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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020510018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902051001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902051001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-05
- Tag 1902-05-10
-
Monat
1902-05
-
Jahr
1902
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Bezug-.Preis 1» der Hauptrxpeditio» oder de« im Stadt bezirk und de» Vororte» errichtete» Aus gabestelle» «»geholt: vteAekjShrltch^ 4.50, — »n>«imaliger «»gliche. Zustell»», in« Hau« S.50. Durch di« Post bezöge» für Deutschland u. Oesterreich vtarteljährlich^ss«, für di» übrige» Lände, laut Zettung«p,ei«ltste. Nedaciio« und Lrpe-Mo«: Johannttg«ffe 8. Fernsprecher 15S und SSL. Alfred Hah«, Buchhandlg, UntversitLtSstr.s, L. Lösch«, Katharinens^ Ich ». Königrpl. 7. Haupt-Filiale Vresdeu: vtrehleuerstraß« S. Fernsprecher Amt I Ar. 171». Haupt-Filiale Serlin: KSoiggrätzerstraß« IIS. Fernsprecher Amt VI Ar. SSSL Morgen-Ausgabe. MpMer TllgMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes und Volizei-Amtes der Ltadt Leipzig Nr. 234. Tonnaberrb den 10. Mai 1902. Anzeigen.Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS Ls. N«ela«a« uutr, dem Mdactioulstrich («arspalle») 7V vor dru FamUtennach- richte» («gepalte») 50 Lz. Tabellarischer und Ziffernsah entsprechend höher. — Gebühren nir Nachweisungen u»d Offertenannahme LS H (excl. Porto). Extra-Vellage» (gesalzt), »ur mit der Morgeu-AuSgabe, ohne Postbesörderung utl 66.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. IlnuahMschluß für Anzeigen: Abend-Susgabe: vormittag« IO Uhr. Morg«»-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» sind stet« au die Expedition zu richte». Dir Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet vo» früh 8 bis Abends 7 Uhr. Truck und Verlag vo» E. Polz i» Leipzig. 96. Jahrgang. Allerlei hoher Gesuch in Rußland. SS Binnen Monatsfrist hat Rußland dreierlei ver schiedenen hohen Besuch in seinen Grenzen. Der Schah von Persien hat soeben auf seiner Europaretse die russische Grenze passirt und ist bet dieser Gelegenheit im Auftrage des russischen Kaisers feierlich begrüßt worden; Ende dieses Monats kommt der Präsident der französischen Republik an den Hof des Zaren, um hier ebenso glänzend empfangen zu werden, wie fünf Jahre vorher sein prunkliebender Borgänger; schließlich verlautet, daß in der ersten Hälfte des nächsten Monats F ü r st F e r d i n a n d v o n B u l g a ri e n tu Begleitung seines Ministerpräsidenten dem russischen Kaiser einen Be such abstatten wird. Sollte sich die Nachricht von dem Besuche Ferdinand s bewahrheiten, so wäre cs nicht uninteressant, baß er sich fast unmittelbar an den Aufenthalt des Präsidenten Loubet am Zarcnhofe anschlicßen würde. Damit würde zum Ausdruck gebracht werden sollen, daß Bulgarien neben dem Zweibund eine ähnliche Stellung einntmmt, wie Rumä nien neben dem Dreibünde, nämlich die Stellung eines zwar nicht durch bindende Verträge an das Bündniß der Großstaaten angeschlossencn, aber diesem Bündnisse that- sächlich doch sehr nahestehenden Staates. Bulgarien und Rumänien sind die beiden größten und militärisch kräf tigsten christlichen Staaten der Balkan-Halbinsel, die sich auf diesem begrenzteren Gebiete ebenso die Waagschale zu halten bestimmt sind, wie Dreibund und Zwetbund auf dem europäischen Continent. Frankreich — Persien — Bulgarien, sie alle sind Karten in dem ehrgeizigen Spiele der russischen Politik. Frank reich ist dazu bestimmt, Rußland bei seinen Plänen im fernen Osten den Rücken zu decken und nebenbei noch die so oft leeren