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1. Beilage zu Nr. 293 des „Amts- und Anzeigeblattes Eibenstock, den 18. Dezember 1910. Der Herr ist nahe (Phil. 4, 5). Zum 4. Advent. „Siehe, dein König kommt zu dir" — damit beginnt die Adventszeit in ihrem ersten Evangelium. „Der Herr ist nahe" — damit schließt sie in ihrer letzten Epistel. Das ist der große Inhalt der Adventszeit: der König Jesus Christus kommt jetzt auch aufs neue zu uns mit seinem Wort und seiner Gnade. Er ist nahe Aber damit ists noch nicht Advent in unsern Herzen. Wie kommt der Herr Jesus mir nahe? Wann zieht er mit seiner Gnade bei mir ein? Das sind die Fra gen, die sich in uns erheben und auf die wir für uns eine Antwort suchen müssen. Schon von jedem höhern irdischen Gut wissen wir: es fällt keinem in den Schoß, ohne daß er sich ernst lich darum müht. Auch das höchste Gut wird nur denen zusallen, die es von Herzen suchen. Jesus kommt nur zu denen, die ihm den Weg bereiten und dazu ist die Adventszeit in besonderem Sinne da. Auch in ihr gilt es: Suchet, so werdet ihr finden. Zu solchem Suchen aber gehört zunächst Freude am Herrn und im Herrn. Wir dürfen auf keinen Fall über das Irdische die himmlische Gnade, über dem Zeitlichen das Ewige vergessen. Der Grund unserer Freude muß sein, daß Gott die Welt also geliebet hat, daß er seinen eingeborenen Sohn gab (Joh. 3, 16), daß wir einen Heiland haben, der unser ewiges Heil be sorgt. — Gott aber schenkt uns seinen Sohn und macht uns reich, überreich in ihm; sollen wir nicht auch die Brüder lieben? Und müssen wir nicht dem Gott, der solche Liebe uns erzeiget hat, vertrauen, so daß wir nichts mehr sorgen? Zuletzt aber müssen wir selig sein in jenem Frieden, den Gott uns schenkt in Jesu Christo, um dadurch unseres Gottes Gnade zu preisen. Nur so zeigen wir eine Adventsstimmung, wie sie die Sonntagsepistel fordert (Phil. 4, 4- 7). Zu ihr aber kommen wir, wenn in uns die Ge wißheit lebt, daß Jesus der Messias, der Heiland ist. In ihr soll uns befestigen das Zeugnis, welches Jo hannes der Täufer von Christo ablegt und die Ge sinnung, welche wir von ihm lernen können und ler nen sollen. Darüber spricht unser Sonntagsevangelium (Joh. 1, 19-27). Auch unser Sonntagstext spricht zu uns durch das letzte Zeugnis des Täufers in demselben Sinne. Nicht etwa ihn, den Freund des Bräutigams, nein, den See- xnbräutigam selbst, Jesum den Heiland muß die Seele inden, wenn sie zur rechten Weihnachtsfreude kommen oll (Joh. 3, 27-30). O möchten auch wir den Heiland selbst finden und dann Weihnacht feiern, indem wir sprechen: Sohn des Höchsten, sei gepriesen! Fricdcnskönig, komm he^u! Laß mein Herz in dir genießen Friede, Freude, Trost und Ruh. Friede, der da ewig ivahrct, Ruhe, die kein Feind mehr störet: Laß mein Herze sanft und rein, niedrig und erbarmend sein. Amen. -s. Geiz und Liebe. Kriminalroman von W. Spangenberg. (2n. Fortsetzung > Amalie hatte sich zwar mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß sie in Rücksicht auf ihre durch die man nigfachen schweren Prüfungen wesentlich geschwächten Körperkräfte ein hohes Alter nicht erreichen werde, al lein acht Jahre waren doch eine verhältnismäßig kurze Spanne Zeit, und wenn sie verflossen, Bertram, dessen Namen sie trug, wieder frei war! Sie schauderte bei diesen Erwägungen. Wendlin, mit dem sie über diese Angelegenheit sprach, wußte Rat; er machte ihr den Vorschlag, sie möge sich scheiden lassen und bei der Be hörde darum nachsuchen, ihren Namen ändern zu dür fen, man werde dadurch allen Unannehmlichkeiten vor beugen. Diesem Gesuch wurde stattgcgeben, Amalie führte fortan wieder ihren Vaternamen. Dieser Namenswechsel sollte aber Folgen von weit tragender Bedeutung haben. In einem Restaurant sa ßen jene beiden Freunde, welche am Tage der