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's ii'! SSchfkfcher « « « de « n, ,»ser. Nr. 66. Dienstag, so. März 1868 M- M« Oesterreich - Ungarn. I» Wic» wurde am Sonntag ei» zweiter osficicllcr Trauergottcsdienst für Kaiser Wilhelm abgehaltcn — Der Kriegsministcr Jeldzeugmeister Gras Bylandt-Rhcydt hat aus Gesundheitsrücksichten um seinen Abschied nachgesucht und denselben erhallen. Zu seinem Nachfolger ist der coinmandircnde General in Wie», Feldzeugmeister von Bauer, ernannt worden. Bauer steht im 63. Lebensjahr und gilt als einer der befähigtsten Officicre der Armee. Als Stratege und Techniker genießt Bauer großes Ansehen. Er entschied als Brigadier in der Schlacht von Custozza den Sieg der Oesterreichcr und nahm auch an der Erstürmung von Lucia eulschci deuden Antheil. Der neue Kriegsminister ist ein hochgebildeter Offi eier von liebenswürdigen Unigangssormc», redegewandt und sein Fach Vollkommen beherrschend. Trotzdem wird er vor der parlamentarischen Vertretung einen schwierigen Stand haben, da sein Vorgänger sich des höchsten Vertrauens erfreute und sehr beliebt war. Bauer muß da» begonnene Werk der Erhöhung der Hccresmacht forlsctzcn, das neue Wehrgcsetz vorbereiten, die außerordentlichen Forderungen der letzten Jahre vertreten, lauter Aufgaben, die für eine» dem Parlament fremden Mann unendlich schwierig sind. Gleichwohl hofft man, daß eS der Offenheit und Sachkcnntniß Bauers gelingen werde, das Ver trauen der Volksvertretung im vollste» Maße zu gewinnen. — Die Wiederholten Marschallsräihe, die in der Hofburg unter des Kaisers Vorsitz stattgefunden, gelten der Vorbereitung neuer militärischer Ge setzentwürfe. — Alle Blätter besprechen die Trauerfeier in Berlin mit Ausdrücken höchster Bewunderung und Verehrung für den ver storbenen Kaiser. Frankreich. Ter Vater des Präsidenten Carnot, Lazare Hippolyte Carnot, ist am Freitag gestorben. Er litt seit einigen Tagen an einer Lungenentzündung, die, au sich wohl nicht schwer, infolge seines hohen Alters tödllich verlief. Lazare Carnot war geboren l801, Sohn des berühmten Kriegsministers und Generals der erste» Republik. Nach den, Sturze Napoleons kam er mit seinem Verbannten Vater nach Deutschland und lebte bis zu dessen Tode (1833) in Magdeburg. Nach seiner Heimkehr wurde er. Rechts anwalt. 1839 wurde er Abgeordneter und lebte seitdem der Politik und dem Journalismus. 1848 wurde er Unterrichtsminister. Nach Napoleons Staatsstreich war er einer der drei republikanische» Ab geordneten, welche den Eid verweigerten, und erst 1863 trat er wieder in die Kammer, alle Auszcichnnngsancrbietnngen Napoleons aber hartnäckig ablehnend. 1875 wurde er zum lebenslänglichen Mitglied des Senaies gewählt. — Der König von Belgien, welcher erfahren hatte, daß P äsideut Carnot im Frühjahr die nördliche» französischen Departements besuchen werde, ließ ihm die Einladung zugehen, nach Brüssel zu kommen. Carnot nahm die Einladung dankend an. — Die Stellung Bon angers zur Disposition und seine Enthebung vom Corpscommando wegen andauernder Eigcnwilligkeit findet noch immer bei allen ruhigen Leuten Frankreichs lebhafte Zu stimmung Man hebt mit Recht hervor, daß ein so hochstehender Offizier zuerst und am genauesten die Vorschriften der Disziplin beo bachten müsse, sonst gehe alle militärische Ordnung verloren. Der General hat zu seiner Vertheidigung in Paris nur