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SS4 Preußen. Der König Hal in einem besonderen Erlasse seinen und seiner Gemahlin tiefgefühlten Dank für die warme und hingebende Gesinnung ausgesprochen, welche sich bei der Feier deS Krönung-festes in allen Lheilen de- Lande- kund gegeben hat. — Nachträglich wird bekannt, daß der König bei dem lururiüsen Ballfeste de- Herzog- von Magenta eine telegraphische Depesche an den Kaiser der Franzosen abgesandt hat, worin diesem der Dank für jene- Fest ausgesprochen wird. Der Pariser Moniteur beeilt sich denn auch, das Vergnügen, womit der König dem Gesandtschaft-feste beigewohnt, al- ein neue- Unterpfand der guten Beziehungen, welche zwischen Frankreich und Preußen bestehen, zu bezeichnen. — Die Kosten der Krönung sollen, um eine nachträgliche Bewilligung deS Landtags zu vermeiden, aus der königl. Privatschatulle gedeckt wrrden. — Infolge eine- leichten Unwohlseins des Königs ist die Reise de- KönigSpaareS nach Bre-lau auf den 11. November verschoben worden. Die Breslauer Zeitung bringt jetzt auch die Nachricht, daß der Kaiser von Oesterreich während der Anwesenheit deS König- nach Breslau kommen werde; die amtliche Wiener Zeitnng erklärt die- jedoch für unbegründet. Bor einiger Zeit hieß eS, daß eine Umgestaltung deS Herrenhauses im liberalen Sinne erfolgen werde; da- Mini sterium soll auch wirklich eine solche Reform befürwortet, an höchster Stelle aber die Genehmigung bierzu nicht erhalten haben. Auch versichert man, daß e- dem Ministerium nur mit Mühe gelungen sei, den Erlaß einer königlichen KabinetSordre, in welcher conservative Wahlen für den bevorstehenden Land tag verlangt werden, rückgängig zu machen. Ueberhaupt wird darüber geklagt, daß die Kreuzzeitungs-Partei am Hofe noch viele einflußreiche Freunde besitzt, die den Ministern da- Leben sauer machen. Die Wahlbewegung ist im vollen Gange und die ver schiedenen Parteien entwickeln eine außerordentliche Lhätigkeit, um die Wahl ihrer Candidaten zu sichern. Die offizielle Allg. Pr. Zeitung sieht sich bereit- zu der Warnung veranlaßt, daß der Sieg der demokratischen Partei bei den Wahlen einen Rückschlag zur Folge haben werde. Der König soll sich beim Empfange der Potsdamer Stadtverordneten darüber ausge sprochen haben, daß die beim letzten Landtage vollzogenen (li beralen) Nachwahlen nicht nach seinem Sinne gewesen find. Ueber die Gewährung eine- Vorschusses von 1b Mill. Fr. von Seiten der preußischen Bank an die Bank von Frank reich ist zwar unterhandelt worden, doch ist das Geschäft nicht zu Stande gekommen. — In der Stadt Posen, wo am 27. Oct. trotz des polizeilichen Verbot- unter dem Vorwande einer religiösen Fier eine national-polnische Demonstration versucht wurde, ist e- zu Erceffen gekommen. Die Beamten, welche da- AuSeinandergehen der angesammelten Volksmenge forderten, wurden mft Steinen geworfen und die Polizei mußte von der blanken Waffe Gebrauch machen, um die erhitzte Menge zu zerstreuen. Auch in der Provinz Posen mehrt sich die nationale Agitation und man wirft besonder- der katho lischen Geistlichkeit vor, daß sie diese Bestrebungen wecke und unterstütze. Oesterreich. Der Prima- von Ungarn, Cardinal Sci- tow-ky, welcher in seiner Eigenschaft als Obergespan in einem Schreiben an die Statthalterei jede Mitwirkung bei der Re- crutirung und Steuereintreibung entschieden ablehnte, wurde am 31. October vom Kaiser empfangen und ihm über den Inhalt und die Veröffentlichung jene- Schreibens das aller höchste Mißfallen zu erkennen gegeben. Der Primas ist durch den jetzt regierenden Kaiser zum Range eine- der ersten Wür denträger der katholischen Kirche erhoben worden. ES ist der selbe Prälat, welcher seiner Zeit die Berufung der Jesuiten bei dem Kaiser eifrig befürwortete und die Einführung diese- Ordens als den besten Damm gegen die Revolution bezeichnete. DaS Abgeordnetenhaus deS ReichSrathS hat am 4. Nov. seine Berathungen wieder begonnen; doch fehlten noch viele Mitglieder. In Betreff Ungarns find Moden letzten Lagen ent scheidende Entschließungen gefaßt, worden, deren alsbaldige Veröffentlichung bevorsteht. Wie eS heißt, sollen zur Her stellung der Ruhe und Ordnung in jenem Lande