Gerichts verhandlung gegen Bertram die letzten im Zuhörerraum gewesen. Keiner von ihnen dachte wohl mehr an den verurteilten Giftmischer, denn sie waren, lustig und guter Dinge und scherztewin unschuldiger. Weise mit der sie be dienenden Kellnerin, als eine Frau die neuesten Zeitun gen brachte und auf den Tisch legte. Gustav Abel, der Zeitungsmensch, griff hastig danach und verglich die Lokalnachrichten mit denen, die er heute seinem Chefre dakteur zugetragen. Die Neuigkeiten in dem Blatte, das er in der Hand hielt, mochten wohl sehr spärlich sein, denn er rümpfte beim Durchlesen derselben verächtlich die Nase und wollte es eben beiseite, legen, als sein Blick am Schlüsse auf eine kurze Notiz fiel. Sie lautete: „Wie wir hören, hat die Frau des wegen Gift mordversuchs zu achtjähriger Zuchthausstrafe verurteil ten H. von Bertram, nachdem sie von ihm geschieden, den Geschlechtsnamen Hartwig angenommen." „Hartwig, Hartwig? Wo habe ich doch diesen Namen schon gehört?" murmelte Abel nachdenkend. „Laß Hartwig Hartwig sein, Prosit!" rief der an dere. „Halt, Hurra! Ich hab's!" jubelte Abel. „Hart wig nannte sich ja der Giftmischer Bertram, in Mann heim war's!" „Weißt du es auch gewiß?" > „Nun, die Erkundigungen bei meinen Freunden wa ren allerdings nutzlos, keiner konnte sich des Burschen mehr erinnern, wenigstens dessen Namen nicht. Jetzt aber werde ich noch einmal an sie schreiben und, gib acht, ich habe recht." Abel trank sein Glas aus, rannte fort und schrieb verschiedene Briefe. Seine Mühe war infofern nicht umsonst, als ihm von zwei Seiten die Antwort wurde, der Name Hartwig sei zutreffend, es müsse das jener verschlossene Mensch sein, der nur kurze Zeit in Mann heim geweilt und man den Mucker genannt habe. Diese Nachricht versetzte Abel in Helle Begeisterung; er eilte sofort zum Staatsanwalt und machte ihm Mitteilung von seiner Endeckung. „Ja, lieber Freund, es ist sicherlich ganz gut von Ihnen gemeint," sagte der Staatsanwalt, „aber was wollen Sie mit dem bloßen Namen Hartwig be weisen ?" Abel senkte enttäuscht den Kopf. „Beweisen kann ich damit freilich nichts," erwi derte er nach einer kleinen Pause, „aber vielleicht kön nen Sie nun weitere Nachforschungen anstellen." „Die wahrscheinlich ebenso aussichtslos sind wie alle früheren. Der angebliche Bertram scheint ein gan zes Dutzend falscher Namen geführt zu haben. Können Sie mir auch sagen, in welchem Mannheimer Geschäft der — nun sagen wir Hartwig, angestellt war?" „Natürlich, bei Moritz Brinkmann, wie mir mein Freund schreibt." „Halten Sie es für möglich, daß auch Ihre Freun de den Verbrecher wieder erkennen?" „Gewiß, dafür spricht die Tatsache, daß sie sich seiner erinnern." Der Staatsanwalt notierte die betreffenden Na men. „Ich danke Ihnen, jedenfalls werde ich die mir angedeutete Spur weiter verfolgen." Noch in derselben Stunde erhielt der Untersuch ungsrichter das Material zur Einleitung weiterer Schritte zugestellt. Es ergab sich binnen kurzem die Richtigkeit der Aussage Abels, nur darüber, wo dieser Hartwig verheiratet fei, konnte man Gewißheit nicht erlangen. Wieder vergingen Wochen, während deren der Kaufmann Brinkmann und die Freunde Abels von Mannheim vor den Untersuchungsrichter zitiert und Konfrontationen mit dem Verbrecher vorgenommein wurden. Alle erkannten ihn wieder, wußten sonst aber nichts Bemerkenswertes auszusageu. Da erschien jäh und unerwartet eine Persönlichkeit auf der Bild fläche, deren Eingreifen der Sache eine höchst über raschende Wendung gab. Brinkmann war nach seiner Vernehmung nach Mannheim zurückgekehrt und hatte mit seinem Buch halter über den rätselhaften Fall gesprochen. Dieser war in Nachdenken versunken und hatte sich einige Tage hindurch mehr mit der schwebenden Kriminalsache als mit geschäftlichen Angelegenheiten