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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. ^178. Mittwoch, den 4. August. 1875. WAckergerAnMerW -afie 96L. II. Et. Handlung, zu senden. und Tageblatt. Die Ledrutung der bischöflichen Unterwerfung. In Stunden ruhiger Ueberlegung mag den deutschen Bischöfen wohl manchmal die Frage aufgestoßen sein, was aus ihnen werden wird, wenn in dem mit so großer Er bitterung gegen das deutsche Reich geführten Kampfe eines schönen Tages der Vatikan über ihre Köpfe hinweg mit der Regierung Frieden schließen sollte. Wenn sie auch nicht gerade befürchten mögen, daß der Unfehlbare in Rom sie in diesem Falle als abgenutzte Werkzeuge bei Seite Wersen wird, so werden sie sich doch sagen, daß derselbe ebensowenig geneigt sein dürfte, ihnen die Verantwortlichkeit für ihre Hirtenbriefe und deren gesammten Inhalt abzunehmen und daß noch weniger die den Vatikan beherrschende Jesuiten partei bei einem solchen Friedensschluß mehr an die Interessen der Bischöfe, als an ihre eigenen denken wird. Es muß den Bischöfen ferner einen gelinden Schauer ver ursachen, wenn sie daran denken, daß eines Tages auch einmal ihre Partei die letzten Konsequenzen des kirchen politischen Kampfes ziehen und daß dann aus demselben : ein wirklicher auf Wiederherstellung der weltlichen Papst- I macht abzielender Krieg entstehen könnte. Daß angesichts derartiger Erwägungen bei den deutschen Bischöfen nicht manchmal der Wunsch nach einem leidlichen Frieden sich geltend machen sollte, kann nur Derjenige annehmen, welcher diese Herren völlig köpf- und sinnlos hält. Damit thäte man ihnen offenbar unrecht. Gleichwohl würde man fehlgehen, wollte man dieses I Friedensbedürfniß für stark genug halten, um die Bischöfe I bestimmen zu können, gegen die Zumuthungen des Vatikans I entschieden Front zu machen. Den Zeitpunkt hierzu haben I sie unwiederbringlich versäumt, als sie dem lächerlichen I llnfehlbarkeitsdogma sich unterwarfen, dessen Konsequenzen I ihnen jetzt der Vatikan zu tragen auferlegt. Sie sind I eben aus „Fürsten" der Kirche zu Unterbeamten der gerade I den Papst beherrfchenden römischen Priesterpartei degradirt I worden und können jetzt aus diesem Abhängigkeitsver- W hältniffe nicht mehr heraus. Diese Thatsachen müssen in I Rechnung gezogen werden, wenn man von einem Nach- I geben der Bischöfe und der ultramontanen Partei spricht. Wenn nun jünst die offiziöse Norddeutsche Allgemeine I Zeitung aus der Unterwerfung der Bischöfe unter das I Vermögensverwaltungsgesetz folgerte, daß damit das Prinzip I verlaffen sei, welches ultramvntanerseits bisher vorangestellt worden, nämlich das Prinzip, wonach der Staat in kirch lichen Dingen einseitig nichts zu bestimmen habe, sondern den Weg der Vereinbarung mit dem päpstlichen Stuhle suchen müsse, so ist dies in gewisser Beziehung wohl ganz richtig ; aber der Gewinn, der hieraus gezogen werden kann, i ein verschwindend geringer, wenn nicht diesem Unter werfungsakte der Bischöfe noch einige andere, weitergehende olgen. , Das Vermögens-Verwaltungsgesetz war eine Maßregel von der einschneidendsten Bedeutung. Die Gewissensbeun ruhigungen, welche dasselbe den Bischöfen verursachte, kamen gar nicht in Betracht gegenüber den Vermögensnachtheilen und Einnahmeausfällen, welche dasselbe nicht blos vor übergehend, sondern infolge der Mündigkeitserklärung der Kirchengemeinden dauernd in Aussicht stellte. Ueberdies kam dieses Gesetz der ultramontanen Partei nicht über raschend; sie war im Gegentheil lange genug darauf vor bereitet, um sich über ihr Verhalten schlüssig machen zu können. Es darf also nicht Wunder nehmen, daß die Bi schöfe mit ihrem Beschluß ins Reine kamen, ehe das Gese selbst in Ausführung gebracht wurde, ehe das Schlimmste, was ihnen passiren konnte, über sie hereinbrach. Bekanntlich waren die großen Summen, welche auch in Preußen noch die „Kirche" besitzt, den Kirchengemeinden bisher vollständig entzogen. Die „Kirche" — ein ganz undeftnirbarer Begriff — besaß als Eigenthümerin Alles, was der fromme Sinn der Gläubigen für Kultuszivecke, zum Theil auch für Armen- und Krankenpflege geopfert