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und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Brauu in Freibergsdorf. 8. Srfchcatt jede» Wochentag Abnid« 6 Uhr für dm andt» Taz. Pni« vuittljährlich 2 Mail 25 Pf., jwrrmonatlich 1 M. 50 Pf. u. einmonatl. 75 Pf 28. Jahrgang. Freitag, den 12. Januar. Inserate weiden bi« Vormittag« 11 Uhr für nächste Nummer angenommen und die gespaltene Zeile oder deren Raum mit l i Pf. berechnet. 1877. Das Rettangswesen an den Lüsten. Die Sicherheit der Schiffahrt in der Nähe der Küsten hat bereit- zu einer Zeit das öffentliche Interesse in An spruch genommen, als noch Niemand, am wenigsten der Staat, an Schutzmittel gegen Unglücksfälle auf hoher See dachte; solche Institutionen sind durchaus modernen Ur sprungs, während man Lootsen und Seezeichen schon im Alterthum findet; die mittelalterlichen Sregesetze fassen die Funktion de» Lootsen als eine in hohem Grade verant wortliche auf; das Ooosolato ävl mare bedroht sogar den Lootsen, der die Führung eines Schiffes übernimmt und sie nicht aussühren kann, kategorisch mit dem Tode. Von den Einrichtungen, welche heute zur Sicherung der Schiff fahrt an den Küsten resp. zur Rettung von Personen in Strandungsfällen bestehen, sind die hauptsächlichsten: das Lootsenwesen, die Seeschiffahrtszeichen, Schutzhäfen, Nebel signalstationen und das Rettungswesen. Das Rettungswesen befindet seit etwa 30 Jahren in der glänzendsten Entwicklung, Dank der uneigennützigen und unermüdlichen Thätigkeit der Gesellschaften, die sic dessen angenommen haben; aus keinem Gebiete des öffent lichen Lebens hat die ohne staatliche Anregung und Unter stützung ins Werk gesetzte Einrichtung von Anstalten zum Schutz gegen Gefahren solche Dimensionen angenommen und solche Erfolge erzielt, wie hier. Der Zweck der Ge sellschaften ist ein doppelter: Bewahrung von Fahrzeugen vor Schiffbruch und Rettung Schiffbrüchiger. Die Erfolge durch Mittheilung von Auszügen aus der Rettungsstatistik noch zu veranschaulichen, würde zu weit führen; nur eine Angabe aus den Berichten der Ro;el Xmionul I^fobroi Institution ist anzuschließen, nämlich daß durch die Thätig keit dieses Instituts seit seinem 22jährigen Bestehen bis zum Jahre 1871 genau 21,464 Schiffbrüchige, also jähr lich etwa 1000 Menschen, vom Untergang gerettet wurden während in dieser Periode von den Bemannungen der Rettungsboote 22 zu Grunde gingen. Die Wirksamkeit der Gesellschaften beschränkt sich übrigens nicht allein auf eigentliche Hilfeleistung, sondern es wird auch Sorge ge tragen für die Verbreitung von Instruktionen für See leute, über die Handhabung der Rettungsapparate, der Boote in schwerer See, über Landungsversuche, über Aus rüstung der Boote, Nothsignale u. s- w. Tas Lootsenwesen unterliegt an den deutschen Küsten der Gesetzgebung, Verwaltung und Beaufsichtigung der Einzelstaaten. Die Reichsgesetzgebung hat nur insofern eingewirkt, als nach der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 Lootsen sich durch ein Befähigungszeugniß der zu ständigen Verwaltungsbehörde über den Besitz der erfor derlichen Kenntnisse ausweisen müssen und den LandeSge- setzen anheimgestellt ist, den Betrieb des Lootsengewerbes von einer besonderen Genehmigung abhängig zu machen, welche zurückgenommen werden kann; ferner ist dem Reich die Einführung einer Noth- und Lootsensignalordnung vom 31. Januar 1875 zu danken, welche sich an die desfallsigen Vorschriften der «ebixpiox aor von 1873 an- schließt, ohne jedoch die darin enthaltene Strafe für Uebe- tretnngen anzudrohen, und seit dem 1. März 1876 in Kraft ist. Im Uebrigen fehlt dem Lootsenwesen nicht nur an den deutschen Küsten überhaupt, sondern auch viel fach in den Distrikten der Einzelstaaten, besonders in Preußen der Stempel der Einheitlichkeit. Jedoch ist auc das Bedürfniß einer solchen Einheitlichkeit bisher nicht an erkannt worden; bei Gelegenheit der Berathung des Ar tikels 4 der Verfassung