Cafsen des Zarenstaates zu füllen. Persien ist ein wichtiger Stützpunkt für die den Bestand der eng lischen Vorherrschaft in Indien gefährdende central asiatische und südasiatische russische Politik. Bulgarien end lich ist von Wichtigkeit für die durch die Abmachungen mit Oesterreich zwar aufgeschobene, aber durchaus nicht für alle Zetten zu den Acten gelegte russische BorwärtSpolittk auf der Balkanhalbtnsel. Darum ist es für Rußland wichtig, sich alle drei Staaten warm zu halten: Frankreich, indem man der Eitelkeit der Franzosen schmeichelt, Persien und Bulgarien, indem man den immer elenden Finanzen dieser Staaten aufhilft. In der letzteren Hinsicht ist Ruß land sozusagen freilich nur der Durchgangsposten, denn der eigentliche Geldgeber ist Frankreich, das ja seinerseits erst wieder den russischen Finanzen aufhilft. Rußland ver steht es aber sehr gut, Frankreich bei Seite zu schieben und selbst ganz allein die Rolle des edlen Wohlthätcrs zu spielen. Wenn der französische Präsident, der persische Selbst herrscher und Ferdinand von Bulgarien bei ihrem Besuche in Rußland näher Hinsehen wollten, so würden sie ja Manches entdecken, was ihre Ehrfurcht vor dem Riesen reiche vielleicht etwas hcrabmindcrn könnte. In allen Thcilen des Zarenreiches gährt cs: Im Südwesten haben geschickte Agitatoren unter den Bauern ernsthafte Unruhen hervorgcrufen, im Herzen des Landes machen die Studenten und Arbeiter aus ihrer Unzufriedenheit kein Hehl und im Nordwcstcn sind die Finnen erbittert über die fortgesetzte rücksichtslose Russificirung. Von alledem werden freilich die hohen Besucher nicht viel zu sehen bekommen. Potemkin hat mit seiner Kunst, blühende Städte und Dörfer in öden Gegenden erstehen zu lassen, in Rußland Schule gemacht. Freilich sind heute die Zetten insofern verändert, als die verwünschten Zeitungen dafür sorgen, daß man Pappe nicht mit festen Quadern verwechselt. Aber selbst wenn die drei Staats oberhäupter ein klares Bild von den russischen Zuständen gewinnen, so werden sie darüber mit einem „tout oommo k-ste? norm" hinwcgkommen, denn die inneren Zustände in Frankreich, Persien und Bulgarien sind wahrlich auch nicht über allem Zweifel erhaben. Magyarische Chauvins. O Die Verhandlung über das Honvödbüdget im ungarischen Abgeordnetenhause bietet immer einen ganz besonderen Genuß. Auf der einen Seite die an scheinend fuchsteufclwilden Kossuthtsten, die am liebsten den „Oesterreichern" die magyarische Armeesprache auf- nüthigen möchten, auf der anderen Seite die sympathische Erscheinung des LandcSverthetdigungsmtntsterS Baron Fcjörvary, der die oft ganz unglaublich thörichtcn Zumuthungcn der „unabhängigen" Herren mit einer ein fachen nonchalanten Handbcwcgung abthut oder mit einem feinen Lächeln, das bedeutet: „Ich verstehe ja Spaß und kenne den ganzen Rummel!" und hierauf wieder die gut gespielte Entrüstung der Achtundvierziger, — das Alles giebt ein so famoS zusammengestimmtes Gesammtbild, daß auch jeder Ntchtpolitiker sein ästhetisches Wohlgefallen daran finden könnte. Wieder mußte das böse „Gott er halte" herhaltcn und die deutsche Armeesprache, die die nationalen Empfindungen der magyarischen Jugend ganz erschrecklich verletze; während der eine Kossuthtst gegen die „verhaßte deutsche Sprache" tobt und ein Anderer bc- thcuert, er spreche princiviell nirgend- in Ungarn deutsch, 1« bezahle dort auch nichts, „wo man zu ihm deutsch rede", verspricht ein Dritter, LadiSlauS Radkay, er werde die Jugend bet der nächstbesten Demonstration gegen da« „Gott erhalte" selber anführcn, wogegen Baron Fcj-rvary versichert, er kenne keine schönere Melodie und gegen den Text sei