hatte. Die Verwaltung dieses sogenannten Kircheneigen thums führte in der Gemeinde der Pfarrer ganz selbständig, indem er einfach die Revenuen für sich verbrauchte oder an das bischöfliche Amt ablieferte. Das Sprichwort: „Es stimmt wie eine Kirchenrechnung" bezeichnet in drastischer Weise, daß für die Gemeinden nach dem Abschluß der Rechnung nie etwas übrig blieb. Diesem unsicheren Zustande machte nun das Vermögens- Verwaltungsgesetz ein Ende. Die Kirchengemeinden setzte es in den Besitz und die Verwaltung des Kirchenvermögens ein und schob damit den Dispositionen der Geistlichen einen zeitgemäßen, aber allerdings unbequemen Riegel vor. Wäre dieses Gesetz ohne Mitwirkung der Geistlichen ausgeführt worden, so mußte die Kirche in erster Linie alles Kirchen vermögen den gewählten Gemeindevertretern ausliefern und das war mehr, als der ultramontane Opfermuth vertragen kann. Denn war die Auslieferung einmal erfolgt, so wäre es sehr schwierig gewesen, später die frommen Schafe wieder zur Zurückgabe des Kirchengutes zu bestimmen. So große Stücke auch die geistlichen Herren auf die Frömmigkeit ihrer Heerden halten, so wissen sie doch auch sehr gut, daß in Geldsachen nicht nur die Gemüthlichkeit, sondern zuweilen elbst die Frömmigkeit aufhört. Es galt also vor allen Dingen die Herausgabe des Kirchenvermögens zu verhindern und um dies zu bewirken, erklärten die Bischöfe ihre Unterwerfung unter das Ver mögen-Verwaltungsgesetz. Hierin liegt die Hauptbedeutung des Unterwersungsaktes, obgleich der Rücktritt von dem be- ännten voll possumus ebenfalls sehr beachtenswerth ist. Die Herren haben A gesagt, sie werden später auch B und C sagen, wenn der Staat, was wir hoffen, nur konsequent bleibt. Tagesschau. Freiberg, den 3. August. Der deutsche Kaiser beabsichtigt nach den bisher getroffenen Dispositionen am nächsten Sonnabend auf seiner Rückreise von Gastein in Salzburg zu übernachten, am Sonntage über München nach Eger zu reisen, daselbst wieder zu über nachten und am Montage die Reise nach Berlin fortzusetzen. Die Botschafter des deutschen Reiches treten, wie alljährlich, auch jetzt ihre Urlaubsreisen an. In neuerer Zeit giebt aber fast jeder einzelne dieser Fälle Gelegenheit, von an geblich entstandenen Differenzen und dem möglichen Rücktritt der Botschafter zu sprechen. In diesem Sinne wurde bei Gelegenheit der Urlaubsreise des Herrn von Keudell in einigen italienischen Blättern behauptet, derselbe hätte nur unter der Bedingung auf seinen Posten zurückkehren zu wollen erklärt, daß einzelne Preßstimmen in Berlin zum Schweigen gebracht würden, welche die Haltung des italieni schen Hofes in Bezug auf die kirchenpMtlschen Fragen ver dächtigten. Jetzt will man auch dem deutschen Botschafter am englischen Hofe Grafen Münster die Absicht imputiren, schon im Herbst seine Abberufung beantragen zu wollen. Alle diese Behauptungen entbehren natürlich jeder thatsäch- lichen Begründung. Sämmtliche klerikale Blätter Baierns melden überein stimmend, das Ministerium habe vom Könige Ludwig die Ermächtigung erhalten, im Bundesrathe einer etwaigen Ausdehnung des Ies uit en ges etzes auf die Orden der Franziskaner, Kapuziner und Karmeliter zuzustimmen. Man kann nur wünschen, daß sich diese Nachricht bestätigen möge. Das fünfte deutsche Bundesschießen wurde am Sonntage Vormittag 10 Uhr in Stuttgart durch einen großen Festzug eröffnet, der sich vom Schloßplatz durch die Hauptstraßen der Stadt nach dem Schützenfestplatze bewegte und erst gegen 12 z Uhr auf dem letzteren anlangte. Die F? uiUeLoN. Am Abgrunde. Roman von Ed. Werner (Fortsetzung.) Der Nachfolger Ludwig Steinbachs auf dem Brend- linger Gutshofe, jener gar zu devote ältere Mann, kam von einem Ritte in geschäftlichen Angelegenheiten nach Blendlingen zurück und begab sich alsbald nach Werden- bergs Arbeitszimmer. „Sie waren in der Stadt?" fragte der Gutsherr den Eintretenden. „Ich komme von dort, gnädiger Herr und habe die mir zu Theil gewordenen Aufträge ausgeführt, wie Sie aus diesen Papieren hier gefälligst ersehen wollen." Werdenberg nahm die überreichten Papiere zur Hand und sah sie ein. Dann, noch beim Lesen und Blättern, i