des norddeutschen Bundes würbe der Antrag gestellt, auch das Lootsenwesen der Beaussic tigung und Gesetzgebung der Zcntralgkwalt zu unterwerfen dieser Antrag wurde jedoch aus verschiedenen Gründen ab gelehnt, namentlich weil, abgesehen von der dadurch zu be- üchtenden starken Mehrbelastung der Bundeskasse, auf diesem Gebiet eine Zentralisation weder nothwendig noch wünschenSwerth sei, indem es sich vorwiegend um lokale Verhältnisse handele, die an Ort und Stelle leichter zu übersehen und richtiger zu würdigen seien, als von einer Zentralstelle aus. Dennoch sieht man auch heute noch eine Reform des Lootsenwesens unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der einzelnen Küstendistritte als eine unabweisbare Nothwendigkeit an. IN. Romberg aus Bremen hat diesen Punkt in seiner kleinen Schrift „Marine- und Seewehen des deutschen Reiches 1872" näher erörtert, speziell auch die wichtige Frage über die Beibehaltung des zum Theil bestehenden LootsenzwangeS, ist auf diese Aus einandersetzung zu verweisen. Daß eine möglichst rationelles Organisation des Lootsenwesens wesentlich zur Sicherheit der Schiffahrt beitragen muß, bedarf keiner Erörterung. Bei der Berathung des Art. 4 der Verfassung des norddeutschen Bundes war der Antrag gestellt, nicht nur das Lootsenwesen, sondern alle Anstalten für die Seeschiff fahrt, namentlich auch die Seeschiffahrtszeichen, der Beaufsichtigung des Bundes zu unterstelle», aber aus den bereits angedeuteten Motiven abgelehnt worden, entgegen jedenfalls den Wünschen der meisten Praktiker. Di. Romberg bespricht in seiner erwähnten Schrift auch diesen Punkt und erklärt sich hier direkt für die Nothwendigkeit, die Be leuchtung der deutschen Küsten ganz der Beaufsichtigung, Gesetzgebung und Verwaltung des Reiches zu unterstellen und die Ausgaben für Errichtung und Erhaltung dieser Seezeichen auf die Bundeskaffe zu übernehmen. Nachdem ein ebenfalls dahin zielender Antrag des Abg. Grumbrecht im Jahre 1869 vom Reichstag zum Beschluß erhoben worden, sollte die Einigung zwischen Reichstag und Bundes- rath doch noch lange auf sich wartenilaffen. Erst durch Gesetz vom 3. März 1875 sind die Seeschiffahrtszeichen, nämlich die Leuchtfeuer, Tonnen, Baken und sonstigen TageSmarken der Beaufsichtigung und Gesetzgebung Seitens des Reichs unterstellt. Wenn auch bisher noch die Ausführungsbestimmungen für dieses Gesetz und die Organe zur Ausübung der Auf sicht fehlen, so muß doch anerkannt werden, daß in den letzten Jahren auf diesem Gebiet Erhebliches geleistet und den gerechtfertigten Anforderungen der Schiffahrttretbenden in großem Umfange Rechnung getragen ist. Die erfolgte Verbesserung der Beleuchtung der preußischen Küste ins besondere kann nur mit Freuden begrüßt werden. Das Reich selbst geht sogar über die engen Grenzen der Küsten- gewäffer hinaus, wo es sich um anerkannt wichtige Maß regeln im Interesse der Sicherheit der Schiffahrt handelt. So sind je tzt die Vorarbeiten zur eventuellen Beseitigung der so gefährlichen Adlergründe eingeleitet worden. Die Frage über die besten Nebelst gnale, welche von den Küsten aus zu geben sind, wird seit einigen Jahren in England gründlich erörtert. Handelsamt und Trinity-House schenken dieser so eminent wichtigen Angelegenheit das höchste Jn- tereffe. Von hervorragenden Werth sind die im Auftrage des letzteren von Professor Tyndall aufgestellten Versuche über die akustische Durchdringung der Atmosphäre zum Zweck dec Fertigstellung der besten Nebelsignaliustrumente. Nach den bisherigen Versuchen ist der Sirene der Vorzug gegeben, es werden aber zur Zeit noch die Versuche über die Zweckmäßigkeit der Anwendung von Geschützen fortge setzt. In England bestehen zur Zeit 30 Küsten-Nebslsig»al- Stationen, während in den Vereinigten Staaten von Nord amerika bereits 40 errichtet sind. Ueber die Bedeutung und Behandlung der Frage hat sich Admiral Sir Richard Collinson, Mitglied des Trinity-House