leere Ausrede» Vorbringen können, und deshalb bleibt es bei der Absetzung. In Paris haben ihm die Radikalen allerdings Ovationen, vermischt mit Hetzrufen aus Deutschland, au den letzten Tagen dargebrachl, aber die Polizei machte dem Trubel bald ein Ende. Von Boulangers Skandalblatt „Cocarde" werden täglich 250,000—400,000 Exem plare verkauft. Die Ultraradicalen wollen den General als Siurm- bock gegen die Regierung benutzen, und ein Comitee hat deshalb Boulanger als Candidatc» für alle bevorstehenden Ersatzwahlen auf gestellt, obwohl er eigentlich auch jetzt noch nicht wählbar ist. Man will abwarten, ob dieser widergesetzsichc Ausruf eine große Volksknnd- gebung zur Folge hat. Ist letzteres der Fall, will Boulanger ganz au» dem Militär ansscheiden, sich daun zum Abgeordneten wählen lassen und von der Rednertribüne der Deputirtenkammer aus ver suchen, seine ehrgeizigen Pläne durchzusetzeu. Er ist jetzt unter großen Halloh von Paris nach Clermont zurückgereist, um seine Uebersiedc- lung in die Hauptstadt ins Werk zu setzen, wo es dann wohl bunte Scenen in Menge geben wird. Die Regierung hat den General Warnet an Stelle Boulangers zum Commandcur des 13. Armcc- corps ernannt und beschlossen, vor der Hand keine neue Maßregel gegen den widerspenstigen General zu ergreifen. Boulanger prokla- mirt jetzt thatsächlich die offene Auflehnung gegen die Regierung. Das ist ein äußerst starkes Stück, und die Republik kann sich gratu- liren, daß Boulanger nur Boulanger, aber kein Napoleon ist. Sonst wär das Ende bald da. — Ter „Post" wird übrigens aus Paris telegraphirt, unter den Führern der bonlangistischeu Partei herrsche große Verwirrung, die Bewegung zu Gunsten Boulangers verlier infolgedessen rasch a» Stärke. Es hänge jedenfalls sehr viel von dem Ausfall der bevorstehende» Ersatzwahlen ab. England. Alle Blätter Londons berichten sehr ausführlich über die Trauerfeierlichkeitcn in Berlin. Die „Times" schreibe», cs habe sich um kein Hofzeremonicll, sondern um die Trauer einer ganzen Nation für den Monarchen gehandelt, welcher ihre Einheit begründete Dem Geiste der Hohenzollern aus dem preußischen Throne, welcher Preußen zur Hegemonie in Deutschland vcrhalf, huldigte die ganze deutsche Nation i» ihrer Trauer für den verstorbenen Kaiser. Der „Standard" glaubt, die Deutschen könnten wohl mit den Beweisen der Huldigung und Theilnahme zufrieden sein, welche die civilisirte Welt ihrem Kaiserhause dargcbracht; Deutschland dürfe am Grabe des Kaiser» Wilhelm nicht stille stehen, sondern müsse, wenn ihm der Frie den beschicken sei, jene wirlhschaftlichc» und sozialen Probleme lösen, welche der neue Kaiser ihm vorgczeichuet habe. Das wird auch schon kommen. Rustlattd. Aus allen russischen Städte», wo lutherische Kirchen sind, laufen Meldungen über am Freilag abgehaltene TrauergotteS- dicnste in Gegenwart der Spitzen der Behörden ein. In Petersburg herrschte den ganzen Tag über eine ernste Stimmung, viele deutsche Firme» halten ihre Geschäftslokale geschlossen. Die Blätter gedenken des tobten Kaisers in den ehrendsten Worten und wünschen dem Kaiser Friedrich Glück für seine Regierung. — Die in der letzten Zeit vielfach ausgelauchten Meldungen über beabsichtigte weitere rus sische Truppenverlegungen erfahren eine Ergänzung durch eine Mit- thcilung der „Pol. Corr." aus Warschau, nach welcher zwei in Dubno nntergcbrachte