auch nichts etnzuwkndrn. Schon etwas bedenklicher klingt cs, wenn der erwähnte Radkay direkt die Jugend auf der Galerie apostrophirt und aus fordert, sie möge bet jeder Gelegenheit gegen das „Gott erbalte" demonstrtren und cs auspfeifen, „m agauchder König da sein oder welches Mitglied des Herrscherhauses immer". Daß diese Aufmerk samkeit von der Galerie mit Händeklatschen belohnt ward, konnte nicht Wunder nehmen. Und warum diese Aufregung? Angeblich weil dies Lied auch gespielt worden sei, als die magyarischen Revo- luticnshelben hingerichtet ivurden. Dann aber müßte auch das Trommeln verboten, die Angriffssignale und gar manches Andere müßte abgeschafft oder verändert werden. Es kommt doch auch in der ewigen Opposition gegen dies Lied nur der Widerwille gegen den deutschen Text und der lächerliche Haß gegen das deutsche Wort zum Ausdruck, und darum hat Baron FejSrvary auch den richtigen Ton getroffen, wenn er auch diesmal die alljähr lich schablonenhaft wiederkchrenden Angriffe meist nur mit leichter Ironie zurückwieS: „Wenn ein Hortobagger Hirte mir sagt: Herr, ich brauche die deutsche Sprache nicht, so hat er Recht, und ich achte und schätze in ihm den auf solche Weise sich offenbarenden Patriotismus. Aber ganz anders steht die Sache bet den Herren, die alle gebildete Männer sind und mehrere Sprachen sprechen und kennen, soweit es heutzutage nothwendig ist, fremde Sprachen zu lernen." Diese Antwort -es Honvsdministers traf den Naget auf den Kops, und wenn von -er äußersten Linken replicirt wurde: „Aber nicht die deutsche!", so ist das eben nichts Anderes, als ein verzweifelter Ausdruck der Ohnmacht und des völligen Mangels an stichhaltigen Argumenten gegen den Gebrauch der deutschen Sprache in der gemein samen Armee, denn die Pflege einer anderen fremden Sprache, etwa der englischen oder spanischen, dürste bet der unleidlichen Entfernung dieser Völker von sehr proble matischem Werth sein; ja selbst mit den geliebten Franzosen könnte man sich nur via Balkan, Mittelmeer verständigen oder — über Deutschland hinüber. Und für die Knuten herrschaft Rußlands und dessen Sprache hat man auch vor 1818 nie ein besonderes Faible gemacht. Nicht geringes Aufsehen erregte auch die Schul meisterung, die der Abgeordnete Ra kost (früherer Kremser) dem jungen Erzherzog Leopold Salvator zu Theil werden ließ, weil dieser Unglücksprinz bet einem Sportfest, das er hier als Protector eines aeronautischen Clubs mitmachte, auf die magyarische Aussprache eines Grafen Szschenyt erwiderte, „er bedauere, daß er die Landessprache nicht beherrsche". Die Landessprache! das verletzt den Bruder Chauvin im Innersten; Prinz Leopold mußte sagen „Staats spräche". Und der Erzherzog hat cs doch so gut gemeint; er verstand unter der „Landes sprache" jedenfalls die Sprache, die man im Lande spricht und insofern besagt das Wort sogar mehr als die „Siaatssprache", der einfach -aS Attribut des Officiellcn zusteht. „Landessprache" im Ginne des Erzherzogs ist aber das Magyarische nicht einmal, da sie keineswegs all gemein oder gar ausschließlich im Lande gesprochen wird. Jedenfalls werden die Erzhcrzöge in Zukunft die Haupt stadt Ungarns mit unendlichem Vergnügen besuchen, wenn sic darauf gefaßt sein müssen, daß ihre Privatgespräche, die sie in Sportvereinen und bei ähnlichen unschuldigen Gelegenheiten führen, der Censur des ungarischen Ab geordnetenhauses unterliegen. Aber auch hier ist es ja wieder nur die Abneigung gegen die deutsche Sprache, die überall nach Ausdruck ringt: constatirt doch ein hervorragendes magyarisches Blatt in demselben Zusammenhang, daß „auch die Magyaren, die deutsch verstehen