beschäftigt; er ließ sich wiederholt die Persönlichkeit des Verbrechers be schreiben und bat um mehrtägigen Urlaub mit dem Be merken, er müsse sich doch den geheimnisvollen Hartwig auch einmal anschen. „Sie kennen <hn ja gar nicht, der war lange vor Ihnen in meinem Geschäft!" meinte Brinkmann. „Man kennt manchmal jemand, ohne es zu ahnen," gab jener gelassen zurück und reiste ab. Zwischen einem mächtigen Stoß Akten saß der Un tersuchungsrichter und war so sehr in seine Arbeit ver tieft, daß er überhörte, wie wiederholt an die Tür gepocht wurde. „Verzeihung, wenn ich störe," klang da eine Stim me hinter «ihm. „Sie wünschen — wer sind Sie?" fragte er, är gerlich über diese Unterbrechung. Es war der Mannheimer Buchhalter, der seinen Namen und Stand nannte und den Zweck seines Er scheinens bezeichnete. „Ach, diese unglückselige Geschichte!" rief der Un tersuchungsrichter unwillig. Da kommen die Leute von allen Seiten, der eine glaubt mehr wie der andere zu wissen, und nachher ist man ebenso klug wie vor her. Ist Ihnen der angebliche Hartwig bekannt?" „Genau kann ich es nicht sagen, bevor ich ihn sehe. Aber nach allem, was ich über ihn gehört, glaube ich in der Lage zu sein, wichtige Aufschlüsse geben zu kön nen." Der Buchhalter machte einige Andeutungen, infolge deren der Untersuchungsrichter wie elektrisiert auf sprang und den Staatsanwalt Herbeiries. Eine halbe Stunde später befanden die drei Personen sicb auf der Fahrt nach der mehrere Meilen entfernten Strafan stalt. Man Piaf dort zu einer Zeit ein, in der ein Teil der Sträflinge außerhalb der Anstalt beschäftigt wa ren, unter ihnen Hartwig. In einem Zimmer, an dessen Fenster die Sträflinge vorbei passieren mußten, erwartete man deren Rückkehr. Als sie kamen, sagte der Staatsanwalt zu dem Buchhalter: „Bitte sehen Sie sich die Leute an, finden Sie ein Ihnen bekanntes Gesicht heraus?" „Der da — der vierte auf der linken Seite!" stieß der Buchhalter hervor. Der Staatsanwalt ließ den bezeichneten Sträfling in eine Zelle führen, gleich darauf betrat er mit sei nen Begleitern dieselbe. „Münch, wie kommen denn Sie hierher?" fragte der Buchhalter, nahe an ihn herantretend, mit fester Stimme. Der Gefangene zuckte heftig zusammen, kreideweiß färbte sich sein Gesicht, ein grimmiger Blick traf den Buchhalter. „Kennst du diesen Herrn?" fragte der Staatsan walt. Keine Antwort. „Nun, willst du? Entweder oder! Wie heißt der Herr!" „Herr — Lotz!" knirschte der Sträfling. „Wo hast dn den Herrn kennen gelernt?" „In Kassel!" Die drei Personen verließen die Zelle, deren schwe re Tür sich hinter dem Sträfling schloß. Es. war der Buchhalter Lotz, welcher früher bei Amaliens Vater in dessen Geschäft einen Vertrauensposten eingenommen, hatte und, einer dunklen Ahnung folgend, gekommen war, die Persönlichkeit des Verbrechers unwiderleglich festzustellen. Was innerhalb den nächsten Stunden zwischen Lotz ' und den beiden Beamten verhandelt wurde, die Ent hüllungen, die er ihnen über das grauenhafte Schick sal der Familie Hartwig machte, gaben ihnen so reich lichen Stoff zum Nachdenken, wie ihnen ihre juristische Praxis nie zuvor geboten. Besonders der Untersuchungsrichter, ein noch jun ger Beamte bebte vor Erregung, man sah es ihm an, wie der Pflichteifer jeden Nerv seines Körpers ergriffen hatte. Freilich waren es nur Mutmaßungen, die Lotz ausfprach und für die einstweilen jeder Anhalt fehlte, aber wenn nur ein Teil seine Berechtigung hatte, man war doch einen gewichtigen Schritt in einer Sache vorwärts gekommen, die lange und bis noch vor kur zem in undurchdringliches Dunkel gehüllt geblieben. „Ich erinnere mich jener haarsträubenden Vor kommnisse," meinte der Staatsanwalt, „vermag es aber nicht zu fassen, wie der Mensch solche Taten hat voll bringen können, ohne einmal entdeckt