außergewöhn liche Maßregeln ergriffen und die Verwaltung provisorisch auf neuen Grundlagen geregelt werden, bi- eine Wiederberufung des Landtag- möglich wird. ES steht hiernach eine momentane Beseitigung der den Magyaren in Betreff ihrer inneren Lan- deSangelegenheiten durch das October-Diplom, gemachten Zu- gestäudniffe zu erwarten; doch sollen diese Concessionen un verkürzt wieder in das Leben treten, sobald die öffentlichen Zustände Ungarns dies gestatten. Ein Statthalter, für welchen Posten Graf Palffy genannt wird, soll an die Stelle der suöpendirten Statthalterei treten, die Obergespane durch Ad ministratoren oder Commiffare ersetzt werden. Die Versamm lungen der Comitate und Municipalbehörden treten vorläufig außer Wirksamkeit und über gewisse Vergehen, welche den Bestand der öffentlichen Ordnung gefährden, werden Militär gerichte aburtheilen. Hiernach steht ein Ausnahmezustand be vor, welcher weit schlimmer ist, als die öffentlichen Zustände vor der Reconstituirung der Verfassung waren. Ob dieser Weg der Strenge zum Guten führen wird, steht dahin; aber gewiß ist, daß die Magyaren daS Ihrige dazu beigetragen haben, ihn herbeizuführen. So sehr ihnen die Erfüllung gerechter Wünsche gegönnt werden muß, so wenig läßt sich da- Ge bühren rechtfertigen, durch welches die Parteiführer denselben Geltung zu verschaffen bemüht find. Etwas muß geschehen, wenn daS Land nicht der vollen Anarchie verfallen soll; bei der gegenwärtigen Lage steht aber leider zu fürchten, daß der al- vorübergehend bezeichnete Ausnahmezustand leicht längere Zeit währen wird. In Tirol dauert die Agitation der Geistlichkeit gegen daS Protestantengesetz fort und man sucht namentlich den Land leuten den Glauben beizubringen, als sei durch die Zulassung Evangelischer nicht allein die katholische Kirche, sondern das Wohl des ganzen Tirolervolks aus-Schwerste gefährdet. In Bozen fand zu diesem Zweck am 29. October eine große Glaubensprocession statt, an welcher sich 178 Geistliche und 7556 Laien, meistens Landleute, betheiligten; doch fehlte eS auch nicht an kaiserlichen Beamten, welche sich dieser offenen Auflehnung gegen ein kaiserliche- Gesetz anschlossen. In Meran fand am 28. October eine ähnliche Procesfion statt, wobei der Capuziner, welcher die Festpredigt hielt, unter Anderem sagte: Man habe um die Erhaltung der Glaubenseinheit nicht feige zu bitten, man habe das Recht, sie zu fordern; man müsse für sie streiten, und reichten die Waffen des Geistes nicht mehr au-, so möge man einen anderen Waffentanz führen. Das heißt deutlich geWlg gesprochen. — Ein anderer Tiroler Geist licher hat jüngst öffentlich den Reichsrath als „Reichsunrath" bezeichnet und der ultramontane Oberstaatsanwalt Haßwanter in Innsbruck lehnte es ab, deshalb Anklage zu erheben. Schweiz. ES gewinnt immer mehr den Anschein, als habe eS Frankreich darauf angelegt, mit der Eidgenossenschaft Händel anzufangen. In Genf dauern die Conflicte zwischen Schweizern und Franzosen fort und man wirft den Letzteren vor, daß sie die Gelegenheit hierzu vom Zaune brechen. Zu all' diesen Differenzen ist aber neuerdings eine noch ernstere Angelegenheit, eine französischerseitS absichtlich herbeigeführte Gebiet-Verletzung, gekommen. Im Canton Waadt, vor der südwestlichen Abdachung deS Jura, liegt nämlich das Stunde lange und 1 Stunde breite Dappenthal, durch welches die Straße von Ger und RouffeS nach Genf und.dem Genfersee führt. Dieses Thal hat wegen seiner strategischen Bedeutung seit 50 Jahren schon öfters den Zankapfel zwischen der Schweiz und Frankreich abgegeben. Bis 1803 gehörte eS zu Waadt, dann wurde eS an Frankreich abgetreten, welche- daselbst sofort eine Militärstraße anlegte z 1814 gelangte da- Dappenthal, ebenso wie Genf, wieder an die Eidgenossenschaft zurück. Alle- dieS ist im Parrser Frieden vertragsmäßig festgestellt; die Ver bündeten zeigten sich indessen später nicht abgeneigt, den Franzosen da- Dappenthal wieder zuzusprech« und hiermit wurde der Grund zu den erwähnten Streitigkeiten gelegt, da die Schweizer natürlich auf die Wünsche der Großmächti nicht eingingen, sondern sich auf den klaren Wortlaut deS Bertrag- benefen. Endlich erkannte auch Frankreich 1830 da- gut