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W U Feierabend —^ G N Unterhaltungs-Beilage der Sächsischen Volkszeitung Nr. 3< ) Sonntag den 27. Juli >9>3 Die Aehre ine Aehre, goldgereist, Hab' ich beute abgestreift, Als ich durch die Felder ging, wie gering Schien mir da der Körner wert, Die die Aebre mir beschert, Zieht das Feld man in vergleich, Vas an hundert Tagwerk faßt. Doch wie reich war beglückt der Erdengast, Daß du, Erde, Aehren hast, Daß du goldne Körner trägst Und den Samen ewig hegst. Streu' ich eins nur in den wind von den Körnlein, die ich find', Gehen mir nach Jahreslauf Dreißigfache Früchte auf. Und im übernächsten Jahr Sind es tausend Körner gar. Und im dritten Jahre schon Zähl' ich eine Million, wirst du noch einmal bestellt, Nährst du, Körnlein, eine Welt. F. Schrönghamer-Heimdal. 11. Sonntag nach Pfingsten Evangelium: Heilung des Taubstummen. Markus 7, 3i—37. Unser Evangelium beginnt mit den Worten: Und er ging wieder weg von den Grenzen von Tyrus und kani durch Sidon an das galiläische Meer mitten in das Gebiet der zehn Städte. Da brachten sie einen Taubstummen zn ihm und baten ihn, daß er ihm die Hand auflegen möchte. Jesus begab sich nur selten über die Grenzen des jüdi schen Landes hinaus, und wenn es geschah, war er in der Regel dazu genötigt worden. Auch diesmal verhielt es sich so. Der Gottmensch hatte die Pharisäer einige Male nach drücklich ihrer Jrrtümer überwiesen, daß sie es lange Zeit nicht gewagt, ihn von neuem anzugreifen. Nun aber hatte nicht nur das Aehrenlesen der Jünger an einem Sabbat großen Anstoß erregt, die Abgesandten der Pharisäer hatten den Heiland auch über die Unterlassung der gebräuchlichen Waschungen vor und nach der Mahlzeit zur Rede gestellt und ihn dadurch Veranlassung gegeben, sie ebenso ernst als kräftig ans ihr geistloses Wesen und auf ihre ängstliche Be obachtung eitler Menschensatzungen hinzuweisen, über denen sie die ersten und wichtigsten Gebote Gottes außer acht ließen daß sie beschämt und aufgebracht zugleich darauf san nen, ihn aus dem Wege zn räumen, so daß selbst einige von den Juden Jesum darauf aufmerksam machten, indem sie sagten: Weißt du auch, daß die Pharisäer aufgebracht waren, da sie dies Wort, deine tadelnde Rede hörten? Jesu Stunde war noch nicht gekommen: um daher den Nachstellungen sei ner Gegner zu entgehen, entfernte er sich für emige Zeit aus ihrem Lands und dazu war ihm der Bezirk von Tyrus und Sidon um so gelegener, weil das angrenzende Galiäa ihn leicht wieder zurückkehren ließ zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel, zu denen er gesandt war, da es seinen Jüngern Vorbehalten blieb, erst später die Lehre des Kreuzes in die heidnische Welt hinauszutragen. Auch diesmal kehrie der Erlöser so frühe zurück, als er erwarten konnte, daß die ' Verfolgungssucht seiner Widersacher sich einigermaßen bc- stinftigt haben konnte und er hatte nicht sobald das Gebiet der zehn Städte betreten, die den galiläischcn See umkränz ten, als man ihm jenen Unglücklichen entgegenführtc, der taub und stumm zugleich, seine höhere Kraft um Hilfe anflehte. Verdient nun Wohl ein Lano, das also gegen den Gott menschen sich erwiesen, seine Teilnahme? Haben die un dankbaren Bewohner dieses Landes ein Recht, von dem Hilfe und Beistand zu erwarten, den sie noch eben aus ihren Grenzen vertrieben hatten? Mnß Jesus nicht fürcknen, die wunderbare Heilung, dis er hier üben soll, abermals ver kannt zu sehen? Setzt er sich nicht der Gefahr aus, durch Aufsehen, das diese Tat seiner übernatürlichen göttlichen Macht erregen kann, abermalige Nachstellungen über sich bereinzurufen? Weiß er nicht, daß er sich eine Anerkennung und richtige Würdigung bei diesem Volke doch nicht verschaf fen wird? Weiß er nicht, daß die Glieder dieses Volkes ihn angreifen, den Heiden überliefern, verurteilen und verspot ten und am Ende gar anS Kreuz bringen werden? Wohl weiß er es, aber sein Herz fragt nickst nach den eben ange führten Einwürfen oder Besorgnissen. Die Liebe, die ihn beseelt, will nicht nur da sich tätig erweisen, wo sie gekannt, geehrt und vergolten wird, sie lehrt ihn segnen, die ihn fluchen, wohltun denen, die ihn verfolgen, beten für die, welche ihn hassen. Sehet, der am Kreuze seiner Liebe schön stes und erhabenstes Denkmal sich gesetzt, der noch sterbend für die zu Gott emporflehte, die mit den furchtbarsten Qua len sein Leben zermarterten, der noch im Tode für seine Feinde betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nickst, was sie tun; siehe ihn, wie sein Tod, so sein Leben, so sein Wort, seine Tat! Vor diesem Bilde der großmütigsten Liebe wollen wir verweilen und unsere Blicke daran weiden. Wahrlich, lieben, wo wir mit aller Fülle eines warmen, tiefen, innigen Her zens uns wieder geliebt sehen; beisteheu und helfen, wo für jede Handreichung ein Blick der seelenvollsten Dankbarkeit uns lohnt und jeden Dienst, den wir leisten, uns zur Freude macht; Opfer bringen, wo man der Opfer für uns vielleicht schon viele gebracht hat und, Härte die Gelegenheit dafür sich bis jetzt nicht geboten, wo wir des teuersten, hingebenstcn Opfcrsinnes vollauf sicher sind, das ist fürwahr noch keine Christenliebe, wir müßten aufhören. Menschen zu sein und ein menschliches Gefühl in unserer Brust zu tragen, wenn wir in solchen Fällen gleichgültig und teilnahmslos uns hinwegwenden könnten. Die Liebe, in der uns Christus vorangewandelt, fordert mehr. Sie trägt alles, sie hofft alles, sie duldet alles, wie der Apostel sagt. Sie gleicht, wie der heilige Gregor schreibt, einem gottgeweihten Altar, auf dem ein beständiges Feuer brennt, denn aus demselben steigt die Flamme der wahren Gottcsliebe unaufhörlich nach oben und erleuchtet und erwärmt alles, was sich ihr nabt. Si« flieht nicht, wenn sie dienen soll, sie wird im Dienen eben am glücklichsten. Sie ermüdet nicht, wenn sie lang und viel und hart in Anspruch genommen wird, offenbart sich eben da in ihrer Kraft. Sie wird nicht entmutigt, wenn sie ver- , kannt, gedrückt, gemißhandelt sich sieht, sie wirkt und leuchtet ' eben dann in ihrer himmlischen Reinheit. Man kann sie