Jnfantericregimcnter den Auftrag e>halten hätten, in voller Marschbereitschaft weitere Befehle abzuwartcn, und daß man annehme, dieselben seien für die in der Nähe von Brody gelegene Grenzstadt Radziwillow bestimmt. — Die politische Polizei ent wickelt in Südrußland eine lebhafte Thätigkeit. In Odessa ist ihr auch die Aufhebung einer Geheimdruckerei gelungen. — Das mit der Petersburger Regierung in Verbindung stehende Journal „Nord" be spricht die Proklamation uud den Erlaß des Kaisers Friedrich und bemerkt, die Aufrechterhaltung der Ruhe und des Friedens bilde das Programm der auswärtigen Politik Deutschlands; der neue Kaiser hätte sich auf keine bessere Weise die Sympathieen des gesammten Europa sichern können, und seien ihm dieselben in der That auch zu Theil geworden. Bezüglich der bulgarischen Frage sagt der „Nord", es sei sehr möglich, daß die theoretisch entscheidende Phase, in welche diese Frage eingelreicu sei, keine unmiltelbare Lösung herbeisühren werde, da Rußland von vornherein jede Anwendung von Gewalt ausgeschlossen habe. Es wurde eine Schande sein, wenn für ein so geringes Objekt ein Krieg entfesselt werden sollte. Wenn aber auch eine weitere Entwickelung der Frage noch nicht hcrbeigeführt werde, so sei sie doch mindestens in ihren Grundzügen angedeutet. Wenn ferner der von Rußland gethane Schritt nicht sofort zur unmittelbaren Entscheidung geführt habe, so werde er doch zeigen, wohin die Absichten derjenigen zielten, die bestrebt seien, die Frage im Stocken zu erhalten. Orient. In Bulgarien beginnt sich seit der Ungesehlichkeils- erkläruug der Regierung des Fürsten Ferdinand eine stärkere Agitation gegen den Letzteren gellend zu machen, an deren Sitze die orthodoxe Geistlichkeit steht, welche von der Polizei vergebens zu verhaften ver sucht wird, da die Bevölkerung für die Priester Partei nimmt. Die Regierungskreise in Sofia sind sehr lau geworden und des Fürsten Neigung, im Lande zu bleiben, ist lief gesunken. — lieber den neuesten großen Skandal in Sofia berichtet die „Pol. Corr." genauer Fol gendes: Eine höchst peinliche Angelegenheit beschäftigt seit den letzten Tagen alle Kreise. Die Regimenlskasse des ersten Regimentes im Betrage von 40,000—50,000 Franken soll veruntreut sein. Bereits haben die Verhaftungen des Rcchnungsführcrs und des Regiments- jchreibcrs stattgefundcn. Aber auch der Regimcnts-Kvmmandeur, Majvr Bouew, und der Brigadekommandeur, Oberst Popow, sind verdächtigt und haben Hausarrest erhalten. Beide Offiziere gehören zu den besten der bulgarischen Armee und man will es deshalb nicht glauben, daß sie zu gemeinen Vergehen die Hände geboten. Fürst Ferdinand ist tief betroffen, denn er hat in Popow namentlich unbe dingtes Vertrauen gesetzt. Der Oberst ist seines Kommandos entho ben. Ist die Geschichte wahr,, so wäre es allerdings ein sehr schlimmes Zeichen für den Coburger. Vom sächsischen Landtage. Nach achttägiger Pause nahmen am 17. März beide Kammern ihre Sitzungen wieder auf. Die II. Kammer genehmigte zunächst debaltclos die unbedeutende Nachlragsforderung zur Anstellung eines neuen Lehrers der Kunstgeschichte - für das Polytechnikum und die Kunstakademie. Der Gesetzentwurf über die Herabsetzung des Zins fußes bei der Landcskultnrrentcnbank wurde nach den Beschlüssen der I. Kammer einstimmig angenommen. Abg. Uhlemann-Görlitz erstattete dann Bericht über