Palais. Aber die Ruhe war doch nur eine trügerische. Bald nahmen die Kräfte wieder reißend ab und der Schwächezustand wuchs der maßen, daß alle Mitglieder der Kaiserfamilie schleunigst herbcigeholt wurden. Außerdem erschienen Reichskanzler Fürst Bismarck und Graf Moltkc. Diese beiden treuen Diener des Kaisers sind durch das Hinscheiden desselben auf das Schwerste betroffen. Graf Mottle be wahrte mit äußerster Mühe seine Ruhe, Fürst Bismarck hatte mit Thränen heftig zu ringen. Außerdem waren im Palais zngegen der Hausminister, alle General- und Flügcladjutanten, Hofprcdiger Kögel. In den Stunden von 6 bis 8 Uhr nahmen die Kräfte des Monarchen dermaßen ab, daß jede Hoffnung anfgcgeben werden mußte. Der Kranke lag im Halbschlafe und schlummerte endlich sanft in das Jen seits hinüber, 13 Tage vor Vollendung seines 91. Lebensjahres. Das Palais war der Schauplatz herzzerreißender Schmerzszenen, keiner der Anwesenden vermochte seine Thränen zurückzuhalten. Tie Kaiserin Augusta ist auf das Heftigste getroffen. Die letzten Stunden. Von »/i9 Uhr ab wurde die Trauernachricht bekannt und ver breitete sich dann schnell durch ganz Berlin. Ucberall starrer Schreck, obwohl man auf die Katastrophe zur Genüge vorbereitet war, tiefste Theilnahme. Die Linden wurden vor dem Palais abge sperrt, und um '/»ll Uhr waren sie bereits schwarz von Menschen. Viele schluchzten heftig, ein großer Theil der Läden wurde geschlossen, ebenso die Börse. Der Traucrsalut wurde durch Artillerie vom Königsplatzc aus gegeben, dumpf rollten die Salven über die trauernde Stadt hin. Die Standarte des Palais blieb halbmast gehißt, wie sie bereits aus Anlaß des Todes des Prinzen Ludwig von Baden gehißt war. Zahlreiche Offiziere strömten nach dem Palais. Uebcr die letzten Stunden des Kaisers verlauten noch folgende genauere Mitthcilungen: Im Sterbezimmer war seit Donnerstag Nachmittag die ganze kaiserliche Familie versammelt. Als um 5 Uhr Abends der Puls für kurze Zeit anssetzte, waren die Aerzte in äußerster Bc- sorgniß. Aber bald stellte sich der Puls wieder ein. Nunmehr sprach der Obcrhofprediger vr. Kögel ein meist aus Bibelsprüchen zusammengesetztes Gebet, welches der Kaiser wiederholt mit den schwach, aber deutlich gesprochenen Worten: „Richtig!" und „Gut!" unterbrach. Der Kaiser zeigte sich nach Einnahme einiger Erfrischungen sehr gesprächig und wollte sogar aufstehen. Er sprach viel mit dem Prinzen Wilhelm über die politische Lage und die Heereseinrichtungen Deutschlands. Er erwähnte, daß man das, was er für das Heer geschaffen, in Frankreich nachgeahmt hätte. Dann verbreitete er sich über Rußland und meinte, eS werde nicht zu einem Kriege mit dem Zarenreiche kommen. In diesen Worten sprach aber vielfach schon die Fieberphantasie. Die Großherzogin von Baden ricktete die Bitte an den Kaiser, er möge sich nicht durch zu viele» Sprechen ermüden, worauf er antwortete: „Ich habe nicht mehr Zeit, müde zu sein." Das waren die letzten verständlichen Worte. Darauf schienen den Lippen ab und zu noch unbestimmte Laute zu entgleiten, aber man verstand nichts mehr, der Puls wurde immer schwächer, die Todesstunde war im Nahen. Das war um 7 Uhr Morgens. Die Kaiserin saß während dieser Zeit in ihrem Stuhle zu Füßen des Bettes und hielt die linke Hand des Kaisers in der ihren. Selbst die Schwäche, welche sie zeitweise bewältigte, konnte sie nicht bewegen, die Hand des sterbenden Gemahles zu lassen. Die Großherzogin mußte sie stützen, aber ihre Hand blieb in der seinen. Die Athemzüge wurden immer kürzer, Hofprediger vr. Kögel begann zu beten. Alle Anwesenden sanken vor dem Lager des Sterbenden auf die Knie. Da — noch ein tiefe- Aufseufzen — der Kaiser hatte geendet. Erst durch den Geistlichen, während dessen Gebet der Kaiser den letzten Athemzug that, wurden die Versammelten von der traurigen Gewißheit in Kenntniß gesetzt. Hand in Hand blieb die Kaiserin mit ihrem Gemahl vereint, bis über den letzten Athemzug hinaus. Prinz Wilhelm stand am Fuße des Bettes. Alle Anwesen den küßten zum letzten Male dem Kaiser die Hand und verließen dann das Trauergemach. Die letzte Bewegung des Kaisers war die gewohnheitsmäßige Erhebung der linken Hand, mit welcher er den Schnurrbart zu streichen Pflegte. Der nunmehrige Kronprinz Wilhelm verließ nach zehn Uhr mit dem Reichskanzler das Palais. Aufbahrung und Beisetzung. Gegen 10 Uhr am Freitag Vormittag wurde vom Professor Reinhold Begas die Todtenmaske abgenommen. Anton von Werner fertigte eine Farbenskizze an und auch eine Photographie wurde auf« genommen. Der Kaiser blieb in der Lage, wie er gestorben war, halb aufrecht sitzend in den