und sprechen, aus ge sundem nationalen Stolz und Selbsterhaltungstrieb die deutsche Sprache nicht gern hören und gebrauchen" und daß die Magyaren deshalb „gegen die Verbreitung dieser sieghaften Sprache kämpfen müssen". Jedenfalls auch ein Cnlturkampf! Der Krieg in Südafrika. Die Abgänge auf euglischer Seite im Monat April sind wieder alles Andere, als geringfügig, Getödtet und an Wunden gestorben sind 19 Officiere und 140 Mann, verwundet 55 Offtciere und 447 Mann, an Krankheiten gestorben 15 Offtciere und 261 Mann, durch Unglücksfälle u. s. w. getödtet 1 Ofsicier und 90 Mann, ver mißt und gefangen 10fsicier und 17 Mann, und im Ganzen als Invaliden nach Hause zurückgesandt 98 Officiere und 2631 Mann, was also zusammen einen Totalabgang von 184 Officteren und 3566 Mann für einen Monat ausmacht, gewiß eine stattliche Zahl zu einer Zett, wo alle An strengungen gemacht werden, die Boeren zu einem für Eng land möglichst günstigen FrtedenSschluß zu bewegen oder zu zwingen. Inzwischen fährt man in London in maßgebenden und eingeweihten Kreisen fort die größte HoffnungSfrcudtgkcit bezüglich des endgtlttgen Resultates der FriebeuSuerhauLluuge« an den Tag zu legen, und immer aus« Neue wirb, sogar officiös, versichert, daß am Donnerstag in acht Tagen, wenn die Delegirten der einzelnen Boerencommandos sich in Bereeniging treffen sollen, diese Vertreter des Feindes zu keinem anderen Beschlüsse kommen werden, als die Feindseligkeiten etnzustellen und die britischen Be dingungen, die aber bis -ur Stunde nicht einmal an nähernd bekannt geworden sind, anzunehmen. Nur selten wird eine weniger optimistisch gefärbte Ansicht laut, aber um so bezeichnender ist cS deshalb auch, wenn der be kannte Torresponbent des „Daily Telegraph", Mr. Bennet Burletgb, von Johannesburg auS telegravhtrt, daß „die Militärbehörden in jener Stabt und in Prätorta eines etwas pessimistische Ansicht mit Bezug auf die augenblick liche Lage nicht verleugnen", eine Mtttheilung, die doch so gut wie jede andere die militärische Lensur passirt hat und daher einer bcsonberen Bedeutung nicht entbehrt. Der Correspondent fügt sogar noch hinzu, baß, „um allen Eventualitäten vorzubeuaen, Dispositionen für eine verschärfte und energischere Fortführung des Feldzuges ihren Fortgang nehmen", was, obwohl eigentlich ganz selbstverständlich, doch da« erste derartige Zugeständniß re» präsenttrt. Deutsches Reich. * Leipzig, 9. Mai. Aus Nürnberg geht uns von einem Herrn Lorenz Schwarz, Mitglied des katho lischen Preßvereins, mit dem Ersuchen um Veröffentlichung die folgende Zuschrift zu: Zu der in Nr. 218 vom 1. Mai in diesem Blatte veröffent lichten Notiz, wonach der Vicar v. Z a k r z c w s k i in Schrimm einer Beamtcn-Gattin Absolution» nd Abend mahl verweigert habe, da dieselbe sich weigerte, ihren Gatten in seinen deutsch-nationalen Bestrebungen zu beein flussen, schreibt der genannte Herr, daß er bereits drei Jahre Schrimm verlassen und als Probst in Golejewo rhätig ist. Möge diese Dame, die heute nach drei Jahren Veranlassung giebt, eine dortmals gemachte Beichte einer Besprechung zu unterziehen, von ihrem Rechte Gebrauch machen und den da maligen Vicar von seinem Bcichtsiegel entbinden, damit er er kenne, welche Dame dies gewesen und sich vielleicht entsinne, warum die Absolution verweigert wurde, wenn dies über haupt geschehen. Erfolgt dies nicht, so erklärt Herr Probst v. Zakrzewski diese Behauptung als eine Beschimpfung des heiligen Bußsacramentes und als tendenziöse Verleumdung der polnisch-katholischen Geistlichkeit in seiner PLrson. Erfolgt die Entbindung von» Schweigen, so ist er gerne bereit, in dieser Sache noch einmal das Wort zu nehmen. Goljewo, Kreis Rawitsch. gcz. v. I a k r z ew S k i, Probst. Wie Herr Lorenz Schwarz dazu kommt, unter dieses von ihm verfaßte Schreiben den Namen des Herrn Probstes v. Zakrzewski zu setzen, ist uns unverständlich. Immerhin kommen wir seinem Ersuchen nach, um die „Nat.