die Etatposition von 30,000 Akk. zur Unterstützung von Schulgemeinden beim Um- und Neubau von Schnlhänsern. Die II. Kammer hatte Erhöhung der Position auf 60,000 M. beschlossen, wähend die I. Kammer bei der ursprüngliche» Einstellung stehen ge blieben war. Diesmal beantragte die Deputation, dem Beschluß der I. Kammer beizutreteu. Einer Anfrage des Abg. v. Polcnz entsprechend, erklärte Kultusminister vr. v. Gerber unter dem Beifall der Kammer, daß die Regierung bei der Ausstellung des nächsten Budgets den An regungen der Kammer bezüglich der gewünschten Erhöhung Folge geben werde. Der Deputations-Antrag wurde zum Beschluß erhoben. Den letzten Bcrathungsgegenstand bildete der Rest der Wege- und den Ort aufzusuchcn, in dem sie mit Golo vor dem Altar ge standen. Aber die Acrmstc hatte ja vergessen, wie er hieß. Als sie sich nun ein Vcrzeichniß sämmtlicher Städte Englands verschaffte, fand sich, daß keiner dieser Namen sie au den erinnerte, welchen sie von Golo gehört, als sie ihn gebeten, den Ort zu nennen, an dem er sie zu seinem Weibe gemacht. Sv hatte er ihr jedenfalls auch nur eine» erdachten Namen genannt. Das schrieb sie ihm auch; aber dieser Brief trug schon den Stempel kommender Geistesverwirrung auf jeder Zeile. Der Graf mußte der Aermsten unerwartet liebevoll und freund lich geantwortet haben, — tausend holde Versprechungen bethörtcn den geschwächten Verstand des unglückseligen Weibes. Sie glaubte auch dem Elenden bedingungslos, als er sie bat, nach Italien zurück zukehren, um sich dort wieder mit ihm zu vereinen. Die Zeilen, ans denen dieses letztere hcrvorging, waren ein voll ständiges Durcheinander. Aber dem Grafen mußten sie Beruhigung gebracht haben, denn er wußte ja nun: die arme Taube hatte er nicht mehr zu fürchten, auch wenn sie von dem Habicht girrte, der sie verrätherisch in die Welt hinaus gelockt. Wer denkt denn daran, den Worten einer Irrsinnigen Werth bcizumcssen? Es war still geworden in dem Gemach. Das letzte Wort von den Lippen des alten Fräuleins verhallte an den hohen, gobelingc- schmückten Wänden. Jetzt warf sie die Briefschaften heftig vor sich nieder und brach in leidenschaftliches Schluchzen aus. Ein seltsamer Anblick für ihre Umgebung! Da aber legte sich Frau Mathildes Arm zärtlich um den Hals der Tieferregten. „Weine» Sie nicht, Theuerste," sagte sie weich und doch auch halb erstickt von Thränen, „weinen Sie nicht! Ihre arme Mutter hat lange ausgerunge» und ausgelitten, und Graf Golo" — sie schauderte fast, als sie seinen Namen nannte, — „wird der Strafe nicht entgangen sein, die jede schlechte That in ihrem Gefolge hat. In Alter und Krankheit mag er wohl qualvoll seiner Jugendsünde gedacht haben und gern bereit gewesen sein, gut zu machen, was er in sträflichem Leichtsinn verbrochen." „Lotte, Lotte!" setzte die Baronin »och inniger hinzu, während ihre beiden Töchter zu den Füßen der Alten kauerten uud schluchzten, „cheure, geliebte Lotte! Etwas haben Sie doch auch gewonnen durch Len heutigen Morgen: Sie wissen nun, daß Sie zu unserer Familie gehören, daß die engsten verwandtschaftlichen Bande uns alle um schließen. Meine Kinder werden glücklich sein, Sie Tante nennen zu dürfen, in Ihnen die Schwester ihres Vaters zu begrüßen. Das sind Sie und bleiben Sie, wenn es Ihnen auch nicht gestattet ist, sich Komtesse von Görgcnstein zu nennen." Die Baronin hielt plötzlich