Weißen Kissen, mit weißer Nachtkleidung, unter der ein dunkelrothes Tuch zum Vorschein kommt. ^ Bis zur Brust ist der Leichnam mit einer weißseidenen Steppdecke bekleidet, Blumen sind über dieselbe gestreut. Die Großherzogin von Baden hat dem geliebten Vater diese letzten Zeichen der Liebe mit in den Tod gegeben. Der Ausdruck des Dahingeschiedenen ist der eines Schlafenden; mild und freundlich schauen diese Züge noch im Tode, kein Ausdruck des Schmerzes oder Leidens. Die linke Hand ruht fast auf dem Rande des Bettes, die rechte ist auf die Decke herabgesunken und eine lichte Klarheit umgiebt des todten Kaisers Haupt. Es ist, als sehe der Kaiser nach einer gegenüber befindlichen Büste der Köni gin Louise. Am Nachmittag wurde die Leiche auf dem Paradebette in großer Generalsuniform aufgebahrt. Sechs Gardeoffiziere halten die Leichenwacht. Um 7 Uhr Abends fand im Palais Gottesdienst statt. Vormittags wurden die Siegel an die Zimmer des Kaiser» gelegt, Nachmittags das Testament geöffnet. Der Kaiser soll darin auch befohlen haben, daß seine Leiche in der Schloßkapelle ausgestellt und dann im Charlottenburger Mausoleum beigesetzt werde, wo seine Ellern, König Friedrich Wilhelm III. und die Königin Louise, ruhen. Die Ueberführung der Leiche in die Schloßkapelle wird wohl heute Sonnabend erfolgen. Das Trauerceremonicll bestimmt Kaiser Friedrich. * » * König Friedrich III. wird den Namen Friedrich sowohl im Reiche, als in Preußen führen. Es wird also nur nach den preußischen Königen Friedrich (Friedrich I., der erste preußische König, Friedrich II., genannt der alte FriA ge zählt. Kaiser Friedrich war durch die Nachricht vom Tode seine» Vaters auf's Heftigste erschüttert, die Aerzte hatten Mühe, ihn zu beruhigen. Der Kaiser und die Kaiserin Promenirten längere Zeit allein im Garten der Villa Zirio. Zahlreiche Kondolenztelcgramme voll allen Höfen und Staaten sind eingegangen. Die Rückreise aus San Remo wird am Sonnabend Vormittag 9 Uhr angetreten. Die Route ist folgende: Genua, Mailand, Verona, Trient, Brenner, Inns bruck, Kufstein, München, Berlin. Das Kaiserpaar wird im Char lottenburger Stadtschlosse, das frisch und geschützt liegt, Wohnung nehmen, der Erbprinz nnd die Erbprinzessin von Meiningen siedeln nach Berlin über. Die Ankunft in Charlottcnburg wird Sonntag Abend erfolgen. Auf dem bisherigen kronprinzlichen Palais in Ber lin stieg am Freitag Mittag die gelbe Kaiserstandarte am Maste empor. — Am Freitag Nachmittag fand in stiller, geräuschloser Weise die Neuvereidigung der Truppen statt. Die ersten Erlasse Kaiser Friedrich's liegen bereits vor und werden allseitige Zustimmung finden. Sie sind von uns bereits durch Extrablatt bekannt gegeben. Sie zeigen den neuen Kaiser gleich groß als Staatsmann und Mensch und lauten: „In dem Augenblicke tiefster Trauer um den Heimgang Sr. Majestät des Kaisers und Königs, Meines geliebten Herrn Vaters, spreche Ich Ihnen, wie dem Staatsministerium Meinen Dank für die Hingebung und Treue aus, mit welcher Sic Alle Demselben dienten, und rechne auf Ihrer Aller Beistand bei der schweren Aufgabe, die Mir wird. Ich reise am 10. Morgens nach Berlin. Friedrich." An den Reichskanzler Fürsten Bismarck. Dem Staatsministerium in Berlin ist bezüglich der Landestrauer folgender Erlaß zugegangen: „Hinsichtlich der bisher üblich gewesenen Landestrauer wollen Wir keine Bestimmung treffen, vielmehr einem jeden Deutschen über lassen, wie er Angesichts des Heimganges einen solchen Monarchen seiner Betrübniß Ausdruck geben, auch die Dauer der Einschränkung öffentlicher Unterhaltungen sür sachgemäß erachten will. Friedrich." Der Kaiser wird sich in diesem Vertrauen nicht getäuscht sehen, welches er sofort dem Volke entgcgenbringt. Aus San Remo wird noch telegraphirt, daß der Freitag befriedigend verlief. In der Kaiserfamilie herrschte die tiefste Trauer, der Kaiser war lange allein und als er wieder erschien, sah man ihm an, daß er geweint. Die Kaiserin weinte heftig, bemühte sich aber ungeachtet ihres Schmerzes, den Gemahl zu beruhigen. Mackenzie reist mit nach Deutschland. Zur Trauerfeier kommen fast alle deutschen Fürsten und Vertreter aller auswärtigen Staaten nach Berlin. Im Auslande ist die Bot schaft mit der weitgehendsten Theilnahme ausgenommen, selbst alle Pariser Blätter unterlassen jedes Spötteln. Die Staatsoberhäupter und Minister statteten deutschen Vertretern Beileidsbesuche ab, in London, Wien und Rom gedachten die Parlamente des herben Ver lustes, welcher ganz Deutschland betroffen. Die Presse schreibt so sympathisch, wie nur möglich.
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