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Großenhainer Anterhaltungs - mw An^cigeblatt. M 54. Mit Hobcr Concession gedruckt, verlegt und redi'girt von Herr mann Starke. Mittwoch, den 7. Juli 1847. Unstern. (Fortsetzung.) Nicht lange war Julius an dem kieselbestreutcn Stromufcr auf und ab gegangen, als er plötzlich zwei Damen gewahrte, welche ihre Schritte gegen den Fluß lenkten. Ein zweiter Blick belehrte ihn sogleich, es sei Marie mit ihrer Mutter. Erröthend, bebend, barg er sich schnell hinter dem Stamm einer hohen Pappel. Die Damen gingen nach dem Gestade, traten an einen Nachen, ein Schiffer half ihnen darein- stcigen, sprang nach und stieß vom Ufer ab. Sehnsüchtig schaute Julius aus seinem Versteck der Geliebten nach, jeder Ruderschlag, welcher sie von ihm entfernte, schien ihm eine Melle zwischen sie und sich zu legen, und er konnte nicht anders, er breitete die Arme aus und rief: «Leb'wohl, Marie!» Aber niemand hörte Viesen Schrei eines gebrochenen Herzens; denen im Kahn ward er verschlungen vom Rauschen eines mächtigen Dampsbootes, welches gerade stromabwärts brausend, nicht weit an ihnen vorübcrfuhr. Anfangs glaubte Julius, die Da men hätten im Sinn, den Dampfer zu bestei gen, aber dieser flog unaufhaltsam dahin, tiefe Furchen in dem Wasser pflügend. Der Kahn, noch nicht weit vom Lande entfernt, fühlte plötzlich die Wirkung der von dem Koloß erreg ten Wellen. Diese thürmten sich schäumend, wogten auf und nieder, furchtbar schaukelte der kleine Nachen, die Damen hielten sich an dem Rande, — jetzt schien das gebrechliche Fahrzeug von den Fluthen verschlungen. Mit steigender, namenloser Angst hatte Julius hingeblickt, es hielt ihn nicht länger, rasch warf er den Rock ab und sprang in den Fluß; ein guter Schwim mer, zertheiltc er mit kräftiger Hand die Wel len und steuerte dem Orte zu, wo er den Kahn umschlagen gesehen zu haben glaubte. Die Strecke war ziemlich groß, die Wogen spülten ihm oft über den Kopf, daß er fast nichts sehen konnte. Plötzlich vernahm er einen Schrei; er klang ihm wie ein Hülseruf. «Muth, Muth!» rief er laut, «ich komme zur Rettung!» «Hülfe, Hülfe!» tönte es wieder aus Frauen mund ganz nahe neben ihm, er richtete sich mit Anstrengung empor, da kam der Kahn wohlbe halten auf ibn zu gefnhr-n, und ängstlich starr ten die Damen nach dem, wie sie glaubten, ^JuUus^schwanden die Sinne; er wäre in der Thal gesunken, wenn des Schiffers kräftige Faust ihn nicht gepackt, und mit Hülfe der Frauen in den Nachen gezogen hatte. Es dauerte eine Weile, bis der kühne Schwim mer aus seiner Ohnmacht erwachte. Er schlug die Augen auf und blickte in Manen's Augen, welche tbränend über ihn gebeugt, ihn alles erlittene Ungemach vergessen ließen. Das süße Mädchen hielt ihm ein Flacon vor, während ihre Mutter ihm mit dem Tuche Stirn und Haare trocknete. Julius richtete sich empor, er sammelte sich, er fühlte, daß jetzt erst der Augenblick gekommen sei, der die Entscheidung theilweise in seine Hand lege. Er begann sich zu entschuldigen; Frau Heitmann aber gestattete ihm nicht zu reden. Eben stieß der Kahn an das Land. «Hier sind wir an der Aue», sagte Frau Heitmann, «welche wir heute besuchen wollten. Kommen Sie mit uns in das Landhaus, wel ches dort zwischen den Bäumen hervorschimmert; der Besitzer wird sich ein Vergnügen daraus machen, Sic mit trockenen Kleidern zu versehen. Dann erzählen Sie uns beim Thee, wie cs zugegangen ist, daß wir Sie wie einen Fisch aus dem Wasser gezogen haben.» Julius stammelte mehrmals Danksagungen; das Landhaus ward erreicht, der Eigenthümer, ein wohlhabender Pachter, führte den Verun glückten in ein Zimmer, gab ihm reine Wäsche und gute, obgleich ländliche Kleider, und bald trat Julius, in einen respektablen Landwirth von anscheinendem Embonpoint verwandelt, zu den Damen in das untere Gemach. Diese nöthigten ihm zuerst einige Taffen heißen Thees auf und dann ließen sie sich die Geschichte des Abenteurers erzählen. Julins hatte während des Umkleidens beschlos sen , die Wahrheit einzugestehen, nur die Wahr heit konnte seine Fehler und begangenen Thor- helten sühnen. Mit möglichster Schonung und Aelicatesse begann er daher Alles, von dem Theaterabend in der Residenz an bis zu dem gegenwärtigen Augenblick vorzutragen; so sehr