-Lib. Corr.", der jene Notiz entnommen war, in die Lage zu versetzen, -er ihr bekannten Dame von dem Wunsche des Herr» Probstes Kcnntniß zu geben. L. Berlin, 9. Mai. (DerFrctsinnunddicko m- mende O stm a rk e » - V or la g e.) Die „Freis. Ztg." und das „Berl. Tagebl." haben sich beeilt, Stellung gegen die kommende Ostmarken-Vorlagc zu nehmen, noch ehe über -teie etwas Authentisches bekannt wurde. Aber weih- rend das Organ -er freisinnigen Bolkspartci die ganze Vorlage ohne Einschränkung bekämpft, erklärt sich das auf -em Boden -er freisinnigen Vereinigung stehende „Berl. Tageblatt" wenigstens mit einem erheblichen Tbcile -er geplanten Action einverstanden. Bevor auf diesen be- merkenswcrthen Gegensatz cingegangcn mir-, sei -ie grundsätzliche Gegnerschaft der „Freisinnigen Zeitung" knrz gewürdigt. Das Nichtcr'schc Organ wendet sich vor Allem wider die Absicht, 100 Millionen Mark zur Errichtung von Domänen in den Ostmarken auszuwcrfen. Die Ge fahr, daß im Osten „Latifundien" deutscher Besitzer in pol nische Hande übergehen können, leugnet die „Freis. Ztg." mit -er Behauptung, die Latifundien befänden sich „fast sämmtlich" im Besitze deutscher Fürsten und Magnaten. Das Richtcr'schc Blatt faßt bei diesem Einwande den Be griff „Latifundien" einigermaßen eng, viel enger, als wenn cs die Frage der Erhöhung landwirthschaftlichcr Zölle er örtert. Der praktische Politiker wird sich an das Wort Latifundien nicht klammern dürfen, sondern zugebcn müssen, daß deutscher Großgrundbesitz i» den Ostmarken allerdings vielfach vor der Gefahr des Uebergangcs in polnische Hände steht, und wird deshalb den Plan der Er richtung von Domänen im Osten begrüßen. Die „Fts.Ztg." freilich bctrachtetesals„Grundsatz einer vcrnünftigcuWirth- schaftspolitik", den Domäncnbesitz des Staates allmählich in Privatbcsitz überzuleiten, nur die Socialdemvkratcn und die Nationalsoctalcn seien anderer Ansicht. Das ist durchaus nicht richtig. Der Director der Landwirthschast- lichen Akademie Poppelsdorf, Geh. Rath Prof. l)r. Frei herr v. d. Goltz, ist weder Socialdcmokrat noch National socialer und hebt doch in seinen „Vorlesungen über Agrar wesen und Agrarpolitik" (Jena 1890) die Berechtigung der Domänen im 5. Abschnitte seiner Schrift nachdrücklich her vor. Nur die wesentlichsten Gründe für diese Stellung nahme Les Freiherrn v. d. Goltz seien hier gestreift. Dahin gehört zuerst die Bedeutung, welche die Domänen auch heute noch als nicht zu unterschätzende Unterlage für die Staatsfinanzen und für den Staatscrcdit haben. Dir zweite Bedeutung der Domänen liegt darin, daß der Staal durch sie veranlaßt und genöthigt wird, mit der landwirth- schaftlichen Production, den Wünschen und Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung sich vertraut zu machen. Drittens sind die Domänen immer noch von erheblichem Einfluß für die Verbesserung der landwirthschaftlichcn Be triebsweise. „Ein Fehlschluß", schreibt v. d. Goltz, „würde eS sein, wollte man annehmcn, daß jetzt und in Zukunft die Domänen zur Lösung ähnlicher Aufgaben (wie in den Zeiten Friedrichs -cs Großen und Friedrich Wil helm'- III.) nicht mehr berufen seien, weil sie von den ein zelnen Landwirthcu oder den landwirthschaftlichcn Ver einen ebenso gut oder besser erfüllt würden. Für die tech nische Handhabung der Landwirthschaft mag dies vielleicht, wenn