innc, sic wurde kreideweiß. Daun eilte sie an ihren Schreibtisch und entnahm einem Schubfach desselben das alte Gebetbuch der Görgensteins, welches als Erbstück der alten Adclssamilie auch auf sie gekommen war. Mit zitternden Händen öffnete sie die schweren, massiv goldenen Verschlüsse des Buches und blickte angstvoll auf die erste, »nbcdruckte Seite, auf der die Görgen Üeins die wichtigsten Vorkommnisse ihres Lebens verzeichnet hatten. „Wann starb Ihre arme Mutter, Lottchcn?" fragte sie dann, und als das alte Fräulein hastig erwiderte: „Im April anno 1803," da hob ein Athemzng tiefer Erleichterung die Brust der Dame. „Gott sei Dank!" rief sic. „Erst im Mai 1804 vermählte sich mein Schwiegervater mit der Prinzessin Natalie von Wansenstcin. Er ist also wenigstens gestorben, ohne sich des Verbrechens der Bigamie schuldig gemacht zu haben." Fortsetzung folgt. Litterarisches. Soeben empfingen wir die erste Lieferung eines Werkes unter dem Titel: „Kaiser Friedrich III. als Kronprinz" von Ur. H. Wiermann (Leipzig, Renger'schc Buchhandlung, 8 Lieferungen z» je 40 Pf ), welches wohl zu Icincm geeigneteren Zeitpunkte erscheine» kennte als dem jetzige». — Die unbegrenzte Theilnahme, welche dem edlen Fürsten, dem jetzigen Kaiser, während seines schweren Leidens aus allen Thcilcn der Erde cnigcgcngebracht wird, rechtfertigt das Unternehmen, das an so vielen große» und erhabenen Zügen reiche Leben dieses leutseligen Fürste», des Siegers in vielen Schlachten, in Wort und Bild anschaulich und volksthümlich zu zeichnen. I» klarer Schilderung, geistig lebendiger Darstellung, letztere durch passende Bilder ge hoben, begleiten wir a» der Hand dieses Buches das durch die edelsten Fürsten,ngcnden reich gezierte Leben von der Wiege bis zum Kaiserthron, von dem innigsten Herzenswünsche durchdrungen: Gott erhalte uns den thcurcn Fürsten! — Als weitere Empfehlung können wir noch hinzusüge», daß jede Lieferung, 32 Seiten stark, Vollbilder und zahlreiche Textillustraüonen enthält. Die Anschaffung können wir nur empfehlen. Im Berlage von Adolph Wolf in Dresden ist soeben eine Brochüre: „Kaiser Wilhelm und seine letzten Tage" von Max Dittrich er schienen. Der Verfasser hat es verstanden, i» volksthümlicher, leichivcrstäudlicher Weise mancherlei E-eignisse aus dem buntbewcgien Leben des hochseligcn Mo narchen in dieser Gedenkschrift zu schildern, die bei dem ungemein billigen Preise von 10 Pfg. sicherlich die weiteste Verbreitung finden wird. Wir können das zeitgemäß« Heftchen Jedermann auf dar Wärmste empfehlenl Brückenbau-Bittschriften. Von denselben blieb das Gesuch um Her stellung einer Verbindungsstraße zwischen Vorder- und Hinter-Neu- dörsel auf sich beruhen. Dasselbe Schicksal traf die Petition um Er mäßigung der Pachtgelder für das Uferland zwischen den Stciubrüchen bei Postelwitz und der Elbe. Dagegen wurde die Petition um Her stellung einer Straße am rechte» Elbufer zwischen Schandau und Landesgrenze der Regierung zur Kenntnißnahme überwiesen. Die Petition um Herstellung einer Brücke über die Mulde bei Postelwitz wurde gleichfalls zur Kenntnißnahme übergeben, desgleichen die auf Correctur der alten Meißen-Dresdner Straße am linken Elbufer ge richteten Petitionen. Die I. Kammer hielt zwei Sitzungen ab. In der Vormittag 10 Uhr beginnenden Sitzung ließ die Kammer die Petition des Stadtraths zu Waldheim um Erlaß