zu werden. Sie sagen, Herr Lotz, der Münch sei an demselben Tage, an dem seinem Stiefbruder das erste Kind geboren wurde, sofort ohne irgend welchen Grund aus dem Ge schäft ausgetreten und habe die Stadt verlassen. Die Mordtaten aber erfoltzten lange Jahre später: war Münch inzwischen zurückgekehrt?" „Gesehen hat ihn niemals jemand, wenigstens nicht in seinem natürlichen Zustande, aber man hörte vielseitig die Meinung äußern, das; er sich maskiert in der Gegend aufgehalten hat." „Dann wäre nur eines möglich, nämlich, das; er bei seinen Taten Verbündete gehabt hat, die ihn über die häuslichen Verhältnisse seines Stiefbruders unter richteten. Und als einziges Motiv dessen, was er ge tan haben soll, führen Sie Habsucht an?" „Ja, Herr Hartwig selbst äußerte mir gegenüber einmal, die Geburt seines ersten Sohnes habe Münch deshalb so furchtbar in Zorn gebracht, weil dadurch seine begründete Hoffnung, alleiniger Erbe des be trächtlichen Vermögens zu werden, vereitelt worden sei. Derselben Ansicht war und bin ich noch heute, denn Münch war von jeher ein geradezu schmutziggeiziger Mensch, dem es wehe tat, wenn er für seine unabw'eis- hichen leiblichen Bedürfnisse Geld ausgcben mußxe." „Das stimmt allerdings mit dem überein, was wir über sein späteres Leben in Erfahrung gebracht haben. Auch der Mordanschlag gegen seine Fran war zweifels ohne der Ausfluß seiner Habsucht." Lotz zählte zu jenen Menschen, denen kleinliche Ge hässigkeit oder gar Rachsucht ein fremder Begriff und die es verschmähten, aus geringfügigen Anlässen mit andern in Meinungsverschiedenheiten oder gar Kon Mt zu geraten. Er war ein Äann von streng recht lichem Charakter, der eher wochenlaW ijberlegte, bevor er sich zu einem Schritt entschloß, von dem ersticht über zeugt war, daß er ihn 'mit ruhigem Gewissen und ohne jemand Nachteil zu bringen, tun durfte. Nicht oline ein Gekübl gewisser Bangigkeit hatte er den Un tersuchungsrichter chufgesucht, jetzt trat er^ von Genug tuung erfüllt, seine Heimreise an. Seine Existenz war mit derjenigen Hartwigs eng verknüpft gewesen, die gewaltsame Auflösung der Familie des letzteren durch Mörderhand hatte auch in sein Geschick eingegriffen und ihn aus einer gesicherten Lebensstellung vertrieben. Daß Münch der Urheber all' dieses Unheils war, hatte er vermutet, es anszusprechen aber nicht gewagt, nun sollte der Zufall ihn, so hoffte er, zum Rächer an dem Unglück seines ehemaligen Chefs und dessen Familie machen! Aller Voraussicht nach würde es so kommen, denn die bisher vorliegenden Beweise für die verbreche rische Gesinnung Münchs ließen einen weiten Spiel raum für allerhand Rückschlüsse in dieser Richtung zu. Seit der Stunde, in welcher Lutz den richtigen Na men des Verbrechers festgestellt, trug Münch ein völlig verändertes Wesen zur Schau. Bisher frech und trotzig, saß er nun den größten Teil des Tages in großer Nie dergeschlagenheit vor sich hinbrütend da. Dazu moch ten wohl auch die strengen Maßregeln, die der Unter suchungsrichter gegen ihn angeordnet hatte, beitragen. Er durfte nicht mehr außerhalb der Anstalt beschäftigt werden, auch seine Zelle nicht mehr verlassen, sonddrn war dort in schwere Ketten gefesselt und stand Tag und Nacht unter Bewachung — allerdings nur kurze Zeit, dann wurde er nach der Vaterstadt Amaliens transpor tiert und gegen ihn eine neue Untersuchung eingvleitet. (Fonietzung folgt.) ' Durch das Weihnachtsgeschäft ist jeder üleraukreugt und erschöpft. Die beste und schnellste Kräftigung der abgespannten Nerven bringt: Schmidt s „Reue Kraft" ,u haben in Apotheken und Drogerien. Pulver: Pack . : > 86. 3,74. 3,50 Mk.j Tabletten: Dose 2.—u. 4 —Mk. „Neue Kraft: Extra" Tabletten Taschen dosen l.25, Konsumdosen t> u. 10 Ml. Fabrik Vereinigt- Them. Laborato rien Kötzschenbroda-Dreiden.