auch nicht ganz ohne Einschränkung, zugegeben wer den können. Es gilt aber nicht für Fragen, welche die Or ganisation und den Erfolg des Betriebes betreffen, und noch viel weniger für agrarpolttische Aufgaben. Solche treten immer wieder neu in die Erscheinung." — Schließ lich macht die „Freis. Ztg." geltend, daß durch die 100-Mil- ltonen-Forderung für Domänen das Geldbewilligungs recht des Landtages in verfassungswidriger Weise noch weiterhin eingeschränkt werde, weil alle Einnahmen und Ausgaben des Staate- im Voraus festznstcllcn und auf den Etat zu bringen sind. Mit solchem budgctrechtlichcw For malismus, der sachlich ohne jede ernste Bedeutung ist, kann heutzutage die nationale Politik nicht mehr unterbunden werden. So viel über die Stellungnahme der „Freisinni gen Zeitung". Was nun den oben erwähnten Gegensatz anbelanat, in dem da« Rtchterschc Organ betreffs der kommenden Ostmarlenvorlage gegenüber dem freisinnigen „Berl. Tagebl." sich befindet, so besteht derselbe darin, daß da« „Bert. Tagebl." mit der Schaffung von Bauern» wtrth schäft en durchaus cinverstanden ist, die hierfür in Aussicht genommenen 100 Millionen Mark jedoch erst bewilligt wissen will, nachdem die Ansiedelungscommission l das -wette Hundert Millionen Mark vollkommen auf» I gebraucht hat. Sicherlich kann in dieser eingeschränkten Zustimmung ein ausschlaggebendes Moment gegen die neue Forderung nicht gefunden werden. Und das Gleiche gilt von dem Bedenken, welches das „Berl. Tgbl." gegen -ie Er richtung von Domänen erhebt. Jenes Bedenken fußt au» dem Umstande, daß auch der Domünenpächter Saison arbeiter braucht; da aber die Saisonarbeiter aus Russisch- Polen beschafft werden müßten und trotz der behördlichen Controlc über die gestattete Frist hinaus in Deutschland sich einnisteten, sei auch hier das Ergcbniß ein Anwachsen des Polcnthums. Dieser Auffassung ist entgegen zu halten, daß ein Domänenpächter die widerrechtliche Einnistung russischer Polen ohne Zweifel nachdrücklicher zu verhindern suchen wird, als sonst ein Besitzer. Außerdem jedoch muß darauf gedrungen werden, bei der Errichtung neuer Do mänen die A n s c s s i g m a ch u n g landwirthschaft- lich er deutscher Arbeiter planmäßig zu fördern. Cieschieht das, dann erledigen sich die Bedenken, die das „Berl. Tagebl." wegen des Bedürfnisses nach Saison arbeitern äußert, zum größten Theil; denn die planmäßige Vermehrung der ansässigen deutschen Landarbeiter wird jedenfalls die Folge haben, daß die „Einnistung", russischer Polen unterbleibt. Berlin, 9. Mai. l8 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches und die städtischen Arbeiter.) Bekanntlich hat 8 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches in Berlin und in anderen Großstädten zn Streitigkeiten zwischen Magistrat und den städtischen Arbeitern geführt. Nach 8 616 wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, daß er für eine verhältnißmäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Ver schulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muß sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer ans Grund gesetz licher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfall versicherung zukommt. In Bezug auf diese Bestimmungen hat mehrfach der Magistrat durch den Dienstvertrag eine Abänderung zu Ungunsten der städtischen Arbeiter eintrctcn lassen. Der Magistrat zn Königsberg i. Pr. in dessen nahm zu 8 616 B. G.