warf er beiläufig die Frage hin: „Nichts Neues, Herr Verwalter?" „Nichts, gnädiger Herr!" „Der Dieb noch nicht entdeckt, welcher bei Nordheim «ingebrochen ist und die preußischen Kassenscheine gestohlen hat? Nicht wenigstens ein Verdacht? „Ich erkundigte mich bei einem Polizeibeamten; aber man hat noch nicht die geringste Spur zu finden vermocht. «Die Anzeige von dem Einbruchdiebstahle steht jetzt im amt- Ilichen Blatte und ist eine Belohnung ausgesetzt. Uebrigens glaube ich doch, daß der Dieb ermittelt werden wird." „Weil die gestohlenen Scheine an jener Namens zeichnung kenntlich sind, meinen Sie?" I „Allerdings, Herr Werdenberg. Preußische Zehnthaler- Icheine werden jetzt in Folge der Bekanntmachung weit und wreit mit mißtrauischen Augen betrachtet." Der Gutsherr hatte indessen die Prüfung der ihm übergebenen Schriftstücke vollendet und erklärte sich zu friedengestellt, worauf der Verwalter sich entfernte. Kaum hatte sich hinter ihm die Thür geschlossen und kaum saß der alte Herr wieder arbeitend bei seinen Büchern, da klang aus dem über dem Arbeitszimmer belegenen, durch eine Wendeltreppe mit demselben in Verbindung stehenden Arbeitsraume Wally's Stimme, welche mit aufgeregter Stimme rief: „Vater, bitte, hättest Du einige Minuten frei?" „Etwas Dringliches?" fragte der alte Herr. „Etwas sehr Wichtiges! Bitte, komm' herauf! Oder bist Du allein? So komme ich zu Dir." „Ich werde sofort bei Dir sein, Wally." Werdenberg stand auf, verschloß die Thür seines Arbeitszimmers von Innen und stieg die Wendeltreppe hinan. An der obersten Stufe derselben stand, noch mehr blaß als bisher schon immer, mit zuckenden Lippen und thränenschweren Augen, in der einen Hand einen feinen beschriebenen Briefbogen mit einer verschlungenen Namens chiffre darauf — Wally und erwartete den Vater. „Nun, nun, was giebt es denn da?" rief der alte Herr, erschreckend über das von Angst zeugende Aussehen seiner Tochter. „Was ist Dir geschehen, Kind?" „Soeben habe ich aus der Residenz diesen Brief einer früheren Pensionsgenossin erhalten, Vater. Lina von Wittritz war eigentlich niemals meine Freundin. Um so mehr muß ich ihr für die Aufmerksamkeit danken, daß sie mir diese Zeilen zukommen ließ." „Und welche Nachricht enthalten diese Zeilen?" fragte der Gutsherr, ohne den Brief, den ihm Wally hinhielt, derselben abzunehmen. „Was kann Dich so sehr aufregen?" „Vater, es ist etwas Entsetzliches für mich: ich bin die ahnungslose Ursache, das heute zwei Männer auf einander schießen werden." „Was?!" rief Werdenberg und prallte betroffen zurück. Ein Duell — Deinetwegen?" Wally nickte bejahend mit dem Kopfe. „Und wer, wer wird sich schlagen? Welches ist der Be leidiger, welches der Beleidigte?" „Nimm und lies selber, Vater. Mir zuckt das Herz vor Weh — es ist, als ruhe ein Fluch auf meinem Dasein, als sollte nur Unglück durch dasselbe hervorgerufen werden." „Kind, Kind!" mahnte ernst und betrübt der Vater und hob das schwer niederhängende schöne Haupt Wally's empor und versuchte, ihr in die Augen zu blicken, aus denen sich jetzt haltlos die Thränen ergossen. „Laß mich nur, Vater," bat das Mädchen. „So leicht setzt man sich über dergleichen nicht hinweg." „Du mußt so etwas nicht so schwarz ansehen, meine Tochter. Hast Du etwas gethan, um das Duell herbei zuführen, von welchem Du sprichst? Doch wohl nicht, wie ich erwarten darf. Oder ist es etwa — Ludwig Stein bach, der sich zum Ritter Deiner Ehre^macht?" Wally schüttelte mit dem Kopfe. Sie glaubte doch wohl des Geliebten Charakter hinlänglich zu kennen, um sich davon überzeugt zu halten, das er gewiß nicht auf eine Forderung hörte, oder wohl gar eine folche Jemandem zuschickte. Nun griff Werdenberg doch nach dem Briefe des Fräulein Lina von Wittritz, um ihn zu lesen — da trat der Diener herein und meldete den Herrn Nordheim. Ein Aufschrei war Wally's Antwort auf diese Meldung und auch Werdenberg hatte schon genug von den zierlichen Zeilen des duftigen Billets gelesen, um diesen Aufschrei zu verstehen. Er sagte dem Diener, indem er den Brief zu sammenfaltete und einsteckte, daß es ihm besonders an genehm sei, Herrn Nordheim empfangen zu können.