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„ÖSTLICHE“ SPUREN IM ALTSORBISCHEN NAMENGUT? Von Ernst Eichler, Leipzig Innerhalb des altsorbischen Namenschatzes gibt es eine allerdings nur kleine Gruppe von Namen, die man als turksprachig bestimmen könnte. In welcher Weise sie in die altsorbische (aso.) Toponymie gelangten, ist jedoch unbekannt, und alle Versuche, ihr Vorkommen zu erklären, sind zunächst noch Hypothesen. Dennoch wird man die Frage deshalb nicht außer acht lassen wollen. Wie könnte turksprachiges Namengut (sowohl Ortsnamen als auch Personennamen) ins slawische Sprachgebiet zwischen Saale im Westen und Neiße im Osten, um grobe Markierungen anzugeben, gelangt sein? Dafür lassen sich folgende Möglichkeiten nennen: 1. Die slawischen Siedler fanden die entsprechenden Namen bereits vor, d. h. nicht slawische Sprachträger, ob nun in Resten verbliebene germanische Siedler oder solche anderer ethnischer Abstammung, kommen als Namenträger in Betracht. Dann würde das turksprachige Substrat eine Sonderschicht innerhalb der bisher wenig differen zierten vorslawischen Namenschicht 1 darstellen und wäre von den indoeuropäischen Namen (ob es nun um alte indoeuropäische oder germanische Namen geht) streng zu scheiden. 2. Während der bereits erfolgten slawischen Besiedlung in dem genannten Gebiet haben turksprachige Eroberer (vor allem Awaren) 2 das entsprechende Namengut „hereingebracht“. Wir hätten dann ein turksprachiges Adstrat vor uns, das natürlich in der Quellenüberlieferung der Namen seit dem 9. Jh. mit enthalten ist und wohl bald slawisiert wurde. 1 Vgl. E. Eichler, Grundsätzliche Bemerkungen zur Erforschung des vorslawischen Substrats in der altsorbischen Onomastik. In: Z. f. Archäol. 1968, S. 117-124. Exkurse über die Deutung (Etymo logie) vorslawischer Orts- und Gaunamen finden sich vor allem in den Bänden der Publikationsreihe „Deutsch-Slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte“ (= DSF), 1956 ff. Vgl. auch E. Eichler, Völker- und Landschaftsnamen im altsorbischen Sprachgebiet. In: Letopis Inst, za serbski ludospyt, Jschr. d. Inst. f. sorb. Volksforsch. R. A 13/1, 1966, S. 6 ff.; ders., Alte Flußnamen zwischen Ostsee und Erzgebirge. In: Beitr. z. Namenforsch. 16, 1981, S. 40 ff. 2 Awarisches Namengut wurde vor allem im Donauraum untersucht. Vgl. z. B. E. Zöllner, Awarisches Namengut in Bayern und Österreich. In: Mitt. d. Inst. f. Österreich. Geschichtsforsch. 57, 1960, S. 244-266; E. Kranzmayer, Ortsnamenbuch von Kärnten. I. Teil. Die Siedlungsgeschichte Kärn tens von der Urzeit bis zur Gegenwart im Spiegel der Namen. Klagenfurt 1956, S. 59 ff. Vgl. auch O. Kronsteiner, Gab es unter den Alpenslawen eine kroatische ethnische Gruppe? In: Wiener slawist. Jb. 24, 1978, S. 137-157 (auch abgedruckt als Anhang in Österreich. Namenforsch. 6, 1978, H. 1-2).