-B. in der Art Stellung, daß die gesetzliche Verpflichtung für die städtischen Arbeiter in vollem Umfange zur Anwendung kommt. Hierzu erhitzt die „Sociale Praxis" nähere Mittheilungcn, die wegen der praktischen Bedeutung der Angelegenheit wicdergcgcben zu werden verdienen. Um der Verwaltung, so heißt es in den Erläuterungen der „Socialen Praxis", eine Richtschnur für die Begrenzung des Begriffs „verhältnißmäßig nicht erhebliche Zeit" zn geben, ist beschlossen, die Zeit der Verhinderung lediglich im Verhültniß der bereits ver brachten Dienstzeit oder der im voraus fest bestimmten Vcrtragsdauer zn setzen. Demgemäß sollen als eine ver hältnißmäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des 8 616 B. G.-B. von der bis zum Eintritt der Verhinderung ununterbrochen geleisteten Dienstzeit je ein Tag der ersten 6 Monate und zwei Tage s folgenden Monats, höchstens jedoch ein Monat, eracht, werden. Bei im vvrans fest bestimmter Dauer des Dienstes ist diese für die Anzahl der Tage der Verhinderung maßgebend. Als Unterbrechung der Dienstzeit soll nicht die Verhinderung, welche in Folge von Erkrankung, Erfüllung militärischer Dienstpflicht oder aus anderen in der Person des Dienstpflichtigen liegenden Gründen ohne dessen eigenes Verschulden ein getreten ist, gelten, sodaß also beispielsweise dir vor der ersten Erkrankung liegende Dienstzeit, sofern die durch dieselbe erworbenen vcrgütungsbercchtigten Tage nicht ganz verbraucht sind, bei einer zweiten Erkrankung mit gerechnet wird. Durch Aufhebung des Dienstvertrages er lischt natürlich der Anspruch auf die Vergütung ohne Weiteres. Der Magistrat hat sich das Recht Vorbehalten, eine Vergütung für Verhinderung an der Dienstleistung auch über den festgesetzten Rahmen hinaus in besonderen Fällen eintrctcn zu lassen. Es ist endlich in Aussicht ge nommen, nach Jahresfrist diese Beschlüsse an der Hand der gesammelten Erfahrungen einer Revision zu unter ziehen und sich über eine etwaige Ausnahme in die Dienst verträge und die Arbeitsordnungen schlüssig zu machen. (^) Berlin, 9. Mai. (Telegramm.) Die Kaiserin empfing bald nach ihrer Ankunft in Haus Baden den Besuch des Kronprinzen, der gestern Abend nach Bonn zurückreiste. (D Berlin, 9. Mai. (Telegramm.) Der Abgeordnete Ring (cons.) bat im Abgeordnetenhause den Antrag auf Erlaß eines Gesetzentwurfs betr. die Schlachtvieh-Ver sicherung eingebracht. Der bereits in der vorigen Tagung eingebrachte Antrag konnte wegen deS plötzlichen Schlusses der Tagung nicht durchberathen werden. v. Berlin, 9. Mai. (Privattelegramm.) Der „Nat.- Ztg." zufolge wird das große Johanniterfest in Marienburg deshalb auf den 5. Juni beschränkt werden, weil der Erz herzog Eugen von Oesterreich, der sein Erscheinen in Marienburg in Aussicht gestellt hatte, erkrankt ist. 0. tt. Berlin, 9. Mai. (Privattelegramm.) Die Kreissynode Berlin-Köln-Stadt beschloß, durch die kirchlichen Behörden kabin vorstellig zu werden, daß die Tchankwirthfchaften während de« VormittagS-HauptgolteS- diensteS auf 2 Stunden geschlossen werden möchten. — Die „Freis. Ztg." berichtet: „Bei dem Namensaufruf, der durch die Anzweiflung der Beschlußfähigkeit seitens des Abg. Lucke am Dienstag im Reichstage statt fand, hatte sich Aba. Lucke selbst zuerst au« dem Saale ent fernt. Auf den wiederholten Ruf der Linken: „Lucke, Lucke, wo ist Lucke!" stürmten seine Freunde hinaus und schleppten ihn dann zum allgemeinen Gelächter in den Sitzungssaal. ä. P»sen, 9. Mai. (Privattelegramm.) Polizeilich sind auS Posen und ganz Preußen auSgewiesen worden drei österreichische^StaatSangehörige: der polnische Opern sänger TarnowSki von der Lemberger Oper, Anton Koh- maun, zuletzt in Frankfurt a. M., der mit Tarnowtki in Posen Eoncerte geben wollte, und der polnische Schau spieler Dolin-ki, der hier al- Tanzlehrer thätig war.
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