in einem in de« „Royal United-Service-Jnstitution" gehaltenen Vortrag in folgender Weise ausgesprochen: „In früherer Zeit, al- unsere eigene Handelsflotte nicht so groß war wie jetzt, al» Dampf'chiffe so gut wie unbe kannt waren, und di» Zahl der fremden Schiffe, die unsere Küste besuchten, außerordentlich gering war, lag kein be sonderes Bedürfniß zur Warnung vor gefährlichen Stelle« bei nebligem Wetter vor, weil Schiffe, die sich in der Nähe von Land befanden, bei «uflommendem Rebel oder dickem Wetter thatsächlich in der Regel beidrehten- Hier und da waren an hervorspringenden Küstenpunkten Glocken angebracht, aber es ist mehr al- wahrscheinlich, daß sie selten oder nie einen erheblichen Nutzen geleistet haben. Mit den Fort» schritten auf dem Gebiet der Seeschifffahrt und deS Handel» und der Entwickelung der Dampfschifffahrt hörte die Dunkelheit der Nacht auf, ein Hinderniß für die Fahrten zu sein ; gleichzeitig entstand die Frage, wie man durch Signale Schiffe in Stand setzen könne, auch bei Nebel und dickem Wetter ihren Kours sortzusetzen. So trat die Nebel signalfrage an die alte Brüderschaft des Trinity-House welcher die Fürsorge für die Seeschiffszeichen an unseren Küsten obliegt. Es wäre unnütz, der zahlreichen und zum großen Theil höchst unpraktischen Vorschläge zu gedenken, welche von Zeit zu Zeit auf diesem Felde dem Trinity- House zugingen. Ich begnüge mich damit, zu erklären, daß vor 1872 die wirkliche Kenntniß des Gegenstandes außer ordentlich gering war, sowohl hinsichtlich der Erzeugung wie der Wirkung paffender Töne und über die Hörweite von Tönen verschiedener Art gingen ebenso abweichende wie unzuverlässige Darlegungen ein. Die zahlreichen, deqr Trinity-House gemachten Vorschläge zeichneten sich überhaupt durch Unreife und mangelnde Sachkenntniß aus." Tagesschau. Freiberg, den 11. Januar. Der Entwurf eines Reichsgesetzes über die Anzeige pflicht bei ansteckenden und gemeingefährlichen Krankheiten, welcher seit dem Winter 1875 dem Bun- deSrathe vorliegt, wird in der künftigen Reichstag-session endlich zur Erledigung gelangen. In Bezug auf diesen Entwurf hat der Bundesrath im Fiühjahr 1876 beschlossen, daß mit Rücksicht auf die enge Verbindung, welche zwischen der gesetzlichen „Anzeigepflicht bei ansteckenden Krankheiten" und der „Einführung der obligatorischen Leichenschau" be lehr, der Gesetzentwurf erst gleichzeitig mit dem noch in der Vorbereitung befindlichen Gesetzentwürfe über Einfüh rung der obligatorisch'n Leichenschau vorzulegen sei. Wie bereits gemeldet, ist dieser letztere Entwurf ganz kürzlich fertiggestellt worden. Ueber den wesentlichen Inhalt der selben verlautet aus sicherer Quelle Folgendes: „Die Be stattung einer Leiche darf erst nach stattgefundener Leichen schau erfolgen. In jeder Gemeinde wird die erforderlich» Anzahl von Personen, welche bie Leichenschau vorzunehmen Haden, mit Zustimmung des zuständigen Medizinalbeamten angestellt und verpflichtet. D»r Leichenbeschauer hat durch Prüfung an Ort und Stelle sich von dem wirklich erfolg ten Tode zu überzeugen, und sofern nicht der Verdacht einer gewaltsamen Todesart vorliegt, über den Todesfall einen Leichenbestattungsschein nach dem vorgeschriebenen Schema auSzustellen, welches mindestens folgende Angaben enthalten soll: 1. Sterbeort, 2. Vor- und Familiennamen des Verstorbenen, 3. Geburtsjahr und Tag, 4. Familien stand, 5. Beruf, 6. Tag und Stunde des erfolgten Tode-, 7. Todesursache, 8. ob diese ärztlich beglaubigt, 9. Ort, an welchem die Leichenschau vorgenommen, 10. Namen des Leichenbeschauers. Hat der Verstorbene in ärztlicher Behandlung gestanden, so hat der betreffende Arzt die Todesursache in dem Leichenbeslaltungsschein« anzugeben: andernfalls hat der Leichenbeschauer nach Erkundigung bei den Angehörigen deS Verstorbenen oder anderen glaub würdigen Personen die Todesursache einzuschreiben. Der Leichenbeschauer hat den Leichenbesiattungsschein in zwei