der Adjacenzbeiträge zu den Herstellungskosten der dortigen Güterbahnhofstraße auf sich beruhen. Eine längere Debatte entspann sich über die Petition des Domherrn vr. Friedcrici in Leipzig, eine erfolglose Einkommensteuer-ReclamationS- sache betreffend. Die, Deputation beantragte, die Petition auf sich beruhen zu lassen. Berichterstatter von Schoenberg tadelt hierbei die Unklarheit des Einkommensteuergesetzes, wird jedoch von Präsident von Zehmcn bedeutet, daß eine derartige Kritik nicht zur Sache ge- höre. Prof. vr. Blomcyer sprach sich in, Sinne dcS Petenten aus, stimmte jedoch aus practischen Gründen dem Dep.-Antrage zu, da sonst Hunderte von Rcclamationcn an die Kammer kommen würden. Kammerherr von der Planitz ergriff gleichfalls die Partei des Petenten, beantragte aber Uebergabe der Petition zur Erwägung, ein Antrag, der vom Finanzminister von Könneritz und Bürgermeister Beutler bekämpft wurde. Letzterer erachtet es für bedenklich, wenn die Kammer auf die Prüfung einzelner Steuerreclamationen eingehen wolle. Wenn ihr auch formell das Recht dazu zustehe, so warne er doch, von demselben Gebrauch zu machen. Der Dep.-Anlrag wurde schießlich gegen 10 Stimmen zum Beschluß erhoben. Geh. Rath Herbig cefe- rirte hieraus über das Decret betreffs der Rechte der Landes- Jrrenanstalten an dem Nachlaß der darin Verstorbenen. Nach einigen erläuternden Bemerkungen des Secr. Grafen von Könneritz und des Geh. Rath Jäppelt gab die Kammer allenthalben ihre Zustimmung zum Erlaß der beabsichtigten Verordnung. Debattelos gelangte schließlich der Gesetzentwurf über die Ausbringung der Kosten bei Grundstückszusammenlcgungen zur Annahme. — Abends 6 Uhr fand eine zweite Sitzung statt. In derselben nahm die Kammer die Wahl dreier Mitglieder des Staatsgerichtshofes und zweier Stellvertreter vor. Zu Mitgliedern wurden gewählt die Rechtsanwälte Justizrähe Oehme-Leipzig, vr. Stein I. und Ör. Strödel-Dresden, zu Stell vertretern Senatspräsident Nosky und Rechtsanwalt von Schütz- Dresden. Im weitern Verlauf der Sitzung stimmte die Kammer allenthalben den Deputations-Anträgen bezüglich der 61 Eisenbahn- Petitionen zu. Sächsisches. — Dresden, 19. März. Bei seiner Anwesenheit in Berlin hat König Albert der dortigen Commandantur 200 M. überwiesen zur Vertheilung an die Mannschaften, welche vor dem König Ehren postendienst verrichteten. — Der Wien-Tricster Courirzug, welcher in der Nacht zum 17. März den Erzherzog Otto und dessen Gemahlin Frau Erzherzogin Maria Josepha (Tochter des Prinzen Georg von Sachsen) nebst Söhnchen nach Abbazig bringen sollte, entgleiste in der Nähe der Station Bruck dadurch, daß ein Felsblock zwischen die Räder der Lokomotive fiel. Es ward jedoch außer dem Post-Assisten ten, welcher leicht verletzt wurde, Niemand beschädigt. Die erzherzog liche Familie setzte ihre Reise nach Wiederflottmachung des ZugeS fort. — In Pieschen bei Dresden wurden dieser Tage beim Ab brnch eines Hintergebäudes in der Schulstraße drei Thonkrüge ge funden, in denen sich gegen 600 alte Silbermünzen befanden. Es sind Münzen aus der Zeit von 1785 bis 1815; darunter befinden sich ca 200 alte Silber-Sechser. — Leipzig, 18. März. Im Laufe des gestrigen Abends wurden in hiesiger Stadt nicht weniger als 26 Personen, durchgehends Gcwerbsgehilfcn, bei heimlicher Verbreitung socialisti scher Flugblätter, enthaltend eine Verherrlichung des Pariser Aufstan des und der Einsetzung der Commune zum Jahrestag, polizeilich ab gefaßt und vorläufig auf dem Naschmarkt in Haft genommen Es gelang dabei, einige Tausend Exemplare in Beschlag zu nehmen. — H.ule beging Jungfrau Rosine Winter, aus Eilcnburg gebürtig, ihr üOjähriges Dienstjubiläum bei der Familie Schmidt hier, Besitzerin der Barfuß-Mühlc. — Der Chef der Firma Georg Thorch in Falkenstcin, Herr G- Thörey-Leipzig, hat am Bcgräbnißtage deS Kaisers Wilhelm seinem Geschüstspersonal die Summe von 3000 M. überwiesen, die jährlich an gleichem Tage unter der Bezeichnung „Kaiscr-Wilhclm- Stistung" dem Prämicnkvnto gutgeschriebcn werden soll. — Wie man aus Zeithain berichtet, ist den Mannschaften des in den dortige» Schießplatz-Baracken untergcbrachten Infanterie- Regiments Nr. 104 aus Chemnitz jeder Verkehr mit den anliegenden Ortschaften streng untersagt, um den Typhus, welcher auch schon in den Baracken seinen Einzug gehalten hat, nicht in die anliegenden Ortschaften zu verpflanze». — Die Fcucrlöschspritze der Soldatenkuaben-Erziehungsanstalt zu Struppen hat sich einen Preis erworben. Sie war am 16. v. M. am raschesten bei dem Brande in Naundorf und griff am energischsten ei». Die Spritze erhielt 20 M. —W. Hainichen, 17. März. Gestern früh beim Morgen grauen wurde der Kunst- und Handelsgärtner G. T. Zessell auS Ottendorf b. Hainichen am Ottcndvrfer Berg im Straßengraben todt aufgcsunden. Derselbe ist Tags zuvor in Hainichen auf Arbeit ge wesen, nach Feierabend in zwei Restaurationen eingckchrt, hat ein wenig gegessen und nur einige Schnäpschen getrunken. Er klagte aber dabei über seine Beine, selbige wollten ihn nicht mehr trage». >/,11 Uhr Abends ist er im letzten Restaurant eingckchrt, hat aber nichts genossen und nur ein wenig ausgeruht. 30—40 Schritte weiter stürzte er todt nieder. — Vom Pfarrer zu Böhlen bei Rötha wurde bekanntlich durch die „Röth. Nachr." mitgelheilt, daß derselbe weder das Trauer- läuteu bei Kaiser Wilhelms Tod angeordnet, noch dies Ereigniß am Sonntage Lütare von der Kanzel herab verkündet habe. Ein Extra blatt der „Zwrubruec Zeitung" bringt nun „gegenüber diesen boshaf ten Verläumdungen" folgende amtliche Erklärung: „Unmittelbar nach dem das evang.-lnther. Pfarramt zu Böhlen von der in der „Leipz. Ztg." enthaltenen Bekanntmachung des kgl. sächs. Herrn StaatsministcrS Kenntniß empfangen hat, ist von demselben an de» Küster der Befehl ergangen, das vvrgcschricbene Trauerläuten vornehmen zu lassen, auch ist das Ableben Sr. Majestät des deutschen Kaisers in dem darauf folgenden Gottesdienst in der von dem hohen Landes Cvusistorium vorgeschricbcncn Form durch den Pfarrer von Böhlen von der Kanzel herab verkündigt worden. Evang.-luther. Pfarramt zu Böhlen, 16. März 1888. Paul Heinrich Eduard Lcnck, Pfarrer." — Auerbach, 16. März. Zur Begründung des gestern ge meldeten Selbstmordes einer Confirmandin Namens Junghähnel kann man Folgendes mittheilen. Das Mädchen war Waise, hatte Vater und Mutter verloren. (Der Vater war Briefträger ) Mitleidige, kinderlose Leute haben das Kind angenommen und gehalten wie ein eigenes. In dem Mädchen stak jedoch ein anspruchsvolles Wesen, eine grenzenlose Eitelkeit. So kam es, daß ihr das schwarze Abend mahlskleid, welches mit einem bunten gleichzeitig von der Schneiderin kam, nicht zusagte, weil e» statt AtlaSbesatz Perlbesatz zeigte. Da»